Entscheidungsdatum
07.12.2018Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch die Richterin Dr. Raunig über die Maßnahmenbeschwerde der Frau A, ***, ***, betreffend Amtshandlungen von Exekutivorganen der Polizeiinspektion *** – nämlich Aufforderung und Durchführung eines Alkoholvortests – am 28.01.2018, zurechenbar der Bezirkshauptmannschaft Amstetten als belangte Behörde, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Beschwerdeverhandlung, nachstehenden:
BESCHLUSS:
1. Die Maßnahmenbeschwerde der Beschwerdeführerin wird gemäß § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) i.V.m. § 28 Abs. 6 VwGVG zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund als Rechtsträger der obsiegenden Partei gemäß § 1 der Verwaltungsgerichts-Aufwandersatzverordnung idgF, den Aufwand in Höhe von insgesamt € 829,80 (Schriftsatzaufwand in Höhe von € 368,80 und Verhandlungsaufwand in Höhe von € 461,--) binnen acht Wochen ab Zustellung des Erkenntnisses zu ersetzen.
3. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung:
Mit Maßnahmenbeschwerde vom 28.02.2018, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 02.03.2018, brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 28.01.2018, gegen 21:00 Uhr, in den Ordinationsräumlichkeiten des Tierarztes B, ***, ***, erhebe. Grund sei die Vornahme eines Alkoholvortestes durch einen ihr namentlich unbekannten Polizisten der Polizeiinspektion *** gewesen, obwohl sie zu keiner Zeit Verkehrsteilnehmerin gewesen sei und ihr überdies kein Ausdruck über das Ergebnis ausgehändigt worden sei.
Deswegen erachte sie sich in ihren Rechten verletzt und erhebe Maßnahmenbeschwerde.
Überdies sei, wie ihr von ihrem Anwalt heute mitgeteilt worden sei, das Ergebnis des Alkotests an die Bezirksverwaltungsbehörde mit einem Wert von 1,6 Promille gemeldet worden. Sie bestreite kategorisch überhaupt alkoholisiert gewesen zu sein.
Zur Rechtzeitigkeit der Maßnahmenbeschwerde gebe sie an, dass das Versenden dieser Beschwerde jedenfalls in der 6-Wochen-Frist liege und dies mittels Einschreibebeleg nachgewiesen werden könne.
Sie beantrage daher, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge die Rechtswidrigkeit o.a. Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt feststellen.
Mit ergänzendem Schriftsatz vom 06.03.2018 beantragte die Beschwerdeführerin die Zeugeneinvernahme ihres Schwiegervaters C, ***, ***, der bei gegenständlicher Alkoholtestung anwesend gewesen sei. Weiters beantrage sie die vorrangige Behandlung der Maßnahmenbeschwerde. Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Amstetten) habe den gegenständlichen Alkotest bereits am 06.03.2018 als Beweismittel in einem anderen Gerichtsverfahren eingebracht. Sie ersuche daher, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge in dieser Sache zügig entscheiden und beantrage sie die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.
Gegenständliche Maßnahmenbeschwerde wurde der Bezirkshauptmannschaft Amstetten zur Stellungnahme übermittelt.
Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten erstattete mit Schreiben vom 07.08.2018 Stellungnahme und führte darin aus, dass die Streife der Polizeiinspektion *** (D und E) am 28.01.2018, um 21:15 Uhr, zum Tierarzt B in *** gerufen worden seien, da dort zwei Unfallbeteiligte in Streit geraten seien. Die ersten Erhebungen haben ergeben, dass am 28.01.2018, um 19:55 Uhr, auf der *** im Ortsgebiet *** der Hund von A über die Fahrbahn gelaufen sei und mit dem PKW von F kollidiert sei. Der Hund sei dadurch an der linken Vorderpfote verletzt worden. Die Unfallbeteiligten seien gemeinsam zum Tierarzt B in *** gefahren, um den Hund behandeln zu lassen. Dort seien die Unfallbeteiligten vermutlich in Streit geraten und riefen die Polizei.
Die ersten Erhebungen der einschreitenden Polizisten haben den Verdacht ergeben, dass das Verhalten der Beschwerdeführerin am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stehe. Da D deutlichen Alkoholgeruch bei der Beschwerdeführerin wahrgenommen habe, sei ein Alkoholvortest auf Grundlage des § 5 Abs. 2 Z 2 StVO 1960 durchgeführt worden, dem die Beschwerdeführerin freiwillig zugestimmt habe.
Der Alkovortest habe einen Wert von 0,82 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft ergeben.
Da die weiteren Erhebungen ergeben haben, dass dem zweitbeteiligten Fahrzeuglenker kein Schaden entstanden sei und nur der Hund der Beschwerdeführerin verletzt worden sei, sei auf eine weitere Untersuchung der Atemluft mittels Alkomat aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verzichtet worden, daher existiere auch kein Messwert eines geeichten Gerätes und auch kein Messstreifen.
Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setze nach der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes die unmittelbare Anwendung physischen Zwangs oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus.
Nach der ständigen Rechtsprechung stelle also die bloße Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO, ohne dass in irgendeiner Weise dabei physischer Zwang angewendet worden sei oder besondere Umstände, die allenfalls eine Verwirklichung unmittelbaren Zwangs befürchten ließen, vorgelegen seien, nicht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar.
Es stehe dem Betroffenen frei, dieser Aufforderung, wenn auch unter dem Risiko einer allfälligen Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung, nicht Folge zu leisten.
Da in gegenständlichem Fall die Beschwerdeführerin dem Alkovortest freiwillig zugestimmt habe, könne darin keine sogenannte faktische Amtshandlung erblickt werden.
Hinsichtlich des Verfahrens wegen Übertretung des § 10 Abs. 1 Z 9 i.V.m. § 8 Abs. 3 NÖ Hundehaltegesetz habe das Ergebnis des Alkovortests keine Relevanz.
Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten beantrage daher, die gegenständliche Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen und der belangten Behörde gemäß § 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz als Ersatz für die Aufwendungen Schriftsatzaufwand und Vorlageaufwand sowie gegebenenfalls Verhandlungsaufwand zuzuerkennen.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 08.11.2018 und den 22.11.2018 an.
Zur erstgenannten Verhandlung erschien die Beschwerdeführerin persönlich, Herr H für die Bezirkshauptmannschaft Amstetten und der Zeuge C.
Die Beschwerdeführerin gab zur Sache an, dass sie am 28.01.2018 mit dem Hund namens G und ihrer älteren Tochter spazieren gegangen sei. Sie wohne in einer verkehrsberuhigten ruhigen Siedlung. Der Hund sei an der Leine gewesen und ihre Tochter habe ihn geführt. Sie habe auf das Handy geschaut und der Hund habe sich dann losgerissen und sei gelaufen, offensichtlich einer Katze nachgelaufen und dann sei es eben zu dem Unfall gekommen.
Der Herr, der G angefahren habe, habe sie dann eben noch mit dem Hund zum Tierarzt gefahren.
Eine Angestellte habe sich dann beim Tierarzt gleich um G gekümmert.
Danach sei es eben um die Rechnung gegangen. Es sei dann eben zu einer verbalen Auseinandersetzung mit den Beteiligten gekommen. Er habe dann gemeint, auf Grund der Diskussion, dass die Polizei verständigt werden solle, was dann auch passiert sei. Der Beschwerdeführerin sei vorgekommen, dass er mit dem Fahrzeug zu schnell gefahren sei.
Gefragt zum Polizeieinsatz gab die Beschwerdeführerin weiters an, dass die Polizei versucht habe, die Situation zu schlichten. Sie habe tatsächlich Alkohol getrunken, zumal es ihr freier Tag gewesen sei.
Bei den einschreitenden Exekutivorganen habe es sich um eine Frau und einen Mann gehandelt, wobei sie keine Angaben zu den Namen machen könne. Diese haben gemeint, dass sie Alkohol konsumiert habe und dass sie jetzt einen Test machen wollen. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin gesagt, dass sie das nicht wolle und gefragt wieso, zumal sie nicht wusste, wieso sie den machen solle, habe sie doch kein Fahrzeug gelenkt. Ihr sei aber dann gesagt worden, dass sie mitkommen solle und dann erfolge eine Blutabnahme. Sie habe dann natürlich zugestimmt, den Test zu machen. Sie habe glaublich zwei- oder dreimal hineingepustet und habe nicht genug Luft gehabt, zumal sie immer so aufgeregt gewesen sei. Sofern sie es nicht hätte machen müssen, hätte sie diesen Test auch nicht gemacht.
Sie sei vom männlichen Exekutivorgan aufgefordert worden, den Alkovortest zu machen. Ihr sei auch danach nichts ausgehändigt worden.
Der Schwiegervater sei die ganze Zeit dabei gewesen. Er kam so gegen 21:00 Uhr dazu.
Der einvernommene Zeuge, C gab zur Sache an, dass er am 28.01.2018 zum Tierarzt gefahren sei, weil er die Tochter abholen hätte sollen. Dort angekommen sei gerade eine rege Diskussion zwischen der Beschwerdeführerin und dem Unfallbeteiligten im Gange gewesen. Die Diskussion meine er, sei mit den Exekutivbeamten wegen des Alkotests gewesen. Der Polizist sei wahnsinnig aufgeregt gewesen und habe die ganze Zeit irgendwas von „länger blasen“ geredet. Die Tochter habe dann mitgeteilt, dass der Hund zusammengeführt worden sei. Der Zeuge habe gar nicht gewusst, was eigentlich passiert sei. Der Polizist sei allein mit der Beschwerdeführerin gewesen. Er habe es irgendwie auf sie abgesehen gehabt und habe dann gedroht, dass er sie mitnehmen werde auf die Dienststelle.
Diese Aussagen, dass er die Beschwerdeführerin mitnehmen werde, seien im Zusammenhang mit dem Alkovortest gestanden, zumal die Beschwerdeführerin diesen nicht machen habe wollen. Er habe sie dann wirklich so lange traktiert, dass sie dann eben den Alkovortest gemacht habe. Der Zeuge habe die Vorgeschichte nicht richtig gekannt und deswegen habe er sich nicht einmischen können und dürfen.
Er sei auch teilweise kurz abgelenkt worden, weil er sich auch der Tochter der Beschwerdeführerin zugewandt habe, die natürlich Angst um ihren Hund gehabt habe. Das alles habe sich aber sicher binnen 20 Minuten abgespielt.
Seitens des Vertreters der belangten Behörde wurde in der Verhandlung ergänzend vorgebracht, dass der einschreitende Exekutivbeamte davon ausgegangen sei, dass es zu einem Verkehrsunfall gekommen sei im Straßenverkehr. Es habe sich dann erst später aufgeklärt, nach dem durchgeführten Alkovortest. Deswegen sei auch kein weiterer gemacht worden und deswegen auch kein Ausdruck bezüglich des Wertes.
Die Einvernahme des D wurde beantragt.
Zur fortgesetzten mündlichen Verhandlung am 22.11.2018 sind Herr H für die belangte Behörde sowie die geladenen Zeugen D und E erschienen.
Die Beschwerdeführerin hat sich telefonisch hinsichtlich der Teilnahme entschuldigt.
Der Zeuge D gab zusammengefasst an, dass er sich noch an den Vorfallstag erinnern könne. Sie seien damals eben zum Tierarzt beordert worden mit seiner Kollegin, die heute ebenfalls anwesend sei. Der Funkspruch sei gewesen, dass es einen Verkehrsunfall mit Sachschaden gegeben habe und dass von einer Partei die Intervention gefordert werde. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm noch nicht klar gewesen, was überhaupt passiert sei.
Sie seien dann vor Ort gewesen und Herr F habe ihm dann den Unfallhergang geschildert.
Die Beschwerdeführerin sei damals glaublich bei der Kollegin gewesen.
Er habe zumindest mit Herrn F gesprochen. Es könne natürlich auch sein, dass sie sich wechselweise mit den Parteien unterhalten haben. Ihm habe eben Herr F geschildert, dass ein Hund in sein Fahrzeug gelaufen sei. Er habe dann in gutmütiger Weise den Hund von Frau A noch zum Tierarzt gebracht. Herr F habe ihnen dann gegenüber mitgeteilt, dass Frau A von Anfang an nicht sehr freundlich bzw. ungehalten gewesen sei und ihn auch aufgefordert habe, die Kosten für die Behandlung zu übernehmen. Dies sei eben auch der Grund gewesen, weshalb er die Polizei kontaktiert habe.
Gefragt zum Alkovortest gab der Zeuge weiters an, dass ein Verkehrsunfall gemeldet worden sei und auf Grund des Verhaltens der Beschwerdeführerin, insbesondere wegen des starken Alkoholgeruches und des Verdachtes, dass sie eben alkoholisiert gewesen sei, der Alkovortest durchgeführt worden sei. Er wisse nicht mehr, ob Herr F dazu auch was gesagt habe.
Sie sei so aufgebracht gewesen und habe der Zeuge dann zu einem schnellen Ergebnis mit den Alkovortest gelangen wollen. Sie hätten auch mit einem normalen Alkomattest vorgehen können, bei welchem das Ergebnis auch ausgedruckt worden wäre, aber hätte es bei dieser Kälte eine Viertelstunde in Anspruch genommen, bis die Durchführung des Tests möglich gewesen wäre.
Er habe die Beschwerdeführerin erstmals ganz ruhig und normal aufgefordert, einen Alkovortest zu machen. Sie habe es zuerst nicht eingesehen und habe gefragt, warum sie das machen solle, zumal sie kein Fahrzeug gelenkt habe. Er habe sie darauf hingewiesen, dass sie eben auf Grund des ursächlichen Zusammenhangs mit dem Verkehrsunfall dazu verpflichtet sei. Der Zeuge habe sich generell ein Bild davon machen wollen und außerdem habe er Alkoholgeruch bei ihr wahrgenommen.
Sie habe dann auch gleich mitgewirkt. Er habe natürlich keine Festnahme oder ähnliches angedroht.
Über Vorhalt der Aussagen der Beschwerdeführerin in der letzten Verhandlung gab der Zeuge ergänzend an, dass das nicht stimme, dass sie gesagt haben, dass sie mitkommen solle, damit eine Blutabnahme erfolge. Vielmehr habe sie gesagt, sie mache es freiwillig. Es habe dann aber fünf bis sechs Versuche benötigt, bis dann endlich der Wert vorhanden war. Sie habe eine Art „sportlichen Ehrgeiz“ entwickelt, dass sie eben den Test zusammenbringen wollte. Deshalb habe es eben fünf bis sechs Alkovortests gegeben, bis das Ergebnis feststand. Den Wert, den er gehabt habe, habe er in den Bericht hineingeschrieben und sei für ihn die Sache damit erledigt gewesen. Von seiner Seite aus sei das Verhalten der Beschwerdeführerin im Hinblick auf den Alkotest freiwillig gewesen. Sie habe eben nur einmal gemeint, dass sie kein Fahrzeug gelenkt habe und dass sie nicht wisse, wieso sie das jetzt machen müsse.
Von seiner Seite aus sei natürlich versucht worden, die Situation zu beruhigen und eine Eskalation zu vermeiden.
Die einvernommene Zeugin, Frau E, gab vorerst an, dass die vorgehaltenen Angaben des Kollegen stimmen. Herr F und Frau A seien damals eben im Vorraum beim Tierarzt gewesen und seien sie dazu gestoßen. Sie haben dort bereits auf sie gewartet. Frau A sei sehr aufgebracht gewesen, zumal Herr F eben ihren Hund angefahren habe. Sie sei halt der Meinung gewesen, dass er für die Kosten aufkommen müsse, für die Operation und die weiteren Behandlungen.
Zu diesem Zeitpunkt haben sie bereits Alkoholgeruch bei Frau A wahrgenommen und haben auch von der Gestik her gemerkt, dass sie alkoholisiert gewesen sei. Sie seien dann natürlich bemüht gewesen, sich ein klares Bild vom gesamten Sachverhalt zu machen und gehöre eben dazu, dass ein Alkovortest gemacht werde. Der Kollege habe dann gemeint, dass es zu einem Verkehrsunfall gekommen sei, mit dem sie in Zusammenhang stehe und sie solle jetzt mitwirken und diesen Test machen. Sie habe das vorerst nicht verstanden und gefragt, wieso, weil sie kein Fahrzeug gelenkt habe. Der Kollege habe eben dann gesagt, dass sie sich ein Gesamtbild machen wollen und dann sei es für sie eben auch klar gewesen.
Über Vorhalt der Aussage der Beschwerdeführerin in der letzten Verhandlung gab die Zeugin an, dass das mit der Blutabnahme nicht stimme. Es sei von deren Seite überhaupt keine Androhung in irgendeiner Hinsicht erfolgt, auch nicht, dass sie mit aufs Revier fahren müsse. Es sei wirklich so gewesen, dass sie nach der Aufforderung den Alkotest gemacht habe. Grundlage für den Alkovortest sei natürlich der Verkehrsunfall gewesen und eben um sich ein Bild von der Gesamtsituation machen zu können.
Es habe überhaupt keine Handlung gegeben, die darauf hingedeutet hätte, dass sie die Beschwerdeführerin festnehmen oder abführen würden. Es sei auch nie von einer Blutabnahme gesprochen worden.
Seitens des Vertreters der belangten Behörde wird ausgeführt, dass die Zurückweisung der Beschwerde beantragt werde, da keine Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt gegeben war. Weiters werde ein Kostenzuspruch gemäß der Aufwandersatzverordnung beantragt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat hiezu Folgendes erwogen:
Nachstehender Sachverhalt steht fest:
Die Beschwerdeführerin, Frau A, war am 28.01.2018 mit ihrer älteren Tochter und deren Hund spazieren. Der Hund hat sich von der Leine gerissen, ist über die Straße gelaufen und kam es zu einem Verkehrsunfall. Die Beschwerdeführerin ist mit dem Unfallbeteiligten gemeinsam zum Tierarzt B in *** gefahren.
Dort kam es zwischen den Beteiligten zu einer Auseinandersetzung und wurde von Herrn F die Polizei verständigt. Die Streife der Polizeiinspektion ***, D und E, wurde gegen 21:15 Uhr zum Tierarzt beordert. Der Funkspruch lautete, dass es einen Verkehrsunfall mit Sachschaden gegeben hat und dass von einer Partei die Intervention gefordert wird. Zu diesem Zeitpunkt war den Exekutivbeamten nicht klar, was passiert ist.
Vor Ort waren Herr F und die Beschwerdeführerin anwesend im Vorraum und haben diskutiert.
Die Beschwerdeführerin wies einen starken Alkoholgeruch auf. Sie war auch alkoholisiert.
Die Beschwerdeführerin führte Gespräche bezüglich des Unfallherganges mit Frau E. Herr F schilderte den Vorfall D. Auf Grund der merkbaren Alkoholisierung und der Tatsache, dass es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gekommen war, teilte D die Beschwerdeführerin mit, dass sie einen Alkovortest durchführen werden. Daraufhin fragte diese nach, wieso sie einen solchen machen solle, obwohl sie kein Fahrzeug gelenkt habe. D antwortete darauf, dass es sich um einen Verkehrsunfall mit Sachschaden handelt und er sich ein Gesamtbild von der Situation machen möchte.
Daraufhin hat die Beschwerdeführerin den Alkovortest durchgeführt, dies 5 – 6 Mal, bis ein Ergebnis vorhanden war.
Es handelte sich um einen Alkoholvortest, bei dem kein Ausdruck erstellt worden ist.
Seitens der einschreitenden Exekutivbeamten wurde weder Zwang ausgeübt bzw. ein solcher angedroht oder physische Gewalt angewendet. Die Beschwerdeführerin wurde nicht aufgefordert, zu einer Blutabnahme mit aufs Revier zu kommen. Die Beschwerdeführerin hatte auch nicht mit physischem Zwang zu rechnen. Die Exekutivbeamten äußerten bezüglich des Alkovortestes auch keinen Befehl mit Befolgungsanspruch. Es handelte sich um eine einmalige Aufforderung unter Darlegung der Gründe für die Durchführung des Alkovortestes.
Die Beschwerdeführerin kam dieser Aufforderung freiwillig nach, ohne dass ein Befolgungsanspruch für sie diesbezüglich ausschlaggebend gewesen wäre. Ein solcher Befolgungsanspruch ergab sich auch nicht latent aus den Begleitumständen.
Nach durchgeführtem Test wurde über das Ergebnis kein Ausdruck erstellt. Das Ergebnis konnte vom Gerät nur abgelesen werden.
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich auf Grund der vorliegenden Schriftsätze und des durchgeführten Beweisverfahrens.
Die Feststellungen zum Unfallhergang gründen sich auf die Angaben der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung und hatte das erkennende Gericht keine Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit dieser Aussage.
Dass es beim Tierarzt zu einer Diskussion zwischen den Unfallbeteiligten gekommen ist, basiert gleichermaßen auf den Angaben der Beschwerdeführerin und steht auch in keinem Widerspruch zu den Angaben der einvernommenen Zeugen bezüglich des Funkspruches am 28.01.2018, weswegen sie zum Tierarzt beordert worden sind.
Die vor Ort dargestellte Situation wurde im Wesentlichen von sämtlichen Zeugen und Parteien übereinstimmend geschildert. Ausschließlich hinsichtlich der Aufforderung zum Alkoholvortest lagen divergierende Beweisergebnisse vor.
Das erkennende Gericht folgt diesbezüglich aber den glaubwürdigen übereinstimmenden und schlüssigen Angaben von D und E. Diese gaben in völliger Übereinstimmung an, dass sie einmalig die Beschwerdeführerin aufgefordert haben, einen Alkovortest durchzuführen. Beide bestätigten das Nachfragen der Beschwerdeführerin, aus welchen Gründen derartiges notwendig sei. Übereinstimmend führten beide weiters aus, dass sie den Grund dargelegt haben und die Beschwerdeführerin in weiterer Folge freiwillig diesen Test durchgeführt hat.
Der ebenfalls einvernommene Zeuge C konnte zum genauen Ablauf der Amtshandlung keine konkreten Aussagen tätigen. Dieser gab selbst an, dass er teilweise abgelenkt gewesen war und mit der Tochter gesprochen hat. Dass der Zeuge gehört habe, dass der Exekutivbeamte der Beschwerdeführerin die Verbringung auf die Dienststelle im Falle der Verweigerung angedroht habe, war für das erkennende Gericht jedenfalls weniger glaubwürdig als die übereinstimmenden, sachlichen Angaben der Exekutivbeamten. Nicht zuletzt auch auf Grund des Naheverhältnisses des Zeugen zur Beschwerdeführerin. Gesamthaft waren die Angaben der Exekutivbeamten für das erkennende Gericht eben plausibler und glaubwürdiger, als die Schilderungen des Zeugen und der Beschwerdeführerin.
Auch das Fernbleiben der Beschwerdeführerin von der zweiten Verhandlung war für das erkennenden Gericht doch nicht nachvollziehbar und ließ an der Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin Zweifel aufkommen, hätte sie doch gerade bei Einvernahme der Exekutivbeamten ihre „Version“ darlegen und die Zeugen dazu befragen können.
Zumal die Zeugen insgesamt auf das erkennende Gericht einen äußerst glaubwürdigen Eindruck machten, die Beschwerdeführerin darüber hinaus bei der Amtshandlung erheblich alkoholisiert gewesen ist, legte das erkennende Gericht den obigen Feststellungen zur Aufforderung und zur Freiwilligkeit des durchgeführten Alkovortests, die Angaben der Zeugen zugrunde.
Auch die vorherrschende aufgebrachte Gemütsverfassung der Beschwerdeführerin, die sich aus den Zeugenaussagen zweifelsohne ergab, spricht dafür, dass diese möglicherweise eine andere Wahrnehmung der Situation hatte.
Gesamthaft war es für das erkennende Gericht nicht ersichtlich, weshalb die Exekutivbeamten übereinstimmend unrichtige Angaben tätigen sollten, sofern sie der Beschwerdeführerin tatsächlich die Blutabnahme oder die Verbringung zur Dienststelle angedroht hätten.
Demnach bestand für das erkennende Gericht kein Anlass, Bedenken an der Richtigkeit der Angaben der Exekutivbeamten zu hegen.
Dass kein Zwang angedroht und/oder kein Befehl mit Befolgungsanspruch geäußert wurde, gründet sich ebenso auf die Angaben der Exekutivbeamten und wurde – mit Ausnahme der behaupteten Blutabnahme und der angedrohten Verbringung der Dienststelle – keine weitere Amtshandlung in Beschwerde gezogen.
Dass bei dem Alkovortest kein Ausdruck angefertigt wurde und das Ergebnis nur abgelesen werden konnte, basiert ebenso auf den übereinstimmenden Angaben der Exekutivbeamten in der Verhandlung und war auch kein Ausdruck im Akt einliegend.
In rechtlicher Hinsicht war zu erwägen:
Die Maßnahmenbeschwerde vom 28.02.2018 richtet sich gegen die Aufforderung und die Durchführung des Alkoholvortests und die unterbliebene Übergabe eines Ausdruckes des Messergebnisses. Sie ist, zumal sie sich auf die Amtshandlung vom 28.01.2018 bezieht – im Hinblick auf die
sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG rechtzeitig.
Obgleich die Maßnahmenbeschwerde rechtzeitig erhoben wurde, liegt ihr kein tauglicher Beschwerdegegenstand zugrunde.
Nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt vor, wenn er vom Verwaltungsorgan im Bereich der Hoheitsverwaltung relativ formfrei gesetzt wird, sich an einen individuell bestimmten Personenkreis wendet und entweder in Form eines Befehls ergeht oder in der Anwendung physischen Zwangs besteht und er durch relative Verfahrensfreiheit gekennzeichnet ist.
Darüber hinaus muss ein Eingriff in ein Recht durch Befehl oder Zwang erfolgen.
Zentrales Merkmal derartiger Akte ist sohin die Normativität. Diese manifestiert sich bei Befehlsakten darin, dass gegenüber dem Adressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird bzw. dass aus den Begleitumständen erkennbar ist, dass eine solche droht, sofern der Betroffene an der Amtshandlung nicht freiwillig mitwirkt.
Voraussetzung für die Maßnahmenqualität eines behördlichen Befehls ist nach der Rechtsprechung daher ein unmittelbarer Befolgungsanspruch. Das bedeutet, dass den Betroffenen bei Nichtbefolgung des Befehls unmittelbar, d.h. unverzüglich ohne weiteres Verfahren, eine physische Sanktion droht, beispielsweise die zwangsweise Entkleidung oder Festnahme (vgl. VfSlg. 10.662/1985).
Sofern gegen den Betroffenen kein unmittelbarer physischer Zwang ausgeübt wird und ein solcher auch nicht unmittelbar droht, kann das Einschreiten eines Verwaltungsorganes nicht als Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gewertet werden (vgl. dazu beispielsweise VwGH 28.02.1997, 96/02/0299).
Ausgehend von den Feststellungen, fehlt es bei gegenständlicher Amtshandlung an dem „behördlichen Befehl“, und daraus resultierend am Befolgungsanspruch. Ein solcher konnte auch nicht auf Grund von Begleitumständen konstatiert werden. Die bloße Aufforderung durch die Exekutivbeamten enthält keinen behördlichen „Befehl“ und einen sich daraus ableitenden Befolgungsanspruch. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, stellt die bloße Aufforderung im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO – ohne dass in irgendeiner Weise dabei physischer Zwang angewendet worden sei oder besondere Umstände, die allenfalls eine Verwirklichung unmittelbaren physischen Zwangs befürchten ließen, vorgelegen seien – nicht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. VwGH 17.01.1990, 89/03/0311; VwGH 06.07.1990, 90/03/0050, ua).
Es steht dem Betroffenen frei, dieser Aufforderung, wenn auch unter dem Risiko einer allfälligen Verwirklichung einer Verwaltungsübertretung, nicht Folge zu leisten.
Da die Beschwerdeführerin der Aufforderung – ausgehend von den Feststellungen – nach erteilter Auskunft über die Gründe der Durchführung des Testes, freiwillig nachgekommen ist, kann darin keine „faktische Amtshandlung“ erblickt werden. Ob die Aufforderung zu Recht erfolgte, ist nicht Gegenstand eines Maßnahmenbeschwerdeverfahrens (vgl. VwGH 25.03.1992, 91/03/0253).
Abschließend ist zur monierten mangelnden Übergabe eines Ausdrucks hinsichtlich des Messergebnisses anzumerken, dass es de facto keinen Ausdruck gab. Zwar kann ein qualifiziertes Unterlassen Gegenstand einer Maßnahmenbeschwerde sein, doch kommt derartiges schon mangels vorhandenen Ausdrucks nicht in Betracht. Es wurde kein Ausdruck erstellt, sondern konnte das Ergebnis von diesem Gerät nur abgelesen werden. Da eine Zurückbehaltung eines Ausdrucks schon mangels Existenz eines solchen nicht möglich war, erübrigt sich klarerweise die Frage, ob diesbezüglich eine qualifizierte Unterlassung vorlag.
Zumal es an einer „faktischen Amtshandlung“ fehlte und somit das zentrale Element eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht vorliegend war, war die gegenständliche Maßnahme mangels Maßnahmenqualität der Amtshandlung als unzulässig eingebracht zurückzuweisen.
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen
Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene
Partei.
Sofern die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG zurück- oder abgewiesen wird,
ist die Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer die unterlegene
Partei.
Als Aufwendungen gemäß Abs. 4. gelten die durch Verordnung des Bundeskanzlers
festzusetzenden Pauschalbeträge für Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den
Vorlageaufwand.
In der VwG-Aufwandersatzverordnung idgF sind die Pauschalbeträge in § 1 Z 3, Z 4
und Z 5 im Falle des Obsiegens der belangten Behörde festgesetzt.
Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist der Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu
leisten und kann der Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt
werden.
Der Kostenausspruch basiert daher auf der VwG-Aufwandersatzverordnung, in der
geltenden Fassung, zumal die belangte Behörde die obsiegende Partei ist und die
Kosten vor Schluss der mündlichen Verhandlung beantragt wurden.
Zumal seitens der belangten Behörde keine Vorlage getätigt wurde, war ihr der Vorlageaufwand nicht zuzusprechen, sondern ausschließlich der Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine
Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche
Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche
Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Befehlsakt; Befolgungsanspruch;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.M.5.001.2018Zuletzt aktualisiert am
25.02.2019