TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/8 VGW-123/046/13423/2018

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Veröffentlicht am 08.02.2019
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Entscheidungsdatum

08.02.2019

Index

97 Öffentliches Auftragswesen
21/01 Handelsrecht

Norm

BVergG 2006 §2 Z40
BVergG 2006 §83 Abs1
UGB §221 Abs1
UGB §221 Abs2
UGB §238 Abs1 Z20

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richter Dr. Schweiger als Vorsitzenden, Mag. Schmied als Berichter und Dr. Zirm als Beisitzerin über den Antrag der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, vom 11.10.2018 auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 5.10.2018 betreffend das Vergabeverfahren "B." nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung durch Verkündung am 14.11.2019

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 13 Abs. 1 WVRG in Verbindung mit § 83 Abs. 1 BVergG 2006 wird dem Nachprüfungsantrag Folge gegeben und die Zuschlagsentscheidung vom 5.10.2018 im Vergabeverfahren der Stadt Wien „B." für nichtig erklärt.

II. Die Stadt Wien hat der Antragstellerin die von dieser entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von 4681,50 Euro gemäß § 16 Abs. 1 WVRG zu ersetzen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Stadt Wien - Magistratsabteilung 33 (Auftraggeberin) führt ein offenes Verfahren über eine Bauleistung im Unterschwellenbereich, nämlich den Bauauftrag „B.". Die Zuschlagserteilung erfolgt nach dem Bestbieterprinzip an das wirtschaftlich günstigste Angebot. Für das Kriterium Preis sieht das Angebot 80 Punkte, für das Kriterium „Verlängerung der Gewährleistungsfrist“ 5 Punkte vor. Die Angebotsfrist endete am 12.7.2018. An diesem Tag fand auch die Angebotseröffnung statt.

Mit Schreiben vom 5.10.2018 teilte die Auftraggeberin der A. GmbH mit, nach Ablauf der bis 12.10.2018 dauernden Stillhaltefrist den Zuschlag dem Angebot der C. GmbH (präsumtive Zuschlagsempfängerin) erteilen zu wollen.

Gegen diese Zuschlagsentscheidung richtet sich der am 11.10.2018 und somit fristgerecht beim Verwaltungsgericht Wien eingelangte Antrag der A. GmbH (Antragstellerin) auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Akteneinsicht, Erlassung einer einstweiligen Verfügung und Pauschalgebührenersatz. Die Antragstellerin hat fristgerecht ein Angebot gelegt. Sie hat für den Nachprüfungsantrag und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung Pauschalgebühren in der Höhe von insgesamt 4.681,50 Euro entrichtet.

Begründend wird im Nachprüfungsantrag im Wesentlichen vorgebracht, das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre auszuscheiden gewesen, weil die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht über die Gewerbeberechtigung „Elektrotechnik“ verfüge und nach dem Informationsstand der Antragstellerin keinen Subunternehmer mit einer entsprechenden Gewerbeberechtigung namhaft gemacht habe. Außerdem sei für den gegenständlichen Auftrag, bei dem unter anderem Beschichtungsarbeiten anfielen, noch die Gewerbeberechtigung „Maler und Anstreicher“ erforderlich und bedürfe es, zumal die ausgeschriebene Leistung auch die Beseitigung von Abfall wie Kabel, Kupferdrähte, Metalle oder Leuchtmittel umfasse, zusätzlich noch einer Befugnis nach dem AWG. Beides könne die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht vorweisen und habe dafür auch keinen Subunternehmer namhaft gemacht. Letztlich verfüge die präsumtive Zuschlagsempfängerin nach den Marktkenntnissen der Antragstellerin über kein eigenes Personal. Die Weitergabe des gesamten Auftrags sei nach § 83 BVergG 2006 unzulässig, sofern es sich nicht um einen Kaufvertrag handle oder der Auftrag an ein verbundenes Unternehmen weitergegeben werde. Beides liege gegenständlich nicht vor. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin hätte daher ausgeschieden werden müssen.

Die Auftraggeberin trat in ihrer Stellungnahme vom 30.10.2018 dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen und führte im Wesentlichen aus, die Antragstellerin habe den Auftrag an verbundene Unternehmen weitergegeben, was vergaberechtlich zulässig sei. Die verbundenen Unternehmen seien im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ausschreibungskonform als Subunternehmer genannt worden.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin führte in ihrer Stellungnahme vom 22.10.2018 im Wesentlichen aus, es sei gar nicht zu einer Weitergabe des gesamten Auftrags gekommen, zumal die zu erbringenden Materiallieferungen ca. 30% der Gesamtleistung ausmachen würden und von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin selbst erbracht würden. Abgesehen davon wäre die präsumtive Zuschlagsempfängerin zur Weitergabe auch des gesamten Auftrags berechtigt gewesen, da wesentliche Teile des Auftrags an ein verbundenes Unternehmen, nämlich an die D. GmbH weitergegeben worden seien. Dieses Subunternehmen sei deshalb ein mit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin verbundenes Unternehmen, weil eine personelle Identität bei den handelsrechtlichen Geschäftsführern vorliege. Dipl.Ing. E. D. sei Geschäftsführer beider Unternehmen und beherrsche in dieser Funktion die präsumtive Zuschlagsempfängerin.

Die Antragstellerin trat in ihrer Stellungnahme vom 13.11.2018 den Ausführungen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin entgegen und betonte, dass im gegenständlichen Vergabeverfahren Materiallieferung keine wesentliche Aufgabe darstelle. Es handle sich um keine Subunternehmerleistung, sondern um eine bloße Hilfsleistung. Dementsprechend seien Baustoff- und Bauteillieferanten nicht einmal in die Eignungsprüfung einzubeziehen. Werden – wie dies gegenständlich im Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorgesehen sei - die eigentlichen nachgefragten Leistungen, wie Baumeister- und Elektroinstallationstätigkeiten ausschließlich von Dritten erbracht, handle es sich um eine glatte Weitergabe des gesamten Auftrags. Anders als die präsumtive Zuschlagsempfängerin ausgeführt habe, würde es sich bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der D. GmbH nicht um verbundene Unternehmen handeln. Gesellschafter der präsumtiven Zuschlagsempfängerin seien zu jeweils 50% die D. GmBH und die F. Gesellschaft m.b.H. Es gebe somit keine Mehrheitsbeteiligung. Auch ein konsolidierten Jahresabschluss liege nicht vor. Der handelsrechtliche Geschäftsführer Dipl.-Ing. E. D. übe keinen beherrschenden Einfluss aus, da mit Ing. G. H. ein zweiter, der F. Gesellschaft m.b.H. zuzurechnender Geschäftsführer installiert sei, der gemeinsam mit dem ebenfalls von der F. Gesellschaft m.b.H. entsandten Prokuristen Ing. K. L. zeichnungsberechtigt sei. Somit habe keiner der von den beiden Gesellschaftern entsandten Geschäftsführer eine alleinige Entscheidungsbefugnis. Beherrschender Einfluss bedeute aber, dass ein Gesellschafter auch gegen den Willen des anderen Gesellschafters Beschlüsse fassen könne und somit die operativen Belange einer Gesellschaft alleine zu bestimmen in der Lage ist.

Am 14.11.2018 führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch.

Der anwaltliche Vertreter der Antragstellerin führte in der Verhandlung aus, dass sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe, dass die Gesellschafterbeschlüsse der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mit einfacher Mehrheit gefasst würden, sodass aufgrund der Beteiligungen keinem der Gesellschafter ein beherrschender Einfluss zukomme. Aus dem Jahresabschluss der F. Gesellschaft m.b.H. ergebe sich, dass darin andere verbundene Unternehmen angeführt seien, die präsumtive Zuschlagsempfängerin sich aber nicht unter diesen Unternehmen befinde. Der Jahresabschluss der D. GmbH weise überhaupt kein verbundenes Unternehmen auf. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin werde darin als beteiligtes Unternehmen angeführt, was laut Definition des UGB von verbundenen Unternehmen zu unterscheiden sei.

Die Auftraggeberin führte aus, dass sie von verbundenen Unternehmen ausgegangen ist, weil die Geschäftsführer der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und die Geschäftsführer der beiden Gesellschafter personell ident seien. Daher sei die Auftraggeberin davon ausgegangen, dass alle drei Unternehmen zusammen ein verbundenes Unternehmen bilden würden. Die Jahresabschlüsse seien nicht geprüft worden. Gegenstand der Ausschreibung sei die Errichtung und Instandsetzung … in Wien. Es sei daher nicht beabsichtigt, bloße Materiallieferungen abzurufen, doch könne es auch der Fall sein, dass die Auftraggeberin mit eigenem Personal arbeite und bloß Materiallieferungen in Anspruch nehme.

Der Vertreter der präsumtiven Zuschlagsempfängerin führte aus, dass er die Rechtsauffassung der Antragstellerin, das bloße Liefern von Material sei keine wesentliche Leistung nicht teile. Es gebe in der Ausschreibung sehr wohl reine Materiallieferpositionen, so insbesondere im Kapitel 33.61 des Leistungsverzeichnisses und auch in der Leistungsgruppe 98 (Baustofflieferungen). Aus der Ausschreibung könne somit nach ihrem objektiven Erklärungswert durchaus abgeleitet werden, dass auch bloße Materiallieferungen von der Auftraggeberin abgerufen werden können. Außerdem entspreche es den Erfahrungen aus anderen Vergabeverfahren, dass die Auftraggeberin mitunter auch bloße Materiallieferungen, die dann von anderen Auftragnehmern verarbeitet werden, abrufe. Auch bei den Materiallieferungen erfolge allerdings nur die Großbestellung durch den Geschäftsführer selbst, die einzelnen Lieferungen und Abrufe würden von Mitarbeitern der D. GmbH besorgt, die in solchen Fällen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom Geschäftsführer zur Verfügung gestellt würden.

Der Grund für die Errichtung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin liege in der Historie und habe es unter früheren vergaberechtlichen Regimes geholfen, die damals fehlenden rechtlichen Befugnisse der D. GmbH betreffend Bauleistungen durch die diesbezüglich ausgewiesene F. Gesellschaft m.b.H. zu ergänzen. Außerdem seien die beiden Unternehmen auch über persönliche Freundschaft miteinander verbunden.

Der beherrschende Einfluss der D. GmbH auf die präsumtive Zuschlagsempfängerin ergebe sich daraus, dass Dipl.-Ing. E. D. in beiden Gesellschaften die Funktion eines handelsrechtlichen Geschäftsführers ausübe. Bei beiden Gesellschaften sei er allein zeichnungsberechtigt. Es sei zwischen der D. GmbH und der F. Gesellschaft m.b.H. mündlich vereinbart worden, dass die Geschicke der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ausschließlich von Dipl.-Ing. E. D. bestimmt würden und die F. Gesellschaft m.b.H. auf die Entscheidungsfindung im operativen Bereich keinen Einfluss nehme. Lediglich grundsätzliche Fragen, wie etwa die Auflösung der Gesellschaft seien davon ausgenommen. Schriftliche Vereinbarungen gebe es diesbezüglich nicht. Auch einen Syndikatsvertragt gebe es in schriftlicher Form nicht. Nach dem gemeinsamen Verständnis der F. Gesellschaft m.b.H. und der D. GmbH stehe somit die präsumtive Zuschlagsempfängerin unter der einheitlichen Leitung der D. GmbH. Die Entscheidungen, an welchen Ausschreibungen teilgenommen werde, welche Subunternehmer beauftragt würden, sowie die Preisfindung seien allein der D. GmbH überlassen. Diese Vorgangsweise werde seit ca. 10 Jahren im Unternehmen gelebt. Auch der Firmensitz sei an der Adresse der D. GmbH. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin werde einzig und allein von der D. GmbH beherrscht. Die F. Gesellschaft m.b.H. übe keinen beherrschenden Einfluss aus. Eine Verpflichtung, die präsumtive Zuschlagsempfängerin im Jahresabschluss der D. GmbH als verbundenes Unternehmen auszuweisen und einen konsolidierten Jahresabschluss abzugeben, bestehe nach UGB nicht, zumal die Ausnahmebestimmung des § 246 Abs. 1 greife. Beide Gesellschaften seien entsprechend kleine Unternehmen.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung erfolgte die Verkündung der gegenständlichen Entscheidung. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin beantragte fristgerecht die Erstellung einer schriftlichen Ausfertigung.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Sachverhalt:

Aufgrund der Aktenlage und der in der mündlichen Verhandlung erstatteten Angaben der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wird folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

Die Stadt Wien - Magistratsabteilung 33 führt als Auftraggeberin ein offenes Verfahren über eine Bauleistung im Unterschwellenbereich, nämlich den Bauauftrag „B.". Die Zuschlagserteilung erfolgt nach dem Bestbieterprinzip an das wirtschaftlich günstigste Angebot. Für das Kriterium Preis sieht das Angebot 80 Punkte, für das Kriterium „Verlängerung der Gewährleistungsfrist“ 5 Punkte vor. Die Angebotsfrist endete am 12.7.2018. An diesem Tag fand auch die Angebotseröffnung statt.

Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin erhielt die meisten Punkte und wurde erstgereiht, jenes der Antragstellerin wurde mit den zweitmeisten Punkten bewertet und an zweiter Stelle gereiht. Dies ergibt sich aus der aktenkundigen und unbestritten gebliebenen Niederschrift über die Angebotseröffnung.

Mit Schreiben vom 5.10.2018 teilte die Auftraggeberin der A. GmbH mit, nach Ablauf der bis 12.10.2018 dauernden Stillhaltefrist den Zuschlag dem Angebot der C. GmbH (präsumtive Zuschlagsempfängerin) erteilen zu wollen.

Die Gesellschaftsanteile der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, werden zu 50% von der D. GmbH und zu 50% von der F. Gesellschaft m.b.H. gehalten. Als handelsrechtliche Geschäftsführer fungieren Ing. G. H. - er ist zugleich handelsrechtlicher Geschäftsführer der F. Gesellschaft m.b.H. - und Dipl.-Ing. E. D., der zugleich handelsrechtlicher Geschäftsführer der D. GmbH ist. Dipl.-Ing. E. D. vertritt das Unternehmen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin selbständig, Ing. G. H. gemeinsam mit dem Prokuristen Ing. K. L., der zugleich Prokurist der F. Gesellschaft m.b.H. ist. Diese Feststellungen gründen sich auf den unstrittigen Firmenbuchstand.

Zwischen der D. GmbH und der F. Gesellschaft m.b.H., deren jeweilige Machthaber auch freundschaftlich verbunden sind, wurde mündlich vereinbart, dass die Geschicke der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ausschließlich von Dipl.-Ing. E. D. bestimmt werden sollen und die F. Gesellschaft m.b.H. auf die Entscheidungsfindung im operativen Bereich keinen Einfluss nehmen soll. Eine schriftliche Fixierung oder eine sonstige Verrechtlichung dieser mündlichen Übereinkunft liegt nicht vor. Es besteht auch kein Syndikatsvertrag oder Ähnliches. Diese Feststellungen basieren auf den Angaben des Dipl.-Ing. E. D. in der mündlichen Verhandlung.

In ihrem Anhang zum Jahresabschluss per 31.3.2017 führt die D. GmbH die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht als verbundenes Unternehmen an, sondern bloß als Unternehmen, an dem sie Beteiligungen hält. Auch im Anhang zum Jahresabschluss mit 31.3.2017 der F. GmbH scheint die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht unter den verbundenen Unternehmen auf. Die D. GmbH weist im Jahresabschluss 2016/2017 eine Bilanzsumme von **.***.***,** Euro und einen Mitarbeiterstand von … Arbeitnehmern aus. Sie gilt daher gemäß § 221 Abs. 2 UGB als mittelgroßes Unternehmen. Diese Feststellungen gründen sich auf den im Verfahren vorgelegten Jahresabschluss der D. GmbH zum 31.3.2017.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin beschäftigt keinen einzigen Mitarbeiter. Dies ergibt sich aus dem im Akt einliegenden ANKÖ-Auszug und blieb seitens der Verfahrensparteien unbestritten.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hat in ihrem Angebot die D. GmbH, die F. Gesellschaft m.b.H. sowie weitere Unternehmen als Subunternehmer benannt. Die Subunternehmen verfügen über die zur Auftragserfüllung erforderlichen Berechtigungen.

Die gegenständlich ausgeschriebenen Bau- und Elektroarbeiten, die im Zuge der Abwicklung des Auftrags anfallen, sollen ausschließlich von Arbeitnehmern der als Subunternehmer benannten Firmen D. GmbH und F. Gesellschaft m.b.H. besorgt werden. Dies ergibt sich aus dem Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowie aus dem Umstand, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin selbst über keine Arbeitnehmer verfügt, und blieb seitens der Verfahrensparteien unbestritten.

Bei dem gegenständlich ausgeschriebenen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag, nicht um einen Lieferauftrag. Im Leistungsverzeichnis finden sich dementsprechend nur wenige reine Materiallieferpositionen. Zumeist ist dort, wo im Leistungsverzeichnis Materialpositionen aufscheinen (etwa Position 11.03 „Kabelschutzrohre“), auch das Einbauen und Verlegen dieses Materials Leistungsgegenstand. Reine Materiallieferpositionen finden sich im Leistungsverzeichnis unter den Positionen 33.60 „“Kunststoff Kleinverteiler liefern“, 33.61 „“Elektromaterial für Schaltschränke und Kleinverteiler liefern“, 33.63 „Kabelschutz liefern und 33.70 „Kabel liefern“ sowie 98.05 „Baustofflieferungen, Fremdleistung“. Diese Leistungspositionen machen jedoch bloß ca. 3,3 % der Angebotssumme aus. Diese Feststellungen gründen sich auf das bestandsfeste Leistungsverzeichnis im Vergabeakt.

Es mag zwar in der Praxis der Auftragsabwicklung ausnahmsweise der Fall eintreten, dass die Auftraggeberin mit eigenem Personal arbeitet und bloß Materiallieferungen in Anspruch nimmt, doch vermag dies der gegenständlichen Ausschreibung keineswegs den Charakter eines Bauauftrages zu nehmen und stehen somit die vom Auftragnehmer zu erbringenden Bau- und Elektroarbeiten absolut im Vordergrund. Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussagen des Vertreters der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung.

Bei solchen reinen Materiallieferungen erfolgt die Großbestellung durch Dipl.-Ing. E. D. persönlich. Dieser ist handelsrechtlicher Geschäftsführer sowohl der präsumtiven Zuschlagsempfängerin als auch der als Subunternehmerin benannten D. GmbH. Die einzelnen Lieferungen und Abrufe werden jedoch von Mitarbeitern der D. GmbH besorgt, zumal die präsumtive Zuschlagsempfängerin keine eigenen Arbeitskräfte beschäftigt. Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussage des Vertreters der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in der mündlichen Verhandlung.

Maßgebliche Rechtsvorschriften:

Gemäß § 83 Abs. 1 BVergG 2006 ist die Weitergabe des gesamten Auftrages unzulässig, ausgenommen hiervon sind Kaufverträge sowie die Weitergabe an verbundene Unternehmen.

Gemäß § 2 Z 40 BVergG 2006 ist „verbundenes Unternehmen“ jedes Unternehmen, dessen Jahresabschluss gemäß § 228 des Unternehmensgesetzbuches, dRGBl. S 219/1897, mit demjenigen des Auftraggebers, Konzessionärs, Bewerbers oder Bieters konsolidiert ist; im Fall von Auftraggebern, Konzessionären, Bewerbern oder Bietern, die nicht unter diese Bestimmung fallen, sind verbundene Unternehmen diejenigen, auf die der Auftraggeber, Konzessionär, Bewerber oder Bieter unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die einen beherrschenden Einfluss auf den Auftraggeber, Konzessionär, Bewerber oder Bieter ausüben können oder die ebenso wie der Auftraggeber, Konzessionär, Bewerber oder Bieter dem beherrschenden Einfluss eines anderen Unternehmens unterliegen, sei es auf Grund der Eigentumsverhältnisse, der finanziellen Beteiligung oder der für das Unternehmen geltenden sonstigen Vorschriften. Ein beherrschender Einfluss ist zu vermuten, wenn ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals eines anderen Unternehmens besitzt oder über die Mehrheit der mit den Anteilen eines anderen Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans eines anderen Unternehmens bestellen kann.

Gemäß § 238 Abs. 1 Z 20 UGB haben mittelgroße und große Gesellschaften im Anhang zur Bilanz zusätzlich die Beziehungen zu verbundenen Unternehmen anzugeben.

Gemäß § 221 Abs. 1 UGB sind kleine Kapitalgesellschaften solche, die mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten:

1. 5 Millionen Euro Bilanzsumme;

2. 10 Millionen Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem

Abschlussstichtag;

3. im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer.     

Gemäß § 221 Abs. 2 UGB sind mittelgroße Kapitalgesellschaften solche, die mindestens zwei der drei in Abs. 1 bezeichneten Merkmale überschreiten und mindestens zwei der drei nachstehenden Merkmale nicht überschreiten:

1. 20 Millionen Euro Bilanzsumme;

2. 40 Millionen Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem

Abschlussstichtag;

3. im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer.

Rechtliche Beurteilung:

Ausgeschrieben sind gegenständlich Bau- und Montageleistungen …. Diese Leistungen können direkt nur von Bietern erbracht werden, die Arbeitnehmer beschäftigen. Zumal die präsumtive Zuschlagsempfängerin selbst über keinen einzigen Arbeitnehmer verfügt, hat sie für die in Rede stehenden Leistungen Subunternehmer benannt, die diese Leistungen erbrigen sollen. So sollen die Bauleistungen von der F. Gesellschaft m.b.H. und die Elektroleistungen von der D. GmbH erbracht werden. Für Transportleistungen und Materialbewegung, Beschichtung sowie für Abfallbehandlung und Entsorgung sind noch weitere Subunternehmen im Angebot der Antragstellerin benannt.

Somit hat die präsumtive Zuschlagsempfängerin den gesamten Auftrag im Sinne des § 83 Abs. 1 BVergG 2006 weitergegeben. Daran vermag der Umstand, dass Großbestellungen betreffend das für die Leistungserbringung benötigte Material vom handelsrechtlichen Geschäftsführer der präsumtiven Zuschlagsempfängerin, der allerdings zugleich auch handelsrechtlicher Geschäftsführer der als Subunternehmerin benannten D. GmbH ist, Großbestellungen persönlich vorgenommen werden, nichts zu ändern. Die bloße Lieferung von Material und Bestandteilen ist nämlich bei einem Bauauftrag wie er gegenständlich vorliegt, eine bloße Hilfsleistung, für die nicht einmal ein Subunternehmer zu benennen wäre. Außerdem werden selbst diese Materiallieferungen – abgesehen von der Aufgabe der Großbestellung durch den Geschäftsführer persönlich - nicht von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin selbst besorgt, sondern bedient sie sich bei allfälligen Materialabrufen der Mitarbeiter der D. GmbH, zumal sie selbst über keinen einzigen Arbeitnehmer verfügt.

Als vergaberechtskonform könnte sich die Weitergabe des geamten Auftrags vor diesem Hintergrund nur dann erweisen, wenn wesentliche Teile der Leistung von einem als Subunternehmer benannten verbundenen Unternehmen erbracht würden.

Die von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin als verbundenes Unternehmen ins Spiel gebrachte D. GmbH ist zwar als Subunternehmer für wesentliche Auftragsteile, nämlich für „Elektroleistungen“ vorgesehen, sie ist jedoch kein mit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin verbundenes Unternehmen im Sinne des § 2 Z 40 BVergG 2006. Laut Firmenbuchauszug hält die D. GmbH zwar 50% der Gesellschaftsanteile an der Antragstellerin (die anderen 50% werden von der als Subunternehmerin für Bauleistungen genannten F. Gesellschaft m.b.H. gehalten), sie ist damit allerdings nicht Mehrheitseigentümerin und übt aufgrund der Eigentumsverhältnisse und der finanziellen Beteiligungen keinen beherrschenden Einfluss auf die präsumtive Zuschlagsempfängerin aus. Ein konsolidierter Jahresabschluss liegt unbestrittener Maßen nicht vor. In der mündlichen Verhandlung ist auch nicht hervorgekommen, dass auf Grund der für das Unternehmen geltenden sonstigen Vorschriften ein verbundenes Unternehmen vorliegt. Weder gibt es einen Syndikatsvertrag noch rechtsverbindliche Vorgaben, die einen beherrschenden Einfluss der D. GmbH bzw. der F. Gesellschaft m.b.H. auf die präsumtive Zuschlagsempgfängerin gewährleisten würden. Der Umstand, dass auf der Basis mündlicher Absprachen zwischen Protagonisten der F. Gesellschaft m.b.H. und der D. GmbH Dipl.-Ing. E. D. de facto die operativen Angelegenheiten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin alleine besorgt, stellt der Gesetzgeber nicht ab. Dies, zumal diese Kostellation rechtlich nicht abgesichert ist und für den Fall, dass der zweite, von der F. Gesellschaft m.b.H. entsandte Geschäftsführer Ing. G. H. gemeinsam mit dem gleichfalls von der F. Gesellschaft m.b.H. entsandten Prokuristen Ing. K. L. eine zuvor nicht abgesprochene operative Entscheidung trifft, für die D. GmbH keine rechtliche Handhabe besteht, dies zu verhindern.

Dazu kommt, dass die D. GmbH selbst nicht davon ausgeht, dass es sich bei ihr und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin um verbundene Unternehmen handelt. Anders lässt es sich nicht erklären, dass die D. GmbH in ihrem Jahresabschluss die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht als verbundenes Unternehmen anführt, obwohl sie gemäß § 238 Abs. 1 Z 20 UGB als mittelgroße Gesellschaft im Sinne des § 221 Abs. 2 UGB dazu verpflichtet gewesen wäre.

Dass es sich bei der F. Gesellschaft m.b.H., der D. GmbH und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin um drei miteinander verbundene Unternehmen handeln könnte, wie dies von der Auftraggeberin angenommen wurde, kann zum Einen nach den Kriterien des § 2 Z 40 BVergG 2006 nicht nachvollzogen werden und ist zum anderen auch vor dem Hintergrund auszuschließen, dass nicht einmal die betreffenden Unternehmen selbst je davon ausgegangen sind, miteinander verbunden zu sein.

Die Weitergabe des gesamten Auftrags durch die präsumtive Zuschlagsempfängerin an Subunternehmer, von denen keiner ein verbundenes Unternehmen im Sinne des § 2 Z 40 BVergG 2006 ist, erweist sich somit im Hinblick auf die zwingenden Vorgaben des § 83 Abs. 1 BVergG 2006 als vergaberechtswidrig, weswegen die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären war.

Pauschalgebühren:

Gemäß § 15 WVRG 2014 hat die Antragstellerin für Anträge gemäß den §§ 20 Abs. 1, 28 und 33 Abs. 1 jeweils eine Pauschalgebühr gemäß den von der Landesregierung durch Verordnung festzusetzenden Gebührensätzen zu entrichten. Für Anträge gemäß § 28 (auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) beträgt die Gebühr die Hälfte des ausgewiesenen Gebührensatzes.

Gemäß § 16 WVRG 2014 hat die vor dem Verwaltungsgericht Wien, wenn auch nur teilweise, obsiegende Antragstellerin Anspruch auf Ersatz ihrer gemäß § 15 WVRG entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin. Für einen Antrag auf einstweilige Verfügung gilt dies nur dann, wenn 1. dem Nichtigerklärungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und 2. dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag auf einstweilige Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde.

Gegenständlich hat die Antragstellerin zur Gänze obsiegt. Sowohl dem Nichtigerklärungsantrag als auch dem Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung wurde stattgegeben. Der Antragstellerin ist daher von der Auftraggeberin die von ihr entrichtete Gebühr in der Höhe von insgesamt 4681,50 Euro zu ersetzen.

Revision:

Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof war nicht zuzulassen, da sich die gegenständliche Entscheidung auf den diesbezüglich klaren Wortlaut von § 83 Abs. 1 und § 2 Z 40 BVergG 2006 gründet. Zur gegenständlich in erster Linie maßgeblichen Frage, ob verbundene Unternehmen vorliegen, ist zwar keine einschlägige Rechtsprechung des VwGH oder des EuGH zu finden, doch lässt sich dem Gesetz klar entnehmen, dass sich ein beherrschender Einfluss nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich entsprechend manifestieren muss, um von verbundenen Unternehmen ausgehen zu können.

Schlagworte

Nachprüfungsverfahren; Bauauftrag; Subunternehmen; Auftragsweitergabe; Weitergabe des gesamten Auftrages; verbundenes Unternehmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.123.046.13423.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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