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27/04 Sonstige Rechtspflege;Norm
GSchG §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Toifl, über die Beschwerde des St in 2344 Maria Enzersdorf, vertreten durch Dr. Fritz Leon, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 5, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 29. Jänner 1999, Zl. Jv 431-7b/99, betreffend Antrag auf Befreiung vom Amt eines Geschworenen und Schöffen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der angeschlossenen Bescheidausfertigung ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer wurde von der Bezirkshauptmannschaft M. (BH) in das Verzeichnis der Schöffen und Geschworenen aufgenommen.
Mit Schreiben vom 18. September 1998 hat er dagegen mit der Begründung Einspruch erhoben, im September des Jahres 2000 sein
65. Lebensjahr zu vollenden; außerdem halte er sich seit dem Ableben seiner Frau öfter als bisher in Mexiko auf, da er einer regelmäßigen Betreuung bedürfe.
Mit Bescheid der BH vom 17. November 1998 lehnte diese die Streichung des Beschwerdeführers aus dem Verzeichnis ab; begründend wurde dargelegt, dass das Vorbringen nicht als Befreiungsgrund nach § 4 des Geschworenen- und Schöffengesetzes 1990 (GSchG) angesehen werde.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Jänner 1999 keine Folge gegeben. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, er halte sich wesentliche Teile des Jahres in Mexiko auf, ohne dass es möglich sei, diesen Aufenthalt im Vorhinein festzulegen oder auch beliebig zu verlegen. Eine Abreise aus Mexiko wäre nicht nur mit unvertretbaren wirtschaftlichen Belastungen verbunden, sondern stelle auch eine unverhältnismäßige persönliche Belastung dar. Diesem Vorbringen komme nach Auffassung der belangten Behörde allerdings keine Berechtigung zu. Abgesehen davon, dass die Ladung als Geschworener während der zweijährigen Bestellungsdauer nicht planlos erfolge, sondern jeweils auf dasselbe Quartal beschränkt sei (im gegenständlichen Fall auf das 1. Quartal), habe der Beschwerdeführer seinen ordentlichen Wohnsitz im Sprengel der BH M. und somit auch im Sprengel des Landesgerichtes Wiener Neustadt. Die Vollendung des 65. Lebensjahres im September 2000 habe auf seine Berufung keinen Einfluss, da nur Personen, die im ersten Jahr, in dem sie als Geschworene oder Schöffen tätig sein sollten, das 65. Lebensjahr vollendeten, gemäß § 1 Abs. 2 GSchG die Voraussetzungen zur Ausübung des Amtes eines Geschworenen oder Schöffen nicht erfüllten. Sollte sich der Beschwerdeführer im konkreten Fall im Ausland aufhalten, so könne ihm eine Ladung ohnedies nicht zugestellt werden; ebenso könne seine Anreise aus Mexiko nicht verlangt werden. Außerdem sei eine Zustellung der Ladung in Mexiko nicht vorgesehen. Der Umstand des Vorhandenseins eines Zweitwohnsitzes stelle keinen Befreiungsgrund dar, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. In dieser wird im Wesentlichen vorgebracht, es stelle eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung im Sinne des § 4 Z. 2 GSchG dar, wenn der Beschwerdeführer zur Erfüllung seiner Pflichten eigens von Mexiko anreisen müsse. Die Tätigkeit einer einzigen Laienrichterschaft würde ihm Kosten in Höhe von ca. S 17.000,-- verursachen, wobei nur die Kosten der Anreise von seinem österreichischen Wohnsitz aus ersetzt würden. Aus § 3 Z. 7 GSchG, wonach Personen, die keinen Hauptwohnsitz im Inland hätten, als Geschworene oder Schöffen nicht zu berufen seien, müsse abgeleitet werden, der Gesetzgeber habe verhindern wollen, dass ein Österreicher eigens aus dem Ausland anreisen müsse, um seiner Bürgerpflicht als Laienrichter genüge zu tun. Im gegenständlichen Fall sei von Anfang an vorgebracht worden, dass der Beschwerdeführer nicht nur einen wesentlichen, sondern auch vor allem einen nicht bestimmbaren Teil des Jahres in Mexiko verbringe. Es sei ihm auch nicht zuzumuten, einen eigenen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, der ihn von seiner Pflicht, bei einem Verfahren als Laienrichter mitzuwirken, informiere. Nach dem in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten "Recht auf Privatleben" könne es einem Bürger nicht zugemutet werden, Weltreisen anzutreten, um eine Pflicht zu erfüllen, die ebenso gut durch viele andere erfüllt werden könne. Eine gegenteilige Interpretation verstoße auch gegen das "liberale Prinzip" der österreichischen Verfassung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Z. 2 GSchG sind vom Amt eines Geschworenen oder Schöffen auf Antrag für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren (Geltungsdauer der Jahreslisten nach § 12 Abs. 2) Personen zu befreien, bei denen die Erfüllung ihrer Pflicht als Geschworene oder Schöffen mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte oder mit einer schwer wiegenden und nicht anders abwendbaren Gefährdung öffentlicher Interessen verbunden wäre.
Auf diese Bestimmung können sich etwa Bedienstete des privaten und öffentlichen Bereiches, auf deren Mitarbeit auch für den Fall bloß kurzfristiger Abwesenheit auf Grund besonders gelagerter Umstände nicht verzichtet werden kann, aber auch allein erziehende Elternteile berufen, die unmündige Kinder zu betreuen haben, ohne auf ausreichende Unterstützung von dritter Seite zurückgreifen zu können (vgl. dazu die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 1193 BlgNR XVII. GP, abgedruckt bei W. Huber, Geschworenen- und Schöffengesetz 1990 (1991), 32f).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage stellt das Vorbringen des Beschwerdeführers, einen wesentlichen, "nicht bestimmbaren Teil des Jahres" aus privaten Gründen im Ausland zu verbringen, wobei eine Rückreise nach Österreich jedenfalls mit einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastung verbunden sei, keine geeignete Grundlage für eine generelle Befreiung im Sinne des § 4 Z. 2 GSchG dar. Einer sofortigen Rückreise aus dem Ausland mag im Einzelfall ein unabwendbares Hindernis im Sinne des § 16 Abs. 1 GSchG entgegenstehen, dass jedoch jede Abreise von vornherein mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung verbunden sei - man denke etwa an eine Rückkehr am Ende eines Auslandsaufenthaltes -, kann nach Auffassung des Gerichtshofes nicht gesagt werden. Inwieweit ein Verstoß gegen das "Recht auf Privatleben" sowie das "liberale Prinzip" der Bundesverfassung vorliegen soll, ist nicht ersichtlich.
Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob dem Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde meint - die Ladung ohnedies nicht zugestellt bzw. die Anreise aus Mexiko nicht verlangt werden könnte.
Da der Beschwerdeführer in Österreich einen Hauptwohnsitz hat, geht sein Hinweis auf § 3 Z. 7 GSchG ins Leere. Diese Bestimmung stellt nach dem Willen des Gesetzgebers auf Auslandsösterreicher ab (vgl. die bereits zitierten Erläuternden Bemerkungen, aaO), die - im Gegensatz zum Beschwerdeführer - gar keinen Wohnsitz in Österreich haben.
Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er meint, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft machen zu müssen, da ein solcher gemäß § 10 des Zustellgesetzes nur für das oder die bei einer Behörde anhängige(n) Verfahren zu bestellen ist.
Die vorliegende Beschwerde, deren Inhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war daher ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 31. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999100048.X00Im RIS seit
20.11.2000