TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/1 96/18/0242

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Veröffentlicht am 01.06.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §29 Abs2;
FrG 1993 §29 Abs3 Z1;
FrG 1993 §31 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde der H L, (geboren am 22. April 1967), in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Prader, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. August 1995, Zl. SD 73/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. August 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 10. März 1991 in das Bundesgebiet einreist, habe jedoch erst am 10. Oktober 1991 einen Sichtvermerksantrag gestellt, wobei sie gegenüber der Erstbehörde angegeben habe, mit einem von der österreichischen Botschaft in Peking ausgestellten Sichtvermerk eingereist zu sein. Diese Angaben hätten jedoch einer Überprüfung nicht standgehalten und sich als unrichtig erwiesen. Daraufhin sei der Sichtvermerksantrag der Beschwerdeführerin am 11. Juni 1992 abgewiesen worden. Dennoch habe sie am 15. Juli 1992 neuerlich einen Sichtvermerksantrag gestellt, dem ebenso wenig Folge gegeben worden sei, wie ihrem Antrag nach dem AufG. Die Beschwerdeführerin halte sich demnach seit ihrer Einreise ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzung des § 17 Abs. 1 leg. cit. gegeben sei.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so liege im Hinblick auf ihre familiären Bindungen "(Gatte)" ein mit dieser Maßnahme verbundener Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin vor. Dessen ungeachtet sei ihre Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im Besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Dies habe zu Folge, dass jedenfalls ein unrechtmäßiger Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet, dem, wie im vorliegenden Fall, nie ein rechtmäßiger vorausgegangen sei, eine Beeinträchtigung des bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interesses von solchem Gewicht darstelle, dass die Ausweisung dringend geboten und daher zulässig im Sinn des § 19 FrG sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde ablehnte (Beschluss vom 27. Februar 1996, B 3173/95-6) und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 21. Mai 1996, B 3173/95-8). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrte aus diesen Gründen die Aufhebung des Bescheides.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zu Grunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt daher vorliegend nicht zum Tragen.

2. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführerin weder vor ihrer Einreise nach Österreich im Jahr 1991 ein Sichtvermerk noch während ihres inländischen Aufenthalts ein Sichtvermerk oder eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt wurde. Von daher besteht gegen die Auffassung der Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte und somit die Voraussetzung gemäß § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben sei, kein Einwand.

3. Nach Auffassung der Beschwerde hätte aber im Grunde des § 19 FrG die Ausweisung der Beschwerdeführerin nicht erfolgen dürfen. Diesbezüglich verweist sie insbesondere darauf, dass sie mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 96/21/0012, (unter Zugrundelegung der dort zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des EuGH) ausgesprochen hat, hätte die Behörde vorliegend in Betracht ziehen müssen, dass die Beschwerdeführerin als - nach Ausweis des Verwaltungsaktes (vgl. Aktenblätter 63, 67) - Ehegattin eines österreichischen Staatsbürgers nicht schlechter als ein begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 29 Abs. 3 Z. 1 FrG hätte behandelt werden dürfen. Zwar ist gemäß § 31 Abs. 2 FrG auch die Ausweisung eines begünstigten Drittstaatsangehörigen im Grunde des § 17 Abs. 1 FrG zulässig, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Begünstigte Drittstaatsangehörige haben aber gemäß § 29 Abs. 2 FrG einen Rechtsanspruch auf Ausstellung eines Sichtvermerks, wenn durch ihren Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet wird. Diese Bestimmungen dienen der Umsetzung des Gemeinschaftsrechts, weshalb sie - wie auch § 19 FrG bei der Ausweisung eines EWR-Bürgers oder begünstigten Drittstaatsangehörigen - im Lichte des Gemeinschaftsrechts auszulegen sind. Für den Fall der Beschwerdeführerin als Ehefrau eines österreichischen Staatsbürgers bedeutet dies, dass dieser - wie in dem schon zitierten Erkenntnis vom 12. April 1999 näher dargelegt wird - keine ungünstigere Rechtsstellung als der Ehefrau eines nichtösterreichischen EWR-Bürgers beigemessen werden durfte. Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie vorliegend allein im bisher rechtswidrigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 19 FrG erblickte. Dass die Beendigung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin zur Erreichung eines anderen der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, hat sie nicht ausgeführt.

4. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 1. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996180242.X00

Im RIS seit

21.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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