Norm
DSG §1 Abs1Text
GZ: DSB-D123.527/0004-DSB/2018 vom 15.1.2019
[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Dr. Philipp A*** (Beschwerdeführer) vom 26. September 2018 gegen die Med-Search*** GmbH (Beschwerdegegnerin), vertreten durch Mag. Ottokar G***, Rechtsanwalt in Wien, wegen einer Verletzung im Recht auf Geheimhaltung sowie einer Verletzung im Recht auf Löschung wie folgt:
- Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsgrundlagen: Art. 12 Abs. 4, Art. 17, Art. 57 Abs. 1 lit f, Art. 77 Abs. 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; §§ 1, 24 Abs. 1 und 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. Mit Eingabe vom 26. September 2018 behauptete der Beschwerdeführer eine Verletzung im Recht auf Löschung und brachte zusammengefasst vor, dass er als Allgemeinmediziner bei der Arztsuch- und Bewertungsplattform der Beschwerdegegnerin, www.med-search***.at, gelistet sei. Er habe die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 30. Mai 2018 zur Löschung seiner sämtlichen Daten auf www.med-search***.at aufgefordert. Die Beschwerdegegnerin habe die Löschung jedoch in ihrem Antwortschreiben vom 30. Mai 2018 noch am selben Tag verweigert. Der Beschwerdeführer brachte weiter vor, dass die grundsätzlich öffentlichen Daten gemäß § 27 ÄrzteG durch die auf der Bewertungsplattform der Beschwerdegegnerin abgegebenen Bewertungen zu neuen – nicht veröffentlichten – Daten und Informationen generiert werden würden. Aufgrund der ständigen Rechtsprechung des EuGH müssten hier nicht einmal Geheimhaltungsinteressen verletzt werden, vielmehr sei auf sämtliche schutzwürdige Interessen abzustellen. Auch der deutsche BGH habe in seiner Entscheidung vom 23. September 2014 zur GZ VI ZR 358/13 erkannt, dass Bewertungen über Ärzte nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch eines Arztes hätten, sondern vielmehr auch die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen würden, wodurch sich die Bewertungen unmittelbar auf die Chancen des Arztes im Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirken und im Falle von negativen Bewertungen sogar die berufliche Existenz gefährden könnten. Darüber hinaus sei durch die Namensnennung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des § 16 ABGB verletzt, da aufgrund der Verknüpfung der allgemein zugänglichen Daten mit oftmals unrichtigen Behauptungen und Aussagen von Patienten das Ansehen und der gute Ruf beeinträchtigt sei.
2. Die Beschwerdegegnerin brachte dazu in ihrer Stellungnahme vom 30. Oktober 2018 zusammengefasst vor, dass tatsächlich öffentliche Daten gemäß § 27 ÄrzteG des Beschwerdeführers auf der Plattform www.med-search***.at veröffentlicht werden würden und Patienten dort Bewertungen und Erfahrungsberichte abgeben könnten. Die Verarbeitung der beschwerdegegenständlichen Daten erfolge auf Grundlage eines überwiegenden berechtigten Interesses der Beschwerdegegnerin. Dieses bestünde im Interesse, ein vollständig öffentliches Verzeichnis aller niedergelassenen Ärzte zu führen und den Patienten die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen zu diesen Ärzten zu lesen, zu veröffentlichen und die Arztsuche zu erleichtern. Die Beschwerdegegnerin biete Ärzten die Möglichkeit, sich zu präsentieren, Feedback zu erhalten und Erfahrungsberichte zu kommentieren. Das Interesse der Beschwerdegegnerin sei insbesondere durch das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit geschützt. Eine Zustimmung des Arztes sei nicht erforderlich. Darüber hinaus verbiete die Beschwerdegegnerin in ihren AGB unzulässige Inhalte, insbesondere unwahre und rufschädigende Aussagen. Für den Fall, dass tatsächlich von einem Patienten unrichtige Aussagen veröffentlicht werden würden, biete die Beschwerdegegnerin die Möglichkeit an, solche Erfahrungsberichte zu melden. Diese Erfahrungsberichte würden in jedem Einzelfall geprüft und gegebenenfalls entfernt werden. Darüber hinaus könnten Ärzte die Erfahrungsberichte von Patienten auch kommentieren. Aus der seitens des Beschwerdeführers genannten Entscheidung des deutschen BGH vom 23. September 2014 zur GZ VI ZR 358/13 sei nichts zu gewinnen: Der BGH habe die Verarbeitung von Ärztedaten zum Betrieb eines Arztsuch- und Bewertungsportals im Gegenteil für zulässig erachtet und den Löschanspruch des auf Löschung klagenden Arztes abgewiesen. Zum Beschwerdepunkt des Eingriffs in Namensrechte oder zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß § 16 ABGB sei festzuhalten, dass die Datenschutzbehörde hierfür nicht zuständig sei.
3. Der Beschwerdeführer replizierte darauf – nach Parteiengehör zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens – in seiner Stellungnahme vom 21. November 2018 zusammengefasst, dass die AGB der Beschwerdegegnerin tatsächlich beinhalten würden, dass unwahre Behauptungen oder unrichtige Erfahrungsberichte von Patienten unzulässig wären. Die Einhaltung der AGB werde jedoch von der Beschwerdegegnerin nicht überprüft, zumal die Beschwerdegegnerin schwerlich überprüfen könne, ob ein Patient bspw. tatsächlich so lange wie in der Bewertung angegeben im Wartezimmer habe warten müssen, zum anderen aufgrund des offensichtlich fehlenden Fachwissens oder der schlichten Untätigkeit der Beschwerdegegnerin. Der Beschwerdeführer legte seiner Stellungnahme diesbezüglich eine Beispielbewertung bei, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Darüber hinaus biete die Beschwerdegegnerin den Ärzten tatsächlich die Möglichkeit, Patientenbewertungen zu kommentieren. Dies sei jedoch nicht zumutbar, da der Beschwerdeführer täglich oder jedenfalls in sehr kurzen Intervallen die Plattform der Beschwerdegegnerin besuchen müsse, um Rechtfertigungen oder Erklärungen zu Patientenbewertungen abzugeben. Es könne nicht Teil der ärztlichen Tätigkeit sein, dass Ärzte unrichtige Aussagen von Patienten auf der Plattform entkräften müssten, um Ruf- und Geschäftsschädigungen abzuwenden. Der Ruf und das Ansehen eines Arztes sei ein überaus schutzwürdiges Interesse, weshalb die Interessenabwägung aufgrund des übergeordneten Interesses zugunsten der Ärzte ausfallen müsse. Die teils unrichtigen Tatsachenbehauptungen, Angaben und Beschwerden der Patienten auf der Plattform der Beschwerdegegnerin stünden in keinerlei Relation zu der den Ärzten geschehenden Ruf- und Geschäftsschädigung dadurch. Das Interesse der Allgemeinheit an teils sogar unrichtigen Tatsachenbehauptungen oder Informationen (über bspw. die Wartedauer im Wartezimmer bis zum Behandlungsbeginn) sei nicht gleichzusetzen mit dem Interesse der Allgemeinheit bei der Ausübung des Rechts auf Pressefreiheit oder für Zwecke der Forschung.
B. Beschwerdegegenstand
1. Für Parteieingaben ist nicht bloß der Wortlaut der Beschwerde, sondern auch der Wille der Partei beachtlich. Das Vorliegen von Voraussetzungen ist nicht streng formal zu interpretieren, sofern der Gegenstand des Verfahrens – wenn auch nach Auslegung des Vorbringens iSd §§ 6 u. 7 ABGB – zweifelsfrei, also ohne Möglichkeit einer Verwechslung zu erkennen ist (VwGH 13.11.2014, Ra2014/12/0010). Der – unvertretene und rechtsunkundige – Beschwerdeführer hat eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß § 16 ABGB geltend gemacht; eine Verletzung dieser Vorschrift wäre auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen. Dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers ist jedoch zu entnehmen, dass er die Feststellung begehrt, ob durch die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers auf www.med-search***.at eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung nach § 1 DSG vorliegt.
2. Darüber hinaus ist Beschwerdegegenstand die Frage, ob die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer dadurch im Recht auf Löschung verletzt hat, indem sie dem Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Mai 2018 auf Löschung all seiner Daten auf der Plattform www.med-search***.at nicht entsprochen hat.
C. Sachverhaltsfeststellungen
1. Der Beschwerdeführer praktiziert als Arzt für Allgemeinmedizin und ist Mitglied bei der Ärztekammer für Wien. Die Beschwerdegegnerin betreibt unter der Domain www.med-search***.at ein Arztsuch- und Bewertungsportal. Die Berufsadresse, Telefonnummer, Ordinationszeiten, Diplome und Zertifikate sowie Name des Beschwerdeführers werden auf der Webseite www.med-search***.at in Form eines Arztprofils veröffentlicht. Diese Datensätze bezieht die Beschwerdegegnerin aus der Quelle https://www.praxisplan.at/ (einer Webpage der Ärztekammer für Wien).
Patienten können in Form einer Bewertungsskala (1 Punkt = geringste Zufriedenheit, 5 Punkte = höchste Zufriedenheit) einen Arztbesuch insgesamt bewerten, wobei auch eine Detailbewertung (in Hinblick auf Einfühlungsvermögen, Vertrauensverhältnis, Behandlung, Serviceangebot, Praxisausstattung, Betreuung in der Praxis, Wartedauer im Warteraum und Wartedauer auf Termin) möglich ist. Darüber hinaus können Patienten in Form eines Freitextfelds einen kurzen Erfahrungsbericht verfassen.
Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der insofern unstrittigen Eingabe des Beschwerdeführers vom 26. September 2018, auf der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 30. Oktober 2018 sowie auf einer amtswegigen Recherche der Webpage www.med-search***.at und der Webpage der Ärztekammer für Wien, https://www.praxisplan.at/ (beide abgerufen am 10. Jänner 2019).
2. Die Beschwerdeführerin hat diverse Schutzmechanismen implementiert, um der Abgabe unsachlicher Erfahrungsberichte entgegenzuwirken. Neben jedem Erfahrungsbericht befindet sich ein „Flagge-Symbol“, damit Ärzte diesen melden können und der Bericht – nach entsprechender Überprüfung – auch wieder vom Arztprofil durch die Beschwerdegegnerin entfernt wird, sofern dieser gegen die AGB der Beschwerdegegnerin verstößt. Darüber hinaus ist ein Bewertungsfilter im Einsatz, um Mehrfach-Bewertungen innerhalb einer kurzen Zeit durch denselben Benutzer zu verhindern. Ferner können Ärzte die Erfahrungsberichte auch kommentieren und erhalten eine Benachrichtigungs-Mail bei Abgabe einer neuen Bewertung auf ihrem Arztprofil, wobei hierfür eine kostenlose Registrierung für diesen Service notwendig ist.
Die Beschwerdegegnerin bietet Ärzten auch die Möglichkeit an, ein Premium Profil Large, ein Premium Profil Medium und ein Premium Profil Small gegen Entgelt auf der Plattform www.med-search***.at zu beziehen. Die Marketing-Leistungsangebote der Beschwerdegegnerin variieren je nach angebotenem Profil. Darüber hinaus kann eine „Top-Position im Med-Search***-Suchergebnis“ gegen Entgelt erhalten werden. Unabhängig davon, ob es sich bei einem Arztprofil um einen zahlenden Arzt („Premiumeintrag“) handelt, oder um ein kostenfreies „Basisprofil“, werden auf den Profilen die örtlich praktizierenden Ärzte („Weitere Ärzte im Umkreis“) angezeigt.
Der „Praxismarketing für Ärzte“-Leitfaden der Beschwerdegegnerin lautet auszugsweise wie folgt (Formatierung nicht 1:1 wiedergegeben):
[Anmerkung Bearbeiter: Das hier im Original als Faksimile wiedergegebene Dokument von der Website der Schreiben kann für Zwecke der Rechtsdokumentation nicht mit vertretbarem Aufwand pseudonymisiert wiedergegeben werden. Es enthält eine tabellarische Leistungsübersicht hinsichtlich der „Premium-Einträge“.]
Beweiswürdigung: Die getroffenen Feststellungen beruhen auf einer amtswegigen Recherche auf der Webpage www.med-search***.at und dem frei abrufbaren „Praxismarketing für Ärzte“-Leitfaden der Beschwerdegegnerin (abgerufen am 10. Jänner 2018).
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
1. Zum Recht auf Geheimhaltung
Die Datenschutzbehörde ist als nationale Aufsichtsbehörde iSv Art. 51 DSGVO gemäß den §§ 18 Abs. 1 iVm 24 Abs. 1 DSG zuständig für Beschwerden, wenn eine betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO oder gegen § 1 oder Artikel 2 1. Hauptstück DSG verstößt.
Die Datenschutzbehörde hat sich bereits mit der Zulässigkeit der Veröffentlichung von Ärztedaten durch die Österreichische Ärztekammer (bzw. der Ärztekammer im jeweiligen Bundesland) auseinandergesetzt und festgehalten, dass sich die Berechtigung zur Veröffentlichung aus dem gesetzlichem Auftrag zur Führung einer elektronischen Liste („Ärzteliste“) der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen gemäß § 27 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ergibt (vgl. den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 17. Dezember 2018, GZ: DSB-D123.040/0006-DSB/2018; vgl. auch das Urteil des OGH vom 27. Juni 2016, GZ 6 Ob 48/16a).
Daraus erhellt sich, dass jedenfalls die unter den § 27 Abs. 1 Z 1 bis 17 ÄrzteG 1998 genannten Daten aufgrund der verpflichtenden Veröffentlichung als nicht schutzwürdige Daten im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG anzusehen sind und zudem ein Erlaubnistatbestand zur Verarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO vorliegt.
2. Zur Reproduktion zulässigerweise veröffentlichter Daten
Gleichzeitig ist allerdings zu berücksichtigen, dass die ganz generelle Annahme des Nichtvorliegens einer Verletzung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen für zulässigerweise veröffentlichte Daten nicht mit den Bestimmungen der DSGVO vereinbar ist (vgl. den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 31. Oktober 2018, GZ: DSB-D123.076/0003-DSB/2018 mwN).
Der gegenständliche Fall ist zudem insofern differenziert zu betrachten, als der Beschwerdeführer ausdrücklich vorbringt, dass durch die Verknüpfung der Datensätze gemäß § 27 Abs. 1 ÄrzteG 1998 mit Bewertungen und Erfahrungsberichten auf der Plattform www.med-search***.at „neue Daten und Informationen generiert werden“.
Dem Beschwerdeführer ist dahingehend beizupflichten, da sich die Beschwerdegegnerin nicht auf eine bloße Reproduktion der Datensätze iSv § 27 Abs. 1 ÄrzteG 1998 beschränkt, sondern diese mit der Möglichkeit der Abgabe einer Bewertung sowie eines Erfahrungsberichts kombiniert, wobei mehrere unterschiedliche Detailbewertungen auch eine Gesamtbewertung bilden. Dadurch schafft die Beschwerdegegnerin einen informationellen Mehrwert, womit es sich um neue – über die Datensätze gemäß § 27 Abs. 1 ÄrzteG 1998 hinausgehende – personenbezogene Daten des Beschwerdeführers handelt, die verarbeitet werden.
Eine derartige Kombination ist jedenfalls vom Begriff der Verarbeitung gemäß Art. 4 Z 2 DSGVO umfasst und bedarf eines Erlaubnistatbestandes gemäß Art. 6 DSGVO (vgl. zur Rechtslage nach dem DSG 2000 Kotschy in Jahnel (Hrsg), Datenschutzrecht und E-Government Jahrbuch 2012, 27 [47], wonach durch eine Kombination von öffentlich zugänglichen Daten mit anderen Daten die Zulässigkeit ihrer Verwendung völlig neu zu überprüfen ist).
Diesbezüglich stützt sich die Beschwerdegegnerin auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Demnach ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Recht auf Löschung ist festzuhalten, dass einem Antrag auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO unter anderem dann zu entsprechen ist, wenn gemäß Abs. 1 lit. d leg. cit. die Daten unrechtmäßig (also ohne Erlaubnistatbestand) verarbeitet wurden. Sofern eine Interessenabwägung zugunsten des Beschwerdeführers ausfällt, wäre der gegenständlichen Beschwerde wegen einer Verletzung im Recht auf Löschung daher Folge zu geben und wären die personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers mangels Rechtmäßigkeit der Verarbeitung zu löschen.
Zu berücksichtigen ist auch, dass das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO dann nicht ausgeübt werden kann, wenn die Verarbeitung iSv Abs. 3 lit. a leg. cit. zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information gemäß Art. 11 GRC (bzw. zur Ausübung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK) erforderlich ist.
Letztlich kann es jedoch dahingestellt bleiben, ob man die Zulässigkeit der Verweigerung des Löschbegehrens anhand von Art. 17 Abs. 1 lit. d oder Abs. 3 lit. a DSGVO überprüft, da in beiden Konstellationen eine Interessenabwägung durchzuführen ist, die zum gleichen Ergebnis führt.
Das Ergebnis dieser Interessenabwägung ist schließlich auch für die Frage entscheidend, ob eine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung vorliegt oder die berechtigten Interessen eines anderen iSv § 1 Abs. 2 DSG gegenüber den Geheimhaltungsinteressen des Beschwerdeführers überwiegen.
3. Zur Interessenabwägung
Es hat daher in weiterer Folge eine Bewertung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen (der Beschwerdegegnerin als Betreiberin der Arztsuch- und Bewertungsplattform) und Dritter (der Patienten) zu erfolgen und sind jene Interessen sowie möglichen Folgen für den Beschwerdeführer (als auf der Plattform gelisteter Arzt) zu berücksichtigen, die sich durch die gegenständliche Verarbeitung ergeben. Dabei sind auch etwaige Schutzmaßnahmen zur Verhinderung bzw. Abmilderung unangemessener Folgen für den Beschwerdeführer zu berücksichtigen, die durch die Beschwerdegegnerin implementiert wurden (vgl. zu den Schlüsselfaktoren, die bei einer Interessenabwägung zu berücksichtigen sind, Art. 29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 06/2014 zum Begriff des berechtigten Interesses des für die Verarbeitung Verantwortlichen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 95/46/EG, WP 217, 844/14/EN, S. 43).
Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist weiters zu berücksichtigen, dass Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zwei kumulative Voraussetzungen kennt, damit sich die Beschwerdegegnerin auf diesen Erlaubnistatbestand stützen kann: Zum einen muss die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sein, zum anderen dürfen Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht überwiegen (vgl. zu Art. 7 lit. f der Richtlinie 95/46/EG das Urteil des EuGH vom 24. November 2011, C-468/10 und C-469/10 (ASNEF und FECEMD) Rz. 38).
4. Bewertung der Interessen
Dem Beschwerdeführer kann zunächst nicht entgegengetreten werden, wenn er darauf hinweist, dass der deutsche BGH in der zitierten Entscheidung vom 23. September 2014 zur GZ VI ZR 358/13 – in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt – tatsächlich ausgesprochen hat, dass „[…] die Bewertungen […] nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den sozialen und beruflichen Geltungsanspruch eines Arztes haben. Sie können vielmehr auch die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, sich dadurch unmittelbar auf die Chancen des Arztes im Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirken und damit im Falle von negativen Bewertungen sogar seine berufliche Existenz gefährden.“
Allerdings ist der deutsche BGH nach einer umfassenden Interessenabwägung dennoch zu dem Ergebnis gelangt, dass die Abwägung zugunsten der Beklagten und ihrer Nutzer (also der Betreiberin der Arztsuch-Bewertungsplattform sowie der Patienten) ausfällt und wurde letztlich ausgesprochen, dass kein Löschungsanspruch besteht.
Zur Vollständigkeit wird in diesem Zusammenhang auf eine weitere (jedoch seitens des Beschwerdeführers nicht ins Treffen geführte) Entscheidung des deutschen BGH vom 20. Februar 2018 zur GZ VI ZR 30/17 verwiesen, in deren Rahmen sich der BGH erneut mit einem Löschbegehren aus einer Arztsuch- und Bewertungsplattform auseinanderzusetzen hatte. In dem Verfahren vor dem BGH nunmehr zugrundeliegenden Sachverhalt hat eine deutsche Arztsuch- und Bewertungsplattform die Arztprofile derart gestaltet, dass bei einem nicht zahlenden Arzt mittels einer eingeblendeten Schaltfläche bzw. eines Querbalkens Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten angezeigt wurden, während bei einem zahlenden Arzt („Premiumkunde“) solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht angezeigt wurden. Der BGH führte dazu aus, dass die Beklagte damit ihre Stellung als „neutraler“ Informationsmittler verlasse und das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen könne. Der BGH billigte daher im Ergebnis der Klägerin ein „schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung“ ihrer Daten zu.
Der vor der Datenschutzbehörde zu überprüfende Sachverhalt ist jedoch insofern anders zu betrachten, als auch bei zahlenden Ärzten mit einem „Premiumeintrag“ auf deren Profil die örtlich praktizierenden Ärzte („Weitere Ärzte im Umkreis“) angezeigt werden und die Überlegungen des deutschen BGH deshalb keine Anwendung finden.
Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch, dass angesichts der praktischen Relevanz von Such- und Bewertungsportalen und der marktdominierenden Stellung von www.med-search***.at negative Bewertungen und Erfahrungsberichte tatsächlich die Arztwahl von potenziellen Patienten beeinflussen können.
Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht an seiner ungestörten Berufsausübung gehindert wird, wenn er keine Beiträge („Premiumeintrag“) zahlt und daher allenfalls nicht vorrangig im Verzeichnis der Beklagten aufscheint (vgl. bereits das obige Urteil des OGH vom 27. Juni a.a.O). Darüber hinaus werden Patienten eine entsprechende Bewertung erst nach einer entsprechenden Behandlung durch den Beschwerdeführer abgeben. Anders formuliert: Der Beschwerdeführer hat es grundsätzlich selbst in der Hand, durch sein Leistungsangebot entsprechende Bewertungen auf der Plattform zu erhalten.
Die Datenschutzbehörde übersieht nicht, dass es immer Personen geben wird, die im Einzelfall unsachliche Bewertungen oder Erfahrungsberichte abgeben. Auch darf nicht übersehen werden, dass eine betroffene Person (etwa ein „unzufriedener Patient“) die Plattform durchaus missbrauchen und mehrfach negative Bewertungen abgeben kann.
Die Beschwerdegegnerin bietet jedoch für solche Fälle die Möglichkeit, derartige Erfahrungsberichte, die gegen die AGB der Beschwerdegegnerin verstoßen, zu melden und - unter Umständen - auch zu entfernen. Dabei befindet sich neben jedem Erfahrungsbericht ein Flagge-Symbol, um diesen rasch und effizient melden zu können. Darüber hinaus können Erfahrungsberichte auch entsprechend kommentiert werden. Weiters hat die Beschwerdegegnerin einen „Bewertungsfilter“ implementiert, um Mehrfach-Bewertungen durch dieselbe Person innerhalb eines kurzen Zeitraums entgegenzuwirken.
Der Beschwerdeführer ist den Erfahrungsberichten bzw. Bewertungen von Patienten auf www.med-search***.at somit im Ergebnis nicht schutzlos ausgeliefert. Eine Gefahr der Stigmatisierung, Ausgrenzung oder Prangerwirkung ist im gegenständlichen Fall nicht erkennbar (vgl. zur Rechtslage nach dem DSG 2000 Jahnel, Meinungsäußerungsfreiheit und Datenschutz am Beispiel von Onlineplattformen, S&R 1/2015, 35 [41]).
Der Beschwerdeführer bringt zwar vor, dass es nicht zumutbar sei, dass er täglich - jedenfalls in sehr kurzen Intervallen - die Plattform der Beschwerdegegnerin besuchen müsste, um Rechtfertigungen oder Erklärungen zu Patientenbewertungen abzugeben. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdegegnerin die Möglichkeit einer Benachrichtigungs-Mail bei einer neuen Bewertung (wobei eine kostenlose Registrierung für dieses Service notwendig ist) vorsieht, womit die Ressourcen des Beschwerdeführers geschont werden.
Sofern der Beschwerdeführer moniert, dass Patienten und auch die Beschwerdegegnerin gar keine fachliche Expertise hätten, um solche Erfahrungsberichte abzugeben oder zu überprüfen, ist ihm entgegenzuhalten, dass es bei den Erfahrungsberichten auf www.med-search***.at darauf gar nicht ankommt:
So ist derartigen Erfahrungsberichten implizit, dass es sich um eine persönliche Wahrnehmung des jeweiligen Patienten handelt. Zudem bietet www.med-search***.at grundsätzlich nur solche Detailbewertung an (etwa in Hinblick auf Einfühlungsvermögen, Vertrauensverhältnis, Behandlung, Serviceangebot, Praxisausstattung, Betreuung in der Praxis, Wartedauer im Warteraum und Wartedauer auf Termin) die naturgemäß bloß einer subjektiven Bewertung zugänglich sind. Anders formuliert: Es liegt in der Natur derartiger Bewertungsplattformen, dass ein fachlicher Laie seine persönliche Meinung zu einem bestimmten Angebot abgibt. Zudem bietet die Beschwerdegegnerin auch keine fachspezifischen Bewertungsmöglichkeiten (wie etwa „medizinisches Fachwissen des Arztes“) an (vgl. zur Rechtslage nach dem DSG 2000 den Bescheid der ehemaligen Datenschutzkommission vom 21. März 2007, GZ K121.246/0008-DSK/2007, wonach das Gebot der Datenrichtigkeit mit dem Verwendungszweck der Daten verknüpft ist. Sofern dieser lediglich in der Dokumentation von Meinungen bzw. Beurteilungen liegt, so sind die Daten aus datenschutzrechtlicher Sicht richtig, wenn diese Meinung oder Beurteilung korrekt wiedergegeben wird).
Zudem betreffen die Erfahrungsberichte die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers, also einem Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. Der Beschwerdeführer muss sich daher von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breite Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen. Dies gilt insbesondere auch bei freiberuflich tätigen Ärzten, die ihre Leistungen in Konkurrenz zu anderen Ärzten anbieten (vgl. die Entscheidung des deutschen BGH vom 23. September 2014 zur GZ VI ZR 358/13 mwN, der die berufliche Tätigkeit der „Sozialsphäre“ zuordnet und ausführt, dass diesbezüglich von einer geringen Schutzwürdigkeit auszugehen ist, als wenn Daten betroffen sind, die der „Intim- oder Geheimsphäre“ zuzuordnen sind).
Demgegenüber ist von einem erheblichen Interesse der Öffentlichkeit bzw. von Patienten an Informationen über ärztliche Dienstleistungen auszugehen, zumal in Österreich grundsätzlich eine freie Arztwahl besteht. Durch ein Such- und Bewertungsportal, wie das durch die Beschwerdegegnerin betriebene, erhalten Personen, die sich mitunter nicht kennen, gerade erst die Möglichkeit, sich einfach und effizient über ein bestimmtes Thema auszutauschen und können Personen eine solche Plattform als zusätzliche Such- und Informationsquelle betreffend medizinische Versorgung und Gesundheitsleistungen heranziehen. (vgl. erneut die obige Entscheidung des deutschen BGH vom 23. September 2014 aaO).
Zu berücksichtigen ist, dass das in Art. 11 GRC verankerte Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit bzw. das in Art. 10 EMRK verankerte Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung - neben der Äußerung von Meinungen - auch ausdrücklich den Empfang und die Weitergabe von Nachrichten oder Ideen schützt. Die Abgabe und der Empfang von Bewertungen bzw. Erfahrungsberichten ist damit jedenfalls erfasst.
Die Beschwerdegegnerin trägt daher mit dem Betrieb ihres Arztsuch- und Bewertungsportals dazu bei, dass für die Öffentlichkeit wertvolle Informationen und Meinungen geteilt werden können und diese kostenfrei zugänglich sind, wodurch ein gesellschaftlicher Mehrwert geschaffen wird. Zudem besteht eine klare Anerkennung und Erwartung von Patienten, dass die Beschwerdegegnerin als Betreiberin der Arztsuch- und Bewertungsplattform die entsprechend notwendigen Daten verarbeiten kann (vgl. auch Art. 29-Datenschutzgruppe, WP 217 a.a.O. S. 45, wonach der Umstand dem betreffenden Interesse mehr Gewicht verleiht, wenn ein Verantwortlicher nicht nur im geschäftlichen Interesse handelt, sondern die Verarbeitung auch im Interesse der breiteren Öffentlichkeit liegt).
Der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin dabei auch Marketingmöglichkeiten („Premiumleistungen“) anbietet und damit beabsichtigt, auch Gewinn zu erzielen, schadet nicht, zumal ein gewisser kommerzieller Erfolg sogar die unverzichtbare Voraussetzung für den Fortbestand solcher Such- und Bewertungsplattformen sein kann (vgl. das Urteil des EuGH vom 16. Dezember 2008, C-73/07 [Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia] Rz. 59).
5. Ergebnis
Insgesamt kommt die Datenschutzbehörde daher zunächst zu dem Ergebnis, dass aufgrund der durchgeführten Interessenabwägung keine Verletzung im Recht auf Geheimhaltung vorliegt, da die berechtigten Interessen der Portalbenutzer (also der Patienten) gegenüber den dargelegten Beeinträchtigungen der berechtigten Interessen des Beschwerdeführers überwiegen (§ 1 Abs. 2 DSG). Folglich ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig und die Voraussetzung von Art. 17 Abs. 1 lit. d DSGVO ist nicht erfüllt.
Die Verarbeitung ist zudem iSv Art. 17 Abs. 3 lit a DSGVO zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich.
Die Beschwerdegegnerin hat somit dem Löschbegehren des Beschwerdeführers vom 30. Mai 2018 zurecht nicht entsprochen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Geheimhaltung, Löschung, Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, Ärzte, Datenverarbeitung im WWW, Suchportal, Bewertungsportal, berufliche Sphäre, Interessenabwägung, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, gesellschaftlicher MehrwertEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:DSB:2019:DSB.D123.527.0004.DSB.2018Zuletzt aktualisiert am
27.02.2019