TE Bvwg Erkenntnis 2016/11/28 L516 2138841-1

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Veröffentlicht am 28.11.2016
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Entscheidungsdatum

28.11.2016

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 2138841-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am XXXX durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am XXXX niederschriftlich einvernommen.

2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Das BFA sprach schließlich aus, dass die Frist für die freiwillige Rückkehr ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung 14 Tage betrage.

3. Mit Verfahrensanordnung des BFA wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 21.10.2016 zugestellten Bescheid des BFA am 27.10.2016 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten.

5. Mit Schriftsätzen vom 05.12.2017, 30.01.2018, 04.09.2018 und 10.09.2018 legte der Beschwerdeführer Unterlagen zur Bescheinigung seiner Ausbildung und seiner Integrationsbemühungen vor.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers am XXXX eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner rechtsfreundlichen Vertretung teilnahm und zu der die belangte Behörde keinen Vertreter entsandte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran und führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdaten. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer trägt den Vornamen XXXX, den Familiennamen XXXX, und der Name seines Vaters lautet XXXX; er ist am XXXX geboren.

Der Beschwerdeführer gehört der sunnitischen Glaubensrichtung sowie der kurdischen Volksgruppe an. Er stammt aus einer bildungsnahen Familie, unter anderem studierte ein Bruder XXXX, ein weiterer Bruder XXXX. Der Beschwerdeführer selbst hat ebenfalls einen Universitätsabschluss in XXXX, hat jedoch danach aufgrund der Arbeitsmarktlage bis XXXX als XXXX an einer Universität gearbeitet.

1.2. Der Beschwerdeführer lehnt das vorherrschende iranische politische System, die dortigen streng religiösen Einstellungen sowie das aktuell regierenden iranische Regime strikt ab. Er hat im Iran unter anderem an seiner Arbeitsstelle immer wieder seine persönlichen Überzeugungen und Meinungen vertreten, die in Opposition zur der vom iranischen Regime vorgegebenen Doktrinen, Meinungen und Verhaltensanordnungen stehen. Er hat sich auch gegen religiöse Vorschriften und die geistlichen Führer des Iran ausgesprochen. Er musste sich deshalb mehrfach gegenüber den iranischen Vertretern des Geheimdienst- und Sicherheitsbüros an seinem Arbeitsplatz, des Herasat, rechtfertigen und es wurden ihm oft ernsthafte Konsequenzen angedroht. Bis zu seiner Ausreise gelang es dem Beschwerdeführer stets, diese Situationen zu beruhigen und Vertreter des Herasat dazu zu bringen, von gravierenderen Maßnahmen gegen ihn Abstand zu nehmen. Aufgrund dieser immer wiederkehrenden Probleme und gefährlichen Situationen verließ er die Universität im XXXX freiwillig und er bewarb sich an einer anderen Universität. Bei seinem dortigen Bewerbungsgespräch, bei welchem wiederum Vertreter des Herasat der dortigen Universität anwesend waren, wurde er auf sein Verhalten bei seiner früheren Universität, dass bei der neuen Universität bereits bekannt war, angesprochen. Ein Freund des Beschwerdeführers, der bereits an jener Universität beschäftigt war, bei der sich der Beschwerdeführer beworben hat, wurde von der Zentrale des Herasat in der Provinz XXXX ausgefragt und jener Freund informierte den Beschwerdeführer darüber. Der Beschwerdeführer erkannte, dass sich seine Situation im Iran nicht ändern würde, egal wo er hingehen würde; er würde immer dieselben Probleme bekommen. Er machte sich auch mit einem Geschäft für XXXX selbstständig, hatte jedoch aufgrund seiner von ihm vertretenen und auch ausgesprochenen Ansichten immer zu befürchten, dass er von Kunden ausspioniert, gemeldet, sein Geschäft zugesperrt werde und er verhaftet werde. Der Beschwerdeführer hat sich viele Jahre mit dem iranischen politischen System arrangiert und sich gerade so verhalten, damit ihm kein ernsthafter Schaden an seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner persönlichen Freiheit zugefügt wurde. Bisher wurde nur psychischer Druck auf den Beschwerdeführer ausgeübt. Es ist dem Beschwerdeführer jedoch ein ernsthaftes Bedürfnis, seine persönlichen Überzeugungen nicht weiter unterdrücken zu müssen, nur um dadurch Verhaftungen, körperlichen Misshandlungen, Verurteilungen und Bestrafungen durch die iranischen Machthaber zu entgehen. Er ertrug seine Situation nicht länger und entschloss sich deshalb, sein Heimatland zu verlassen.

1.3. Zur Lage im Iran

1.3.1. Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den größten menschenrechtlichen Problemen gehören die hohe Anzahl an Exekutionen, Folter, harsche und lebensbedrohliche Haftbedingungen, willkürliche Verhaftungen, politische Gefangene, widerrechtliche Einmischung in die Privatsphäre, schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs-, Presse-, Internet-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Religionsfreiheit. Weiters Frauen- und LGBTI-Rechte und eingeschränkte politische Partizipation, sowie Korruption. Es gab nur wenige Unternehmungen seitens der Regierung, diese Probleme zu untersuchen, gerichtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem in Iran (US DOS 20.4.2018). Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 8.12.2016). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 9.2017).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit waren 2017 weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren noch immer an der Tagesordnung und blieben straflos. Es wurden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterhin in den Todeszellen, darunter Personen, die zur Tatzeit noch minderjährig waren. Ende Dezember 2017 gingen Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Armut, Korruption und politische Unterdrückung zu protestieren. Es waren die größten Kundgebungen gegen die iranische Führung seit 2009 (AI 22.2.2018). Vereinzelt wurden auch Rufe nach einem Ende der Islamischen Republik laut. Einige Personen wurden bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitsbehörden getötet und hunderte wurden inhaftiert (FH 1.2018). Laut dem rezenten Bericht der UN-Sonderberichterstatterin über die Menschenrechtssituation in Iran wurden bei den Protesten 22 Personen getötet, die Polizei bestätigte mindestens 1.000 Verhaftungen landesweit, ein Mitglied des Parlamentes sprach von 3.700 Verhafteten. Angeblich wurde eine große Anzahl an Studenten, die nicht an den Demonstrationen teilnahmen, präventiv in Haft genommen (HRC 5.3.2018).

1.3.2. Herasat

Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros [Geheimdienst] mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. (BFA-Länderinformationsblatt 12.05.2017 idF 09.05.2018)

The January 2018 WINEP article states that the MOI in order to penetrate Iranian society, "has established Herasat branches in every civilian organization and university in the country, tasking them with identifying potential security threats. Herasat officials reportedly surveil employees (e.g., by monitoring their communications), act as informants, and influence hiring and firing practices". (WINEP, 5 January 2018) (ACCORD, Iran: COI Compilation, Juli 2018)

2. Beweiswürdigung:

Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Identität des Beschwerdeführers (oben II.1.1.) ergeben sich im Einklang mit seinen Angaben im Verfahren, welche insofern stringent waren und an denen auf Grund der Sprachkenntnisse auch nicht zu zweifeln war. Bereits das BFA erachtete die Identität des Beschwerdeführers als erwiesen (vgl Bescheid, S 8, 30). Die Unterschiedliche Schreibweise des Familiennamens beruht auf verschiedenen Transkriptionen. Die hier getroffenen Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers beruhen auf den von ihm vorgelegten Reisepass (vgl AS 109).

2.2. Die oben unter Punkt II.1.2. getroffenen Feststellungen zu politischen und religiösen Grundhaltung und zu den Überzeugungen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen insofern entsprechend stringenten Angaben im Verfahren vor dem BFA und insbesondere in der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. So gestaltete sich sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens zu den von ihm geschilderten Erlebnissen im Iran aufgrund seiner dort geäußerten Meinungen und Grundhaltungen im Wesentlichen übereinstimmend (vgl AS 105, 107; Verhandlungsschrift

XXXX (VHS), S 5, 6), jedoch nicht gleichlautend. Er konnte in der mündlichen Verhandlung auch Nebenaspekte spontan und konkret schildern, wie etwa die näheren Umstände seines Bewerbungsgesprächs an der neuen Universität (VHS, S 5). Er konnte in der Verhandlung von sich aus auch nicht nur Schlagworte, sondern vielmehr konkrete Beispiele aus verschiedenen (gesellschafts-)politischen Bereichen zur Illustration seiner persönlichen Überzeugungen zum iranischen Regime, zum Zustand der iranischen Gesellschaft aus seiner Sicht sowie zu den staatlich verordneten religiösen Vorschriften anführen (VHS, S 6, 7, 8, 9). Ein einstudierter Vortrag ist somit auszuschließen. Auch verzichtete der Beschwerdeführer mit seinen Angaben, dass weder ihm noch seinen Familienangehörigen bisher etwas Gravierenderes geschehen sei und er auch freiwillig seine Arbeitsstelle an der Universität aufgegeben habe (AS 104, 106; VHS

5) darauf, seine bisherigen Konfrontationen mit den Vertreten des Herasat wesentlich drastischer darzustellen und damit auch seiner eigenen Gefährdung mehr Nachdruck zu verleihen, obwohl ihm das niemand hätte widerlegen können. Der Beschwerdeführer hinterließ in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen persönlich glaubhaften und überzeugenden Eindruck. Die zentralen Motive für seine Ausreise vermochte er in der Beschwerdeverhandlung engagiert und anschaulich zu schildern. Der Beschwerdeführer antwortete auf die ihm gestellten Fragen gewissenhaft und überzeugend. Implausibilitäten oder Widersprüche in den Angaben während der Verhandlung konnten nicht erkannt werden. Die Ausführungen lassen sich schließlich auch in Einklang mit den unter Punkt II.1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage im Iran betreffen die Meinungsfreiheit und die Aktivitäten des Herasat bringen.

2.3. Die Feststellungen zur Lage im Iran (oben II.1.3.) beruhen auf den Länderinformationsblättern der Staatendokumentation des BFA zum Iran vom Mai 2017 und Juni 2018 sowie der Zusammenstellung von Herkunftsländerinformation zum Iran von ACCORD, Iran: COI Compilation, Juli 2018.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

3.2. Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.3. Gemäß Artikel 10 Abs 1 lit e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie) ist unter dem Begriff der politischen Überzeugung insbesondere zu verstehen, dass der Antragsteller in einer Angelegenheit, die die in Artikel 6 genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

3.4. Zum gegenständlichen Verfahren

3.4.1. Fallbezogen ergibt sich die aktuelle asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr in den Iran aufgrund seiner tatsächlichen politisch oppositionellen Grundhaltung und Überzeugungen. Der Beschwerdeführer hat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft und überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass er persönliche Meinungen und Überzeugung vertritt und auch gegenüber anderen Personen kommuniziert, welche in Opposition zur der vom iranischen Regime vorgegebenen Doktrinen, Meinungen und Verhaltensanordnungen stehen und es dem Beschwerdeführer persönlich zur Wahrung seiner Identität und Grundhaltung besonders wichtig ist, öffentlich zu seinen Überzeugungen stehen und für diese Eintreten zu können. Nach den Länderfeststellungen drohen dem Beschwerdeführer dafür im Iran Verhaftungen, psychische und physische Misshandlungen, unfaire Verfahren und Bestrafungen. Selbst Personen, die friedlich Kritik üben, werden inhaftiert, und selbst Personen, die nicht an Demonstrationen teilnehmen, droht, präventiv festgenommen zu werden. Es ist dem Beschwerdeführer ein Bedürfnis, seine persönlichen Überzeugungen nicht weiter unterdrücken zu müssen, nur um dadurch Verhaftungen, körperlichen Misshandlungen, Verurteilungen und Bestrafungen durch die iranischen Machthaber zu entgehen und es ist dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, bei einer Rückkehr in seine Heimat nur deshalb darauf zu verzichten, damit ihm eine derartige Behandlung nicht widerfährt.

Vor diesem Hintergrund drohen dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bereits unmittelbar bei einer Einreise in den Iran aktuell Verfolgungshandlungen durch staatliche iranische Organe; dies unabhängig von der Frage, ob bereits vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Iran bereits tatsächlich eine Verfolgung in der erforderlichen Intensität stattgefunden hat.

3.4.2. Daher ist für den Beschwerdeführer von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus politischen Gründen auszugehen.

3.4.3. Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen.

3.4.4. Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.

3.4.5. Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben.

3.5. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.6. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz am XXXX gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 4 AsylG damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. (§ 75 Abs 24 AsylG).

Zu B)

Revision

3.7. Da die Rechtslage durch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist und die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war ist die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

3.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,
befristete Aufenthaltsberechtigung, begründete Furcht vor
Verfolgung, erhebliche Intensität, Flüchtlingseigenschaft,
Glaubhaftmachung, maßgebliche Wahrscheinlichkeit, mündliche
Verhandlung, Nachvollziehbarkeit, politische Gesinnung,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2016:L516.2138841.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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