TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/1 I404 2177694-1

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Veröffentlicht am 01.02.2018
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Entscheidungsdatum

01.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I404 2177694-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX StA.

NIGERIA, vertreten durch: RA Edward W. DAIGNEAULT gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark (BAG), vom 19.08.2017, Zl. 1085882908-151266702, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.01.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 04.09.2015 einen Antrag auf Internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.09.2015 gab er als Fluchtgrund an, dass er homosexuell sei und man in Nigeria deshalb verfolgt und umgebracht werde.

2. Am 09.08.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich (in der Folge: belangte Behörde), niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen seiner Befragung gab er an, dass er in Enugu aufgewachsen und zur Schule gegangen sei. Er habe die Schule 1997 oder 1998 beendet und dann noch für einige Zeit seinen Eltern auf der Farm geholfen. Dann sei er irgendwann zu seiner Schwester und deren Mann nach Lagos gegangen, das sei auch schon vor langer Zeit gewesen, er könne sich nicht mehr erinnern, wann er nach Lagos gegangen sei. Seine Ausreise habe er von Enugu aus angetreten, er sei zuerst nach Lagos und dann weiter in den Norden des Landes gegangen. Es sei vor langer Zeit gewesen. Nach Beendigung der Schule sei er vielleicht noch 1 bis zwei Jahre in Enugu geblieben, dann sei er auch ca. 1 bis zwei Jahre bei seiner Schwester gewesen, bevor er nach Libyen und weiter nach Europa gegangen sei. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer seinen Schilderungen zufolge dann bereits 2006/2007 nach Österreich hätte kommen müssen, gab er an, dass er nicht gut im Rechnen sei. In Enugu habe er Probleme mit der lokalen Regierung gehabt. Er habe Probleme gehabt, weil er Christ sei. Seine Probleme hätten in der Secondary School begonnen. Es habe dort gleichaltrige Burschen gegeben und sie hätten dort etwas Homosexuelles begonnen. Er habe männliche Freunde gehabt, dies sei aber in Nigeria verboten. Wegen dieser homosexueller Dinge hätte sie die lokale Regierung festnehmen wollen. Sie hätten nicht gewollt, dass sechs oder sieben junge Männer etwas Homosexuelles tun. Daher hätten sie sie festnehmen wollen. Sie seien eine Gruppe von sieben oder acht Personen gewesen und einige seien verhaftet worden. Er habe aber großes Glück gehabt, weil er nicht anwesend gewesen sei, als die anderen Personen verhaftet worden seien. Wegen der Homosexualität hätten sie alle erwischen wollen. Er habe in der Nacht einen Bus zu seiner Schwester nach Lagos genommen. Er sei dann dort geblieben, bis er alle Vorbereitungen getroffen habe, um das Land zu verlassen. Wegen seiner Homosexualität sei er noch nie in Kontakt mit den Behörden oder der Polizei gekommen. Sie hätten ihn mit seiner Gruppe immer zusammen gesehen, deshalb hätten sie angenommen, dass sie Homosexuelle seien. Die lokale Gemeinschaft habe sie deshalb verhaften und zur Polizei bringen wollen. Der Vorfall sei gegen Ende der Secondary School gewesen und danach. Er könne das Jahr, in welchem seine Freunde verhaftet worden seien, nicht nennen, es sei aber an einem Abend um 5 oder 6 Uhr gewesen. Er können die Namen seiner verhafteten Freunde nicht nennen, weil er die Namen nicht kenne. In Österreich habe er einen Freund, es sei aber nicht gut, den Namen zu nennen. Er gehe manchmal mit seinem Freund in einen "Gay-Club" und in ein "Gay-Restaurant". Er wisse weder den Namen des Clubs noch des Restaurants.

3. Mit dem Bescheid vom 19.08.2017, Zl. 1085882908-151266702, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.), sowie dass die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage beträgt (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer, vertreten durch den RA Edward Daigneault, rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben und führte darin aus, dass dem Vorwurf der belangten Behörde, dass seine Angaben zu allgemein und vage seien, zu entgegnen sei, dass er sich wegen seiner Homosexualität sehr schäme. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde, sei seine Angst vor einer Verfolgung, Verhaftung oder Tötung durchaus real und berechtigt. Es sei ihm auch schwer gefallen, sich zu seiner Homosexualität zu äußern, weil er durch einen Mann und nicht durch eine Frau einvernommen worden sei. Es werde daher der Antrag gestellt, ihm den Status des Asylberechtigten, zumindest des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch ein weiblich besetztes Gericht durchzuführen.

5. Am 24.11.2017 wurde die Beschwerde samt Akt dem BVwG zur Entscheidung übermittelt.

6. Am 23.01.2018 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Igbo an. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführerin reiste illegal aus Nigeria nach Österreich ein. Er hält sich seit (mindestens) 04.09.2015 in Österreich auf.

Die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine Schwester leben in Nigeria.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Österreich mit einem Mann eine Beziehung führt.

Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre lang die Grundschule und sechs Jahre die Mittelschule. Vor seiner Ausreise hat er auf der elterlichen Farm gearbeitet.

In Österreich geht der Beschwerdeführer keiner regelmäßigen Beschäftigung. Er bezieht derzeit keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf. So hat er keinen Deutschkurs besucht, ist in keinem Verein tätig und hat auch sonst keine besonderen sozialen Kontakte.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er homosexuell ist und deshalb aus Nigeria flüchten musste.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Nigeria verlassen hat, weil er aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde.

Der Beschwerdeführer wird im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung oder einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 19.08.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 8.5.2017: Boko Haram lässt 82 entführte Mädchen frei (betrifft: Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Nach langen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung hat die Extremistengruppe Boko Haram 82 weitere der über 200 Mädchen freigelassen - im Austausch für einige von den Behörden festgehaltene Boko-Haram-Verdächtige (DS 6.5.2017; vgl. FAZ 6.5.2017).

Die 82 freigelassenen Mädchen gehören zu den rund 270 meist christlichen Schülerinnen, die im April 2014 in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias in der Nacht entführt worden waren. Rund 50 der Mädchen konnten seinerzeit noch im Wirrwarr der Entführung fliehen. Nach bisherigen Erkenntnissen wurden die Mädchen gezwungen, zum Islam überzutreten und sie wurden mit Boko-Haram-Kämpfern verheiratet. Im Oktober 2016 wurden nach Verhandlungen 21 Mädchen freigelassen (DW 6.5.2017). Unterdessen fehlt von mehr als hundert der Chibok-Mädchen weiter jede Spur. Wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist -

nicht bekannt: Augenzeugenberichten zufolge kamen zumindest einige der Mädchen während ihrer Gefangenschaft ums Leben (DS 6.5.2017).

Buharis Sprecher Femi Adesina machte keine Aussagen über die Zahl der freigelassenen Verdächtigen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP sind es mindestens drei verdächtige hochrangige Anführer. Informationsminister Lai Mohammed sagte, er könne Behauptungen, dass es sich um mindestens fünf Islamisten handele, nicht bestätigen (DW 7.5.2017).

Quellen:

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DS - Der Standard (6.5.2017): Tausch: Boko Haram ließ 82 entführte Mädchen frei,

http://derstandard.at/2000057116937/Boko-Haram-laesst-Dutzende-entfuehrte-Maedchen-frei, Zugriff 8.5.2017

-

DW – Deutsche Welle (7.5.2017): Buhari als Pate für Chibok-Mädchen,

http://www.dw.com/de/buhari-als-pate-f%C3%BCr-chibok-m%C3%A4dchen/a-38746942, Zugriff 8.5.2017

-

DW – Deutsche Welle (6.5.2017): Boko Haram lässt mehr als 80 Chibok-Mädchen frei,

http://www.dw.com/de/boko-haram-l%C3%A4sst-mehr-als-80-chibok-m%C3%A4dchen-frei/a-38422617, Zugriff 8.5.2017

-

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (6.5.2017): Boko Haram lässt 82 entführte Mädchen frei,

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/boko-haram-laesst-82-entfuehrte-chibok-maedchen-in-nigeria-frei-15003793.html, Zugriff 8.5.2017

2. Politische Lage

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert (AA 3.12.2015; vgl. AA 3.2016a; vgl. GIZ 7.2016a). Die Bundesstaaten verfügen auch über direkt gewählte Parlamente (AA 3.2016a).

Mit der Wahl Olusegun Obasanjos im Jahr 1999 war Nigeria zur Demokratie zurückgekehrt und verfügt seitdem über ein Mehrparteiensystem. Die Verfassung vom 29. Mai 1999 enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog), und orientiert sich insgesamt am System der USA. Dem starken Präsidenten, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber (AA 3.12.2015; vgl. AA 3.2016a). Es dominieren der direkt gewählte Präsident und die direkt gewählten Gouverneure. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität und häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Polizei und Justiz werden ebenfalls vom Bund kontrolliert (AA 3.12.2015).

Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich bei den meisten der ca. 50 kleineren Parteien an Führungspersonen. Loyalitäten gegenüber der eigenen ethnischen Gruppe bzw. gegenüber Personen gehen anderen Loyalitäten vor; entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 3.12.2015).

Die Wahlen vom 28. März 2015 (Präsident und Nationalversammlung) und 11. April 2015 (Gouverneure und Landesparlamente in 29 von 36 Bundesstaaten) haben die politische Landschaft in Nigeria grundlegend verändert. Die seit 2013 im "All Progressives‘ Congress" (APC) vereinigte Opposition gewann neben der Präsidentschaftswahl eine klare Mehrheit in beiden Häusern des Parlaments. Die seit 1999 dominierende People-s Democratic Party (PDP) musste zum ersten Mal in die Opposition. Lediglich in den südöstlichen Bundesstaaten des ölreichen Niger-Deltas konnte sie sich als Regierungspartei behaupten (AA 3.12.2015).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 28. März 2015 besiegte der frühere Militärmachthaber und Kandidat der Opposition, Muhammadu Buhari, den bisherigen Amtsinhaber Goodluck Jonathan mit 54,9 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei diesen Wahlen, die von der internationalen Öffentlichkeit als beispielhaft für die Demokratie Afrikas gelobt wurden, kam es zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit Nigerias zu einem demokratischen Machtwechsel (GIZ 7.2016a; vgl. auch AA 3.2016a). Die Gouverneurswahlen am 11. April 2015 gewann der APC in 20 von 29 Bundesstaaten. Er stellt in den 36 Bundesstaaten derzeit 22 Gouverneure, die PDP 13 und APGA einen Gouverneur. Unter den 36 Gouverneuren ist weiterhin keine Frau. Die Wahlen vom März/April 2015 wurden sowohl in Nigeria als auch von internationalen Wahlbeobachtern trotz organisatorischer Mängel als im Großen und Ganzen frei und fair bezeichnet. Die Spitzenkandidaten Jonathan und Buhari hatten sich in einer Vereinbarung (Abuja Accord) zur Gewaltlosigkeit verpflichtet. Dies und die Tatsache, dass Präsident Jonathan seine Wahlniederlage sofort anerkannte, dürfte größere gewalttätige Auseinandersetzungen verhindert haben. Die Minister der Regierung Buhari wurden nach einem längeren Sondierungsprozess am 11. November 2015 vereidigt (AA 3.2016a).

Neben der modernen Staatsgewalt haben auch die traditionellen Führer immer noch einen nicht zu unterschätzenden, wenn auch weitgehend informellen Einfluss. Sie gelten als Kommunikationszentrum und moralische Instanz und können wichtige Vermittler in kommunalen und in religiös gefärbten Konflikten sein (AA 3.2016a).

Fast im ganzen Norden Nigerias ist das System der LGA kollabiert. Große Teile kamen unter Kontrolle von Milizen und lokalen "Strongmen", die den politischen und sozio-ökonomischen Raum ausfüllen. Dies führte zur Vertiefung lokaler und regionaler Missstände (BS 2016).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

-

AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 22.8.2016

-

BS – Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 22.8.2016

-

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2016a): Nigeria – Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 22.8.2016

3. Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 3.12.2015). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta. Während Spannungen und Gewalt im Nordosten und im Middle Belt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, gingen sie im Nigerdelta seit 2009 zurück (DACH 2.2013; vgl. ICG 30.5.2016).

Es besteht aufgrund wiederholter Angriffe und Sprengstoffanschläge militanter Gruppen (Boko Haram, Ansaru) derzeit ein sehr hohes Anschlagsrisiko insbesondere für Nord- und Nordostnigeria, einschließlich für die Hauptstadt Abuja. In mehreren Städten Nord- und Nordostnigerias finden immer wieder Gefechte zwischen Sicherheitskräften und militanten Gruppen statt. Angehörige der Sicherheitskräfte, Regierungsstellen, christliche Einrichtungen - aber auch Einrichtungen gemäßigter Moslems - sowie Märkte, Wohnviertel und internationale Organisationen sind Anschlagsziele der militanten Gruppen. Drohungen bestehen gegen moslemische Einrichtungen im Süden (BMEIA 23.8.2016).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen in die nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Bauchi, in den nördlichen Teil von Plateau State (Jos und Umgebung) sowie nach Kano, Kaduna, Katsina, Gombe, Jigawa, Zamfara, Kebbi, Sokoto und Kogi (AA 23.8.2015). Auch das österreichische Außenministerium warnt vor Reisen in die Bundesstaaten Borno, Yobe, Adamawa, Plateau sowie den südlichen Landesteil von Bauchi und Kano. Mit Gewaltausbrüchen in allen zwölf nördlichen Bundestaaten ist jederzeit zu rechnen (BMEIA 23.8.2016). Das britische Außenministerium warnt zusätzlich noch vor Reisen in die Flussgegenden der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom und Cross River States sowie in die Stadt Warri (UKFCO 23.8.2016).

Das österreichische Außenministerium hat für folgende Bundesstaaten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kaduna, Kano, Oyo, Ondo, Rivers, einschließlich Port Harcourt und die vorgelagerten Küstengewässer (BMEIA 23.8.2016). Das britische Außenministerium warnt vor unnötigen Reisen nach: Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, die Stadt Jos und die LGAs Riyom und Barkin (Plateau), die Region Okene (Kogi) (UKFCO 16.6.2015). In Nigeria können in allen Regionen meist kaum vorhersehbar lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe dafür sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist sind diese Auseinandersetzungen von kurzer Dauer (wenige Tage) und örtlich begrenzt (meist nur einzelne Orte, in größeren Städten nur einzelne Stadtteile) (AA 23.8.2016).

In Lagos kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen verschiedenen Ethnien, politischen Gruppierungen aber auch zwischen Militär und Polizeikräften (BMEIA 23.8.2016) bzw. zu Problemen (u.a. Mobs, Plünderungen) durch die sogenannten "Area Boys". Der Einsatz von Schlägertruppen und privaten Milizen zur Erreichung politischer oder wirtschaftlicher Ziele ist weit verbreitet (AA 3.12.2015).

Gemäß den Zahlen des Council on Foreign Relations für die Zeitspanne Jänner 2015 bis August 2016 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (7,863), Benue (934), Adamawa (743), Yobe (589), Kaduna (443). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer relativ niedrigen Zahl hervor: Sokoto (0), Katsina (3), Kebbi (11) und Oyo (11) (CFR 2016). Beim OSAC werden die Bundesstaaten Adamawa, Bauchi, Borno, Gombe, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Lagos, Plateau, Taraba, Yobe, Zamfara und das FCT als von der Gewalt durch Boko Haram betroffen geführt. Ethnische Gewalt betrifft v.a. Plateau, Bauchi, Benue, Kaduna und Nasarawa. Für folgende 25 Bundesstaaten wird weder ethnische Gewalt noch Gewalt durch Boko Haram berichtet:

Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Edo, Ekiti, Enugu, Imo, Kebbi, Kogi, Kwara, Niger, Ogun, Ondo, Osun, Oyo, Rivers, Sokoto (OSAC 15.4.2016).

Quellen:

-

AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

-

AA – Auswärtiges Amt (23.8.2016): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 23.8.2016

-

BMEIA – Außenministerium (23.8.2016): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 23.8.2016

-

CFR – Council on Foreign Relations (2016): Nigeria Security Tracker, http://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 23.8.2016

-

DACH – Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 25.8.2016

-

ICG – Nnamdi Obasi/International Crisis Group (30.5.2016):

Buhari’s Nigeria: Boko Haram Off Balance, but Other Troubles Surge, http://blog.crisisgroup.org/africa/nigeria/2016/05/30/buharis-nigeria-boko-haram-off-balance-but-other-troubles-surge/, Zugriff 24.8.2016

-

OSAC – Overseas Security Advisory Council (15.4.2016): Nigeria 2016 Crime and Safety Report – Abuja, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=19500, Zugriff 23.8.2016

-

UKFCO – United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (23.8.2016): Foreign Travel Advice – Nigeria, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 23.8.2016

3.1 Nigerdelta

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst (DACH 2.2013), sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. IEN 18.8.2016).

Die Lage im Nigerdelta ist derzeit nicht stabil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko (AA 5.2016). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Entführungen sind besonders häufig im Nigerdelta und in den südöstlichen Bundesstaaten Abia, Imo und Anambra. Politiker, Reiche und Ausländer waren die häufigsten Opfer (FH 27.1.2016).

Von 2000 bis 2010 entwickelten sich im Nigerdelta militante Gruppen, die den Anspruch erhoben, die Rechte der Deltabewohner zu verteidigen und die Forderungen auf Teilhabe an den Öleinnahmen auch mittels Gewalt gegenüber der Regierung durchzusetzen. Die wichtigsten Gruppierungen wurden die Niger Delta People's Volunteer Force (NDPVF) und die Movement for the Emancipation of the Niger Delta (MEND) (AA 3.12.2015).

Mit dem im Juli 2009 vom damaligen Präsidenten Yar'Adua verkündeten Amnestieangebot für die Militanten im Nigerdelta ist seiner Regierung bei der Lösung des Konflikts ein bedeutender Schritt und ein überraschender Erfolg gelungen: Alle bekannten Milizenführer

nahmen das Amnestieangebot an. Ein Reintegrationsprogramm für 20.000 ehemalige Kämpfer hat Mitte 2010 begonnen. Der ehemalige Präsident Jonathan setzte das Amnestieprogramm fort. Allerdings kündigten die Milizenführer Henry Okah und John Togo die Amnestie 2010 wieder auf. Der mutmaßliche MEND-Führer Henry Okah, der meistens vom Ausland aus agiert, sitzt derzeit in Südafrika in Haft und wurde dort im Jänner 2013 verurteilt. Als Reaktion auf seine Verurteilung drohte MEND in drastischen Worten mit Anschlägen in ganz Nigeria (AA 3.12.2015). Mit dem Amnestieprogramm gingen Kriminalität und Gewalt im Süden zunächst merklich zurück. Allerdings steigen Kriminalität und Gewalt im Süden in letzter Zeit wieder an (AA 3.2016a) und der zerbrechliche Frieden im Nigerdelta ist dabei sich aufzulösen. Als die Regierung versuchte, den ehemaligen Rebellenführer, Government Ekpemupolo (bekannt als Tompolo) aufgrund von Korruptionsvorwürfen zu verhaften und strafrechtlich zu verfolgen, begannen bewaffnete Gruppen, insbesondere die wenig bekannten Niger Delta Avengers und die obskure Egbesu Mightier Fraternity, Ölanlagen anzugreifen (ICG 30.5.2016). Aufgrund dieser Reihe von Angriffen durch Aufständische, gab Präsident Buhari im Mai 2016 bekannt, dass die kontroverse Amnestievereinbarung mit Überarbeitungen bis 2018 beibehalten werden soll (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016).

Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen im Nigerdelta handelt es sich sowohl um einen Konflikt zwischen regionalen militanten Gruppen und der Staatsgewalt, als auch um Rivalitäten zwischen den unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im ersten Fall stehen in der Regel finanzielle Interessen der bewaffneten Gruppen im Vordergrund, im zweiten Fall geht es um einen Verteilungskampf rivalisierender Gruppen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind bis heute teils unter Kontrolle von separatistischen und kriminellen Gruppen. Teile des unzugänglichen Gebiets stellen weiterhin einen weitgehend rechtsfreien Raum dar, in dem die Einflussmöglichkeiten staatlicher Ordnungskräfte begrenzt sind (AA 3.12.2015). Das UK Home Office berichtet, dass laut DefenceWeb eine Joint Task Force (JTF) 2013 eingerichtet wurde, um den Terrorismus und andere Bedrohungen im Nigerdelta zu bekämpfen (UKHO 8.2016a). Die JTF, auch Operation Pulo Shield genannt, wurde im Juni 2016 umstrukturiert und mit der neuen Operation Delta Safe ersetzt, damit die derzeitigen Sicherheitsprobleme im Nigerdelta adressiert werden können (PT 22.6.2016; vgl. auch NT 9.7.2016).

Quellen:

-

AA – Auswärtiges Amt (3.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1450445025_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-der-bundesrepublik-nigeria-stand-dezember-2015-03-12-2015.pdf, Zugriff 7.7.2016

-

AA – Auswärtiges Amt (5.2016): Nigeria – Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 24.8.2016

-

AA – Auswärtiges Amt (3.2016a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 24.8.2016

-

DACH – Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Fact-sheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 19.6.2015

-

FH – Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/320150/459379_de.html, Zugriff 24.8.2016

-

ICG – Nnamdi Obasi/International Crisis Group (30.5.2016):

Buhari’s Nigeria: Boko Haram Off Balance, but Other Troubles Surge, http://blog.crisisgroup.org/africa/nigeria/2016/05/30/buharis-nigeria-boko-haram-off-balance-but-other-troubles-surge/, Zugriff 24.8.2016

-

IEN – Industrial Equipment News (18.8.2016): Militant Sabotage Disrupting Nigerian Oil Output, http://www.ien.com/supply-chain/news/20831138/militant-sabotage-severely-disrupting-nigerian-oil-output, Zugriff 24.8.2016

-

N24 – News 24 (29.5.2016): Buhari to keep Delta amnesty programme, http://www.news24.com/Africa/News/buhari-to-keep-delta-amnesty-programme-20160529-2, Zugriff 24.8.2016

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NT – Nigerian Tribune (9.7.2016): Operation Delta Safe gets new Coordinator,

http://tribuneonlineng.com/operation-delta-safe-gets-new-coordinator/, Zugriff 24.8.2016

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NW – Newsweek (30.8.2016): Niger Delta Avengers say ‘Hostilities ceased’ against Nigerian Government, http://europe.newsweek.com/niger-delta-avengers-say-hostilities-ceased-against-nigerian-government-494387?rm=eu, Zugriff 1.9.2016

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PT – Premium Times (22.6.2016): Nigerian military scraps Niger Delta ‘Operation Pulo Shield’,

http://www.premiumtimesng.com/news/top-news/205761-nigerian-military-scraps-niger-delta-operation-pulo-shield.html, Zugriff 24.8.2016

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UKHO – UK Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Background information, including actors of protection, and internal relocation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471849541_cig-nigeria-background-v2-0-august-2016.pdf, Zugriff 24.8.2016

3.2. Middle Belt inkl. Jos/Plateau

Die ethnischen Gegensätze in Nigeria werden durch religiös-konfessionelle Trennlinien verstärkt, die aufgrund historischer Entwicklungen und moderner Binnenmigration viel komplizierter verlaufen, als es das vereinfachte Bild einer Nord-Süd-Teilung Nigerias in einen überwiegend muslimischen Norden und einen stärker christlich geprägten Süden nahelegt. Immer wieder kommt es zu lokalen Konflikten zwischen einzelnen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen (AA 3.2016a). Die Vorkommnisse werden zwar oft als ethnisch-religiöse Konflikte aufgrund von Spannungen zwischen muslimischen und christlichen Einwohnern interpretiert (KAS 12.7.2013; vgl. Reuters 26.5.2015). Bei derartiger Gewalt liegt der Ursprung gewöhnlich jedoch darin, dass in einem sehr heterogenen und ethnisch vielfältigen Teil Nigerias eine Gruppe die Kontrolle des Staatsapparates gegenüber einer anderen Gruppe beansprucht (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015).

Obwohl kommunale Auseinandersetzungen in nahezu allen Regionen des Landes vorkommen, sind Intensität und Opfer in der Region des "Middle Belt? gravierender. Dies gilt v.a. für die Bundesstaaten Kaduna und Plateau, wo zahllose Menschen, vornehmlich Frauen und Kinder, auf brutalste Weise ermordet werden (KAS 12.7.2013; vgl. WWR 20.3.2015). Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Die Region wird von kleinen christlichen Ethnien dominiert, die eine lange Tradition des Widerstandes gegen die muslimischen Ethnien aus dem Norden haben. Die Spannungen im Middle Belt sind mit dem Problem der "Indigenität” verbunden: Jeder Bundesstaat und jede LGA in Nigeria unterteilt seine Bevölkerung in "indigene” und "nicht-indigene” Bürger, oder "Gastgeber” und "Siedler”. Im Middle Belt genießen vorwiegend die o.g. kleinen christlichen Ethnien den Status der Indigenen, während die muslimischen Hausa und Fulani als Siedler eingestuft werden (DACH 2.2013; vgl. WWR 20.3.2015).

In Nigeria leben 18 Millionen Fulani, die auch Fulbe oder Peul genannt werden. 98 Prozent der Fulani sind muslimisch. Die Fulani haben seit Jahrhunderten in einem großen Bereich Westafrikas ihre Rinderherden weiden lassen, doch sind sie dem wachsenden Druck ausgesetzt sich niederzulassen. Viele von ihnen haben es auch bereits getan. Da die Umweltbedingungen sich in der Sahelzone verschlechtern, sind die Fulani-Hirten gezwungen, auf der Suche nach neuen Weidegebieten langsam Richtung Süden und Westen zu wandern. Dies führt zur Konkurrenz und somit auch zu Kämpfen zwischen den Hirten und den Bauern um die natürlichen Ressourcen (CWI 6.2016).

Die wiederkehrende Gewalt zwischen den überwiegend christlichen Bauern und überwiegend muslimischen nomadischen Hirten im Jahr 2015 und Anfang 2016 hat zu hunderten von Toten und Zerstörungen von Kirchen geführt (USCIRF 4.2016). Diese Zusammenstöße sind ein fester Bestandteil des Lebens in den Regionen Benue, Taraba, Plateau, Nasarawa und Kogi. Oft geht es bei diesen Zusammenstößen um Weiderechte. Jedoch geht der Kampf nicht nur um Ressourcen, sondern hat auch einen ethnischen und religiösen Unterton (AFP 25.5.2016). Die Gewalt zwischen Rinderhirten und Bauern stieg im Middle Belt an, woraufhin Präsident Buhari Sicherheitskräfte in die Gegend entsandt hat, um die Situation zu beruhigen (UNSC 23.6.2016).

Zuvor hatte die Regierung dem Konflikt im Middle Belt in den letzten zwei Jahren nicht genug Bedeutung zugeschrieben und somit oft die betroffenen Gemeinden nicht genug geschützt (CWI 6.2016). Im Jahr 2014 töteten bewaffnete Fulani 1.229 Menschen, im Jahr 2013 gab es im Vergleich dazu 63 Tote (IEP 11.2015; vgl. CWI 6.2016). Die bewaffneten Fulani werden

beim Global Terrorism Index 2015 an vierter Stelle der tödlichsten terroristischen Gruppen aufgezählt. Es gibt allerdings viele Fulani, die nicht die Aggression der bewaffneten Fulani teilen und relativ friedlich mit den lokalen Gemeinden und Nicht-Fulani Nachbarn leben (CWI 6.2016).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (6.2015a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 25.8.2016

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AFP – Agence France-Presse (25.5.2016): Violence hits food production, prices in Nigeria,

http://reliefweb.int/report/nigeria/violence-hits-food-production-prices-nigeria, Zugriff 25.8.2016

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CWI – 21st Century Wilberforce Initiative (6.2016): Nigeria, Fractured and Forgotten, Discrimination And Violence Along Religious Fault Lines,

http://www.standwithnigeria.org/wp-content/uploads/2016/06/NIgeria-Fractured-and-Forgotten.pdf, Zugriff 25.8.2016

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DACH – Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (27.2.2013):

D-A-CH Factsheet zu Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1361973048_dach-nigeria-factsheet-gr-2013-02.doc, Zugriff 25.8.2016

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IEP – Institute for Economics & Peace (11.2015): Global terrorism Index 2015,

http://economicsandpeace.org/wp-content/uploads/2015/11/Global-Terrorism-Index-2015.pdf, Zugriff 25.8.2016

-

KAS – Konrad Adenauer Stiftung (12.7.2013): Unsicherheit in Nigeria,

http://www.kas.de/wf/doc/kas_34967-544-1-30.pdf?130716165200, Zugriff 25.8.2016

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Reuters (26.5.2015): Herdsmen kill at least 96 people in Nigeria's Benue state,

http://uk.reuters.com/article/uk-nigeria-violence-idUKKBN0OB17120150526, Zugriff 29.8.2016

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UNSC – United Nations Security Council (23.6.2016): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1467200111_n1615838.pdf, Zugriff 25.8.2016

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USCIRF – United States Commission on International Religious Freedom (4.2016): Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1470833298_uscirf-ar-2016-tier1-2-nigeria.pdf, Zugriff 25.8.2016

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WWR – World Watch Research (30.3.2015): Migration and Violent Conflict in Divided Societies, Non-Boko Haram violence against Christians in the Middle Belt region of Nigeria, https://www.worldwatchmonitor.org/research/3777637, Zugriff 25.8.2016

3.3. Nordnigeria – Boko Haram

Der Terror der unter dem Namen Boko Haram (Jama’atu Ahlis Sunna Lidda’awati wal-Jihad) (USDOS 2.6.2016) bekannt gewordenen islamistisch-terroristischen Gruppierung stellt das größte Sicherheitsproblem des Landes dar. Präsident Buhari hat den Kampf gegen Boko Haram zur obersten Priorität seiner Regierung erklärt. Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 3.2016a).

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage bis Februar 2015 auch im Zusammenhang mit der Ausrufung eines "Kalifats" von Boko Haram (Juli/August 2014) und

dem Wahljahr 2015 weiter verschlechtert (AA 3.12.2015). Im Jänner 2015 konnte die Gruppe durch die Einnahme der Städte Baga und Monguno im Bundesstaat Borno das unter ihrer Kontrolle stehende Gebiet vergrößern. Kämpfer von Boko Haram töteten gezielt Zivilpersonen, vor allem Männer im kampffähigen Alter, nahmen andere fest und zerstörten Gebäude. Bei der Eroberung Bagas, dem bislang vermutlich verheerendsten Angriff, wurden Hunderte Zivilpersonen getötet. Satellitenbilder zeigten, dass mehr als 3.700 Gebäude beschädigt oder zerstört wurden (AI 24.2.2016). Im März 2015 leistete Boko Haram dem IS (Islamic State of Iraq and the Levant) einen Treueschwur und der IS akzeptierte diesen Schwur (USDOS 2.6.2016).

Die Kämpfe wurden zunehmend auch in die Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad getragen. Die betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 3.2016a). Bei der im April gesta

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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