Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §412;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des P in D, vertreten durch Dr. Albin Ortner, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Italienerstraße 17, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 7. September 1998, Zl. 14-SV-3407/4/98, betreffend Zurückweisung eines Einspruches als verspätet (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse, 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Sicherstellungsauftrag der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 6. Februar 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 66 und § 412 Abs. 1 ASVG als verspätet zurück. In der Begründung stellte die belangte Behörde zunächst das Verwaltungsgeschehen wie folgt dar:
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe gemäß § 66 ASVG i. V.m. § 232 BAO am 6. Februar 1997 die Sicherstellung des beweglichen und unbeweglichen Vermögens des Beschwerdeführers zur Sicherung von noch nicht vollstreckbaren Sozialversicherungsbeiträgen von voraussichtlich Dezember 1996 bis Mai 1997 sowie Sonderzahlungen und voraussichtlichen Kosten, insgesamt in Höhe von S 5,775.000,-- beim Bezirksgericht Spittal/Drau beantragt. Gleichzeitig sei der Exekutionsantrag gestellt worden.
Gegen diesen Sicherstellungsauftrag habe der Beschwerdeführer am 15. Oktober 1997 Einspruch erhoben. Darin habe er im Wesentlichen vorgebracht, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages seien nicht gegeben gewesen.
Mit Einspruchsvorentscheidung vom 12. Dezember 1997 habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Sicherstellungsauftrag aufgehoben.
Der Beschwerdeführer habe am 19. Dezember 1997 den Antrag auf Vorlage des Einspruches an die Einspruchsbehörde gestellt. Darin habe der Beschwerdeführer ausgeführt, die Einspruchsvorentscheidung sei rechtswidrig, es sei nämlich zu prüfen gewesen, ob zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Sicherstellungsauftrages die Voraussetzungen für seine Erlassung gegeben gewesen seien. Ob diese Voraussetzungen auch noch im Zeitpunkt der Einspruchserledigung vorlägen, sei hingegen nicht zu prüfen.
Im Vorlagebericht vom 22. Jänner 1998 habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Abweisung des Einspruches beantragt, weil der Sicherstellungsauftrag im Zeitpunkt seiner Erlassung nicht rechtswidrig gewesen sei.
Die belangte Behörde habe mit Schreiben vom 30. Jänner 1998 dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, zu diesem Vorlagebericht Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom 13. Februar 1998 die Entscheidung aufgrund der Aktenlage begehrt, weil im Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse keine neuen Tatbestände angeführt worden seien.
Am 9. April 1998 habe das Bezirksgericht Spittal/Drau über Ersuchen der belangten Behörde den Exekutionsakt zur Akteneinsicht vorgelegt.
Nach einem Hinweis auf § 66 ASVG und § 412 Abs. 1 leg. cit. führte die belangte Behörde weiters aus, aus dem Exekutionsakt des genannten Bezirksgerichtes sei ersichtlich, dass der Exekutionsantrag mit dem Sicherstellungsauftrag dem Beschwerdeführer am 6. März 1997 mittels RSa-Brief und am 20. März 1997 mittels RSb-Brief zugestellt worden sei. Beide Male sei die Sendung vom Postbevollmächtigten übernommen worden.
Gemäß § 6 Zustellgesetz gelte die erste Zustellung als maßgebend, wenn das gleiche Schriftstück mehrmals zugestellt worden sei. Der Exekutionsantrag sowie der Sicherstellungsauftrag seien dem Beschwerdeführer nachweislich erstmalig am 6. März 1997 gültig zugestellt worden. Von diesem Zeitpunkt an beginne auch die Einspruchsfrist gegen den Sicherstellungsauftrag zu laufen und hätte diese am 7. April 1997 geendet. Der Einspruch sei jedoch erst am 15. Oktober 1997 bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eingebracht worden. Im Einspruch sei behauptet worden, der Sicherstellungsauftrag sei erst am 3. Oktober 1997 zugestellt worden. Aus dem Exekutionsakt des erwähnten Bezirksgerichtes sei ersichtlich, dass eine Zustellung am 3. Oktober 1997 des Sicherstellungsauftrages nochmals vorgenommen worden sei. Der Grund dafür sei der belangten Behörde nicht ersichtlich.
Mit der Sicherstellungsexekution sei der Sicherstellungsauftrag gemäß § 233 Abs. 2 BAO seitens des Bezirksgerichtes zuzustellen. Dies sei auch am 6. März 1997 offensichtlich geschehen. Erst am 8. September 1997 habe der Beschwerdeführer bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse beantragt, den Sicherstellungsauftrag zuzustellen. Begründet sei dies damit worden, dass angeblich eine Zustellung an den Beschwerdeführer nicht erfolgt sei. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe dies mit Schreiben vom 22. September 1997 mit der Begründung abgelehnt, der Sicherstellungsauftrag hätte gemäß § 233 Abs. 2 BAO vom Bezirksgericht zugestellt werden müssen.
Der Beschwerdeführer gehe offensichtlich davon aus, dass die Einspruchsfrist erst mit der Zustellung am 3. Oktober 1997 zu laufen begonnen habe. Der Einspruch sei jedoch als verspätet zurückzuweisen, weil bereits am 6. März 1997 eine gültige Zustellung des Exekutionsantrages und des Sicherstellungsauftrages erfolgt sei. Aus dem Exekutionsakt sei zwar nicht klar ersichtlich, aber offensichtlich werde dies vom Beschwerdeführer behauptet, dass es mit der am 6. März 1997 zugestellten Sicherstellungsexekution seitens des Bezirksgerichtes verabsäumt worden sei, den Sicherstellungsauftrag mit zuzustellen. Dies sei jedoch für die Einspruchsbehörde durch nichts ersichtlich und gehe sie davon aus, dass das Bezirksgericht, wie aktenkundig, "ordentlich" zugestellt habe. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer auch mit der Zustellung des Exekutionsantrages Kenntnis von dem diesem zugrundeliegenden Sicherstellungsauftrag erlangt. Die Zusendung des angeblich nicht zugestellten Sicherstellungsauftrages sei jedoch nicht unmittelbar darauf, sondern erst viel später, durch den Antrag vom 8. September 1997 an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse urgiert worden. Selbst der Antrag auf Einstellung der Exekution durch die Gebietskrankenkasse vom 17. Juli 1997 sei in der Zwischenzeit am 28. Juli 1997 dem Beschwerdeführer zugestellt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte ihren Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete - ohne Aktenvorlage - ebenfalls eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat die zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse nicht strittige Rechtzeitigkeit des Einspruches ohne Beteiligung der Verfahrensbeteiligten geprüft und den Einspruch als verspätet zurückgewiesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, zu § 66 Abs. 4 AVG E-Nr. 51a ff wiedergegebene Judikatur) ist die Rechtsfrage, ob ein Rechtsmittel rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, aufgrund von Tatsachen zu entscheiden, welche die Behörde festzustellen hat, wobei der Partei gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zu geben ist, vom Ermittlungsergebnis Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift führt zu einem rechtserheblichen Verfahrensmangel, wenn nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei dessen Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Die belangte Behörde geht von einer rechtswirksamen Zustellung des Sicherstellungsauftrages an den Beschwerdeführer am 6. März 1997 mittels RSa-Brief des Bezirksgerichtes Spittal/Drau aus. Dass an diesem Tag eine gesetzmäßige Zustellung an den Beschwerdeführer erfolgte, ist nicht strittig. Strittig ist lediglich der Inhalt des entsprechenden Kuverts. Dies ist eine Frage der Sachverhaltsfeststellung. Der Beschwerdeführer behauptet, dass mit dieser Zustellung lediglich die Exekutionsbewilligung übermittelt worden sei. Träfe dies zu, dann wäre der Sicherstellungsauftrag erst am 3. Oktober 1997 zugestellt worden und der Einspruch rechtzeitig gewesen. Diese Auffassung des Beschwerdeführers war der belangten Behörde aufgrund des ihr vorliegenden Aktes auch bekannt. Die belangte Behörde traf lediglich aufgrund von Einsichtnahmen in den entsprechenden Exekutionsakt die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer der "Exekutionsantrag" und der Sicherstellungsauftrag am 6. März 1997 mittels RSa-Brief und am 20. März 1997 mittels RSb-Brief zugestellt wurde. Aus welchen Tatsachen die belangte Behörde diese bloße Behauptung und Vermutung ableitet, ist aus dem Bescheid nicht zu entnehmen.
Aus dem vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Akt des Bezirksgerichtes Spittal/Drau ergibt sich folgendes Bild der von der belangten Behörde angesprochenen Rückscheine:
Rückschein mit Übernahmsbestätigung 6.3.1997: Unterhalb des Kästchens Übernahmsbestätigung findet sich der Vermerk: "GZ: 7 E 504/97-1". Beim Rückschein mit Übernahmsbestätigung vom 20. März 1997 findet sich hier die Beifügung: "7 E 504/97 s-VNR 1 (VP) ZA 18.3.97".
Die belangte Behörde hat zwar angegeben, in den Akt des Bezirksgerichtes Spittal/Drau Einsicht genommen zu haben, führt jedoch zur Stütze ihrer Auffassung, der Sicherstellungsauftrag sei am 6. und am 20. März 1997 zugestellt worden, lediglich die beiden Rückscheine an. Woraus die belangte Behörde bei dieser Aufschrift auf dem Rückschein herleitet, dass mit diesem Kuvert zwei Schreiben, nämlich die Exekutionsbewilligung und der Sicherstellungsauftrag zugestellt wurden, bleibt unerfindlich. Dazu kommt, dass in Seite 3 des Exekutionsaktes sich ein Aktenvermerk vom 28. August 1997 (also vor Akteneinsicht durch die belangte Behörde) des Inhaltes befindet:
"Si Auftrag wurde irrtümlich an KGKK zurückgesendet (mit 7 E-Zahl, ohne TZ, im Einlauf nicht angeführt)."
Des Weiteren ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde ein Schreiben des Rechtspflegers des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 3. September 1997 des Inhaltes:
"Sehr geehrter Herr Notar!
Der Sicherstellungsauftrag wurde vorschriftsmäßig in die Urkundensammlung gegeben (wie sich heute herausstellt). Eine zweite Ausfertigung hat die KGKK nicht beigelegt. Deshalb muss die KGKK den Sicherstellungsauftrag zustellen."
Diese beiden Ergebnisse ihres Ermittlungsverfahrens durch Einsichtnahme in den Exekutionsakt und in ihren eigenen Akt hat die belangte Behörde nicht berücksichtigt. Aus diesen Umständen geht jedoch eindeutig hervor, dass der Sicherstellungsauftrag dem Beschwerdeführer nicht am 6. oder 20. März 1997 zugestellt wurde. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen finden daher in ihrem Ermittlungsverfahren keine Deckung. Dazu kommt, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit bot, zu diesen ihren Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Hätte sie dies getan, ist nicht auszuschließen, dass sie zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Der Beschwerdeführer hätte dann nämlich nicht nur das Schreiben des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 3. September 1997, sondern auch jenes vom 16. September 1998 vorlegen können, wonach das Bezirksgericht ausdrücklich feststellt, eine Zustellung des Sicherstellungsauftrages weder am 6. noch am 20. März 1997 vorgenommen zu haben.
Soweit die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift ausführt, die dem Beschwerdeführer am 3. Oktober 1997 vom Bezirksgericht Spittal/Drau zugestellte Ablichtung des Sicherstellungsauftrages könne nur vom Bezirksgericht selbst angefertigt worden sein, ist ihr entgegenzuhalten, dass die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegte Ausfertigung des Sicherstellungsauftrages keine Kopie, sondern ein Original darstellt, welches bezeichnenderweise den Stampiglienaufdruck 7 E 504/97 und den handschriftlichen Vermerk TZ 1162/97, beide offensichtlich vom Bezirksgericht Spittal/Drau, und die Eingangsstampiglie der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit 13. Februar 1997 aufweist. Daraus ergibt sich, dass der Aktenvermerk vom 28. August 1997 im Exekutionsakt richtig ist, dass der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse der Sicherstellungsauftrag irrtümlich zurückgesendet wurde. Schließlich ist den Mutmaßungen der mitbeteiligten Partei ("selbst wenn man davon ausgehe, dass dem Sicherstellungsauftrag an das Bezirksgericht keine zweite Ausfertigung beigelegt gewesen wäre") zu entgegnen, dass laut dem Exekutionsakt dem Antrag auf Exekution zur Sicherstellung der Fahrnisse sowie durch Vormerkung des Pfandrechtes lediglich eine Beilage angeschlossen war.
Aus all dem ergibt sich die Relevanz des dargestellten Verfahrensmangels, sodass der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a, b und c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz der Stempelgebühren war zufolge der sachlichen Gebührenfreiheit abzuweisen.
Wien, am 1. Juni 1999
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998080317.X00Im RIS seit
20.11.2000