TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/1 LVwG-2018/30/2731-1

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Veröffentlicht am 01.02.2019
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Entscheidungsdatum

01.02.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

NAG 2005 §44
AVG §38

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des chinesischen Staatsangehörigen AA, geb am ****, vertreten durch die BB GmbH, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 12.11.2018, Zl ****, betreffend Aussetzung eines Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG),

zu Recht erkannt:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Der Beschwerdeführer hat mit persönlich abgegebenem schriftlichem Antrag vom 04.01.2018 bei der Österreichischen Botschaft Peking um Erteilung eines Aufenthaltstitels Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit angesucht.

Die belangte Behörde hat das diesbezüglich erforderliche Verwaltungsverfahren durchgeführt. Mit E-Mail vom 06.11.2018 ist die belangte Behörde einer Anweisung des Bundesministerium für Inneres (BMI) im Handbuch zum NAG entsprechend einer Rückfrageverpflichtung bei erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels für Staatsbürger bestimmter Staaten nachgekommen und hat um Begutachtung ersucht. Da eine zustimmende Antwort auf die Anfrage vom 06.11.2018 seitens des BMI als zuständige Oberbehörde bis zur Erlassung des Aussetzungsbescheides bei der belangten Behörde nicht einlangte, wurde das gegenständliche Verwaltungsverfahren in Anwendung des § 38 AVG von der belangten Behörde ausgesetzt. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass der Ausgang dieses beim BMI anhängigen „Rückfrageverfahrens“ für die Entscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag eine wesentliche Vorfrage iSd § 38 AVG darstellen würde.

Gegen diesen Aussetzungsbescheid wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. Zusammengefasst wurde geltend gemacht, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nicht vorliegen würden und wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung an die belangte Behörde beantragt.

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den von der belangten Behörde vorgelegten Aufenthaltsakt Einsicht genommen. Aus diesem Verwaltungsakt ergibt sich der verfahrensrelevante und grundsätzlich unstrittige Sachverhalt. Die belangte Behörde hat nach einer Änderung der örtlichen Zuständigkeit das erforderliche Ermittlungsverfahren durchgeführt und ist einer aus einem internen Behördenerlass des BMI (Handbuch zum NAG) hervorgehenden Rückfrageverpflichtung mit E-Mail vom 06.11.2011 nachgekommen. Da die belangte Behörde jedenfalls eine zustimmende Antwort auf die Rückfrage durch das BMI abwartete und eine solche Rückantwort jedenfalls bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides bei der belangten Behörde nicht einlangte, ging diese davon aus, dass der Nichterhalt der Antwort auf die erfolgte Rückfrage bei der zuständigen Oberbehörde einen tauglichen Grund für eine Verfahrensaussetzung nach § 38 AVG darstellen würde.

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat im gegenständlichen Verfahren die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung heranzuziehen.

Gemäß § 38 AVG ist eine eine Aussetzung rechtfertigende Vorfrage eine solche, die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder einem Gericht zu entscheiden wäre. Laut Rechtsprechung des VwGH muss die betreffende Rechtsfrage ein möglicher Gegenstand eines selbstständigen rechtsfeststellenden oder rechtsgestaltenden Abspruchs sein, der als Hauptfrage einer anderen Behörde oder derselben Behörde in einem anderen Verfahren aufgetragen ist. Eine Rechtsfrage ist somit nur dann als Vorfrage im Sinne des § 38 AVG zu qualifizieren, wenn der relevante Tatbestand ein Element enthält, das für sich allein Gegenstand einer für die Behörde und den Parteien bindenden Entscheidung einer anderen Behörde ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 38).

Die im gegenständlichen Verfahren für die Aussetzung herangezogene fehlende Rückantwort (Zustimmung) aufgrund der erfolgten Rückfrageverpflichtung vom 06.11.2008 von der belangten Behörde stellt keine eine Aussetzung nach § 38 AVG rechtfertigende Vorfrage dar, die als Hauptfrage vom BMI als zuständige Oberbehörde zu entscheiden wäre.

Da aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes und der von der belangten Behörde herangezogenen Begründung die Voraussetzungen zur Verfahrensaussetzung in Anwendung des § 38 AVG nicht vorlagen, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Aussetzungsbescheid ersatzlos zu beheben.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

Das Abwarten auf eine Rückantwort einer behördenintern angeordneten Rückfrageverpflichtung stellt keinen tauglichen Aussetzungsgrund nach § 38 AVG dar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2018.30.2731.1

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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