Entscheidungsdatum
12.09.2018Norm
BBG §40Spruch
L501 2199967-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX, SVNR. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 28.02.2018, OB XXXX, wegen Neufestsetzung des Grades der Behinderung zu Recht erkannt:
A)
Der Bescheid des Sozialministeriumservice vom 28.02.2018, OB XXXX, wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben und der Antrag von Herrn XXXX vom 17.10.2017 (eingelangt am 20.10.2017) auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Auf Grundlage eines von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Allgemeinmedizin vom 24.06.2014 wurde der nunmehr beschwerdeführenden Partei ein unbefristeter Behindertenpass mit einem GdB von 80 vH ab 15.07.2014 ausgestellt. In diesem Gutachten wird unter Bezugnahme auf ein Vorgutachten aus dem Jahr 2009, aufgrund dessen bereits ein unbefristeter Behindertenpass mit einem GdB von 60 % ab 09.02.2010 ausgestellt worden war, wie folgt ausgeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB
01
Progediente axonal betonte und sensomotorische Polyneuropathie mit Gangunsicherheit, Sturzgefahr; gegenüber Vorgutachten Aktenblatt -18- Erhöhung um eine Stufe bei bestehenden Geschwüren an den Füßen
04.06.02
70
02
Bluthochdruck unverändert gegenüber Vorgutachten Aktenblatt-18 (Anmerkung, dort heißt es: medikamentös gut behandelbar)
05.01.02
20
03
Zuckererkrankung unverändert gegenüber Vorgutachten Aktenblatt-18 (Anmerkung, dort heißt es: medikamentös eingestellt, bekannt seit 1992) - bei weiterhin oraler Einfachtherapie, die Endorganschäden wurden unter Lfnr 1 berücksichtigt, Langzeitwert gering über der Norm
09.02.01
20
Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose und Lungeninfarkt Keine wesentliche Schwellneigung, weiterhin orale Blutverdünnung, gute Lungenleistungsbreite, atrophe Hautveränderungen unverändert gegenüber Vorgutachten Aktenblatt-18 (Anmerkung, dort heißt es: Zustand nach 2-maliger tiefer Beinvenenthrombose des li. Beines, ausgeheilt, der Patient nimmt Marcoumar)
05.08.01
20
Gesamtgrad der Behinderung
80 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das Leiden unter Lfnr 1 ist weiterhin führend. Die Erkrankungen unter Lfnr 2,3,4 stehen in unmittelbarer Wechselwirkung mit der Grunderkrankung und steigern um eine weitere Stufe auf 80%.
Mit einem am 20.10.2017 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben beantragte die bP unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass.
In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 24.12.2017 aus dem Bereich der Allgemeinmedizin wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 18.12.2017 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Anamnese: [...] 1992 DM II, Polyneuropathie, wiederholte Ulzera Beine, 8/2017 bei Osteomyelithis Amputation Mittelfußknochen und 5. Zehe rechts, diabetische Nephropathie; Hypertonie; Z.n. Impingement rechte Schulter; leichter Tinnitus; Z.n. 2x Thrombose linkes Bein und Lungenembolie 2003, ohne Folgen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB
01
Polyneuropathie wie im Vorgutachten, höhergradige Gefühlsminderung bds. gesamte Unterschenkel und Vorfüße, keine Lähmungen
04.06.02
70
02
Narben an der Fußsohle und der Ferse - Untere Extremitäten, Verlust linker Mittelfußknochen 5. und 5. Zehe rechts, Z.n. mehrfach Bein Ulzera jetzt blande Narben, geschlossene Ulcera beide Fußsohlen nach Hauttransplantation, blande Narben nach Amputation Bereich 5. Zehe rechts, Ausgleich durch orthopädische Schuhe
02.05.41
20
03
Z.n. Thrombose trägt Stützstrümpfe, wie im Vorgutachten
05.08.01
20
Diabetes mellitus gute Einstellung mit Tabletten, HbA1c 6,5%
09.02.01
20
Bluthochdruck gute Blutdruckeinstellung mit Tabletten, keine Herzschädigung bekannt
05.01.01
10
Tinnitus zeitweise Tinnitus bds. angegeben, leichte Hörminderung
12.02.02
10
Gesamtgrad der Behinderung
70 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: der GdB ergibt sich aus dem führenden Leiden, bei geringem Krankheitswert bzw. fehlendem Zusammenhang keine Steigerung durch die übrigen Leiden.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Allergien, Magnesiummangel, Z.n. Impingement rechte Schulter bei jetzt wieder guter Beweglichkeit; Z.n. Lungenembolie 2003 - ausgeheilt
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: gleiche Einschätzung Polyneuropathie, Z.n. Thrombose; neu eingeschätzt Zehenamputation - laut EVO keine höhere Einschätzung möglich; Bluthochdruck geringer eingeschätzt bei guter Einstellung ohne Herzschädigung; neu eingeschätzt Tinnitus; jetzt wieder ausreichend gute Nierenfunktion
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
aufgrund der Polyneuropathie 70 %, keine Steigerung durch die übrigen Leiden bei Geringfügigkeit
Mit Schreiben vom 03.01.2018 wurden der bP das eingeholte Gutachten gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen drei Wochen ab Zustellung zu äußern. Ob eine Stellungnahme einlangte, ist dem Akt nicht eindeutig zu entnehmen.
In dem von der belangten Behörde sodann eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 23.06.2018 aus dem Bereich der Chirurgie wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 22.06.2018 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Anamnese:
Osteomyelitis V Zehe rechts. 2. Z.n. Sepsis bei Weichteilinfekt und Osteomyelitis Dig. V rechts. 3. Z.n. chron. Nierenversagen bei diabetischer Nephropathie im Rahmen der Sepsis 08/2017. 4. Diabetes mellitus Typ II (ED ca. 2002), diabetische Neuropathie, diabetisches Fußsyndrom mit chron. neuropathischem Ulcus rechte Fußsohle, Charcot-Fuß, diabetische Nephropathie. 5. Art. Hypertonie. 6. Z.n. 2 x TVT Ii. US (ca. 2000). 7. Hypomagnesiämie.
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Position
GdB
01
Polyneuropathie unverändert übernommen, Zuckerkrankheit als ursächliche Krankheit angenommen, damit berücksichtigt diabetischer Fuß beidseits
04.06.02
70
02
Narben an beiden Füßen unverändert übernommen
02.05.41
20
03
Unterschenkelthrombose links unverändert übernommen
05.08.01
20
Zuckerkrankheit medikamentös eingestellt
09.02.01
20
Bluthochdruck medikamentös eingestellt
05.01.01
10
Tinnitus unverändert übernommen
12.02.02
10
Gesamtgrad der Behinderung
70 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: wie im Vorgutachten beschrieben wird die führende Diagnose wegen Geringfügigkeit in den übrigen Punkten nicht weiter beeinflusst
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: keine weiteren mit Krankheitswert
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: keine gesundheitlichen Änderungen eingetreten
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung: liegt nicht vor
Ohne Einhaltung des Parteiengehörs stellte die belangte Behörde mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid fest, dass der Grad der Behinderung 70 vH beträgt. Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde ausgeführt, dass das dem Bescheid beiliegende und einen Teil der Begründung bildende Sachverständigengutachten als schlüssig erkannt und der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist.
Mit Schreiben vom 20.03.2018 erhob die bP unter Vorlage eines Befundes fristgerecht Beschwerde. Mit Schreiben vom 01.08.2018 wurde der bP seitens des Bundesverwaltungsgerichts das Gutachten aus dem Bereich der Chirurgie zur Stellungnahme übermittelt; mit Schreiben vom 09.08.2018 wurde sie aufgefordert, ihre Beschwerde im Hinblick auf die Begründung sowie das Begehren zu verbessern.
Mit Schreiben vom 17.08.2018 teilte die bP im Hinblick auf den Verbesserungsauftrag mit, dass die Polyneuropathie weiterhin mit 70 % eingeschätzt und die weitere Funktionseinschränkung im neuen Befund nicht vollständig berücksichtigt worden sei. Da keine Besserung in ihrem Gesundheitszustand eingetreten sei, ersuche sie um Beibehaltung ihres 80 %igen Behinderungsgrades. In ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme ersucht die bP um Beibehaltung des Behindertenparkausweises.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der bP wurde am 09.02.2010 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem GdB von 60 vH ausgestellt. Aufgrund ihres Antrages vom 20.04.2014 wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin vom 24.06.2014 eingeholt (zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Ergebnisse auf die unter I. Verfahrensgang wiedergegebenen Ausführungen verwiesen), auf dessen Grundlage der GdB mit 80 vH sowie die "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" festgestellt wurden. Nach Retournierung des 2010 ausgestellten Passes erhielt die bP in der Folge den unbefristet ausgestellten Behindertenpass mit einem eingetragenen GdB von 80 vH ab 15.07.2014 sowie den Zusatzeintragungen "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist wegen dauernder Gesundheitsschädigung nicht zumutbar" und "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996".
Mit einem am 20.10.2017 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben beantragte die bP unter Beifügung eines Befundkonvolutes die Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass. In der Folge wurden von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten vom 24.12.2017 aus dem Bereich der Allgemeinmedizin sowie ein Sachverständigengutachten vom 23.06.2018 aus dem Bereich der Chirurgie eingeholt, die hinsichtlich der festgestellten Funktionseinschränkungen und ihrer Zuordnung zu den jeweiligen Pos. Nr. nach der Anlage zur Einschätzungsverordnung im Wesentlichen übereinstimmen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Ergebnisse der Begutachtungsverfahren auf die unter I. Verfahrensgang wiedergegebenen Ausführungen verwiesen.
Nach den im gegenständlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten ist im Leidenszustand der bP im Vergleich zum Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2014, auf dem der 2014 unbefristet ausgestellte Behindertenpasses mit einem GdB von 80 vH basiert, keine entscheidungsrelevante Änderung eingetreten. Die Polyneuropathie ist weiterhin die nach der Pos. Nr. 04.06.02 mit 70 % eingestufte führende Funktionseinschränkung, der Zustand nach Beinthrombose weiterhin der Pos. Nr 05.08.01 mit 20 % und der Diabetes mellitus weiterhin der Pos. Nr. 09.02.01 mit 20 % zugeordnet. Art und Ausmaß der im Jahr 2014 die Steigerung des führenden Leidens ‚Polyneuropathie' bewirkenden Funktionseinschränkungen haben sich grundsätzlich nicht geändert.
Der differierende Gesamtgrad der Behinderung ergibt sich aus der unterschiedlichen Gesamteinschätzung der Sachverständigen:
2014: Die Erkrankungen unter Lfnr 2,3,4 (Bluthochdruck, Zuckererkrankung, Zustand nach Beinvenenthrombose) stehen in unmittelbarer Wechselwirkung mit der Grunderkrankung (Polyneuropathie) und steigern um eine weitere Stufe auf 80%
2017: der GdB ergibt sich aus dem führenden Leiden, bei geringem Krankheitswert bzw. fehlendem Zusammenhang keine Steigerung durch die übrigen Leiden.
Eine entscheidungsrelevante Änderung im Leidenszustand der bP bzw. in der einen Grad der Behinderung begründenden Sachlage ist seit der im Jahr 2014 erfolgten unbefristeten Ausstellung des Behindertenpasses mit einem GdB von 80 vH nicht eingetreten.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.
Die im verfahrensgegenständlichen Gutachten vom 24.12.2017 seitens des Sachverständigen festgestellten gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten aus 2014 überzeugen nicht. Das angeführte Leiden ‚Nierenfunktion' (jetzt wieder ausreichend gut) war nicht Gegenstand der Entscheidung im Jahr 2014, kann sohin eine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung nicht bewirken; auch die - offenbar aufgrund der im Rahmen der klinischen Untersuchung gemessenen niedrigeren Blutdruckwerte - nunmehr um 10 % geringer eingeschätzte Hypertonie vermag dies nicht, zumal die entsprechende Diagnose in den vorgelegten Befunden weiterhin aufscheint und auch die Begründung für die nunmehrige Einstufung von 05.01.01 im Grunde mit der im Gutachten 2014 enthaltenen Begründung für 05.01.02 übereinstimmt.
Eine die den Gesamtgrad der Behinderung bewirken könnende relevante Verbesserung des Leidenszustandes ist den gutachterlichen Einschätzungen nicht zu entnehmen; selbst bei Annahme einer Hypertonie nach der Pos. Nr. 05.01.01 ist dies zu verneinen, da es sich um eine Besserung von lediglich 10 % handeln würde. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die gemäß den verfahrensgegenständlichen Sachverständigengutachten neu hinzugekommene Funktionseinschränkungen ‚Narben an der Fußsohle und der Ferse - Untere Extremitäten, Verlust linker Mittelfußknochen 5. und 5. Zehe rechts, Z.n. mehrfach Bein Ulzera' und ‚Tinnitus' aufgrund der nachvollziehbar vorgenommenen Einschätzung mit nur 20 bzw. 10 vH gleichfalls keine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts bewirken können.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Zu A)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG, geändert mit BGBl. I. Nr. 66/2014).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft eines früher in derselben Angelegenheit ergangenen Bescheides einer neuen Sachentscheidung entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen keine Änderung eingetreten ist (vgl. VwGH vom 14.11.1992, 92/09/0213, mwN).
Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist laut Rechtsprechung auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl VwGH vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0029).
Im vorliegenden Fall ist die bP im Besitz eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses mit einem eingetragenen GdB von 80 vH ab 15.07.2014 sowie den Zusatzeintragungen "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist wegen dauernder Gesundheitsschädigung nicht zumutbar" und "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996". Obschon die Passeintragung vor der mit BGBl. I. Nr. 66/2014 erfolgten Novellierung des § 45 Abs. 2 BBG vorgenommen wurde, ist von einer rechtskraftfähigen Entscheidung der belangten Behörde auszugehen, zumal ein Verwaltungsverfahren auch dadurch enden kann, dass dem Begehren des Antragstellers tatsächlich entsprochen wird. In ständiger Rechtsprechung versteht der Verfassungsgerichtshof unter Bescheid jede Erledigung einer Verwaltungsbehörde, womit ein individuelles Rechtsverhältnis gestaltet oder festgestellt wird, ob sie nun in Form eines Bescheides nach § 56 AVG ergeht oder nicht (vgl. Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, RZ 418 unter zit. VfSlg. 4986/1965). In seinem Erkenntnis vom 09.11.1988, 88/01/0206, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass dem auf Antrag einer Partei mit ausgefüllter Stampiglie in ihrem Reisepass erteilten Wiedereinreise-Sichtvermerk seiner Ansicht nach Bescheidcharakter zukommt; es zur Rechtswirksamkeit aber der Ausfolgung des Reisepasses an die antragstellende Partei bedarf. Dementsprechend wird auch zur Novellierung des § 45 Abs. 2 BBG durch BGBl. I. Nr. 66/2014 in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (144 der Beilagen XXV. GP) ausgeführt, dass damit klargestellt werden soll, dass der Behindertenpass einen Bescheid im Sinne der Bestimmungen des AVG darstellt und diese Maßnahme zu mehr Rechtssicherheit führen soll.
Folglich handelt es sich bei dem gegenständlichen unbefristeten Behindertenpass mit dem eingetragenen GdB von 80 vH ab 15.07.2014 um eine rechtskräftige Entscheidung und ist das eventuelle Vorliegen einer entschiedenen Sache seitens des Verwaltungsgerichts zu prüfen.
Die bP ist bei ihrer Antragstellung jedenfalls von einer Sachverhaltsänderung, nämlich einer Verschlechterung ihres Leidenszustandes ausgegangen. Die belangte Behörde hat demgegenüber auf Grund der von ihr eingeholten Gutachten die Auffassung vertreten, dass der Grad der Behinderung der bP nur mit 70 v.H. festzusetzen wäre, und auf Grund dieser Beurteilung mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid ausgesprochen, dass der Grad der Behinderung mit 70 v.H. festgesetzt wird. Dieser Ausspruch wäre nach dem zuvor Gesagten nur dann rechtmäßig, wenn seit der Eintragung der 80 Prozent in den Behindertenpass eine wesentliche Besserung in den Funktionseinschränkungen der bP eingetreten wäre, was - wie unter den Punkten II. 1 und 2 näher ausgeführt - zu verneinen ist. Eine mit der Eintragung der 80 Prozent in den Behindertenpass allenfalls unterlaufene Fehleinschätzung des Grades der Behinderung kann jedoch ohne entsprechende Sachverhaltsänderung (d.h. Besserung des Leidenszustandes) nur unter den Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 und 3 AVG, nicht aber im Wege der Neufestsetzung des Grades der Behinderung korrigiert werden. Anhaltspunkte für eine Wiederaufnahme liegen aber - soweit ersichtlich - nicht vor.
Da nun weder in der Rechtslage noch im entscheidungswesentlichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist, liegt im Hinblick auf die vorliegende rechtskräftige Entscheidung des Jahres 2014 Identität der Sache vor, sodass sich eine neuerliche meritorische Entscheidung verbietet.
Gemäß Rechtsprechung hat das Verwaltungsgericht, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Akt nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis (vgl dazu etwa VwGH vom 09.09.2015, Ro 2015/03/0032) einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl idS etwa VwGH vom 23. 05.1995, 94/20/0785; vgl VfGH vom 18.06.2014, G 5/2014 (VfSlg 19.882/2014)). Es war daher mit Aufhebung des verfahrensgegenständlichen Bescheides sowie Zurückweisung des Neufestsetzungsantrages vorzugehen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Absehen von einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht gestellt und bestand die Rechtssache grundsätzlich in der Beurteilung, ob eine entschiedene Sache vorliegt. Die in diesem Zusammenhang aufgetretenen Rechtsfragen sind durch die bisherige Rechtsprechung ausreichend beantwortet und konnten zudem die zur Lösung der Frage erforderlichen Fakten zweifelsfrei dem Akteninhalt entnommen werden. Auch von den Parteien wurden keine noch zu klärenden, entscheidungsrelevanten Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist. Da dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen, wurde gemäß § 24 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Behindertenpass, entschiedene Sache, GradEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L501.2199967.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.02.2019