TE Vwgh Beschluss 2019/1/24 Ra 2018/21/0240

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Veröffentlicht am 24.01.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §56;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52;
FrPolG 2005 §53;
FrPolG 2005 §59 Abs4;
SMG 1997 §39 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des S A in W, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. Juli 2018, L502 2198125-1/10E, betreffend (insbesondere) Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist türkischer Staatsangehöriger. Er wurde 1982 in Österreich geboren, wuchs hier auf und verfügte bis November 2006 über gültige Aufenthaltstitel.

2 Spätestens ab 1998 wurde der Revisionswerber straffällig. Es kam deswegen bis 2006 zu insgesamt 15 strafgerichtlichen Verurteilungen, und zwar zuletzt insbesondere wegen der Begehung von Körperverletzungen und von Delikten nach dem SMG. Dem Vollzug der deshalb ab 2004 verhängten Freiheitsstrafen entzog sich der Revisionswerber durch Untertauchen. Am 12. Februar 2017 wurde er allerdings aufgegriffen, festgenommen und in der Folge mit in Rechtskraft erwachsenem Strafurteil vom 2. August 2017 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels, begangen im Zeitraum Jänner bis Juni 2006, zu einer weiteren Freiheitsstrafe (zwei Jahre) verurteilt.

3 Bereits ab 14. Februar 2017 hatte sich der Revisionswerber im Hinblick auf Verurteilungen aus 2004 und 2005 in Strafhaft befunden. Aus dieser wurde er am 24. Juni 2018 - bei verbleibendem Strafrest von 10 Monaten - bedingt entlassen. In Bezug auf die vorgenannte letzte Verurteilung vom 2. August 2017 wurde ihm - ebenso wie für eine weitere Verurteilung aus 2006 - gemäß § 39 Abs. 1 SMG ein Strafaufschub für zwei Jahre ab dem Tag der eben angesprochenen bedingten Entlassung aus der Strafhaft gewährt.

4 Angesichts seines rechtswidrigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und seiner strafrechtlichen Verfehlungen erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber, dem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungwürdigen Gründen nicht erteilt wurde, eine Rückkehrentscheidung und ein sechsjähriges Einreiseverbot (samt Nebenaussprüchen). In diesem Bescheid stellte das BFA insbesondere fest, dass sich der bis 2007 im Bundesgebiet gemeldete Revisionswerber bereits seit 2006 nicht mehr in Österreich aufgehalten habe; er habe sich gemäß einem Bericht der LPD Vorarlberg 2006 nach Gran Canaria abgesetzt und sei ab 2014 mehrmals in Spanien - unter einer Aliasidentität - in Haft gewesen.

5 Diese Feststellungen blieben in der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde unbestritten. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diese Beschwerde als unbegründet ab. Dazu sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber in der nach Ablehnung der Behandlung seiner an den Verfassungsgerichtshof erhobenen und von diesem an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde (VfGH 9.10.2018, E 3461/2018-5) ausgeführten gegenständlichen außerordentlichen Revision geltend, es fehle aktuelle Rechtsprechung zur Frage, ob gegen einen 1982 in Österreich geborenen türkischen Staatsangehörigen, der sein ganzes Leben in Österreich (beinahe 36 Jahre) verbracht habe, eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen werden dürften. Dies sei nach Ansicht des Revisionswerbers angesichts seiner Beziehungen zu Österreich und fehlender Kontakte zur Türkei nicht der Fall.

9 Mit diesem Vorbringen vermag der Revisionswerber die Zulässigkeit seiner Revision indes schon deswegen nicht zu begründen, weil auch das BVwG festgestellt hat, er habe bereits 2006 das österreichische Bundesgebiet "nach Gran Canaria" verlassen und sei dann in Spanien "mehrfach polizeilich in Erscheinung" getreten. Insofern wurden die schon im Bescheid des BFA getroffenen und in der dagegen erhobenen Beschwerde unbestritten gebliebenen Feststellungen über die langjährige Abwesenheit des Revisionswerbers von Österreich im angefochtenen Erkenntnis im Ergebnis wiederholt.

10 Auch in der nunmehr erhobenen Revision wird an keiner Stelle auf den festgestellten Auslandsaufenthalt des Revisionswerbers eingegangen. Vor diesem Hintergrund ist dem Vorbringen in der wiedergegebenen Zulässigkeitsbegründung über einen durchgehenden Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich von Geburt an die Basis entzogen und es erweist sich das insoweit von einer falschen Prämisse ausgehende Zulässigkeitsvorbringen damit von vornherein als nicht zielführend.

11 Der Vollständigkeit halber ist aber noch anzumerken, dass die im Zusammenhang damit aufgestellte Behauptung, der Revisionswerber müsse auf Grund der angefochtenen Entscheidung seine im Rahmen des gewährten Strafaufschubes nach § 39 Abs. 1 SMG begonnene Therapie abbrechen, nicht zutrifft. Denn gemäß § 59 Abs. 4 FPG ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit einer Rückkehrentscheidung für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde. Das ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes so zu interpretieren, dass die Durchsetzbarkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch in jenen Fällen aufgeschoben wird, in denen über den Fremden auf Grund einer mit Strafe bedrohten Handlung eine Freiheitsstrafe unbedingt verhängt, aber - etwa auf Grund eines Strafaufschubes nach § 39 Abs.1 SMG - noch nicht (zur Gänze) vollzogen worden ist (vgl. grundlegend schon zur mit § 59 Abs. 4 FPG gleichlautenden Formulierung des § 40 Abs. 1 zweiter Satz FrG 1997 VwGH 31.3.2000, 99/18/0419, VwSlg. 15390 A; zur Übertragbarkeit dieser Judikatur auf aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach dem FPG siehe VwGH 18.12.2008, 2007/21/0555). Für die Dauer des Strafaufschubes nach § 39 Abs. 1 SMG (und die im Zuge dessen durchgeführte Suchtgifttherapie) darf eine Abschiebung des Revisionswerbers daher ohnehin nicht erfolgen.

12 Wie dargelegt, geht das Zulässigkeitsvorbringen des Revisionswerbers ins Leere. Da er somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen vermag, war seine Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2019

Schlagworte

Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der RechtswirkungenIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210240.L00

Im RIS seit

01.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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