Entscheidungsdatum
12.09.2018Norm
BBG §40Spruch
L501 2200862-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX, VSNR XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice) vom 12.06.2018, OB XXXX, wegen Ausstellung eines Behindertenpasses in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und §§ 1 Abs. 2, 40 Abs. 1, 41 Abs. 1, 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) sowie § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Mit einem am 30.06.2017 bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben beantragte die nunmehr beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Ausstellung eines Behindertenpasses.
In dem von der belangten Behörde aus dem Bereich der Chirurgie eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 07.12.2017 wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 14.11.2017 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB
01
Kniegelenk - Untere Extremitäten, Zustand nach beidseitiger Patellahypoplasie und mehrmaliger operativer Stabilisierung. Auswahl der gegebenen Position mit unterem Rahmensatz im Sinne einer geringgradigen, beidseitigen Funktionseinschränkung bei beidseitig hypermobiler Kniescheibe, seitengleich freiem Bewegungsumfang, seitengleich reizfreiem Gelenkstatus und seitengleich stabilem Kapselbandapparat. Eine subjektive Rollatorpflicht potenziell psychopathologisch überlagert.
02.05.19
20
Gesamtgrad der Behinderung
20 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Neurologisch beschriebene myoklonische Zuckungen (subjektiv abgeklungen), Schwindelgefühl. Gemäß letztaktueller neurologischer Befundung kein eruierbares neurologisches Defizit.
Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellten Fragen wurden wie folgt beantwortet:
Trifft nicht zu. Unfallchirurgisch, orthopädisch liegt kein objektiver Befund vor, welcher die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machte. Gemäß unfallchirurgisch, orthopädisch aktualisiertem Befund sind kurze ebene Wegstrecken unterbrechungsfrei und ohne Hilfsmittel - insbesondere ohne Stützhilfen und hierbei insbesondere ohne Rollator - bewältigbar. Dies trifft auch für den Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln zu. Die zu objektivierende Funktionsstörung der unteren Extremitäten ist eine Geringgradige, eine Rollatorbenützung stellt nicht das geeignete Hilfsmittel zur Kompensierung der Funktionsstörung der Kniescheiben dar. Die strikte Rollatorfixierung ist potenziell psychopathologisch überlagert
Mit Schreiben vom 12.12.2017 brachte die belangte Behörde der bP die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und räumte ihr die Möglichkeit ein, sich dazu binnen drei Wochen ab Zustellung zu äußern. In ihrer Stellungnahme vom 23.01.2018 schilderte die bP kurz ihren Krankheitsverlauf und führte aus, dass Knieluxationen bei unebenen, rutschigen und losen Untergrund aufträten, sie jeden Vorfall als sehr traumatische empfinde und ein Gehen ohne Rollator unmöglich sei. Um überhaupt mit dem Rollator gehen zu können, müsse sie ständig zur Physiotherapie, sie sei in einer sehr schlechten psychischen Verfassung. Der Gutachter sei nicht kompetent gewesen, auch fehle ihm Empathie.
In dem hierauf von der belangten Behörde erneut aus dem Bereich Chirurgie eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 18.05.2018 wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 17.05.2018 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Gesamtmobilität - Gangbild: Das Gangbild ist hinkfrei und mittelschrittig, der Antragsteller verwendet seit 2,5 Jahren zum Gehen einen Rollator, wobei er sich beim Gehen nicht auf diesen stützt. Es finden sich auch keine Schwielen im Bereich der Hohlhände, die sich beim festen Aufstützen bilden würden. Der Antragsteller schiebt den Rollator vor sich her, benötigt diesen aus/als psychischen Gründen/Stütze, da ohne Abstützungsmöglichkeit Panikattacken auftreten würden. Bein Ankleiden war kurzfristig ein Stehen auf einem Bein ohne Anhalten möglich, ebenso problemloses Ein- und Aussteigen aus dem Auto.
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB
01
Untere Extremitäten, Kniegelenk - Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig Es besteht bds. ein Zustand nach 2-facher Knieoperation bei rezidivierenden Kniescheibenverrenkungen. Es besteht keine Bewegungseinschränkung an den Kniegelenken, kein Reizerguss, keine Muskelverschmächtigung. Die Gelenke der unteren Extremitäten frei beweglich, eine Fast-Verrenkung der Kniescheibe konnte nicht herbeigeführt werden. Es wird der untere Rahmensatz gewährt.
02.05.19
20
Gesamtgrad der Behinderung
20 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Eine Einschätzung der Angststörung wurde nicht durchgeführt, wird aber durch einen entsprechenden FA empfohlen
In dem von der belangten Behörde aus dem Bereich Psychiatrie eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 11.06.2018 wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 07.06.2018 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Status Psychicus: Zu Person, Zeit und Ort orientiert, Stimmung leicht gedrückt, Affekt adäquat, Gedankenductus kohärent, keine Wahnideen, keine Halluzinationen, teilweise Schlafstörung, verminderte Stress- und Frustrationstoleranz, berichtete teilweise Erschöpfungs- und Ermüdungserscheinungen, Lustlosigkeit, Interessenlosigkeit, selten Albträume, berichtete panikartige Zustände, Gesundheitsängste, Existenz- und Zukunftsängste, teilweise wenig soziale Kontakte, er halte auch keine Menschenmengen aus, Somatisierungsneigung, berichtete Schwindelneigung.
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB
01
Angst und Depression gemischt ICD10 F41.2 mit somatoformen Beschwerden Wahl des unteren Rahmensatzes, da zum Zeitpunkt der Untersuchung weder neuropsychiatrische noch psychotherapeutische, medikamentöse antidepressive Behandlung in Anspruch genommen wird, stationärer Aufenthalt psychiatrische Reha geplant September 2018 Bas Aussee.
03.06.01
20
Gesamtgrad der Behinderung
20 vH
Die im Hinblick auf
die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellten Fragen wurden wie folgt beantwortet:
Es wird die Diagnose Angst und Depression mit teilweise panikartigen Zuständen und Schwindelneigung diagnostiziert. Zum Zeitpunkt der Untersuchung nimmt der Untersuchte weder neuropsychiatrische noch psychotherapeutische noch adäquate medikamentöse antidepressive Behandlung in Anspruch. Zum Zeitpunkt der Untersuchung konnten weder an den oberen noch unteren Extremitäten keine relevanten neurologischen Reiz- und Ausfallserscheinungen nachgewiesen werden. Der Untersuchte ist in der Lage eine kurze Wegstrecke, mit dem Rollator, zu bewältigen, das An- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist vorhanden, wenn eine Sitzgelegenheit besteht und Haltegriffe vorhanden sind.
In der von der belangten Behörde aus dem Bereich der Allgemeinmedizin eingeholten Gesamtbeurteilung vom 12.06.2018 wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB
01
Angst und Depression gemischt ICD10 F41.2 mit somatoformen Beschwerden Wahl des unteren Rahmensatzes, da zum Zeitpunkt der Untersuchung weder neuropsychiatrische noch psychotherapeutische, medikamentöse antidepressive Behandlung in Anspruch genommen wird, stationärer Aufenthalt psychiatrische Reha geplant September 2018 Bas Aussee.
03.06.01
20
02
Untere Extremitäten, Kniegelenk - Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig Es besteht bds. ein Zustand nach 2-facher Knieoperation bei rezidivierenden Kniescheibenverrenkungen. Es besteht keine Bewegungseinschränkung an den Kniegelenken, kein Reizerguss, keine Muskelverschmächtigung. Die Gelenke der unteren Extremitäten frei beweglich, eine Fast-Verrenkung der Kniescheibe konnte nicht herbeigeführt werden. Es wird der untere Rahmensatz gewährt.
02.05.19
20
Gesamtgrad der Behinderung
20 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Position 1 als Hauptdiagnose-Angst/Depression-ergibt auch den Gesamtgrad der Behinderung von insgesamt 20 %. Position 2 hat aufgrund des fehlenden funktionellen Zusammenhanges mit der Hauptdiagnose keine steigernde Wirkung (20 %).
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Derzeit liegt keine weiteren Erkrankungen zur Einstufung vor. Myoklonien, Schwindelgefühl: Beide Diagnosen erreichen keinen Grad der Behinderung.
Auszug aus dem Gutachten der Fachärztin für Chirurgie: Die Notwendigkeit des Rollators ist eine subjektive und aus orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht nicht begründbar. Hier ist eine Psychiatrische Untersuchung, Abklärung und Einschätzung notwendig. Die Notwendigkeit des Rollators wird auch durch den Antragsteller selbst dadurch begründet, dass bei nicht Vorhandensein einer Stützhilfe Panikattacken auftreten würden. Auszug aus dem Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie: Es wird die Diagnose Angst und Depression mit teilweise panikartigen Zuständen und Schwindelneigung diagnostiziert. Zum Zeitpunkt der Untersuchung nimmt der Untersuchte weder neuropsychiatrische noch psychotherapeutische noch adäquate medikamentöse antidepressive Behandlung in Anspruch. Zum Zeitpunkt der Untersuchung konnten weder an den oberen noch unteren Extremitäten keine relevanten neurologischen Reiz- und Ausfallserscheinungen nachgewiesen werden. Der Untersuchte ist in der Lage eine kurze Wegstrecke, mit dem Rollator, zu bewältigen, das An- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist vorhanden, wenn eine Sitzgelegenheit besteht und Haltegriffe vorhanden sind.
Stellungnahme ad Rollator: Aus den vorliegenden Unterlagen ist die Notwendigkeit der Benützung eines Rollators nicht ersichtlich-Unzumutbarkeit ist definitiv keine gegeben-GdB: 20%.
Ohne Einhaltung des Parteiengehörs stellte die belangte Behörde mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid fest, dass die bP mit einem Grad der Behinderung von 20 vH nicht die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses erfüllt. Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde ausgeführt, dass die dem Bescheid beiliegenden und einen Teil der Begründung bildenden Ergebnisse des ärztlichen Ermittlungsverfahrens als schlüssig erkannt und der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt worden seien.
In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 06.07.2018 brachte die bP vor, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach wie vor Krafttraining mache, was besser als Venlafaxin oder Trittico in Verbindung mit Alprazolam sei. Um überhaupt mit dem Rollator gehen zu können, befinde sie sich seit 2 1/2 Jahren in Behandlung, ihre Ausgaben hierfür lägen bei über EUR 7.000,--; diese Ausgaben zeigten ihr Bemühen um ein halbwegs normales Leben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Sie hat ihren Wohnsitz im Inland.
Folgende Funktionseinschränkungen liegen vor:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB
01
Angst und Depression gemischt ICD10 F41.2 mit somatoformen Beschwerden unterer Rahmensatz, da weder neuropsychiatrische noch psychotherapeutische medikamentöse antidepressive Behandlung, sozial integriert
03.06.01
20
02
Untere Extremitäten, Kniegelenk, Zustand nach beidseitiger Patellahypoplasie und mehrmaliger operativer Stabilisierung; unterer Rahmensatz im Sinne einer geringgradigen, beidseitigen Funktionseinschränkung bei beidseitig hypermobiler Kniescheibe, seitengleich freiem Bewegungsumfang, seitengleich reizfreiem Gelenkstatus, seitengleich stabilem Kapselbandapparat, keinen Reizergüssen und keiner Muskelverschmächtigung; Patella gut verschieblich, in der Untersuchung nicht luxierbar; Verwendung eines Rollators aus orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht nicht begründet
02.05.19
20
Gesamtgrad der Behinderung
20 vH
Keine relevanten
neurologischen Reiz- und Ausfallserscheinungen an den oberen oder unteren Extremitäten.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Lfd. Nr. 01 als Hauptdiagnose "Angst/Depression" ergibt den Gesamtgrad der Behinderung von insgesamt 20 %. Lfd. Nr. 02 hat aufgrund des fehlenden funktionellen Zusammenhanges mit der Hauptdiagnose keine steigernde Wirkung.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Myoklonien, Schwindelgefühl
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes, u.a. aus dem eingeholten Hauptverbandsauszug; die Ausführungen zu den allgemeinen Voraussetzungen aus dem Meldenachweis.
Die von der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Gutachten sind ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Die vorliegenden Funktionseinschränkungen wurde von den Sachverständigen im Rahmen der klinischen Untersuchungen unter Berücksichtigung der von der bP beigebrachten Befunde erhoben und den entsprechenden Positionsnummern der Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Befundaufnahmen der eingeholten Gutachten aus dem Bereich Chirurgie weichen kaum voneinander ab, die Schlussfolgerungen stimmen überein.
Aufgrund der im Rahmen der klinischen Untersuchungen erhobenen Befunde (blande Narben, beidseits ca. 0-0-135, freies Bewegungsmuster, bandstabil, keine Entzündungszeichen, ergussfrei, keine Muskelverschmächtigung) war der Zustand nach beidseitiger Patellahypoplasie und mehrmaliger operativer Stabilisierung als Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig dem unteren Rahmensatz der Pos. Nr. 02.05.19 zuzuordnen; im Hinblick auf das Fehlen einer Bewegungseinschränkung und von Entzündungszeichen sowie der gegebenen Bandstabilität war eine Einschätzung nach dem oberen Rahmensatz nicht vorzunehmen. Eine Subsumierung der Funktionseinschränkung unter Pos. Nr. 02.05.21 (Rahmensatz 50 - 70%) war im Hinblick auf das hier geforderte Streckdefizit ausgeschlossen.
Die Anlage zur Einschätzungsverordnung stellt bei Pos. Nr. 03.06.01 (Rahmensatz 10 - 40vH) neben der sozialen Integration, die u.a. im Hinblick auf das langjährige Beschäftigungsverhältnis gegeben ist, auch auf eine Medikation ab, die unstrittig nicht vorliegt; eine anderweitige Einschätzung bedingende aussagekräftige Befunde wurden nicht vorgelegt.
Die bP hatte ausreichend Gelegenheit, die Darlegungen der Sachverständigen in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten oder durch Vorlage von geeigneten Beweismittel zu widerlegen; dies hat sie jedoch unterlassen. Die gutachterlichen Ausführungen wurden von der bP weder substantiiert bestritten noch wurden Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108; vom 05.10.2016, Ro 2014/06/0044).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens. Es wird daher - zumal es mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht - in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen. (§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)
Hinsichtlich der in Beschwer gezogenen Einschätzungen enthält die Einschätzungsverordnung folgende Positionsnummern:
Funktionseinschränkungen im Kniegelenk als Folge von Knorpel-, Band- und Meniskusläsionen. Ausprägungen von Knorpelschäden geringeren, mittleren und schwereren Grades werden in der Einschätzung mitberücksichtigt.
02.05.19
Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig
20 - 30 %
Streckung/Beugung bis 0-0-90°
02.05.21
Funktionseinschränkung mittleren Grades beidseitig
40 %
Streckung/Beugung 0-10-90°
02.05.23
Funktionseinschränkung schweren Grades beidseitig
50 %
Streckung/Beugung 0-30-90
03.06.01
Depressive Störung - Dysthymie - leichten Grades Manische Störung - Hypomanie - leichten Grades
10 - 40 %
Keine psychotischen Symptome, Phasen mindestens 2 Wochen andauernd 20 %: Unter Medikation stabil, soziale Integration 30 % Unter Medikation stabil, fallweise beginnende soziale Rückzugstendenz, aber noch integriert 40 % Trotz Medikation instabil, mäßige soziale Beeinträchtigung
Die von Amts wegen eingeholte Gutachten sind -
wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig. Da sohin ein Grad der Behinderung von zwanzig (20) von Hundert (vH) festzustellen ist und folglich die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Absehen von einer mündlichen Verhandlung Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie unter Punkt II. 2. ausgeführt, wurden die hierzu eingeholte Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Die von der bP vorgebrachten Einwendungen waren nicht geeignet, die Feststellungen und Einschätzungen der Sachverständigen zu entkräften oder relevante Bedenken an den gutachterlichen Aussagen hervorzurufen bzw. irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich gemacht hätte (vgl. das Urteil des EGMR 19.2.1998, 8/1997/792/993, Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41).
Dies lässt die Einschätzung zu, dass von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Da dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, wurde gemäß § 24 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L501.2200862.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.02.2019