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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Dr. Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in Wien I, Schwarzenbergstraße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 15. September 1998, Zl. Senat-BN-98-002, betreffend Wiedereinsetzung und Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchabschnitt I des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B. (BH) vom 4. November 1997 wurde der Strafantrag des Beschwerdeführers vom 18. August 1997, mit dem er die Bestrafung von Gendarmeriebeamten wegen Ehrenkränkung beantragt hatte, als verspätet eingebracht zurückgewiesen.
Als Zustelladresse des Beschwerdeführers wurde in diesem Bescheid 1050 Wien, X-Gasse, angegeben. Der Bescheid wurde durch Hinterlegung beim Postamt 1050 Wien am 7. November 1997 zugestellt.
Innerhalb der Berufungsfrist beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Zuerkennung von Verfahrenshilfe zwecks Einbringung einer Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid der BH.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Dezember 1997 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Verfahrenshilfe abgewiesen. Dieser Bescheid wurde durch Hinterlegung beim Postamt 1050 Wien am 18. Dezember 1997 zugestellt.
In der Folge erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 2. Jänner 1998, welcher am 3. Jänner 1998 beim Postamt Keszthely in Ungarn zur Post gegeben wurde, Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid der BH vom 4. November 1997. Gleichzeitig brachte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist ein, den er damit begründete, er habe die Berufung rechtzeitig am 2. Jänner 1998 zur Post geben wollen, doch sei überraschend an diesem Tag das Postamt in Keszthely am Nachmittag geschlossen gewesen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 15. September 1998 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (Spruchabschnitt I). Unter Spruchabschnitt II wurde die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 4. November 1997 als verspätet zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in seinem Recht auf meritorische Behandlung der Berufung gegen den Bescheid der BH vom 4. November 1997 verletzt erachtet.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I. Nach § 71 Abs. 4 AVG ist zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
Versäumte Handlung war im Beschwerdefall die (rechtzeitige) Einbringung der Berufung gegen den Bescheid der BH vom 4. November 1997.
Nach § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Demnach war die BH jene Behörde, bei der die versäumte Handlung, nämlich die (rechtzeitige) Berufung vorzunehmen war; die BH war daher auch jene Behörde, die über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hatte. Daran ändert auch die Anordnung im § 63 Abs. 5 AVG nichts, dass dann, wenn eine Berufung innerhalb der Berufungsfrist bei der Berufungsbehörde eingebracht wird, dies als rechtzeitige Einbringung gilt und die Berufungsbehörde die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten hat. Durch diese Anordnung wird lediglich die Rechtzeitigkeit einer Berufung fingiert, die abweichend von § 63 Abs. 5 erster Satz AVG nicht bei der Behörde eingebracht wird, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat; nicht hingegen wird damit die Berufungsbehörde auch zu jener Behörde gemacht, bei der die Berufung einzubringen ist.
Über den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers hatte demnach die BH und nicht die belangte Behörde zu entscheiden.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich Spruchabschnitt I des angefochtenen Bescheides als rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, weshalb dieser Teil des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen inhaltlich einzugehen war.
II. Mit der Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 9. Dezember 1997, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Verfahrenshilfe abgewiesen wurde, begann gemäß § 51 Abs. 5 VStG die Berufungsfrist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid der BH vom 4. November 1997 zu laufen.
Der Bescheid der belangten Behörde vom 9. Dezember 1997 wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 18. Dezember 1997 zugestellt. Die Berufungsfrist endete demnach mit 2. Jänner 1998. Die am 3. Jänner 1998 zur Post gegebene Berufung erweist sich als verspätet.
Dass die Berufung gegen den Bescheid der BH vom 4. November 1997 verspätet eingebracht wurde, hat der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag selbst bestätigt.
Dem Beschwerdeführer wurden die behördlichen Erledigungen im Verwaltungsverfahren unter der Adresse 1050 Wien, X-Gasse, zugestellt. Er hat im Zuge des Verwaltungsverfahrens nie bestritten, in 1050 Wien, X-Gasse, eine Abgabestelle zu haben; vielmehr ist er in seinen Eingaben, insbesondere bei den in der Berufung gegen den Bescheid der BH vom 4. November 1997 enthaltenen Ausführungen über die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides und die Berechnung der Berufungsfrist immer davon ausgegangen, dass die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die in der Beschwerde erstmals aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe in 1050 Wien, X-Gasse, keine Abgabestelle gehabt, ist vor diesem Hintergrund unverständlich.
Da somit die Berufung gegen den Bescheid vom 4. November 1997 verspätet eingebracht wurde, erfolgte deren Zurückweisung zu Recht.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchabschnitt II des angefochtenen Bescheides richtet, als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999100026.X00Im RIS seit
20.11.2000