Entscheidungsdatum
02.06.2015Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W161 2107326-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , festgestellte Volljährigkeit XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan alias Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2015, Zl. 1050699101-150092226-EAST Ost, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005, BGBl I Nr. 144/2013 und § 61 FPG, BGBl I Nr. 87/2012 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers wird gemäß § 52 BFA-VG zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, nach eigenen Angaben ein afghanischer Staatsangehöriger, brachte am 25.01.2015 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.
2. Eine EURODAC-Abfrage ergab je einen Treffer der Kategorie 2 mit Ungarn vom 23.01.2015 und mit Griechenland vom 14.12.2014.
3. Bei der Erstbefragung am 26.01.2015 vor der Landespolizeidirektion Salzburg, gab der Beschwerdeführer an, er habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Er habe seine Heimat vor ca. dreieinhalb Monaten schlepperunterstützt verlassen. Er sei über die Türkei nach Griechenland gelangt, wo man ihm die Fingerabdrücke abgenommen und ihn schriftlich aufgefordert habe, das Land innerhalb eines Monats zu verlassen. Er sei in der Folge über Mazedonien und Serbien nach Ungarn gelangt und dort von der Polizei aufgegriffen worden. Man habe seine Fingerabdrücke genommen und ihn mit zwei männlichen Personen, mit denen er gemeinsam unterwegs gewesen sei, in ein Asylantenlager geschickt. Er sei mit dem Zug nach XXXX gefahren und habe sich dort eine Fahrkarte nach Wien gekauft. Er sei schließlich in XXXX im Zug aufgewacht. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, er habe keine Dokumente im Iran besessen und deshalb auch keine Schule bzw. Ausbildung absolvieren können. Davon abgesehen habe die Gefahr bestanden, dass er nach Afghanistan abgeschoben werde.
4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) richtete am 28.01.2015 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn.
Mit Schreiben vom 10.02.2015 stimmte Ungarn dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-Verordnung ausdrücklich zu und teilte mit, der Beschwerdeführer habe in Ungarn am 24.01.2015 um Asyl angesucht, sei jedoch kurz danach untergetaucht. Nach der ärztlichen Untersuchung bei der Polizei sei er als Erwachsener registriert worden.
5. In der Folge wurde ein Sachverständigengutachten zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers von DDR. XXXX , eingeholt, welches nach Durchführung einer klinischen Untersuchung, Erhebung des Zahnstatus, Durchführung eines Handröntgens sowie eines Schlüsselbein-CTs zu nachstehenden Ergebnis kommt:
"Die für die ggstdl Begutachtung durchgeführte, standardisierte ‚multifaktorielle' Befunderhebung (Anamnese, körperliche Untersuchung und radiologische Bildgebung mit fachärztlicher Befundung) erbrachte für den Antragsteller zum Untersuchungszeitpunkt v. 25.02.2015 ein Mindestalter von 19 Jahren bzw. als spätmögliches ‚fiktives' Geburtsdatum den XXXX . Damit befand er sich zum Datum des Asylantrages v. 25.01.2015 eindeutig jenseits seines vollendeten Lebensjahres (Mindestalter dann 18,92a). In anderen Worten. Eine Minderjährigkeit des Antragstellers kann für diesen Zeitpunkt mit dem erforderlichen Beweismaß ausgeschlossen werden."
6. Bei der Einvernahme durch das BFA, EAST West am 17.04.2015 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe eine Rechtsberatung in Anspruch genommen. Er habe keine Verwandten in Österreich. Zu seiner beabsichtigten Rückführung nach Ungarn gab der Beschwerdeführer an, er habe in Ungarn keinen Asylantrag gestellt. Man müsse als Flüchtling illegal reisen, deswegen habe er in Ungarn Fingerabdrücke abgeben müssen, sonst hätte man ihn wieder zurückgeschoben. Er sei nur 24 Stunden in Ungarn gewesen, es habe keine Vorfälle in Ungarn gegeben. Wenn die Ungarn sich um Asylwerber kümmern könnten, hätten sie ihnen keine Zugtickets in die Hand gedrückt und ihnen gesagt, sie sollten sich ein Flüchtlingsheim suchen und dorthin gehen. Sonst habe er nichts zu sagen, Österreich sei seine Hoffnung. Da er nicht so lange in Ungarn gewesen sei, könne er über Ungarn nichts Schlechtes sagen. Er sei aber jetzt in Österreich und bitte die Behörden, ihm die Chance zu geben, hier zu bleiben. Außerdem habe er einen minderjährigen Freund in Österreich, der ebenfalls Flüchtling sei. Er möchte nicht zurück nach Ungarn. Er habe alles gesagt.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.
Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in Ungarn die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich seien und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.
Konkret traf das BFA folgende Länderfeststellungen zu Ungarn:
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 12.3.2015, Vorkehrungen für Minderjährige in Asylhaft (relevant für Abschnitt 2. Allgemeines zum Asylverfahren)
Wie in der letzten KI berichtet, hat Ungarn im Oktober 2014 wieder begonnen über Familien mit Kindern gegebenenfalls asylrechtliche Haft zu verhängen (als letztes Mittel unter Bedachtnahme auf das beste Interesse des Kindes und für maximal 30 Tage) (VB 22.10.2014).
BAH teilte nun auf Anfrage dem BM.I Verbindungsbeamten mit, dass Dekret 29/2013 über die Umsetzung der Asylhaft die Unterbringungsbedingungen, auch für Minderjährige, regelt. Es sieht auch entsprechende Bildungsaktivitäten durch den zuständigen Schulbezirk (Klebelsberg-Institution) vor. In den Asylhaftzentren Békéscsaba und Debrecen, wo Familien mit Kindern in Asylhaft genommen werden können, sind gemäß og. Dekrets Bedingungen vorhanden, die altersgemäße Freizeitaktivitäten für Kinder ermöglichen. Spielzimmer gibt es in beiden Zentren und sie können täglich genutzt werden. Sozialarbeiter und pädagogisch geschulte Mitarbeiter organisieren Programme für Kinder, darunter Aktivitäten in der Muttersprache (derzeit meist Albanisch) und Ungarisch;
künstlerische Betätigung; musische Betätigung; Turnen;
Mathematik/Denksport. Für Personen in Asylhaft über 14 Jahren sind laut Dekret 3, darunter 5 Mahlzeiten pro Tag mit zusammen mindestens
10.900 Joule Energiegehalt vorgesehen. Auf gesundheitliche und religiöse Besonderheiten ist bei der Verpflegung Bedacht zu nehmen. Schwangere, Mütter kleiner Kinder und Minderjährige sind mit Milchprodukten und Früchten oder mit anderer medizinisch indizierter Kost zu versorgen. Momentan sind in Békéscsaba keine Kinder untergebracht, in Debrecen befanden sich mit Stand 5.3.2015 23 Minderjährige, davon 21 unter 14 Jahren (VB 10.3.2015).
Quellen:
-
VB des BM.I in Ungarn (22.10.2014): Auskunft des VB, per E-Mail
-
VB des BM.I in Ungarn (10.3.2015): Auskunft des VB, per E-Mail
KI vom 4.3.2015, Haft von Familien mit Kindern (relevant für Abschnitt 2. Allgemeines zum Asylverfahren)
Ungarn hat im Oktober 2014 die Praxis der asylrechtlichen Inhaftierung von Familien mit Kindern (als letztes Mittel unter Bedachtnahme auf das beste Interesse des Kindes und für maximal 30 Tage), wieder aufgenommen. Im Oktober 2014 hat sich das BAH entschlossen, im geschlossenen Unterbringungszentrum Békéscaba nur noch Familien unterzubringen. Da diese mehrheitlich aus dem Kosovo stammen (und der Volksgruppe der Aschkali angehören) ist eine vollkommen homogene Gruppe entstanden. Bei einem Besuch dieser Einrichtung konnte vom VB eine gute Gesamtsituation festgestellt werden. Entsprechend den engen Zeitfenstern bei der Unterbringung von Familien in geschlossenen Einrichtungen (maximal 30 Tage) ist die Fluktuation hoch. Die Einrichtung selbst verfügt über einen PC-Raum, wo das Internet genutzt werden kann, 24h-Dienst für ärztliche Versorgung, eine eigene Apotheke und einen Trainingsraum. Die Einrichtung wird durch die OStA des Komitats ca. alle zwei Monate kontrolliert, dabei wird den untergebrachten Personen die Möglichkeit eingeräumt sich zu beschweren und sie werden auch aktiv nach ihrem Wohlbefinden befragt. Zum Zeitpunkt des Besuchs (6.10.) befanden sich 171 Personen in der Einrichtung, insgesamt stehen dort 185 Plätze zur Verfügung (VB 22.10.2014).
Diese Situation blieb aufrecht, allerdings waren aufgrund der Antragszahlen die Möglichkeiten rasch erschöpft, d.h. eine Unterbringung in Gewahrsam ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr möglich. Im Endeffekt war nur ein kleiner Bruchteil der seit September 2014 antragsstellenden Kosovaren tatsächlich in Gewahrsam. In Békéscaba selbst gibt es laut Beobachtungen des VB Unterricht für die Kinder, (wenige) PCs, Spielzeug, einen Fußballplatz etc. Aufgrund der Gespräche mit den Angestellten der Betreuungseinrichtung war klar, dass sie sich intensiv mit den Problemen v.a. der Kinder auseinandergesetzt hatten (z.B. wurde mehrfach erschüttert festgehalten, dass viele der Kinder nunmehr das erste Mal in ihrem Leben Unterricht erhalten bzw. viele Analphabeten seien). Unterricht findet statt, allerdings nicht in Schulen, sondern vor Ort in einer Art Gemeinschaftsklasse. Der VB konnte keine offensichtlich Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung der vor Ort befindlichen Kinder feststellen. (VB 2.3.2015)
Quellen:
-
VB des BM.I in Ungarn (22.10.2014): Auskunft des VB, per E-Mail
-
VB des BM.I in Ungarn (2.3.2015): Auskunft des VB, per E-Mail
KI vom 14.8.2014, Versorgung Schutzberechtigter bei Rückschiebung (relevant für Abschnitt 7. Schutzberechtigte)
Nach Ungarn rücküberstellte anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben keinen Anspruch auf Unterbringung in den Unterbringungszentren für AW. Wenn Schutzberechtigte es durch ihre Abwesenheit oder sonst wie versäumt haben binnen 4 Monaten ab Statuszuerkennung den Abschluss eines Integrationsvertrags zu beantragen, gibt es keine Möglichkeit dies nachzuholen. Ihr Antrag würde abgelehnt werden. Wenn die rücküberstellten Schutzberechtigten bereits einen Integrationsvertrag abgeschlossen hatten, jedoch an mehr als 30 aufeinanderfolgenden Tagen die Bedingungen des Vertrags nicht erfüllt haben, ist der Integrationsvertrag mittlerweile ausgesetzt worden. BAH hat die Möglichkeit, den Vertrag bei Rückkehr wieder in Kraft zu setzen, wenn die Rückkehrer sich als kooperativ erweisen und die Verpflichtungen aus dem Integrationsvertrag erfüllen. Schutzberechtigte, deren Antrag auf Abschluss eines Integrationsvertrags abgelehnt oder deren Integrationsvertrag gekündigt wird, haben immer noch die Möglichkeit um alle Unterstützungen anzusuchen, die auch ungarischen Staatsbürgern offen stehen. Das gilt für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte gleichermaßen. (BAH 11.8.2014)
Quellen:
-
BAH - ungarisches Büro für Immigration und Nationalität (11.8.2014): Anfragebeantwortung, per E-Mail
2. Allgemeines zum Asylverfahren
Antragsteller 2012
Ungarn
2.155
Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.
(Eurostat 22.3.2013)
Antragsteller 2013
Ungarn
18.895
Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.
(Eurostat 24.3.2014)
Erstinstanzliche Entscheidungen 2013
Gesamt
Flüchtlings-status
Subsidiärer Schutz
Humanitäre Gründen
NEGATIV
4.450
175
185
5
4.180
Die Daten
werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.
(Eurostat 24.3.2014)
Das Büro für Immigration und Nationalität (Office of Immigration and Nationality, OIN; ungarisch: Bevándorlási és Állampolgársági Hivatal, BAH) hat die Verantwortung für Entscheidungen in Asylverfahren und das Management der Unterbringungszentren. Es untersteht dem ungarischen Innenministerium. (EMN 4.2011 / Asylgesetz 2007 24.12.2010, Art. 45)
Asylverfahren
Asyl kann an der Grenze oder im Land beantragt werden. Das Verfahren beginnt mit der persönlichen Einbringung des Asylantrags vor dem BAH. Im Zulassungsverfahren wird geklärt ob Ungarn oder ein anderer Dublin-Staat für das Verfahren zuständig ist. Ein Interview unter Anwesenheit eines Übersetzers ist vorgesehen. Auch die Unterbringung des AW in einem offenen Zentrum oder in asylrechtlicher Haft wird entschieden. Das Zulassungsverfahren soll binnen 30 Tagen (am Flughafen in 8 Tagen) abgeschlossen sein. Wird der Antrag für unzulässig oder offensichtlich unbegründet befunden und somit nicht zum inhaltlichen Verfahren zugelassen, ist binnen 3 Tagen Beschwerde vor dem zuständigen Gericht möglich. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Das inhaltliche Verfahren soll binnen 2 Monaten abgeschlossen sein. Gegen eine negative Entscheidung des BAH im inhaltlichen Verfahren ist binnen 8 Tagen Beschwerde vor dem zuständigen Gericht möglich. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Das Gericht hat binnen 60 Tagen zu entscheiden, in der Praxis dauert es aber mehrere Monate bis zu einer Entscheidung. Auch während des inhaltlichen Verfahrens kann der AW offen oder in Asylhaft untergebracht werden, wenn Gründe dafür vorliegen. (AIDA 30.4.2014)
Wenn ein AW seinen Antrag am Flughafen, vor Betreten ungarischen Territoriums einbringt, wird er im Transitbereich des Flughafens untergebracht. Das Vorverfahren verkürzt sich auf 8 Tage. Sind diese verstrichen oder wird der Antrag zugelassen, wird dem AW das Betreten ungarischen Territoriums erlaubt. Ist der AW vulnerabel, gelten die Bestimmungen für das Flughafenverfahren nicht (auch nicht für Familienmitglieder). (Asylgesetz 2007 24.12.2010, Art. 72 / Regierungserlass 290/2010, Art. 97)
Jeder bedürftige Asylwerber hat gesetzlichen Anspruch auf kostenlose Rechtsberatung. Diese wird von NGOs oder von staatlicher Seite geleistet. Der Nachweis der Bedürftigkeit erfolgt durch Eigendeklaration. Die rechtliche Vertretung im Verfahren ist davon nicht umfasst. In der Beschwerdephase gegen eine negative Entscheidung der ersten Instanz im Asylverfahren ist Rechtshilfe vorgesehen. Sie wird von Anwälten, NGOs oder staatlichen Stellen geleistet. Obwohl diese Möglichkeit seit 2004 offensteht, haben sie nur wenige AW wahrgenommen. Die Gründe dafür sind hauptsächlich Unwissenheit bzw. fehlende Übernahme von Übersetzungskosten. Seit Anfang 2013 gibt es ein Projekt des staatlichen Rechtshilfedienstes unter Förderung durch den Europäischen Flüchtlingsfonds. 2013 soll es in 312 Fällen Rechtsberatung und in 155 Fällen Rechtsvertretung für AW geleistet haben. Für Anwälte soll die geringe finanzielle Entschädigung bei Rechtshilfe für AW ein gewisser negativer Anreiz sein. (AIDA 30.4.2014) NGOs, welche kostenlose Rechtshilfe anbieten, sind u.a. HHC, Mahatma Gandhi Association usw. (VB 10.5.2014) Anwälte besuchen im Auftrag von HHC weiterhin wöchentlich alle Unterbringungs- und Asylhaftzentren und bieten dort rechtliche Unterstützung an. (AIDA 30.4.2014; vgl. auch HHC 5.2014) HHC hat 2013 1.126 AW rechtliche Hilfe angedeihen lassen. (AIDA 30.4.2014)
Fremdenpolizeiliche Haft
Für fremdenpolizeiliche Maßnahmen (Aufgriff und Verhaftung illegaler Migranten, Rückführungen) ist in Ungarn die Aliens Policing Unit der ungarischen Polizei zuständig. Die Polizei kann einen Ausländer für bis zu 72 Stunden inhaftieren, danach kann ein Gericht die Haftdauer um jeweils 30 Tage bis zu insgesamt einem Jahr verlängern. Ein Ausländer muss aus der Haft entlassen werden, wenn die Rückführung auch so gesichert ist; wenn es offensichtlich wird, dass die Rückführung nicht durchgeführt werden kann (dann ist er in einer festgelegten offenen oder privaten Unterkunft unterzubringen); bzw. wenn die maximale Haftdauer von 12 Monaten erreicht ist. Minderjährige können nicht inhaftiert werden. Familien mit minderjährigen Kindern dürfen als letztes Mittel für maximal 30 Tage inhaftiert werden. (Info Stdok 5.2012)
Die Polizei verfügt über fremdenpolizeiliche Haftzentren in Györ, Budapest Airport, Nyírbátor und Kishkunhalas. Dort sind Psychologen der NGO Menedék verfügbar und es gibt damit gute Erfahrungen. (HHC 5.2014)
Asylrechtliche Haft
Mitte 2013 entschied sich die ungarische Regierung das Asylrecht anzupassen und neben der fremdenpolizeilichen auch eine asylrechtliche Haft zu schaffen. Die Änderungen des ungarischen Asylgesetzes ab dem 1.7.2013 betreffen die Neuregelung der Inhaftierung von AW in folgenden Fällen:
a) bei ungeklärter Identität und Nationalität
b) wenn ein AW sich versteckt oder das Verfahren sonst wie behindert hat
c) wenn die begründete Annahme besteht, dass der AW das Asylverfahren verzögern oder sich diesem entziehen wird
d) wenn die Haft notwendig ist zum Schutz der nat. Sicherheit, der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung (weil der AW in ernster Weise oder mehrfach die Hausordnung des festgelegten Ortes des verpflichtenden Aufenthalts verletzt hat)
e) bei einem Antrag am Flughafen
f) wenn der AW das Dublin-Verfahren behindert, weil er nicht zu Ladungen erschienen ist.
Die Haft kann zuerst für 72 Stunden verhängt werden. Binnen der ersten 24 Stunden kann BAH die Verlängerung beim zuständigen Bezirksgericht beantragen. Das Gericht kann aufgrund dessen die Haft jeweils um max. 60 Tage verlängern, bis zu einer Maximaldauer von 6 Monaten. BAH muss die Verlängerungsanträge begründen. Eine persönliche Anhörung des Inhaftierten hat bei der ersten Verlängerung zwingend zu erfolgen, bei allen weiteren Verlängerungen kann diese auf Antrag des AW erfolgen. Haft von unbegleiteten Minderjährigen darf nicht angeordnet werden. (UNHCR 12.4.2013 vgl. auch: AIDA 30.4.2014) Die asylrechtliche Haft für Familien mit Kindern (als letztes Mittel unter Bedachtnahme auf das beste Interesse des Kindes) ist grundsätzlich für max. 30 Tage erlaubt, wird aber in der Praxis nicht mehr angewendet. Alleinstehende Frauen werden auch nicht mehr inhaftiert. (AIDA 30.4.2014)
Gegen die Anordnung der asylrechtlichen Haft gibt es kein Rechtsmittel. Die Rechtmäßigkeit der Haft kann nur durch die regelmäßige richterliche Kontrolle überprüft werden. Die erste richterliche Überprüfung findet, wie oben beschrieben, nach 3 Tagen statt, danach in 60-Tages-Intervallen. Diese Intervalle kritisiert HHC als zu lang. Eine Auswertung von 64 Gerichtsentscheidungen zur Verlängerung der Asylhaft (gefällt zwischen 4.10.2013 und 21.2.2014) veranlasste HHC, die richterliche Aufsicht als ineffektiv zu bezeichnen. Die Entscheidungen seien schematisch und es fehle ihnen die individualisierte Abwägung der Haftgründe bzw. der individuellen Situation (z.B. Vulnerabilität). Laut HHC soll aber die Kuria (ungarisches Höchstgericht) eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung dieser Praxis eingesetzt haben, anhand von deren Ergebnissen Empfehlungen ausgearbeitet werden sollen. (HHC 5.2014) BAH selbst verfügt zwar über keine Statistiken hierzu, führt aber aus, dass die zuständigen Gerichte "recht häufig" nicht mit BAH übereinstimmen würden und die Haft beenden oder für einen kürzeren Zeitraum als den von BAH geforderten anordnen. Die Behauptung, die Haftverlängerungen wären ein Automatismus, bezeichnet BAH jedenfalls als unwahr. (VB 10.7.2014)
Betroffene können Beschwerde bezüglich der asylrechtlichen Haft einlegen, wenn BAH gewisse Pflichten verletzt hat (Information über Rechte/Pflichten in verständlicher Sprache; Unterbringung für abhängige Angehörige des zu Inhaftierenden; Einhaltung d. Haftbedingungen usw.). Über diese Beschwerde hat das zuständige Wohnsitzgericht binnen 8 Tagen zu entscheiden. (UNHCR 12.4.2013)
Um die praktischen Auswirkungen der Asylhaft auf Personen einschätzen zu können, die im Rahmen der Dublin-VO aus Österreich nach Ungarn zurückkehren, wurde mit den ungarischen Behörden ein Monitoring von 15 Fällen vereinbart. Von Interesse waren bei diesem Monitoring insbesondere die Punkte: Art der Unterbringung nach Überstellung (offene Unterbringung oder Haft); Zugang zum Asylverfahren; im Falle von Haft, deren Gründe und Zugang zu Rechtsschutz. Im Zeitraum zwischen 1. und 29. Juli 2013 wurden 15 ausgewählte Fälle (betreffend 16 Personen) von Österreich nach Ungarn überstellt. Es handelte es sich bei den überstellten Personen um 12 erwachsene Männer, zwei erwachsene Frauen und einen Vater mit minderjährigem Sohn. Zugang zum Asylverfahren/Zugang zu Rechtsschutz war nach Angaben des BAH für alle gesichert. Über 3 der Rückkehrer wurde die neu geschaffene asylrechtliche Haft verhängt. Mit Stand 19.9.2013 war noch 1 Person mit anhängigem Asylverfahren in asylrechtlicher Haft. Die anderen hatten ihren Antrag zurückgezogen und wurden nach Serbien abgeschoben. In offener Unterbringung befanden sich noch 3 von ursprünglich 8 Personen. Von diesen dreien hatte eine ein noch nicht rechtskräftig eingestelltes Verfahren, eine weitere eine anhängige Beschwerde und die dritte Person (die Frau) ein anhängiges fremdenpolizeiliches Verfahren. Die anderen 5 Personen waren unbekannten Aufenthalts. Sie hatten das Zentrum Debrecen verlassen, weswegen 4 dieser Verfahren eingestellt wurden, ein Verfahren befand sich im Stadium einer anhängigen Beschwerde. Insgesamt wurden 5 Personen nach Serbien abgeschoben, 3 wegen zurückgezogener Anträge, 2 aus der fremdenpolizeilichen Haft heraus. Eine Person wurde wegen zurückgezogenen Antrags in den Kosovo abgeschoben. Eine Person ist freiwillig ausgereist. Vater und Sohn zählen zu jenen mit unbekanntem Aufenthalt, ihre Verfahren wurden eingestellt. (BAA 19.9.2013)
Laut Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Würzburg sind keine systemischen Mängel der Asylpraxis Ungarns festzustellen. Aus der im Juli 2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderung, wonach die Inhaftierung von Asylwerbern für bis zu sechs Monate möglich ist, folgen keine systemischen Mängel. Die Haftgründe entsprechen ganz überwiegend denen des Art. 8 III RL 2013/33/EU. (BAMF 16.1.2014)
Nach Angaben der NGO Hungarian Helsinki Committee (HHC), wurde die Asylhaft zwischen 1.7.2013 und 17.4.2014 in 2.372 Fällen angewandt. Darin enthalten sind Mehrfachnennungen, denn es kam immer wieder vor, dass Personen aus verschiedenen Gründen aus der Asylhaft entlassen wurden und später erneut inhaftiert werden mussten, weil sie versuchten, das Land zu verlassen. Da Frauen und Familien mit Kindern kaum noch inhaftiert werden, folgert HHC, dass Asylhaft hauptsächlich erwachsene männliche AW betrifft und bezweifelt anhand der Zahlen den Charakter der Asylhaft als ausnahmsweises Mittel:
Anfang März 2014
Anfang April 2014
Asylwerber mit anhängigen Verfahren
1625
1151
Erwachsene männl. AW mit anh. Verfahren
1073
766
AW in Asylhaft
369
321
Anteil inhaftierter AW an AW gesamt
23%
28%
Anteil inhaftierter AW an erwachsenen männl. AW
34%
42%
(HHC 5.2014)
Nach Eigenangaben des BAH wurde zwischen 1.7.2013 und 10.5.2014 die Asylhaft in 2.703 Fällen angewandt. Diese Zahl enthält ebenfalls mehrfach Inhaftierte. Im selben Zeitraum hatte Ungarn 10.651 Asylwerber zu verzeichnen, was eine Haftquote von 25-30% ergibt. BAH gibt an, dass sie rein rechtlich 90% der Antragsteller inhaftieren könnten, es aber nicht tun. Die Asylhaft ist eine Einzelfallentscheidung, aber der Herkunftsstaat ist ein wichtiger Faktor bei der Schutzentscheidung und spielt natürlich eine Rolle. Die meisten Inhaftierten sind aus Pakistan (591 Fälle), Kosovo (481), vorgeblich Afghanistan (417), Bangladesch (144), Algerien (136) und Senegal (109). (VB 10.5.2014)
Momentan gibt es drei permanente Asylhaftzentren in Ungarn. Békéscsaba (Kapazität: 185 Plätze), Debrecen (182) und Nyírbátor (105). Sie unterstehen dem BAH, das Wachpersonal stellt allerdings die Polizei (sogenannte Armed Security Guards, eine Art Hilfspolizisten, die unter Polizeiaufsicht agieren). Das Klima darin wird von HHC als "angespannt und niedergeschlagen" bezeichnet, ein Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten mache sich bemerkbar. Jedenfalls können sich die Asylwerber tagsüber frei im Zentrum bewegen und auch den Hof benützen, der in Békéscsaba und Nyírbátor auch sehr geräumig, in Debrecen hingegen klein und schlecht ausgestattet sei. Auch liegt das Asylhaftzentrum Debrecen inmitten des offenen AW-Unterbringungszentrums, was eher zur Frustration beitrage. In allen Asylhaftzentren gibt es Computerräume mit Internetzugang, die für Zeiträume von 20-30 Minuten genützt werden können. Es gibt TV-Geräte und das BAH beschäftigt Sozialarbeiter. Diese Maßnahmen würdigt HHC zwar, zeigt sich damit aber nicht zufrieden. Jedenfalls gibt es in den Zentren kein Problem mit Überbelegung, es gibt aber Beschwerden über hygienische Bedingungen in Debrecen und Nyírbátor. HHC nennt die Hafteinrichtungen für Vulnerable ungeeignet, es sei dort keine psychologische Betreuung verfügbar, im Gegensatz zu den fremdenpolizeilichen Haftzentren. (HHC 5.2014)
Alternativen zur Haft stehen zur Verfügung: Kaution, Ort des verpflichtenden Aufenthalts und Meldeauflagen. Die durchschnittliche Kaution betrug 1.000 Euro, wurde aber verdoppelt, weil immer noch viele versuchten, nach der Zahlung das Land zu verlassen. Seither wird die Kaution kaum mehr beantragt. Es gibt Kritik, Alternativen zur Haft würden aufgrund legislativer Schwächen nicht gut genug geprüft. (AIDA 30.4.2014)
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles, Forum Refugiés-Cosi, the Hungarian Helsinki Committee and the Irish Refugee Council (30.4.2014): National Country Report Hungary,
http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aida_-_hungary_second_update_final_uploaded_0.pdf, Zugriff 7.8.2014
-
Asylgesetz 2007 (24.12.2010): Act LXXX of 2007 on Asylum
-
BAA Monitoringbericht (19.9.2013): Dublin-Rückkehrer in Ungarn und Anwendung der neugeschaffenen asylrechtlichen Haft 1.-29.7.2013
-
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (16.1.2014):
Entscheiderbrief 1/2014,
http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Entscheiderbrief/2014/entscheiderbrief-01-2014.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 7.8.2014
-
EMN (4.2011): European Migration Network: ANNUAL POLICY REPORT 2010. Developments in Hungarian Migration and Asylum Policy 1 January 2010 - 31 December 2010, http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-we-do/networks/european_migration_network/reports/docs/annual-policy/2010/12._hungary_annual_policy_report_2010_final_version_april_2011_en.pdf, Zugriff 7.8.2014
-
Eurostat (24.3.2014): Pressemitteilung 46/2014, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/3-24032014-AP/EN/3-24032014-AP-EN.PDF, Zugriff 7.8.2014
-
Eurostat (22.3.2013): Pressemitteilung 48/2013, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_PUBLIC/3-22032013-BP/DE/3-22032013-BP-DE.PDF, Zugriff 7.8.2014
-
HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2014): Information Note on Asylum-seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, http://www.refworld.org/docid/539164814.html, Zugriff 7.8.2014
-
Info der Staatendokumentation (5.2012): Ungarn: Ergebnisse der Konferenz über das ungarische Asyl- und Fremdenpolizeiwesen, 28.2.-2.3.2012
-
Regierungserlass 290/2010 (XII.21.) zu Gesetz XXXV/2010
-
UNHCR (12.4.2013): UNHCR COMMENTS AND RECOMMENDATIONS ON THE DRAFT
MODIFICATION OF CERTAIN MIGRATION-RELATED LEGISLATIVE ACTS FOR THE
PURPOSE OF LEGAL HARMONISATION,
http://www.unhcr-centraleurope.org/pdf/where-we-work/hungary/unhcr-comments-and-recommendations-on-the-draft-modification-of-migration-related-acts-april-2013.html, Zugriff 7.8.2014
-
VB des BM.I in Ungarn (10.5.2014): Auskunft des VB, per E-Mail
-
VB des BM.I in Ungarn (10.7.2014): Auskunft des VB, per E-Mail
3. Dublin-Rückkehrer
Seit 1.1.2014 ist für Dublin-Rückkehrer die volle inhaltliche Prüfung ihres Antrags garantiert. (HHC 5.2014) Dublin-Rückkehrer werden nach dem "take back" automatisch als Asylwerber betrachtet. (VB 11.7.2014b) Wenn ihr vorheriges Verfahren noch läuft, sei es im Verwaltungsverfahren oder auf Ebene der Gerichte, wird es fortgesetzt. Ist die Entscheidung im früheren Verfahren endgültig geworden (weil der Erstantrag schriftlich zurückgezogen wurde; gegen eine negative Entscheidung im Zulassungs- oder Asylverfahren kein Rechtsmittel eingelegt wurde; oder wegen negativer Entscheidung der 2. Instanz (HHC 5.2014)), werden Rückkehrer in "take back"-Fällen als Folgeantragsteller betrachtet. (VB 11.7.2014b) Diese Folgeanträge müssen neue Elemente enthalten um zulässig zu sein, außer der Erstantrag wurde schriftlich zurückgezogen bevor eine Entscheidung gefällt wurde. (HHC 5.2014) Wenn das Erstverfahren abgebrochen wurde, weil der AW den Erstantrag schriftlich oder stillschweigend zurückgezogen hat, und der Folgeantrag als unzulässig oder offensichtlich unbegründet befunden wird, hat eine Beschwerde gegen diese Entscheidung (binnen 3 Tagen beim zuständigen Gericht, zu entscheiden binnen 8 Tagen (AIDA 30.4.2014)) keine aufschiebende Wirkung auf eine Außerlandesbringung. (HHC 5.2014) Es ist nicht eindeutig geregelt, worin "neue Elemente" bestehen, das ist jedoch angeblich kein großes Problem, da die meisten AW mit neuen Informationen über Verwandte oder das Herkunftsland, zum inhaltlichen Verfahren zugelassen werden. (AIDA 30.4.2014)
Dublin-Rückkehrer, die als Folgeantragsteller gelten, haben in bestimmten Konstellationen (z.B. Folgeantrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet), nicht denselben Zugang zu Versorgung wie andere AW. Sie werden in der Regel bis zu 2 Monate in der Gemeinschaftsunterkunft Balassagyarmat untergebracht. Laut HHC kann ihnen nach diesen 2 Monaten Obdachlosigkeit drohen. (HHC 5.2014) Seit November 2012 ist in Balassagyarmat jede zweite Woche ein HHC-Rechtsberater anwesend. (AIDA 30.4.2014)
Die Bestimmungen der Asylhaft sind auch auf Dublin-Rückkehrer anwendbar. (HHC 5.2014)
BAH ist es möglich in einem Asylverfahren eine Entscheidung in Abwesenheit zu fällen, wenn sich der AW dem Verfahren entzogen hat und BAH über genügend Material für eine inhaltliche Entscheidung verfügt. BAH bezieht sich dabei auf die EU-RL 2005/85/EC (Art. 20. para 1.; 2013/32/EU Art. 28. para 1.). (VB 11.7.2014b) Ein Folgeantrag würde in diesem Fall neue Elemente verlangen. (HHC 5.2014)
Ist die Rechtsmittelfrist gegen eine negative Entscheidung des BAH verstrichen, ist auch nach Dublin-Rückkehr keine Beschwerde mehr möglich. (VB 11.7.2014b) HHC kritisiert, dass diese Praxis bei einer in Abwesenheit ergangenen zurückweisenden Entscheidung einen Bruch der Dublin-III-VO darstellen würde. (HHC 5.2014) BAH hingegen sieht sich auch hier in Übereinstimmung mit der EU-RL 2005/85/EC (2005/85/EC Art. 39. para 2.; 2013/32/EU Art. 46. para 4.) und bestreitet eine Verletzung der Dublin-III-VO. (VB 11.7.2014b)
Im Fall Mohammadi vs. Austria kommt der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 3.7.2014 zu dem Schluss, dass die Länderberichte bezüglich der Situation von Asylwerbern in Ungarn keine systematischen Defizite im ungarischen Asylsystem feststellen konnten. Außerdem hat es in der jüngsten Vergangenheit Verbesserungen der Bedingungen für Asylwerber gegeben. Das Gericht entschied daher, dass im Falle einer Überstellung nach Ungarn keine Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK besteht. (EGMR 3.7.2014)
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles, Forum Refugiés-Cosi, the Hungarian Helsinki Committee and the Irish Refugee Council (30.4.2014): National Country Report Hungary,
http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aida_-_hungary_second_update_final_uploaded_0.pdf, Zugriff 7.8.2014
-
EGMR - Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (3.7.2014):
CASE OF MOHAMMADI v. AUSTRIA (Application no. 71932/12) JUDGMENT, http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-145233#{"itemid":["001-145233"]}, Zugriff 7.8.2014
-
HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2014): Information Note on Asylum-seekers in Detention and in Dublin Procedures in Hungary, http://www.refworld.org/docid/539164814.html, Zugriff 7.8.2014
-
VB des BM.I in Ungarn (11.7.2014b): Auskunft des VB, per E-Mail
4. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / vulnerable Gruppen
Personen mit besonderen Bedürfnissen sind laut ungarischem Asylgesetz unbegleitete Minderjährige oder Vulnerable, also Alte, Behinderte, Schwangere, alleinerziehende Elternteile mit minderjährigen Kindern, oder Opfer von Folter, Vergewaltigung oder einer anderen schweren Form von psychologischer, physischer oder sexueller Gewalt. Es gibt in Ungarn kein automatisches Screening zur Identifizierung Vulnerabler. Antragsteller müssen von sich aus sagen, dass sie spezielle Betreuung brauchen. Es kann ein Mediziner oder Psychologe beigezogen werden um die Notwendigkeit zu bestätigen. Verweigert der Antragsteller die Untersuchung, erhält er auch keine entsprechende Behandlung. Ein gesetzlicher Identifizierungsmechanismus für unbegleitete Minderjährige existiert nicht. Im Zweifel können angebliche Minderjährige einer Altersfeststellung unterzogen werden. Der Betroffene (oder sein Vormund) kann die Untersuchung verweigern, erhält dann aber auch die meisten Vergünstigungen für UMA nicht. Die Methode der Altersfeststellung ist nicht einheitlich geregelt. Wird die Altersfeststellung bereits von der Polizei (etwa an der Grenze) angeordnet, wird oft nach dem Augenschein vorgegangen. BAH hingegen verwendet Handwurzel- oder Schlüsselbeinröntgen, seltener einen Zahnbefund. Eine psycho-soziale Begutachtung wird nicht vorgenommen. Laut HHC soll BAH seit einiger Zeit bereits vorliegende Altersfeststellungen der Polizei als Faktum übernehmen, anstatt eine neue Feststellung vornehmen zu lassen. Bei einem nicht eindeutigen Ergebnis wird üblicherweise das für den ASt. günstigere Alter angenommen. Das Ergebnis einer Altersfeststellung kann nicht eigens beeinsprucht werden, erst im Wege der Beschwerde gegen eine negative Asylentscheidung ist dies möglich. Für unbegleitete Minderjährige muss unverzüglich ein Vormund bestellt werden. In der Praxis geschieht dies innerhalb einer Woche. Laut Gesetz soll der Vormund wenn möglich ein Anwalt sein. Meist sind es lokale Anwälte oder auch Sozialarbeiter in den Kinderheimen, in denen die UMA untergebracht werden. (AIDA 30.4.2014)
Unbegleitete Minderjährige Asylwerber (UMA) können nicht inhaftiert werden. Seit 1. Mai 2011 werden sie im ungarischen Kinder-Fürsorgesystem, zusammen mit ungarischen Kindern untergebracht. Die Bestellung eines gesetzlichen Vormundes ist ebenso verpflichtend wie die Suche nach Verwandten (Family Tracing). Minderjährige ohne Vormund sind nach ungarischem Recht nicht verfahrensfähig und können somit keinen Asylantrag stellen. Unbegleitete Minderjährige werden auch zur Sicherung einer Abschiebung nicht inhaftiert. Die einzige relevante Altersgrenze ist dabei die von 18 Jahren. Die unbegleiteten Minderjährigen werden in Kinderheimen untergebracht. Oft entziehen sie sich durch Verlassen des Heimes weiteren Schritten. (Info Stdok 5.2012, vgl. BT 2.3.2012) Unbegleitete Minderjährige im fremdenpolizeilichen Verfahren, die keinen Asylantrag stellen, werden in regionalen Kinderheimen untergebracht. (BAH 8.10.2012)
Wenn sich Drittstaatsangehörige nach Anordnung der Haft als Minderjährige zu erkennen geben, muss die Altersbestimmung sofort vorgenommen werden. Wenn die Altersbestimmung die Minderjährigkeit bestätigt, ist der Drittstaatsangehörige sofort freizulassen. (VB 25.1.2012)
Minderjährige, die mit erwachsenen Angehörigen (etwa volljährigen Geschwistern, welche im engeren Rechtsverständnis der Dublin II VO gem. Art. 2 lit. h Dublin II VO nicht als Familienangehörige anzusehen sind, einreisen, werden gemeinsam untergebracht und ihre Verfahren zusammen geführt. (VB 16.4.2012)
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles, Forum Refugiés-Cosi, the Hungarian Helsinki Committee and the Irish Refugee Council (30.4.2014): National Country Report Hungary,
http://www.asylumineurope.org/files/report-download/aid