TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/29 W169 2181426-1

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Veröffentlicht am 29.01.2019
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Entscheidungsdatum

29.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W169 2181426-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.11.2017, Zl. 1053640707-150269304, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides wird festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG idgF eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem Beschwerdeführer gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm 55 Abs. 2 AsylG 2005 idgF ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Gang des Verfahrens:

1. Der Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner damaligen Ehegattin und den beiden gemeinsamen Kindern illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 16.03.2015 stellten sie Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte der Beschwerdeführer aus, dass er traditionell verheiratet sei, aus Kabul stamme und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er von einem Mann, welcher in seine Frau verliebt gewesen sei, angeschossen worden sei. Aus Angst, dass dieser nochmals versuchen könnte, ihn umzubringen, sei er nach Pakistan geflüchtet, wo er sich acht Monate aufgehalten habe. Durch seinen Schwiegervater habe er erfahren, dass dieser Mann immer noch nach ihm suche.

2. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 10.10.2017 führte der Beschwerdeführer aus, dass er in Kabul geboren worden sei, der Volksgruppe der Hazara angehöre und seit 2007 verheiratet sei. Sie seien traditionell verheiratet, es sei eine arrangierte Ehe gewesen. Nach der Heirat habe er gemeinsam mit seiner Ehegattin in Kabul gelebt. Seine Gattin habe sich vor neun Monaten von ihm getrennt, die gemeinsamen minderjährigen Kinder würden bei ihm leben. Hinsichtlich der Kinder seien sie beide obsorgeberechtigt. Im Heimatland (in Kabul) würden seine Schwiegereltern sowie seine Mutter, zwei verheiratete Schwestern, ein Onkel mütterlicherseits, drei Tanten mütterlicherseits und drei sehr enge Freunde von ihm leben. Zu seinen Schwestern und seinen drei Freunden in Kabul habe er laufend Kontakt. Einem Freund habe er sein Geschäft, in welchem er Motorradteile verkauft habe, verkauft. Sein Vater sei sehr früh an Krebs verstorben, weshalb er schon von klein an gearbeitet habe. Er habe Teppiche geknüpft und danach Motorräder gekauft, diese serviciert und dann wiederverkauft. Von dieser Arbeit hätten sie sehr gut in Afghanistan leben können. Bis zu seinem 18. Lebensjahr habe er in Afghanistan gelebt, dann sei er drei Jahre lang im Iran aufhältig gewesen, wo er als Schneider gearbeitet habe. Im Jahr 2002 sei er wieder nach Kabul zurückgekehrt, wo er bis 2015 gelebt habe. Vor seiner Ausreise habe er sich acht Monate in Pakistan aufgehalten. Er sei in Afghanistan niemals politisch tätig gewesen, auch habe er keine Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit bzw. Volksgruppenzugehörigkeit gehabt. Er sei auch nicht Mitglied einer politischen Partei gewesen. Er habe aber Probleme mit Privatpersonen gehabt. Er sei im Winter 2014 von einem früheren Freund seiner Ehegattin zu Hause angeschossen worden. Deshalb sei er zwei Wochen im Krankenhaus gewesen, wo ihm eine Kugel herausoperiert worden sei. Danach sei er für acht Monate nach Pakistan gegangen, da er sich dort habe behandeln lassen wollen. Der Mann habe ihn umbringen wollen, damit er seine Frau heiraten könne. Er halte sich nach wie vor in Kabul auf. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst vor seinem Feind. Nach Vorhalt, dass er sich auch in einer anderen Provinz in Afghanistan niederlassen könnte, gab der Beschwerdeführer an: "Ich habe alles, was ich für die Reise gehabt habe schon ausgegeben, von was soll ich dann leben." In Afghanistan gäbe es keine Sicherheit und "viele Anschläge, den IS und die Taliban".

Zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er bereits eine A1-Prüfung abgelegt habe; er habe auch eine A2-Prüfung machen wollen, dann seien aber die Probleme mit seiner Frau dazwischengekommen. Er gehe zurzeit keiner Arbeit nach, da er auf seine Kinder aufpassen müsse. Er hoffe, dass seine Frau wieder zu ihm zurückkomme. Ansonsten würde er eine Teilzeitstelle beginnen. Er habe von klein an gearbeitet, er sei müde, zu Hause zu sitzen. Er habe viele Freunde in Österreich, sowohl Österreicher als auch Afghanen. Er wolle, dass seine Kinder hier in Österreich eine gute Zukunft haben.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt zu Afghanistan vorgelegt und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag wurde hinsichtlich der ehemaligen Gattin sowie der beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder gleichlautend entschieden.

4. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.11.2017 hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und ist er der Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl substantiiert entgegengetreten. Darüber hinaus wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

5. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 19.03.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 15 und 87 Abs. 1 StGB sowie § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt.

6. Am 29.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und sein rechtsfreundlicher Vertreter teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist bei der Verhandlung entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen sowie seinen Integrationsbemühungen in Österreich befragt (siehe Verhandlungsprotokoll OZ 10Z).

7. Am 29.08.2018 übermittelte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht ein Protokoll des Bezirksgerichtes XXXX hinsichtlich der Obsorge für die beiden minderjährigen Kinder.

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Bis dato langte keine diesbezügliche Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt Kabul geboren, ist dort aufgewachsen und besuchte dort zwei Jahre die Schule. Da sein Vater sehr früh verstarb, arbeitete er bereits als Kind als Teppichknüpfer und im Verkauf. Der Beschwerdeführer lebte auch drei Jahre im Iran, wo er als Schneider arbeitete. 2002 kehrte er wieder nach Kabul zurück, wo er bis zur Ausreise ein Geschäft betrieb (er kaufte alte Motorräder, reparierte diese und verkaufte diese wieder) und somit den Lebensunterhalt der Familie finanzierte. Der Beschwerdeführer heiratete 2007 in Kabul traditionell seine damalige Ehegattin und lebte nach der Hochzeit mit ihr im Haus seiner Eltern in Kabul. Im Heimatland, in der Stadt Kabul, leben die Mutter des Beschwerdeführers, zwei verheiratete Schwestern sowie ein Onkel mütterlicherseits, drei Tanten mütterlicherseits, drei sehr gute Freunde des Beschwerdeführers und die Schwiegereltern. Die Ehegatten der Schwestern des Beschwerdeführers gehen einer Arbeit nach und sorgen für den Unterhalt der Familie. Eine Schwester besitzt mit ihrem Ehegatten ein eigenes Haus, die andere Schwester lebt bei ihrer Schwiegerfamilie. Der Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers arbeitet als Maurer, ein Schwager arbeitet als Taxifahrer, der andere als Teppichknüpfer. Der Onkel mütterlicherseits und die beiden Tanten mütterlicherseits besitzen jeweils ein Haus in der Stadt Kabul. Das Elternhaus des Beschwerdeführers wurde für die Ausreise verkauft. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt gelegentlich bei den Schwestern des Beschwerdeführers bzw. bei ihrem Bruder. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seinen Schwestern und seinen Freunden, insbesondere auch zu jenem, der ihm sein Geschäft in Kabul abkaufte.

Mit den Behörden in seinem Heimatland hatte der Beschwerdeführer keine Probleme.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubwürdig und werden dem Verfahren nicht zugrunde gelegt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan könnte sich der Beschwerdeführer, ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, der Dari spricht, mit den kulturellen und örtlichen Gepflogenheiten seines Heimatlandes vertraut ist und über eine jahrelange Arbeitserfahrung verfügt, wieder bei seinen Verwandten in der Stadt Kabul niederlassen. Darüberhinaus ist auch von einer finanziellen Unterstützung seiner in Kabul lebenden Verwandten auszugehen. Durch die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat würde dieser somit - unter Beachtung der Lage im Herkunftsstaat und seiner individuellen Situation - nicht in seinen Rechten gemäß Artikel 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nummer 6 und Nummer 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt oder würde diese für ihn als Zivilperson nicht eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen.

Die ehemalige Gattin des Beschwerdeführers hat sich vom Beschwerdeführer in Österreich am 12.01.2017 getrennt. Sie lebt seit diesem Zeitpunkt nicht mehr mit dem Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt. Seit der Trennung leben die gemeinsamen minderjährigen Kinder beim Beschwerdeführer, der für diese sorgt und diese erzieht. Die Obsorge hinsichtlich der minderjährigen Kinder steht beiden Kindeseltern gemeinsam zu. Alle zwei Wochen (von Freitag bis Sonntag) sind die Kinder bei der Kindesmutter. Die Kinder des Beschwerdeführers besuchen in Österreich den Kindergarten bzw. die Schule. Der Beschwerdeführer kümmert sich um die Kinder und um den Haushalt. Der Beschwerdeführer besucht in Österreich Deutschkurse, hat den A1-Deutschkurs absolviert und spricht Deutsch. Er hat soziale Kontakte in der Ortschaft, in der er mit den Kindern lebt. Er nimmt Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und ist gesund.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich nicht unbescholten. Mit Urteil des XXXX Steyr vom 19.03.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen versuchter absichtlich schwerer Körperverletzung und wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von 15 Monaten, bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt. Als mildernd wurde bei den Strafbemessungsgründen gewertet die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers, der teilweise Versuch und dass die Tat keine schweren Folgen hatte, als erschwerend, das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.01.2019, Zahlen W169 2181429-1/10E, W169 2181420-1/7E und W169 2181423-1/7E, wurde der ehemaligen Gattin des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. den gemeinsamen minderjährigen Kindern gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

AJ - Al Jazeera (30.12.2018): Afghan presidential elections postponed until July 20: official, https:// www.aljazeera.com/news/2018/12/afghan-presidential-elections-postponed-july-20-official-181230185336213.html, Zugriff 8.1.2019

AJ - Al Jazeera (25.12.2018): Kabul attack: Gunmen storm government building, kill dozens,

https://www.aljazeera.com/news/southasia/2018/12/gunmen-storm-kabul-government-compoundgun-battle-ensues-181224115249492.html, Zugriff 8.1.2019

IEC - Independent Electoral Commission (o.D.): 2018 Afghanistan Wolesi Jirga Elections, http://www.iec.org.af/results/en/home, Zugriff 17.12.2018

NYT - The New York Times (24.12.2018): Militants Storm Afghan Offices in Kabul, Killing Dozens, https://www.nytimes.com/2018/12/24/world/middleeast/kabul-militant-attack.html. Zugriff 8.1.2019

ORF - Österreichischer Rundfunk (24.12.2018): Tote bei Angriff auf Regierungsgebäude in Kabul, https://orf.at/stories/3105448/, Zugriff 8.1.2019

Reuters (30.12.2018): Afghanistan to delay presidential election to July: election body,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-election/afghanistan-to-delay-presidential-electionto-july-election-body-idUSKCN1OT0FR. Zugriff 8.1.2018

RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.12.2018): Afghan Commission Invalidates All Kabul Votes In October Parliamentary Election, https://www.rfer!.org/a/afghan-commission-invalidates-allkabul-votes-in-october-parliamentary-election/29640679.html. Zugriff 17.12.2018

TAZ - Die Tageszeitung (6.12.2018): Erste Wahl, dann das Chaos, https://www.taz.de/Parlamentswahl-in-Afghanistan/!5553677/, Zugriff 17.12.2018

Telepolis (15.12.2018): Chaos nach Parlamentswahlen, https://www.heise.de/tp/features/Chaosnach-Parlamentswahlen-4248743.html, Zugriff 17.12.2018

Tolonews (7.1.2019) IEC Accused of Making 'Fake Result Sheets' For Polling Stations,

https://www.tolonews.com/elections-2018/%E2%80%98iec-make-fake-result-sheets-pollingstations%E2%80%99, Zugriff 8.1.2019

Tolonews (25.12.2018): Kabul Attack Death Toll Rises To 43, https://www.tolonews.com/afghanistan/kabul-attack%C2%A0death-toll-rises-43. Zugriff 8.1.2019

Tolonews (12.12.2018): IEC Resumes Recounting Of Kabul Votes Under New Method,

https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iec-resumes-recounting-kabul-votes-under-new-method, Zugriff 17.12.2018

Tolonews (8.12.2018): IECC Conditions Decision To Review Kabul Votes,

https://www.tolonews.com/index.php/elections-2018/iecc-conditions%C2%A0decision %C2%A0%C2%A0review-kabul-votes. Zugriff 17.12.2018

WP - The Washington Post (30.12.2018): Afghanistan's presidential elections delayed until July,

https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistans-presidential-elections-delayed-until-julv/2018/12/30/038faea0-0c45-11e9-8f0c-6f878a26288a storv.html? noredirect=on&utm term=.07428f9afbb6, Zugriff 8.1.2019

ZO - Zeit Online (24.12.2018): Mindestens 32 Tote bei Angriff in Kabul,

https://www.zeit.de/news/2018-12/24/mindestens-32-tote-bei-angriff-in-kabul-181224-99-340827.Zugriff 8.1.2018

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018).

Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018). 1TV (31.10.2018): Suicide attack kills seven outside Kabul prison, http://www.1tvnews.af/en/news/

afghanistan/36271-suicide-attack-kills-seven-outside-kabul-prisonfbclid=IwAR2WADPVHTuF8LZMwm0-LYci05vz1p06BvgjhELlFr wLKNDNo8XQRLXnuQ. Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (21.11.2018): 'Brutal and barbaric': Victims recount horror of Kabul attack. https:// www.aljazeera.com/news/2018/11/barbaric-victims-recount-horror-kabul-attack-181121162807917.html. Zugriff 22.11.2018

AJ - Al Jazeera (12.11.2018): Kabul: Suicide bomber targets protesters demanding security,

https://www.aljazeera.com/news/2018/11/afghanistan-suicide-bomber-targets-protesters-kabul-181112094659291 .html. Zugriff 22.11.2018

ANSA - Agenzia Nazionale Stampa Associata (12.11.2018): Afghanistan:

67 morti in 24 ore, http://

www.ansa.it/sito/notizie/topnews/2018/11/12/afghanistan-67-morti-in-24-ore_71bfd73c-c68f-4182-a798-34b9ace3ae65.html. Zugriff 22.11.2018

Dawn (1.11.2018): Seven killed in suicide attack near Kabul prison.https://www.dawn.com/news/1442782/seven-killed-in-suicide-attack-near-kabul-prison. Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (20.11.2018): Mehr als 50 Tote bei Anschlag in Kabul.

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/afghanistan-kabul-explosion-anschlag-attentat-ulema-rat-versammlung-tote.

Zugriff 22.11.2018

DZ - Die Zeit (12.11.2018): Mehrere Tote bei Anschlag nahe Anti-Taliban-Demo.https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/kabul-anschlag-explosion-demonstration-taliban-regierungstruppen-ghasni.

Zugriff 12.11.2018

IFQ - Il Fatto Quotidiano (20.11.2018): Afghanistan. attacco kamikaze a Kabul durante incontro religioso: almeno 50 morti e 80 feriti gravi.

https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/11/20/afghanistanattacco-kamikaze-a-kabul-durante-incontro-religioso-almeno-40-morti-e-80-feriti/4779194/. Zugriff 22.11.2018

KP - Khaama Press (12.11.2018): Protesters gather near Presidential Palace in Kabul over recent wave of violence.

https://www.khaama.com/protesters-gather-near-presidential-palace-in-kabul-over-recent-wave-of-violence-02722/? fbclid=IwAR2cNvRcLjWNmzaEoWNieBq37J1eVAKL2aT 4vCqbU9HdYKpr30O1NoXe-g. Zugriff 22.11.2018

LE - L'Express (21.11.2018): Attentat a Kaboul : la lecture de verset du Coran soudain interrompue. raconte un blesse. https://www.lexpress.fr/actualites/1/monde/attentat-a kaboul-la-lecture-de-versets-du-coran-soudain-interrompue-raconte-un-blesse_2049660.html. Zugriff 22.11.2018

NYT - New York Times (20.11.2018): At Leas 55 Killed in Bombing of Afghan Religious Gathering.

https://www.nvtimes.com/2018/11/20/world/asia/afghanistan-wedding-hall-bombing.html. Zugriff 22.11.2018

Pajhwok Afghan News (31.10.2018): Suicide blast in front of Pul-i-Charhi prison leave 6 people dead.

https://www.pajhwok.com/en/2018/10/31/suicide-blast-front-pul-i-charkhi-prison-leave-6- people-dead. Zugriff 22.11.2018

SS - Stars and Stripes (20.11.2018): Suicide bomb attack in Kabul kills at least 43. wounds 83.

https://www.stripes.com/news/suicide-bomb-attack-in-kabul-kills-at-least-43-wounds-83-1.557397. Zugriff 22.11.2018

TNAE - The National (21.11.2018): Kabul reels in grief after wedding hall attack.

https://www.thenational.ae/world/asia/kabul-reels-in-grief-after-wedding-hall-attack-1.794365. Zugriff 22.11.2018

Tolonews (20.11.2018): Death Toll Rises To 50 In Kabul Wedding Hall Explosion,

https://www.tolonews.com/afghanistan/40-killed-80-wounded-kabul-wedding-hall-blast. Zugriff 22.11.2018

Tolonews (12.11.2018): Mol Confirms 6 Death In Kabul Explosion. https://www.tolonews.com/afghanistan/casualties-feared-explosion-rocks-kabul. Zugriff 22.11.2018

TS - Tagesschau (21.11.2018): Deutschland verurteilt Anschlag in Kabul. https://www.tagesschau.de/ausland/anschlag-kabul-135.html. Zugriff 22.11.2018

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

Quellen:

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AAN - Afghanistan Analysts Network (9.10.2018): Afghanistan Election Conundrum (16): Basic facts about the parliamentary elections,

https://www.afghanistan-analysts.org/afghanistan-election-conundrum-16-basic-factsabout-the-parliamentary-elections/, Zugriff 19.10.2018

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AAN - Afghanistan Analysts Network (26.9.2018): Afghanistan Election Conundrum (14): District council and Ghazni parliamentary elections quietly dropped,

https://www.afghanistan-analysts.org/afghanistan-election-conundrum-14district-counciland-ghazni-parliamentary-elections-quietly-dropped/, Zugriff 2.10.2018

-

AAN - Afghanistan Analysts Network (4.8.2018): Qari Hekmat's Islan Overrun: Taleban defeat 'ISKP' in Jawzjan, https://www.afghanistan-analysts.org/qari-hekmats-islandoverrun-taleban-defeat-iskp-in-jawzjan/, Zugriff 31.8.2018

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AJ - Al Jazeera (19.8.2018): Afghanistan's Ghani declares Eid ceasefire with Taliban,

https://www.aljazeera.com/news/2018/08/afghanistan-ghani-declares-eid-ceasefire-taliban- 180819143135061.html, Zugriff 31.8.2018

-

ANSA - Agenzia Nationale Stampa Associata (13.8.2018):

Afghanistan: a Ghazni 120 morti, http://www.ansa.it/sito/notizie/mondo/asia/2018/08/13/afghanistan-a-ghazni-120- morti_695579f5-407b-4e4f-8814-afcd60397435.html, Zugriff 31.8.2018

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Mai-September 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q2 und Q3, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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CBS News (14.8.2018): Taliban overruns Afghan base, killing 17 soldiers,

https://www.cbsnews.com/news/afghanistan-base-overrun-taliban-faryab-afghan-troopskilled-ghazni-fight/, Zugriff 31.8.2018

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GT - Gulf Today (12.9.2018): Scores killed in Afghan suicide attack,

http://gulftoday.ae/portal/efd26c1a-5e54-42e8-a810-7e18341d14e4.aspx, Zugriff 2.10.2018

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IEC - Independent Election Commission of Afghanistan (o.D.), http://www.iec.org.af/pdf/vr- 2018/vr-statistics.pdf, Zugriff 19.10.2018

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NYT - The New York Times (21.9.2018): The Death Toll for Afghan Forces Is Secret. Here's Why,

https://www.nytimes.com/2018/09/21/world/asia/afghanistan-securitycasualties-taliban.html, Zugriff 3.10.2018

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SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2018): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2018-07- 30qr.pdf, Zugriff 31.8.2018

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TG - The Guardian (19.8.2018): Afghan president announces conditional ceasefire with Taliban, https://www.theguardian.com/world/2018/aug/19/afghan-ashraf-ghani-conditionalceasefire-taliban-eid-al-adha, Zugriff 31.8.2018

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Tolonews (28.9.2018): Candidates Begin Campaign For Parliamentary Elections,

https://www.tolonews.com/elections-2018/candidates-begin-campaign %C2%A0parliamentary-elections, Zugriff 19.10.2018

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Tolonews (23.9.2018): Alarm Bells Ring Over High ANA Casualty Rate,

https://www.tolonews.com/afghanistan/alarm-bells-ring%C2%A0over%C2%A0high %C2%A0ana%C2%A0casualty-rate, Zugriff 3.10.2018

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Tolonews (19.8.2018): Ghani Announces Conditional Ceasefire, https://www.tolonews.com/

afghanistan/ghani-announces-conditional-ceasefire, Zugriff 31.8.2018

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (25.9.2018a):

Preliminary findings indicate airstrike killed 12 civilians in Maidan Wardak province,

https://unama.unmissions.org/preliminary-findings-indicate-airstrike-killed-12-civiliansmaidan-wardak-province, Zugriff 2.10.2018

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (25.9.2018b): Concern about rising number of civilian casualties from airstrikes, https://unama.unmissions.org/concern-aboutrising-number-civilian-casualties-airstrikes, Zugriff 2.10.2018

-

UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (17.9.2018): Briefing to the United Nations Security Council by the Secretary-General's Special Representative for Afghanistan, Mr. Tadamichi Yamamoto,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/17_september_2018_srsg_briefing_securi y_council_english.pdf, Zugriff 19.10.2018

-

UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (15.7.2018): Midyear Update on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_poc_midyear_update_2018_15_july_english.pdf, Zugriff 31.8.2018

-

UNGASC - General Assembly Security Council (10.9.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General https://unama.unmissions.org/sites/default/files/sg_report_on_afghanistan_12_sept.pdf

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UNGASC - General Assembly Security Council (6.6.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General https://unama.unmissions.org/sites/default/files/sg_report_on_afghanistan_6_june.pdf, Zugriff 31.8.2018

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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