TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 L501 2196572-1

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Veröffentlicht am 12.09.2018
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Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45

Spruch

L501 2196572-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat. Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 20.12.2017, OB XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und §§ 1 Abs. 2, 42 Abs.1, 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) sowie § 1 Abs. 4 Z 3 und Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) beantragte mit am 14.09.2017 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass gemäß den dem Bescheid beiliegenden und einen Teil der Begründung bildenden Ergebnissen des ärztlichen Begutachtungsverfahrens die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.

In ihrer am 12.01.2018 fristgerecht erhobenen Beschwerde brachte die bP unter Vorlage aktueller Befunde vor, dass es trotz intensivem Training und Alkoholkarenz zu keiner Verbesserung gekommen sei und sie nach wie vor nicht mehr als 100 Meter Wegstrecke zurückzulegen könne.

In dem hierauf von der belangten Behörde im Hinblick auf die geplante Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Orthopädie vom 14.03.2018 wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 01.03.2018 im Wesentlichen wie folg ausgeführt: "Ob eine kurze Wegstrecke möglich ist, ist vom Facharzt für Gefäßchirurgie zu beurteilen, da die periphere arterielle Verschlusskrankheit im Vordergrund steht."

In dem hierauf von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Chirurgie vom 02.05.2018 wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 25.04.2018 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

01

Periphere Arterielle Verschlußkrankheit IIb beidseits, Zust.n. mehrmaligen gefäßchirurgischen Interventionen (Angioplastie, Stents)- Hochgradige Abgangstenosen der A. iliaca interna bds.

Nachuntersuchung 05/2019 - weil Nachkontrolle- Angioplastie und Stenting der Abgangstenosen beider Aa. iliacae internae wäre eventuell noch möglich

Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellten Fragen wurden wie folgt beantwortet:

Die hochgradigen Abgangstenosen an beiden Aa. iliacae internae, sind für die Claudicatio- Beschwerden nach einer Gehstrecke von 100 m verantwortlich. Die Gefäßversorgung der Gesäßmuskulatur ist hochgradig eingeschränkt und daher kommt es zu einer erheblichen Schmerzsymptomatik bei Belastung. Die geschilderten Beschwerden werden durch den vorliegenden Angiographiebefund bestätigt. Eine Gehstrecke von 300-400 m ist dem Patienten derzeit durch die hochgradige Einschränkung der Durchblutung nicht möglich. Ein-und Aussteigen bzw. Anhalten zur gefahrlosen Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel, sind nicht erheblich eingeschränkt. Eine Nachkontrolle sollte in einem Jahr durchgeführt werden (05/2019), da durch eine Angioplastie bzw. Stenting der Stenosen, eine deutliche Besserung erreicht werden könnte.

Gutachterliche Stellungnahme:

Derzeit ist durch die bildgebende Diagnostik die Schmerzsymptomatik nach einer Gehstrecke von 100 m nachvollziehbar. Indikation zur Ausstellung eines Parkausweises bzw. Eintragung der Unzumutbarkeit liegt vor. NU 05/2019."

In der von der belangten Behörde eingeholten Gesamtbeurteilung vom 24.05.2018 wird vom Sachverständigen aus dem Bereich der Allgemeinmedizin im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

"

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

01

degenerative Wirbelsäulenerkrankung

02

periphere arterielle Verschlußkrankheit

03

Alkoholsucht

04

Hypertonie

05

Periphere Arterielle Verschlußkrankheit IIb beidseits, Zust.n. mehrmaligen gefäßchirurgischen Interventionen (Angioplastie, Stents)- Hochgradige Abgangstenosen der A. iliaca interna bds.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Die Einstufung der Beschwerden von Seiten der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit im allgemeinmedizinischen Gutachten waren u gering angesetzt. Es besteht trotz mehrmaliger operativer Interventionen höhergadige Beschwerden und eine dtl Einschränkung der Gehleistung.

Nachuntersuchung 05/2019 - weil Eine Besserung nach weiteren Gefäßinterventionen mgl.

Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellten Fragen wurden wie folgt beantwortet:

Aufgrund der bestehenden Gefäßsituation ist der Antragsteller nicht in der Lage kurze Wegstrecken zuürckzulegen. Weitere funktionelle Einschränkung, die das Benützen öff. Verkehrsmittel verunmöglichen würden, liegen nicht vor."

Da das Beschwerdevorentscheidungsverfahren nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit erledigt werden konnte, wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden der bP gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht en.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die bP ist österreichische Staatsangehörige, sie hat ihren Wohnsitz im Inland und ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern, liegen vor: degenerative Wirbelsäulenerkrankung, Alkoholsucht, Hypertonie, Periphere Arterielle Verschlußkrankheit IIb beidseits, Zustand nach mehrmaligen gefäßchirurgischen Interventionen (Angioplastie, Stents). - Hochgradige Abgangsstenose der A. iliaca interna bds. Die Gefäßversorgung der Gesäßmuskulatur ist hochgradig eingeschränkt, sodass es zu einer erheblichen Schmerzsymptomatik bei Belastung kommt.

Aufgrund der bestehenden Gefäßsituation ist die bP nicht in der Lage kurze Wegstrecken von 300 bis 400 Meter zurückzulegen. Weitere der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entgegenstehende funktionelle Einschränkungen liegen nicht vor.

Nachuntersuchung 05/2019 angezeigt, da durch Angioplastie und Stenting der Abgangsstenosen beider Aa. iliacae internae eine Verbesserung der Gefäßsituation erreicht werden könnte.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Die seitens der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sind ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen der klinischen Untersuchungen erhobenen Befunden; es werden Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen beschrieben sowie deren Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten, vielmehr wurden sie von den Sachverständigen eingesehen und in die Einschätzung miteinbezogen.

Da die Sachverständigengutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehen, werden sie in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen (§ 47 BBG).

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Die Auswirkungen der bestehenden Funktionseinschränkungen bedingen gemäß ständiger Rechtsprechung die Unzumutbarkeit, zumal die Erreichung des mit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels angestrebten Ziels nicht gewährleistet ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L501.2196572.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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