Entscheidungsdatum
10.01.2019Norm
BAO §209 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, vertreten durch B Rechtsanwaltspartnerschaft, ***, ***, vom 20. Juli 2018 gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** vom 29. Mai 2018,
Zl. ***, mit dem die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 18. Jänner 2018 betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Sachverhalt:
1.1. Verwaltungsbehördliches Verfahren:
1.1.1.
Mit Bescheiden des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom
13. März 2006 wurde dem damaligen Eigentümer der Liegenschaften mit den topographischen Anschriften *** und *** (C, Ehegatte der Beschwerdeführerin) der Anschluss an den neu errichteten Mischwasserkanal aufgetragen. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.
1.1.2.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 13. Juli 2009 wurde dem damaligen Eigentümer aufgrund seines Ansuchens die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Zubaus am bestehenden Wohnhaus (Veranda) erteilt.
1.1.3.
Mit Schreiben vom 9. November 2011 wurde von Herrn C eine Fertigstellungsmeldung nach § 30 der NÖ Bauordnung 1996 mit allen notwendigen Unterlagen erstattet.
1.1.4.
Im Jahre 2016 erfolgte ein weiterer Zubau (Sommergarten), der mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 31. August 2017, Zl. *** nachträglich bewilligt wurde.
1.1.5.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 wurde von Frau A (in der Folge: Beschwerdeführerin) eine Fertigstellungsmeldung nach § 30 der NÖ Bauordnung 2014 mit allen notwendigen Unterlagen erstattet.
1.2. Abgabenbehördliches Verfahren:
1.2.1.
Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 18. Jänner 2018, Zl. ***, wurde den Beschwerdeführern gemäß §§ 2 und 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 und der geltenden Kanalabgabenordnung der Gemeinde *** für die in ihrem Eigentum befindliche Liegenschaft *** (Grundstück Nr. *** KG ***), eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe im Betrag von € 1.355,51 (inkl. 10 Prozent USt.) vorgeschrieben. Dabei wurde ein Einheitssatz von € 12,- und eine Differenz-Berechnungsfläche von 102,69 m² zugrunde gelegt:
I. Bestand nach der Änderung
Gebäude Bebaute Fläche Flächenhälfte angeschl. Geschoße Fläche
Wohngebäude 1 320,36 m² 160,18 m² 2 + 1 480,54 m²
Wohngebäude 2 74,32 m² 37,16 m² 1 + 1 74,32 m²
Anteil der unbebauten Fläche: 15% von 500,00 m² 75,00 m²
Berechnungsfläche nach der Änderung 629,86 m²
II. Bestand vor der Änderung
Gebäude Bebaute Fläche Flächenhälfte angeschl. Geschoße Fläche
Wohngebäude 1 251,90 m² 125,95 m² 2 + 1 377,85 m²
Wohngebäude 2 74,32 m² 37,16 m² 1 + 1 74,32 m²
Anteil der unbebauten Fläche: 15% von 500,00 m² 75,00 m²
Berechnungsfläche vor der Änderung 527,17 m²
Unter Heranziehung des geltenden Einheitssatzes von € 12,- wurde sohin ein Gesamtbetrag von € 1.232,28 (zzgl. USt.) errechnet.
1.2.2.
Gegen diesen Abgabenbescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 23. Februar 2018 durch ihre ausgewiesene Vertretung fristgerecht das ordentliche Rechtsmittel der Berufung und begründete diese umfangreich.
1.2.3.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstandes des Gemeinde *** vom 28. Mai 2018, Zl. ***, wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
1.3. Beschwerdevorbringen:
Mit Schreiben vom 20. Juli 2018 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ein und begründeten diese im Wesentlichen damit, dass aus dem Spruch nicht erkennbar sei, welche Geldbeträge tatsächlich vorgeschrieben worden wären. Der erste Zubau sei 2009 fertiggestellt und die Fertigstellung auch rechtzeitig angezeigt worden. Richtig sei, dass im Jahr 2017 (Sommer) das Bauvorhaben beendet worden sei und zwar sei das der Sommergarten. Dazu sei auszuführen, dass sich räumlich nach dem Wintergarten eine Terrasse befinde. Die Terrasse sei überdacht worden, es betreffe dieser Sommergarten eine Fläche von 4x4 Meter, sodass die Fertigstellunganzeige einen Gebäudeteil erfasse, der 16 m² groß sei. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Berechnungsflächen zu Grunde gelegt werden. Dabei bleibe die belangte Behörde jegliche Erklärung schuldig, warum hier für die Änderung der Berechnungsfläche von etwa 1 m² noch eine Anschlussabgabe begehrt werde. Tatsache sei, dass selbst bei einer derartigen Fläche es sich um eine „Bagatellfläche“ handle, sodass es nicht nachvollziehbar sei, dass es hier zu einer entsprechenden Vorschreibung komme. Es werde von der Berechnungsfläche Gebäude 1 und Gebäude 2 ausgegangen. Dies sei rechtswidrig. Auch werde Verjährung eingewendet. Ferner wird ausgeführt, dass der Bescheid insofern rechtswidrig sei, als das zweite Wohngebäude nicht als Wohnung gewidmet sei und es dort keine Wasseranschlüsse gebe. Dieses Gebäude werde nicht als Wohnfläche genutzt. Es sei nicht bewohnbar und in einem sehr mangelhaften Zustand. Dieses Gebäude werde als „Aufbewahrungsschupfen“ verwendet.
1.4. Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:
1.4.1.
Mit Schreiben vom 14. September 2018 legte die Gemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Plänen, Gutachten sowie Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.
1.4.2. Lokalaugenschein und mündliche Verhandlung:
Vom erkennenden Gericht wurde für den 10. Dezember 2018 ein Lokalaugenschein an Ort und Stelle sowie im Anschluss daran eine mündliche Verhandlung anberaumt.
Im Rahmen des Lokalaugenscheines, bei dem Lichtbilder angefertigt wurden, wurde bei der Begehung der Liegenschaft vom beigezogenen ASV für Siedlungswasserwirtschaft, D, die beiden Objekte vermessen und festgestellt, dass die erhobenen Naturmaße der E GmbH vom 2. September 2016 stimmen. Weiters wurde erhoben, dass das Objekt 2 (***) in den 40er Jahren errichtet wurde und mit Bescheid aus dem Jahre 2004/2005 zum Anschluss an den öffentlichen Kanal (Trennsystem) verpflichtet worden war. Ein faktischer Anschluss an den Kanal ist aber nicht erfolgt. Am 1. August 2017 sei hinsichtlich dieses Objekts eine Nutzungsänderung im Sinne der NÖ Bauordnung 2014 erfolgt, sodass dieses Objekt nunmehr ausschließlich als Lagerraum gewidmet sei. Von diesem Objekt 2 werde die dem Objekt 1 (***) zugewandte rückwärtige Dachfläche in den Regenwasserkanal eingeleitet. Der Rest der Dachflächen werde auf Eigengrund versickert. Das Objekt 1 sei mit zwei Geschossen an das Trennsystem (Schmutzwasser) angeschlossen und werden die Dachflächenwässer in den Regenwasserkanal des Trennsystems eingeleitet.
Im Rahmen der der mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin die von der E erhobenen Maße dem Grunde nach aus Streit gestellt und im Übrigen das Beschwerdevorbringen aufrechterhalten. Insbesondere wurde auf die Verjährungseinrede verwiesen.
1.5. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der der Gemeinde *** und durch Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch sowie durch Durchführung eines Ortsaugenscheines und einer mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2018.
1.6. Feststellungen:
1.6.1.
Die Beschwerdeführerin ist grundbücherliche Eigentümerin des Grundstückes Nr. ***, EZ *** KG *** (Anschrift ***) und der unmittelbar angrenzenden Grundstücke Nr. *** und *** EZ *** KG *** (Anschrift ***) gewesen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes *** vom 7. Juli 2017, Zl. ***, wurden die Grundstücke *** und *** EZ *** KG *** mit dem Grundstück Nr. ***, EZ *** KG *** zum Grundstück Nr. ***, EZ *** KG *** vereinigt:
[Abweichend vom Original – Bilder nicht wiedergegeben]
„…
…“
(Quelle: imap geodaten des Landes Niederösterreich, Abfragen vom 14. September 2017 und vom 14. Dezember 2018)
1.6.2.
Auf dem Grundstück Nr. *** KG *** sind zwei unmittelbar aneinander angebaute Gebäude errichtet. Für beide Objekte wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 13. März 2006 rechtskräftig die Verpflichtung zum Anschluss an die öffentliche Kanalanlage ausgesprochen.
Mit Schreiben vom 1. August 2017 erfolgte hinsichtlich des Objekts *** (i.e. Objekt 2), welches nie faktisch an den Kanal angeschlossen war, eine Nutzungsänderung im Sinne der NÖ Bauordnung 2014, sodass dieses Objekt seitdem ausschließlich als Lagerraum gewidmet ist.
1.6.3.
Die am 10. Dezember 2018 vom beigezogenen ASV im Rahmen des Lokalaugenscheines erhobenen Naturmaße stimmen mit den Erhebungen der E GmbH vom 2. September 2016 überein:
[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]
„…
…“
(Quelle: Akt der belangten Behörde, Abbildung zeigt Objekt 1)
Das Objekt 1 (***) ist mit mit Erdgeschoß und Obergeschoß an das Trennsystem (Schmutzwasser) angeschlossen. Die Dachflächenwässer werden in den Regenwasserkanal des Trennsystems eingeleitet. Das Erdgeschoß weist eine Fläche von 345,58 m² (davon 72,13 m² Veranda und 21,96 m² Sommergarten) und das Obergeschoß eine Fläche von 103,94 m² auf.
Das Objekt 2 (***) wies eine bebaute Fläche von 72,43 m² auf und war nie faktisch an den Kanal angeschlossen. Die auf der dem Objekt 1 (***) zugewandten rückwärtige Dachfläche anfallenden Regenwässer werden in den Regenwasserkanal eingeleitet. Die auf den restlichen Dachflächen des Objektes 2 anfallenden Regenwässer werden auf Eigengrund versickert.
1.7. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.
2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
2.1. Bundesabgabenordnung BAO:
§ 1. (1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden
§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 115. (1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.
(2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.
(4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen.
§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
2.2. NÖ Kanalgesetz 1977 idF LGBl. 8230-8:
§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:
1. bebaute Fläche: Die bebaute Fläche ist diejenige Grundrissfläche, die von der lot-rechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird. Unberücksichtigt bleiben: bauliche Anlagen, welche die Geländeoberfläche nicht oder nicht wesentlich überragen, nicht konstruktiv bedingte Außenwandvorsprünge, untergeordnete Bauteile. ...
6. Geschossfläche: die sich aus den äußersten Begrenzungen jedes Geschosses ergebende Fläche;
§ 2. (1) Für den möglichen Anschluss an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten. …
(4) Bei einer späteren Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen (§ 3 Abs. 2) ist eine Ergänzungsabgabe zu der bereits entrichteten Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten, wenn sich durch diese Änderung gegenüber dem ursprünglichen Bestand nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 6, eine höhere Abgabe ergibt.
§ 3. (1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).
(2) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschosse multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlussverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre. ….
(6) Die Ergänzungsabgabe ergibt sich aus dem Differenzbetrag zwischen der Abgabe für den Bestand nach der Änderung und der Abgabe für den Bestand vor der Änderung, wobei beide Abgaben nach dem bei Entstehung der Abgabenschuld geltenden Einheitssatz zu berechnen sind. Die Berechnungsfläche ist für den Bestand vor der Änderung und für den Bestand nach der Änderung jeweils gemäß § 3 Abs. 2 zu ermitteln.
§ 12. Die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe (Sonderabgabe, Ergänzungsabgabe) entsteht
a) im Falle der Neuerrichtung eines Kanals in dem Zeitpunkt, in dem der Anschluß der anschlußpflichtigen Liegenschaft an den Kanal möglich ist;
b) im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde bzw.
c) wenn eine solche nicht erforderlich ist, mit der Fertigstellung des Vorhabens oder mit dem Eintritt der Änderung.
Abgabenbescheid
§ 14. (1) Den Abgabepflichtigen ist die Abgabenschuld mit Abgabenbescheid vorzuschreiben. Durch je einen besonderen Abgabenbescheid sind vorzuschreiben:
a) die Kanaleinmündungsabgaben, Ergänzungsabgaben und Sonderabgaben (§§ 2 und 4);
b) die Kanalbenützungsgebühren und die Fäkalienabfuhrgebühren (§§ 5 und 8);
c) Änderungen der im Abgabenbescheid nach lit. b festgesetzten Gebühren;
…
(2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung als Abgabenbescheid;
b) den Grund der Ausstellung;
c) bei der Fäkalienabfuhr die Zahl der jährlichen Einsammlungen;
d) die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe;
e) den Fälligkeitstermin, im Falle des Abs. 1 lit. b und c die Fälligkeitstermine und die Höhe der jeweiligen Teilbeträge;
f) die Rechtsmittelbelehrung und
g) den Tag der Ausfertigung.
(3) Die in der Abgabenentscheidung festgesetzte Kanalbenützungsgebühr oder Fäkalienabfuhrgebühr ist so lange zu entrichten, solange nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht.
(4) Der Abgabenbescheid nach Abs. 1 lit. c ist insbesondere auf Grund einer im § 13 Abs. 1 genannten Veränderung, ferner bei Änderung der Einheitssätze, bei der Fäkalienabfuhr auch bei Änderung des Einsammlungsplanes zu erlassen.
2.3. NÖ Bauordnung 2014:
Fertigstellung
§ 30. (1) Ist ein bewilligtes Bauvorhaben (§ 23) fertiggestellt, hat der Bauherr dies der Baubehörde anzuzeigen. Anzeigepflichtige Abweichungen (§ 15) sind in dieser Anzeige darzustellen. Die Fertigstellung eines Teiles eines bewilligten Bauvorhabens darf dann angezeigt werden, wenn dieser Teil für sich allein dem bewilligten Verwendungszweck, den Vorschriften dieses Gesetzes und der NÖ Bautechnikverordnung 2014, LGBl. 8200/7, und dem Bebauungsplan entspricht.
(2) Der Anzeige nach Abs. 1 sind anzuschließen:
1. bei einem Neu- oder Zubau eines Gebäudes (ausgenommen Aufstockung und Dachausbau) ein Lageplan mit der Bescheinigung des Bauführers oder der Eintragung der Vermessungsergebnisse über die lagerichtige Ausführung des Bauvorhabens,
2. bei anzeigepflichtigen Abweichungen (§ 15) ein Bestandsplan (zweifach),
3. eine Bescheinigung des Bauführers (§ 25 Abs. 2) oder im Falle der unterlassenen Bekanntgabe des Bauführers eine Bescheinigung eines zur Überwachung befugten Fachmannes, der die Ausführung des Bauwerks überwacht hat, über die bewilligungsgemäße Ausführung (auch Eigenleistung) des Bauwerks,
4. die in der Baubewilligung vorgeschriebenen Befunde und Bescheinigungen.
(3) Können keine oder keine ausreichenden Unterlagen nach Abs. 2, insbesondere keine Bescheinigung nach Abs. 2 Z 3, vorgelegt werden, hat der Bauherr eine Überprüfung des Bauwerks auf seine bewilligungsgemäße Ausführung von einem hiezu Befugten (§ 25 Abs. 1) durchführen zu lassen und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
(4) Ist die Fertigstellungsanzeige nicht vollständig, gilt sie als nicht erstattet.
(5) Ist ein angezeigtes Vorhaben (§ 15) fertiggestellt, hat der Bauherr dies der Baubehörde anzuzeigen, wobei Abs. 2 und 3 nicht anzuwenden sind. Dies gilt nicht für nach der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, angezeigte Vorhaben.
2.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Würdigung:
3.1. Zu Spruchpunkt 1:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
3.1.1.
In der Sache selbst ist eingangs festzuhalten, dass die von den Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Berechnungsflächen dem Grunde nach außer Streit stehen. Genauso unstrittig ist der Umstand, dass das auf der streitgegenständlichen Liegenschaft errichtete Objekt 1 mit zwei Geschoßen an den Ortskanal angeschlossen ist. Vom Objekt 2 werden zum Teil anfallende Dachflächenwässer in den Regenwasserkanal eingeleitet.
3.1.2.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.1.3.
Hinsichtlich der Kanaleinmündungsabgabe bzw. der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich der Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld aus § 12 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 als lex spezialis zu § 4 Abs. 1 BAO. Die Abgabenschuld ist dabei nach der Rechtslage im Entstehungszeitpunkt der Schuld zu beurteilen (vgl. VwGH 90/17/0126 und VwGH 95/17/0452).
Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 idF LGBl. 8230-8 sieht für das Entstehen der Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe drei potentielle Zeitpunkte vor (vgl. VwGH 82/17/0085). Im Falle einer Bauführung - und wenn ein Kanal bereits hergestellt ist - entsteht die Abgabenschuld gemäß § 12 Abs. 1 lit. b NÖ Kanalgesetz 1977 mit dem Zeitpunkt des Einlangens der Fertigstellungsanzeige gemäß § 30 NÖ Bauordnung 2014 bei der Behörde. Begriffsnotwendige Voraussetzung für die Abgabenfestsetzung ist daher, dass für die Liegenschaft des Verpflichteten eine Anschlussbewilligung oder eine durch individuellen Rechtsakt begründete Anschlussverpflichtung besteht (vgl. VwGH 94/17/0419 und VwGH 95/17/0452). Die Anschlussverpflichtung ist im gegenständlichen Fall unbestritten 2006 für beide Objekte ausgesprochen worden.
3.1.4.
Gemäß § 2 Abs. 4 NÖ Kanalgesetz 1977 ist eine Ergänzungsabgabe zur bereits entrichteten Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten, wenn sich durch eine spätere Änderung der Berechnungsgrundlagen gegenüber dem ursprünglichen Bestand (nach den Bestimmungen des § 3 Abs.6 leg.cit.) eine höhere Abgabe ergibt. Gemäß § 3 Abs. 6 NÖ Kanalgesetz 1977 sind die zu Grunde liegenden Berechnungsflächen für die Ermittlung der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe für den Bestand vor der Änderung und für den Bestand nach der Änderung jeweils gemäß § 3 Abs. 2 leg.cit. zu ermitteln. Als Bestand nach der Änderung ist jener Bestand heranzuziehen, wie er zum Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld tatsächlich vorgelegen ist. Als Bestand vor der Änderung ist jener Bestand heranzuziehen, der vor der aktuellen Veränderung tatsächlich vorlag, und nicht der, der bei der letzten Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe (oder der letzten Ergänzungsabgabe) zugrunde gelegt wurde.
Auch zwischenzeitliche Veränderungen, hinsichtlich welcher schon in der Vergangenheit ein gesonderter Ergänzungsabgabentatbestand verwirklicht worden ist, können - unabhängig davon, ob dafür eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde oder nicht - nicht gemeinsam mit der Ergänzungsabgabe anlässlich der aktuellen Veränderung geltend gemacht werden. Sollten zwischenzeitlich - nach der Festsetzung der Kanaleinmündungsabgabe und vor der aktuell tatbestandsmäßigen Änderung - Flächenänderungen eingetreten sein, so wäre für solche früheren Veränderungen gesondert zu ermitteln, ob, wann und in welcher Höhe eine Abgabenschuld für eine Ergänzungsabgabe eingetreten ist. Zufolge des Grundsatzes der Zeitbezogenheit von Abgaben wäre ausgehend vom Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld hinsichtlich solcher früher Veränderung die Person des Abgabenschuldners, die anzuwendende Rechtslage (Hebesatz) und nicht zuletzt die Frage einer allfälligen Festsetzungsverjährung zu klären und die diesbezügliche Abgabenschuld allenfalls (sofern die Verjährung noch nicht eingetreten sein sollte) gesondert bescheidmäßig geltend zu machen. Anlässlich der Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe können somit frühere Versäumnisse (wie die Unrichtigkeit rechtskräftiger Abgabenbescheide oder die Unterlassung der bescheidmäßigen Geltendmachung früherer Abgabenansprüche) nicht mehr „saniert“ werden. Als ursprünglicher Bestand ist der Bestand heranzuziehen, der vor Eintritt der Änderung vorlag. Unmaßgeblich ist hingegen, welcher Bestand als Berechnungsgrundlage der seinerzeitigen Abgabenfestsetzung zugrunde gelegt wurde (vgl. VwGH 85/17/0172).
3.1.5.
Unstrittig ist der Umstand, dass am verfahrensgegenständlichen Objekt zweimal bauliche Veränderungen seitens der Beschwerdeführer vorgenommen worden sind.
Die erste - hier gegnsändliche - Maßnahme (Zubau zum Wohnhaus - Veranda) wurde 2009 bewilligt und diesbezüglich am 9. November 2011 eine Fertigstellungsmeldung iSd NÖ Bauordnung 1996 erstattet.
Die zweite Maßnahme (Errichtung des Sommergartens) wurde 2017 nachträglich bewilligt. Diesbezüglich wurde mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 eine Fertigstellungsmeldung nach § 30 der NÖ Bauordnung 2014 mit allen notwendigen Unterlagen erstattet. Erst mit 1. August 2017 erfolgt dann die Nutzungsänderung betreffend des faktisch nie angeschlossenen Objektes 2.
3.1.6.
Daraus folgt, dass hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen ersten Baumaßnahme (Zubau zum Wohnhaus – Veranda) eine Fertigstellungsmeldung iSd des § 30 NÖ Bauordnung 1996 vorliegt. Für diese Veränderung wurde der Abgabentatbestand zur Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe verwirklicht – auf Basis von zwei angeschlossenen Objekten.
Gemäß § 208 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Die Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes und das Bestehen einer Abgabenschuld voraus. Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 82/17/0085).
Mit der Fertigstellungsmeldung vom 9. November 2011 ist die Abgabenschuld entstanden. Die Festsetzungsverjährung von 5 Jahren (§ 207 Abs. 2 BAO), beginnend mit Ablauf des Jahres der Entstehung des Anspruches (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO) wäre demnach mit Jahresende 2016 abgelaufen. Gemäß § 209 Abs. 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden. Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren über die Verjährung hinaus stehen gemäß § 209a Abs. 1 BAO einer Berufungsentscheidung nicht im Wege. Dies gilt auch für die absolute Verjährung (vgl. VwGH 2010/15/0033 und VwGH 2012/15/0111). Auch durch eine meritorische Berufungsentscheidung in Abgabensachen wird eine Abgabe "festgesetzt" (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2206).
Im vorliegenden Fall wurden aber in den Jahren 2016 (Bescheide vom 22. Dezember 2016) und 2017 (Berufungsverfahren bis zur Anrufung des Landesverwaltungsgerichtes) derartige Maßnahmen iSd § 209 BAO gesetzt, sodass eine Festsetzungsverjährung nicht eingetreten ist.
3.1.7.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgericht aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Finanzrecht; Kanaleinmündungsabgabe; Abgabenfestsetzung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1090.001.2018Zuletzt aktualisiert am
26.02.2019