Entscheidungsdatum
10.12.2018Norm
VwGVG 2014 §9 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter in der Beschwerdesache von Herrn A, aktuell vertreten durch Rechtsanwältin B, ***, ***, gegen die Bescheide des Disziplinarrates der österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 13. März 2017, Zl. ***, und vom 18. November 2016, Zl. ***, zu Recht:
1. Der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom 13. März 2017, Zl. ***, wird Folge gegeben und es wird dieser Bescheid behoben.
2. Die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom 18. November 2016, Zl. ***, wird als unbegründet abgewiesen und es wird dieser Bescheid bestätigt.
3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
ad 1. und 2.: - § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrens-
gesetzes (VwGVG)
ad 3.: - § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)
- Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)
Entscheidungsgründe:
1. Maßgeblicher Verfahrensgang und Sachverhalt:
1.1. Mit Schreiben vom 6. Juli 2016 ersuchte der nunmehrige Beschwerdeführer, Herr A, um Nachsicht der ihm mit Erkenntnis des Disziplinarrates der österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 22. November 2015, Zl. ***, auferlegten Verfahrenskosten in Höhe von 1.000,-- Euro. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass seine Fortbildungsliste noch rechtzeitig fertig geworden sei und er wegen des hohen Arbeitsanfalles nicht zum festgesetzten Verhandlungstermin habe kommen können sowie dass die Bezahlung der Verfahrenskosten einer Doppelbestrafung für eine erledigte Sache gleichkommen würde.
Mit dem genannten Disziplinarerkenntnis vom 22. November 2015 war der Beschwerdeführer für schuldig befunden worden, kein gültiges DFP-Diplom nachgewiesen zu haben, obwohl er dazu wiederholt aufgefordert worden sei. Er habe dadurch ein Disziplinarvergehen gemäß § 136 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 iVm § 49 Abs. 2c und § 49 Abs. 2a ÄrzteG 1998 iVm § 35 Abs. 4 der Qualitätssicherungsverordnung begangen und er wurde zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 1.000,-- Euro sowie zum Ersatz der mit 1.000,-- Euro bestimmten Verfahrenskosten verpflichtet. Das Disziplinarerkenntnis wurde in der Verhandlung am 22. November 2015 mündlich verkündet und in Folge auch schriftlich ausgefertigt, wobei die schriftliche Ausfertigung dem Beschwerdeführer am 15. März 2016 (durch Hinterlegung) zugestellt wurde. Ein Rechtsmittel wurde dazu nicht eingebracht.
1.2. Seitens der Disziplinarkommission wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. August 2016 mitgeteilt, dass die Verfahrenskosten gemäß § 167c ÄrzteG 1998 nicht erlassen werden könnten. Er könne jedoch einen Zahlungsaufschub beantragen, wenn ihn die unverzügliche Zahlung unbillig hart treffe. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist von vier Wochen gesetzt, um derartiges bekannt zu geben.
Der Beschwerdeführer antwortete nicht auf dieses Schreiben.
1.3. Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 18. November 2016, Zl. ***, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Nachsicht der Verfahrenskosten abgewiesen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer um Nachsicht der durch rechtskräftiges Erkenntnis auferlegten Verfahrenskosten ersuche. Gemäß § 167c ÄrzteG 1998 könne für die Zahlung der Verfahrenskosten ein angemessener Aufschub gewährt werden, wobei sinngemäß auch die Entrichtung in Teilbeträgen möglich sei. Eine weitergehende Nachsicht sei gesetzlich nicht vorgesehen. Da keine Umstände geltend gemacht worden bzw. ersichtlich seien, aus denen sich ergäbe, dass die Zahlung den Beschwerdeführer unbillig hart treffe, sei der Antrag abzuweisen.
1.4. Der Beschwerdeführer erhob mit E-Mail vom 22. November 2016 fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 18. November 2016. Dabei wurde von ihm im Betreff angegeben: „anfechtung eines Bescheides“. Ausgeführt wurde von ihm, dass die Tagung der Disziplinarkommission ungerechtfertigt gewesen sei, da er seine Fortbildungspunkte bereits eine Tage zuvor beisammen gehabt habe. Er sehe daher nicht ein, dass er die horrende Summe von 1.000,-- Euro bezahlen solle und er hoffe auf Einsicht.
1.5. Mit Schreiben vom 11. Jänner 2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Verbesserungsauftrag durch die Disziplinarkommission erteilt und die Beschwerdezurückweisung im Falle der Nichtverbesserung binnen gesetzter Frist angedroht. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass seine Beschwerde zweifach einzubringen sei und Folgendes zu enthalten habe: Die Bezeichnung des angefochtenen Erkenntnisses, die Bezeichnung der Disziplinarkommission, die das Erkenntnis gefällt habe, die Gründe, aus denen sich aus seiner Sicht die Rechtswidrigkeit ergebe, das Begehren, sowie Angaben zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde.
Mit E-Mail vom 31. Jänner 2017 gab der Beschwerdeführer wörtlich Folgendes an:
„Betreff: A – verbesserungsauftrag – disziplinarkommission
Sehr geehrte herren der disziplinarkomission
Mit erstaunen muß ich feststellen, daß meine zwar einfache, aber meiner meinung nach die wesentlichen fakten erklärende darstellung der situation von ihnen nicht akzeptiert wird. Sie verlangen von mir, daß ich in der sache einen juristen beiziehe, aber falls sie mir einen juristen nennen können, der alle punkte kostenlos juristisch aufarbeitet, dann lassen sie mich das wissen. Der einfachheit halber schlage ich vor, daß sie mir die tausend euro erlassen. Damit wäre die sache erledigt. Ich möchte noch mal darauf hinweisen, daß ich meine fortbildungspunkte rechtzeitig erledigt und an die *** ärztekammer geschickt hatte und die *** ärztekammer leitete diese an die niederösterrichsche ärztekammer weiter, dadurch kam vielleicht eine zeitverzögerung zustande, die sie aber nicht mir anlasten können. Von mir aus war alles rechtzeitig erledigt. Mit freundlichen grüßen“
1.6. Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 13. März 2017, Zl. ***, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Wörtlich wurde dazu Folgendes ausgeführt:
„Mit formloser Eingabe vom 06.07.2016 ersuchte der Disziplinarbeschuldigte, ihm die Verfahrenskosten in der Höhe von Euro 1000,00, zu denen er durch rechtskräftiges Erkenntnis vom 25.11.2015 verurteilt wurde, nachzusehen.
Mit Schreiben der Disziplinarkommission vom 22.08.2016 wurde der Disziplinarbeschuldigte darüber belehrt, dass eine Nachsicht der Verfahrenskosten gesetzlich nicht vorgesehen ist, er aber die Möglichkeit hat, einen Aufschub der Bezahlung oder auch die Entrichtung in Teilbeträgen zu beantragen, wenn ihn die Zahlungspflicht unbillig hart trifft. Mit diesem Schreiben wurde der Disziplinarbeschuldigte aufgefordert, der Disziplinarkommission die Gründe mitzuteilen, aus denen er einen Aufschub oder die Entrichtung in Teilbeträgen beantragt.
Auf dieses Schreiben erfolgte binnen der gesetzten Frist keine Antwort.
Deshalb wurde der Antrag auf Nachsicht der Verfahrenskosten mit Bescheid vom 09.11.2016 [Anmerkung LVwG NÖ: 18.11.2016] abgewiesen.
Mit E-Mail vom 22.11.2016 wandte sich der Disziplinarbeschuldigte sinngemäß gegen diesen Bescheid. Zugunsten des Disziplinarbeschuldigten wurde diese formlose Eingabe als Beschwerde behandelt, weil diese Beschwerde nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, wurde dem Disziplinarbeschuldigten Gelegenheit gegeben, die Beschwerde zu verbessern.
Mit Verbesserungsauftrag vom 11.01.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er die Beschwerde zweifach einbringen muss und dass die Beschwerde, die in § 9 Abs 1 VwGVG genannten Inhaltserfordernisse aufweisen muss. Diese wurden im Verbesserungsauftrag erläutert. Dafür wurde eine Frist von 14 Tagen gesetzt.
Der Verbesserungsauftrag wurde dem Disziplinarbeschuldigten am 17.01.2017 zugestellt.
Der Disziplinarbeschuldigte befolgte den Verbesserungsauftrag nicht, sondern schickte wiederum ein formloses E-Mail, in dem er sinngemäß die Disziplinarkommission aufforderte, ihm die Verfahrenskosten zu erlassen.
Die Beschwerde entspricht somit nicht den gesetzmäßigen lnhaltserfordernissen und ist zurückzuweisen.“
In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde binnen vier Wochen nach Zustellung hingewiesen.
1.7. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht eine rechtsanwaltliche Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Beschwerdezurückweisung sei unrichtig und unberechtigt. Der Hinweis im Verbesserungsauftrag zur Erfüllung der in § 9 Abs. 1 VwGVG genannten Erfordernisse sei zwar erläutert worden, jedoch könne von einem juristischen Laien nicht verlangt werden, diese Bestimmung zu kennen und rechtsrichtige Ausführungen dazu zu machen. Der Grad des Versehens sei daher als derart gering und entschuldbar anzusehen, dass von der Erfüllung des Verbesserungsauftrages auszugehen sei. Dem Beschwerdeführer hätte auch eine weitere Verbesserungsfrist gewährt werden müssen bzw. hätte er über die konkreten Rechtsfolgen aufgeklärt werden müssen. Ungeachtet dessen hätte aber der Antrag des Beschwerdeführers zum Erlass der Verfahrenskosten ausgereicht. Sein Vorbringen werde nunmehr konkreter ausgeführt, zumal die Geltendmachung neuer Tatsachen und Beweismittel zulässig sei. Den Beschwerdeführer treffe keinerlei zurechenbares Verschulden am Entstehen der Verfahrenskosten. Er habe fristgerecht alle erforderlichen Punkte und Nachweise erlangt, dies im Rahmen der online-Variante der Ärztekammer für ***, da die Erlangung und der Nachweis der Voraussetzungen in Niederösterreich sich zeitlich nicht ausgegangen wären. Der Beschwerdeführer habe aber davon ausgehen dürfen, dass eine Vernetzung der Kammern stattfinde und dass die Nachweise rechtzeitig weitergeleitet würden, sodass sich der Verhandlungstermin erledige und die Verhandlung abberaumt werde. Dass er sich diesbezüglich nicht weiter erkundigt habe, könne ihm nicht mehr angelastet werden bzw. stelle dies einen so minderen Grad des Versehens dar, dass es unbillig wäre, ihn mit den ungebührlich hohen Verfahrenskosten zu belasten, zumal er sich arbeitsmäßig in einer Stresssituation befunden habe.
1.8. Der Verwaltungsakt wurde in Folge dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Der dargelegte maßgebliche Verfahrensgang und Sachverhalt gründet sich auf die vorliegende unbedenkliche Aktenlage. Strittige Sachverhaltsfragen liegen nicht vor und es ist sowohl hinsichtlich des Disziplinarerkenntnisses vom 22. November 2015 als auch hinsichtlich der angefochtenen Bescheide darauf hinzuweisen, dass die ordnungsgemäßen Zustellungen seitens des Beschwerdeführers nicht bestritten wurden und dass zudem unbedenkliche Rückscheine vorliegen, welche die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich haben (s. etwa VwGH 8.7.2004, 2002/07/0033).
3. Maßgebliche Rechtslage:
3.1. § 167c des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998 idgF, lautet:
„Geldstrafen, Verfahrenskosten und Strafmilderung
§ 167c. (1) Die verhängten Geldstrafen sowie die vom Bestraften zu tragenden Kosten des Disziplinarverfahrens fließen der Österreichischen Ärztekammer zu und können von dieser nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 eingebracht werden.
(2) Wenn der Disziplinarbeschuldigte eine über ihn verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten nicht unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft erlegt, ist er schriftlich aufzufordern, die Strafe und die Kosten binnen vierzehn Tagen zu zahlen, widrigenfalls sie zwangsweise eingetrieben werden.
(3) Wenn die unverzügliche Zahlung einer Geldstrafe oder der Verfahrenskosten den Zahlungspflichtigen unbillig hart träfe, hat die Disziplinarkommission auf Antrag durch Bescheid einen angemessenen Aufschub zu gewähren. Der Aufschub darf bei Geldstrafen (einschließlich der Verfahrenskosten) bis zu 14 530 Euro bei Bezahlung der ganzen Schuld oder bei Entrichtung von Teilbeträgen insgesamt nicht mehr als ein Jahr, bei Geldstrafen (einschließlich der Verfahrenskosten) über 14 350 Euro insgesamt nicht mehr als zwei Jahre betragen.
(4) § 409a Abs. 3 und 4 StPO sind sinngemäß anzuwenden.
(5) Wenn nach eingetretener Rechtskraft eines Disziplinarerkenntnisses gewichtige Milderungsgründe hervorkommen, die zur Zeit der Fällung des Erkenntnisses noch nicht vorhanden oder doch nicht bekannt waren und die offenbar eine mildere Bemessung der Strafe herbeigeführt hätten, so hat die Disziplinarkommission sobald sie sich vom Vorhandensein dieser Milderungsgründe überzeugt hat, von Amts wegen oder auf Antrag mit Beschluss über die Strafmilderung zu entscheiden.“
3.2. § 9 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 und Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, lauten:
„Inhalt der Beschwerde
§ 9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.“
„Beschwerdevorentscheidung
§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.“
4. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:
4.1. Zum Zurückweisungsbescheid vom 13. März 2017:
Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 13. März 2017, Zl. ***, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Abweisungsbescheid der Disziplinarkommission vom 18. November 2016, Zl. ***, wegen Mangelhaftigkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VwGVG und Nichterfüllung des erteilten Verbesserungsauftrages zurückgewiesen (s. Punkt 1.6.).
Aus dem Bescheid vom 13. März 2017 geht dabei nicht hervor, dass es sich um eine Beschwerdevorentscheidung im Sinne des § 14 VwGVG handeln würde. So wurde der Bescheid weder als Beschwerdevorentscheidung bezeichnet noch enthält er einen Hinweis auf § 14 VwGVG. Die Behörde hat somit nicht mittels Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde entschieden und damit einen gesetzlich nicht vorgesehenen Weg beschritten. Darüber hinaus war selbst bei Deutung des Bescheides als Beschwerdevorentscheidung die in § 14 Abs. 1 VwGVG normierte zweimonatige Entscheidungsfrist bereits abgelaufen (Beschwerdeerhebung im November 2016; Erlassung der Zurückweisungsentscheidung im März 2017). Erfolgt aber keine fristwahrende Erlassung der Beschwerdevorentscheidung ist diese mit Unzuständigkeit belastet (vgl. etwa Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, Rz 12 zu § 14 VwGVG; s. auch etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421).
Davon abgesehen ist der von der Behörde im Zurückweisungsbescheid angelegte Maßstab an die vom damals noch unvertretenen Beschwerdeführer eingebrachte Beschwerde fallbezogen als zu streng anzusehen. Der Verfassungsausschuss traf zu § 9 Abs. 1 VwGVG die Feststellung (AB 2112 BlgNR 24. GP, S 7), dass „die inhaltlichen Anforderungen an eine Beschwerde gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG jenen des § 63 Abs. 3 AVG materiell entsprechen. Aus der Beschwerdebegründung muss der Wille des Beschwerdeführers erkennbar sein, im Beschwerdeverfahren ein für ihn vorteilhafteres Verfahrensergebnis zu erreichen. Die inhaltlichen Anforderungen sind so zu verstehen, dass ein durchschnittlicher Bürger sie auch ohne Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter erfüllen kann.“ Dementsprechend steht auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einer streng formalen Interpretation entgegen und es hat der Gerichtshof hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes darauf abgestellt, ob dieser – wenn auch erst nach Auslegung – zweifelsfrei, d.h. ohne Möglichkeit einer Verwechslung, zu erkennen ist (vgl. etwa VwSlg. 18.968 A/2014; VwGH 2.5.2018, Ra 2017/02/0254). Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits festgehalten, dass es genügt, wenn die Beschwerde erkennen lässt, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. etwa VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0037).
Die Beschwerde erfüllt im vorliegenden Fall diese Vorgaben noch. Wie auch die belangte Behörde nicht bezweifelt, wendet sich die Beschwerde gegen den von der Behörde selbst erlassenen Bescheid vom 18. November 2016 und es ist hinreichend zu erkennen, dass der Beschwerdeführer die Nachsicht der Verfahrenskosten begehrt und aus welchen Gründen. Zur nicht erfolgten Angabe des Zustelldatums durch den Beschwerdeführer ist festzuhalten, dass § 9 Abs. 1 Z 5 VwGVG die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist, verlangt. Im vorliegenden Fall bestehen anhand der unbedenklichen Aktenlage keine Bedenken ob der Fristgerechtheit der Beschwerde und es kann daher die Angabe des Zustelldatums auch nicht als „erforderlich“ im Sinne des Gesetzes angesehen werden (vgl. demgegenüber etwa den Sachverhalt zu LVwG NÖ 7.8.2018, LVwG-AV-145/001-2018).
Der Zurückweisungsbescheid vom 13. März 2017 ist daher zu beheben und es ist inhaltlich über die Beschwerde vom 22. November 2016 zu erkennen (vgl. etwa VwSlg. 19.271 A/2015).
4.2. Zum Abweisungsbescheid vom 18. November 2016:
Mit Bescheid der Disziplinarkommission vom 18. November 2016, Zl. ***, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Nachsicht der Verfahrenskosten abgewiesen (s. Punkt 1.3.). Dagegen wendet sich die – nach dem bereits Ausgeführten: zulässige – Beschwerde vom 22. November 2016.
Die Beschwerde ist aber nicht berechtigt:
Wie bereits im Abweisungsbescheid ausgeführt wurde, ist gemäß § 167c Abs. 3 ÄrzteG 1998 ein angemessener Zahlungsaufschub oder die Entrichtung in Teilbeträgen zu gewähren, wenn die unverzügliche Zahlung der Verfahrenskosten den Zahlungspflichtigen unbillig hart träfe. Der Beschwerdeführer zeigt mit seinem Vorbringen – er habe den von ihm verlangten Ausbildungsnachweis rechtzeitig erbracht und es träfe ihn kein Verschulden am Entstehen der Verfahrenskosten – keine unbillige Härte im Sinne der genannten Bestimmung auf.
Eine darüber hinausgehende Nachsicht der Verfahrenskosten ist gesetzlich nicht vorgesehen und es ist mit Blick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers auch noch ausdrücklich festzuhalten, dass eine rechtskräftige Entscheidung in Form des Disziplinarerkenntnisses vom 22. November 2015 vorliegt. Eine nachträgliche Nachsicht im Sinne einer neuerlichen Entscheidung über die Verfahrenskosten kommt auf Grund des Wiederholungsverbotes nicht in Betracht (vgl. etwa VwGH 8.8.2018, Ra 2017/04/0112).
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen und es ist der Abweisungsbescheid vom 18. November 2016 zu bestätigen.
4.3. Ergebnis:
Der Zurückweisungsbescheid vom 13. März 2017 ist aus den dargelegten Gründen zu beheben. Die (zulässige) Beschwerde vom 22. November 2016 gegen den Abweisungsbescheid vom 18. November 2016 ist hingegen als unbegründet abzuweisen und es ist der Abweisungsbescheid zu bestätigen.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt. Davon abgesehen lässt eine mündliche Erörterung angesichts des unstrittigen Sachverhaltes im vorliegenden Fall auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten und es stehen dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (vgl. auch etwa EGMR 18.7.2013, Fall Schädler-Eberle, Appl. 56.422/09; VfGH 15.10.2016, A7/2016; VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117).
4.4. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen. Die Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich folgen der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der eindeutigen Rechtslage (vgl. dazu etwa VwGH 18.1.2018, Ro 2016/16/0008). Das Vorliegen einer Rechtsfrage, die über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besäße, ist nicht zu erkennen (vgl. etwa VwGH 4.8.2015, Ro 2015/02/0021).
Schlagworte
Freie Berufe; Ärzte; Verfahrensrecht; Beschwerdevorentscheidung; Zurückweisung; Beschwerdegründe; Kosten;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.714.001.2017Zuletzt aktualisiert am
25.02.2019