TE Lvwg Erkenntnis 2019/1/18 VGW-151/V/032/936/2019

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Veröffentlicht am 18.01.2019
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Entscheidungsdatum

18.01.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGVG §9 Abs1 Z4
VwGVG §17
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs4
AVG §6 Abs1
AVG §13 Abs3

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über den Antrag des S. R., vertreten durch Rechtsanwältin, vom 11. Jänner 2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG wegen Versäumung der im Verfahren zur Zahl VGW-151/032/15200/2018 mit Schreiben vom 26. November 2018 gemäß § 13 Abs. 3 AVG gerichtlich gesetzten Frist zur Verbesserung der gemäß § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG mangelhaften Beschwerde, den

BESCHLUSS

gefasst:

I.       Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 iVm Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 24/2017, abgewiesen.

II.      Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Begründung

I.       Verfahrensgang und festgestellter Sachverhalt

1.       Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Zl. …, vom 3. Oktober 2018 wurde ein den Wiedereinsetzungswerber betreffendes aufenthaltsrechtliches Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm § 69 Abs. 3 AVG wiederaufgenommen und gleichzeitig in der Sache gemäß § 24 iVm § 26 und § 30 Abs. 1 NAG abgewiesen.

2.       Gegen diesen Bescheid richtete sich die rechtzeitig, nicht jedoch formgerecht erhobene Beschwerde des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers vom 5. November 2018.

3.       Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt dem verwaltungsbehördlichen Akt (einlangend am 19. November 2018, protokolliert zur Zahl VGW-151/032/15200/2018) vor.

4.       Mit Schreiben vom 26. November 2018, zugestellt am 28. November 2018, wurde dem Beschwerdeführer, zu Handen seiner rechtsfreundlichen Vertreterin, zur Kenntnis gebracht, dass seine Beschwerde kein Begehren enthält. Ihm wurde aufgetragen, diesen Mangel binnen zwei Wochen zu beheben, andernfalls werde sein Anbringen zurückgewiesen. Der Kopf dieses Schriftstücks war wie folgt gestaltet:

"

                                                               

Verwaltungsgericht
Wien

1190 Wien, Muthgasse 62

Telefon: (43 01) 4000 DW 38870

Telefax: (43 01) 4000 99 38870

E-Mail: post@vgw.wien.gv.at

GZ: VGW-151/032/15200/2018-2                                                Wien, 26. November 2018

S. R.

                                                                                                              

Geschäftsabteilung: VGW-A"

Der Mängelbehebungsauftrag weist folgende Signatur auf:

"Verwaltungsgericht Wien


Mag. Pühringer"

5.       Mit Schriftsatz vom 30. November 2018, dem postalischen Zustelldienst am 4. Dezember 2018 übergeben, kam die rechtsfreundliche Vertreterin des nunmehrigen Wiedereinsetzungswerbers dem Verbesserungsauftrag zwar nach, übermittelte diesen aber nicht dem Verwaltungsgericht Wien, sondern dem Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Einwanderung und Staatsbürgerschaft, Dresdner Straße 93, 1200 Wien, wo er am 6. Dezember 2018 einlangte. Die Behörde leitete das Schreiben bis dato nicht an das Verwaltungsgericht Wien weiter.

6.       Mit Beschluss vom 27. Dezember 2018 stellte das Verwaltungsgericht Wien – nunmehr rechtskräftig – fest, dass eine Verbesserung des Mangels nicht erfolgte und wies aus diesem Grund die Beschwerde gemäß § 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG iVm § 13 Abs. 3 AVG iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurück.

7.       Am 16. Jänner 2019 langte beim Verwaltungsgericht Wien der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wegen Versäumung der mit Schreiben zur Zahl VGW-151/032/15200/2018-3 gesetzten Verbesserungsfrist, ein. Unter einem kam der Beschwerdeführer dem Mängelbehebungsauftrag vom 26. November 2018 nach.

8.       Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Angaben des Wiedereinsetzungswerbers, der vorgelegten Kopie des Schriftsatzes vom 30. November 2018 und dem damit in Einklang stehenden Akteninhalt des verwaltungsgerichtlichen Aktes zur Zahl VGW-151/032/15200/2018.

II.      Rechtliche Erwägungen

1.       Der hier anzuwendende § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I 33/2013 in der maßgeblichen Fassung BGBl. I 24/2017, lautet auszugsweise:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) […]

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. […]

Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) […]

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) […]"

§ 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. 51/1991 lautet auszugsweise:

"§ 6. (1) Die Behörde hat ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

(2) […]"

2.       Der Wiedereinsetzungswerber sieht ein unvorhergesehenes Ereignis darin begründet, dass seine rechtsfreundliche Vertreterin den Schriftsatz betreffend die Verbesserung der Beschwerde vom 30. November 2018 zwar innerhalb offener Frist, nicht jedoch an das Verwaltungsgericht Wien, sondern an die belangte Behörde übermittelt habe und letzterer eine zeitgerechte Weiterleitung des Schriftsatzes möglich gewesen wäre.

3.       Auch ein Rechtsirrtum über die richtige Einbringungsstelle kann als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen. Wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, ist im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0331, mwN). In der Regel ist die durch eine falsche Adressierung eines Schriftsatzes verursachte Fristversäumnis nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 71 Abs. 1 lit. a AVG zu werten (vgl. VwGH 20.10.1992, 92/08/0052, mwN).

4.       Im gegebenen Fall sind für das Verwaltungsgericht Wien keine Gründe ersichtlich, welche in der fehlerhaften Adressierung der Verbesserung ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis erkennen ließen. Einer berufsmäßigen Parteienvertreterin ist zumutbar, Schriftsätze an die richtige Stelle zu übersenden oder im Zweifelsfall weitere Erkundigungen einzuholen, um eine fehlerhafte Adressierung zu vermeiden. Darüber hinaus besteht hinsichtlich der Frage, an welche Stelle die Beantwortung eines verwaltungsgerichtlichen Verbesserungsauftrags zu übersenden ist, keine unklare Rechts- oder Judikaturlage. Ein allfälliger Rechtsirrtum über die richtige Einbringungsstelle bzw. ein manipulativer Fehler bei der Adressierung kann daher im vorliegenden Fall nicht als minderer Grad des Versehens gewertet werden.

Dem Vorbringen, der Irrtum gründe sich auf den Umstand, dass im Auftrag zur Behebung des Mangels des Verwaltungsgerichts Wien nicht ausdrücklich erwähnt worden sei, dass die Verbesserung an jenes zu übersenden sei, ist entgegenzuhalten, dass sich schon aus dem Erscheinungsbild des Schreibens vom 26. November 2018 – insbesondere dem Kopf, der die Anschrift des Verwaltungsgerichts Wien anführt sowie der Signatur – eindeutig ergibt, an welche Stelle eine etwaige Verbesserung zu richten gewesen wäre. Demgegenüber wird die Adresse der belangten Behörde im gesamten Schriftstück nicht angeführt. Ein Zweifel über die Einbringungsstelle kann daher bei objektiver Betrachtung nicht entstehen. Die rechtsfreundliche Vertreterin hat vielmehr die ihr zumutbare Sorgfalt in nachlässiger Weise außer Acht gelassen.

5.       Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen. Die in § 6 AVG normierte Pflicht der unzuständigen Stelle zur Weiterleitung von Schriftstücken an die zuständige Stelle darf nicht beliebig lange hinausgezögert werden. Wurde die Partei durch eine grundlose extreme Verzögerung der Weiterleitung ihres irrtümlich bei der unzuständigen Stelle eingebrachten Anbringens gehindert, die Frist einzuhalten, stellt das für die Fristversäumung letztlich kausale Fehlverhalten der betreffenden Stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar. Diesfalls trifft den Antragsteller an der Versäumung der Frist kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt aber nur dann vor, wenn die Partei durch ein im Nachhinein bekannt gewordenes "krasses" Fehlverhalten der zur Weiterleitung verpflichteten Stelle an der Einhaltung der Frist gehindert wurde. Der Verwaltungsgerichtshof hat bei einem zur Verfügung stehenden Zeitraum von acht Werktagen, im Hinblick auf den einem Gericht zugestandenen Zeitraum für eine geschäftsordnungsmäßige Behandlung der Eingabe, eine "extreme Verzögerung" oder ein "krasses Fehlverhalten" verneint. Die aufgetretene Verzögerung bei der Weiterleitung geht in diesem Fall zu Lasten der Partei, die den Schriftsatz bei der falschen Einbringungsstelle eingebracht hat (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0331, mwN).

Der Verbesserungsauftrag wurde am 28. November 2018 zugestellt, die Frist zur Verbesserung endete daher mit Ablauf des 12. Dezember 2018. Die Verbesserung vom 30. November 2018 langte bei der belangten Behörde am 6. Dezember 2018 ein. Der belangten Behörde standen lediglich vier Werktage für eine fristgerechte Weiterleitung des Anbringens zur Verfügung. Von einer "extremen Verzögerung" oder einem "krasses Fehlverhalten" der Behörde kann daher nicht ausgegangen werden und geht sohin die Fristversäumnis durch die nicht erfolgte Weiterleitung im konkreten Fall zu Lasten des Wiedereinsetzungswerbers.

6.       Da kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd § 71 Abs. 1 lit. a AVG vorliegt, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen.

7.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere unterliegt die Beurteilung, ob ein im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne grobes Verschulden zur Versäumnis geführt hat, also die Qualifikation des Verschuldensgrades – als Ergebnis einer alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Abwägung – grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts (vgl. VwGH 8.3.2018, Ra 2017/11/0289). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen und zur gemäß § 6 AVG normierten Pflicht zur Weiterleitung von Anbringen ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wiedereinsetzungsgrund; Verbesserungsauftrag; Einbringungsstelle; falsche Adressierung eines Schriftsatzes; Rechtsirrtum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.V.032.936.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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