TE Vfgh Beschluss 1997/6/9 G260/97

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Veröffentlicht am 09.06.1997
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/05 Wohn- und Mietrecht

Norm

MietrechtsG §16
MietrechtsG §29
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des MietrechtsG betreffend die Höhe des Hauptmietzinses sowie die Dauer der möglichen Befristung von Mietverträgen mangels Darlegung der aktuellen Betroffenheit der Antragstellerin

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit einem am 24. März 1997 beim Verfassungsgerichtshof überreichten Antrag begehrt die Antragstellerin die Aufhebung von Teilen der §§16 und 29 Abs1 Z3 Mietrechtsgesetz (MRG), BGBl. 520/1981, "in seiner geltenden Fassung". Die im Antrag wiedergegebene Fassung haben die angefochtenen Bestimmungen durch das Bundesgesetz BGBl. I 22/1997 erhalten; die Änderungen sind mit 1. März 1997 in Kraft getreten (§49b Abs1 MRG).

2.1. §1 MRG, der unter der Überschrift "Geltungsbereich" steht, lautet auszugsweise:

"§1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Miete von Wohnungen, ...

(2), (3) ...

(4) Die §§14, 29 bis 36, 45, 46 und 49, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des I. und II. Hauptstückes, gelten für

1. ...

2. Wohnungen in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen, wobei Wohnräume, die nachträglich durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht zählen,

3. Mietgegenstände, die im Wohnungseigentum stehen, sofern der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist.

(5) ..."

2.2. §16 MRG, der unter der Überschrift "Vereinbarungen über die Höhe des Hauptmietzinses" steht, lautet auszugsweise (die angefochtenen Teile des Einleitungssatzes in Abs1 sind hervorgehoben):

"§16. (1) Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Hauptmietzinses für einen in Hauptmiete gemieteten Mietgegenstand sind ohne die Beschränkungen der Abs2 bis 5 bis zu dem für den Mietgegenstand im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand angemessenen Betrag zulässig, wenn

1. ...

2. der Mietgegenstand in einem Gebäude gelegen ist, das auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet worden ist, oder der Mietgegenstand auf Grund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung durch Um-, Auf-, Ein- oder Zubau neu geschaffen worden ist; dies gilt insbesondere auch für die Neuschaffung des Mietgegenstands durch den Ausbau eines Dachbodens;

3. bis 5. ..."

Die folgenden Absätze 2 bis 7b des §16 MRG regeln den zulässigen Hauptmietzins für den Fall, daß die Voraussetzungen des Abs1 nicht vorliegen, Abs8 und 9 betreffen die Unwirksamkeit entgegenstehender Vereinbarungen, Abs10 und 11 die zeitlich begrenzte Erhöhung des Hauptmietzinses für die Erhaltung, nützliche Verbesserungen und geförderte Sanierungsmaßnahmen. Nach Abs12 bleiben Mietzinsvorschriften in förderungsrechtlichen Bestimmungen unberührt.

Die Antragstellerin bekämpft die Wortfolge "ohne die Beschränkungen der Abs2 bis 5" und das Wort "wenn" im Einleitungssatz des §16 Abs1 sowie den restlichen Text des §16 MRG bis einschließlich Abs11.

2.3. Der Abs1 Z3 des §29 MRG, der unter der Überschrift "Auflösung und Erneuerung des Mietvertrages; Zurückstellung des Mietgegenstandes" steht, lautet in seinem Zusammenhang (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"§29. (1) Der Mietvertrag wird aufgelöst

1., 2. ...

3. durch Zeitablauf, jedoch nur wenn

a) ...

b) ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach lita in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung, an der Wohnungseigentum besteht, schriftlich vereinbart worden ist, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt, und - sofern die Wohnung in einem Gebäude gelegen ist, das auf Grund einer vor dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung neu errichtet wurde - die ursprüngliche Vertragsdauer oder die Verlängerung der Vertragsdauer jeweils mindestens drei Jahre beträgt; der Mieter hat nach Ablauf eines Jahres der ursprünglich vereinbarten oder verlängerten Dauer des Mietverhältnisses das unverzichtbare und unbeschränkbare Recht, den Mietvertrag vor Ablauf der bedungenen Zeit jeweils zum Monatsletzten gerichtlich unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu kündigen;

c) in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung schriftlich vereinbart wurde, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt, und die Vertragsdauer mindestens drei und höchstens zehn Jahre beträgt; dies gilt auch für Verträge, mit denen die Mietdauer einvernehmlich verlängert wird, jedoch mit der Maßgabe, daß die Gesamtmietdauer zehn Jahre nicht übersteigen darf und daß eine Verlängerung bis zu einer Gesamtmietdauer von zehn Jahren zulässig ist, auch wenn diese Verlängerung weniger als drei Jahre beträgt; der Mieter hat ein Kündigungsrecht, für das die Regelung der litb gilt,

d), e) ...

4., 5. ...

(2) bis (4c) ... ."

3. Zum Nachweis der Antragslegitimation legt die Antragstellerin einen Grundbuchsauszug und einen Staatsbürgerschaftsnachweis vor; im Antrag bezieht sie sich wie folgt auf ein bestimmt umschriebenes Haus in ihrem Eigentum:

"Das Haus wurde im Jahre 1900 erbaut und ich vermiete darin Wohnungen. Auf die von mir abgeschlossenen Mietverträge ist das MRG anzuwenden. Im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit bin ich in meinen Rechten verletzt. Das Gesetz ist für mich tatsächlich wirksam geworden und greift daher in meine Rechtssphäre unmittelbar und aktuell nachteilig ein."

4. In der Sache wendet sich die Antragstellerin dagegen, daß das MRG gleichwertige Wohnungen verschieden behandle, je nachdem, ob das Mietobjekt aufgrund einer nach dem 8. April 1945 (gemeint:

nach dem 8. Mai, gegebenenfalls vor dem 8. Mai 1945 (also nach dem 7. Mai 1945), vgl. Iro, MRG: Die neuen Regelungen für Zeitmietverhältnisse, RdW 1997, 57, FN 2) erteilten Baubewilligung errichtet wurde oder nicht. Für Eigentumswohnungen in Gebäuden, die aufgrund einer nach dem 8. Mai 1945 erteilten Baubewilligung errichtet worden seien, gölten die Beschränkungen des MRG hinsichtlich der Mietzinshöhe und der Dauer der möglichen Befristung von Mietverträgen nicht.

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Gemäß §62 Abs1 VerfGG sind in einem Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes als verfassungswidrig die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Wird ein solcher Antrag von einer Person gestellt, die unmittelbar durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, so ist auch darzutun, inwieweit das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist (§62 Abs1 letzter Satz VerfGG). Diese Prozeßvoraussetzung liegt hier nicht vor (vgl. VfSlg. 12959/1991, 13281/1992; VfGH 11.10.1995, G301/94; 27.11.1995, G15/95; zum vergleichbaren §57 Abs1 VerfGG VfSlg. 11432/1987, 13717/1994), wie folgende Überlegungen zeigen:

2.1. Die Antragstellerin bringt vor, sie vermiete Wohnungen in einem Haus, das im Jahre 1900 erbaut worden sei. Daraus folgt, daß die Mietobjekte nicht unter §16 Abs1 Z2 MRG fallen. Wenn dieses Vorbringen so zu verstehen wäre, daß die Mietobjekte auch nicht §16 Abs1 Z1 MRG (Mietgegenstände, die nicht zu Wohnzwecken dienen) zu unterstellen sind, so enthält der Antrag doch keine Ausführungen, die beurteilen lassen, ob die Mietobjekte unter §16 Abs1 Z3 bis 5 MRG fallen (sodaß die bekämpften Mietzinsbildungsvorschriften des §16 Abs2 bis 5 MRG nicht anzuwenden wären). Weiters fehlen Angaben, aus denen sich entnehmen ließe, ob die Mietobjekte nicht unter §1 Abs2 oder 4 MRG fallen, sodaß §16 MRG auf sie nicht anzuwenden wäre (zB Zweitwohnungen iSd §1 Abs2 Z4, Wohnungen in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen iSd §1 Abs4 Z2 MRG). Sollte dies alles nicht der Fall sein, sodaß auf die Mietobjekte grundsätzlich die Vorschriften über den Richtwertmietzins bzw. Kategorie-D-Zins (§16 Abs2 bis 9 MRG) anzuwenden wären, so fehlen weiters Angaben über Einzelheiten, die erkennen ließen, welche der einzelnen Mietzinsbildungsvorschriften des §16 MRG überhaupt in Frage kommen (zB Ausstattungskategorie gemäß §15a MRG, Befristung der Mietverhältnisse im Hinblick auf die Befristungsabschläge nach §16 Abs7 bis 7b MRG, Höhe des Mietzinses im Hinblick auf die Unwirksamkeitsbestimmung des §16 Abs8 und 9 MRG, Bestehen einer Wertsicherungsvereinbarung im Hinblick auf §16 Abs9 MRG). Weiters gibt die Antragstellerin nicht an, für welche Zeiträume die derzeit laufenden Mietverträge abgeschlossen worden sind und ob in absehbarer Zeit mit dem Abschluß neuer Verträge zu rechnen ist. Denn nur dann wäre es denkbar, daß sie von den bekämpften Bestimmungen etwa des §16 Abs2 bis 5 MRG nicht nur potentiell, sondern aktuell betroffen ist. Sollte sich die Antragstellerin nämlich vertraglich längerfristig bzw. unbefristet gebunden haben, so kann sie schon aufgrund allgemeiner zivilrechtlicher Regeln die Hauptmietzinse nicht erhöhen; Grund dafür wären dann aber nicht die gesetzlichen Regeln des MRG über die Hauptmietzinsbildung, sondern die bereits geschlossenen Verträge. Schließlich ist dem Antrag nicht zu entnehmen, ob die Hauptmietzinse, die in den bestehenden Mietverträgen vereinbart worden sind, dem §16 MRG entsprechend gebildet worden oder etwa überhöht sind; der zweite Fall würde der Antragstellerin den Umweg eröffnen, im Verfahren außer Streitsachen einen Antrag betreffend die "Angemessenheit des vereinbarten ... Hauptmietzinses" zu stellen (§37 Abs1 Z8 MRG; vgl. VfSlg. 12046/1989) und dort ihre Bedenken gegen §16 MRG vorzutragen sowie vor dem Gericht zweiter Instanz die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrags beim Verfassungsgerichtshof anzuregen.

2.2. Was die Anfechtung einer Wortfolge in §29 Abs1 Z3 litb MRG betrifft, so fehlen, um die aktuelle Betroffenheit beurteilen zu können, Angaben darüber, ob es sich bei den Mietobjekten nicht um Wohnungen handelt, an denen Wohnungseigentum besteht; zu §29 Abs1 Z3 litc MRG fehlen Angaben über die Vertragsdauer.

2.3. Gemäß §49b Abs4 MRG gilt §16 Abs7b MRG idF BGBl. I 22/1997 über Umwandlungen von Mietverhältnissen in ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit für Umwandlungen, die für einen nach dem 28. Februar 1997 liegenden Zeitraum vereinbart werden. Gemäß §49b Abs8 MRG ist §29 Abs1 Z3 litb und c MRG idF BGBl. I 22/1997 auf Mietverträge anzuwenden, die vor dem 1. März 1997 geschlossen wurden, nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksam befristet waren und für einen Zeitraum nach dem 28. Februar 1997 verlängert werden.

Der Antrag läßt jede Angabe vermissen, wann die Mietverträge abgeschlossen wurden und ob mit einer Umwandlung nach §16 Abs7b oder einer Verlängerung nach §29b Abs1 Z3 litb oder c MRG in absehbarer Zeit zu rechnen ist.

3. Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, in all diesen Beziehungen bloße Vermutungen anzustellen und solcherart gewonnene vermeintliche Ansichten der Antragstellerin zur Beurteilung der Antragsvoraussetzungen heranzuziehen. Das Erfordernis solcher Darlegungen durch die Antragstellerin besteht auch dann, wenn bestimmte Annahmen im Hinblick auf die sonst geschilderte Situation naheliegen mögen (VfGH 11.10.1995, G301/94).

4. Da die Antragstellerin nicht dargetan hat, daß sie durch das angefochtene Gesetz in ihrer Rechtssphäre aktuell betroffen ist, war der Antrag wegen fehlender Legitimation zurückzuweisen.

Da somit nicht erwiesen ist, ob und inwieweit die Antragstellerin aktuell betroffen ist, konnte gar nicht geprüft werden, ob die weiteren Prozeßvoraussetzungen (weder zu enger noch überschießender Anfechtungsumfang, kein zumutbarer Umweg, ausreichende Darlegung der Bedenken im einzelnen, ...) vorliegen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse, Mietenrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:G260.1997

Dokumentnummer

JFT_10029391_97G00260_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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