TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/24 L504 2106579-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2018
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Entscheidungsdatum

24.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L504 2106579-1/25E

L504 2106577-1/19E

L504 2106581-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von

1. XXXX geb., StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2015, XXXX,

2. XXXX geb., StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2015, ZXXXX,

3. XXXXgeb., StA. Irak, vertreten durch XXXX diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2015,XXXX

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 Abs. 2 Z 2 u. Abs 9, 46, 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt".

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführenden Parteien [bP] 1-3 stellten nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 14.11.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann [bP1], welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit schiitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört sowie seine Ehegattin [bP2], eine Araberin, welche dem sunnitischen Glauben zugehörig ist und dem gemeinsamen, zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Sohn [bP3]. Sie wohnten zuletzt in Bagdad.

Anlässlich der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die beschwerdeführende Partei 1 als Ausreisemotiv an, dass sie in Bagdad in einem sunnitischen Bezirk gewohnt habe. Sie habe Anrufe von "unbekannten Personen" bekommen, die "ihr" aufgetragen hätten den Bezirk zu verlassen, da sie Schiit sei. Im letzten Anruf sei ihr gesagt worden, dass sie den Bezirk innerhalb von 24 Stunden verlassen solle, ansonsten die bP1 umgebracht würde. Aus Angst um ihr Leben und um ihre Familie zu schützen, habe sie sich entschlossen den Irak im Mai 2014 zu verlassen.

In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt brachte die bP zu ihren ausreisekausalen Problemen im Irak Folgendes vor:

"[...]

Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

Jajaja

[...]

Möchten Sie Ihr bisheriges Vorbringen von selbst ergänzen?

Ich habe nur kurz über meine Situation erzählt, aber nicht ausführlich.

Aber Sie konnten das Wesentliche doch vorbringen - im Kern, oder?

Nachdem ich hier ankam haben sich Dinge ergeben, die neu hinzugekommen [sind]. Das ist passiert, nachdem ich hier angekommen bin.

"Ich wurde im Irak bedroht, dass mein Sohn aus der Schule heraus entführt werden wird - mein Kind war gerade 1-2 Monate in der Schule und dennoch kamen schon die Drohungen. Ich bin Schiit, meine Frau ist Sunnitin - ich kann nicht ohne Probleme in einer sunnitischen Gegend leben und meine Frau kann nicht in einer schiitischen Gegend ohne Probleme leben. Wir suchen Sicherheit.

Was war der konkrete Anlass für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates?

Wie ich schon sagte, die Drohungen bezüglich meines Lebens und bezüglich des Lebens meines Kindes. Ich musste mich rasch entscheiden als ich die Drohungen über Telefon bekam.

[...]

Haben Sie somit all Ihre Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates genannt?

Ja das ist alles, sonst gibt es nichts.

[...]

Hatte konkret Ihre Person jemals Probleme mit den Behörden, der Polizei, dem Militär Ihres Herkunftsstaates? Gab es Schikanen?

Schiiten-Milizen haben mich zur Kooperation aufgefordert und Informationen weitergeben soll- deswegen bekam ich die Drohungen

[...]

Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

Das war alles, ich habe keine Einwände.

[...]"

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

2. Bei der Erstbefragung befragt, warum die bP2 den Irak verlassen habe, gab diese an:

"Mein Mann wurde von unbekannten Personen bedroht, da er Schiit ist. Ihm wurde gesagt, dass wir den Bezirk verlassen sollen. Im letzten Anruf hat man ihm gesagt, dass wir innerhalb von 24 Stunden den Bezirk verlassen sollen, sonst wird er umgebracht. Mein Mann hat immer wieder Schwierigkeiten gehabt, da er Schiit ist, vor allem nachdem die IS Alfluja erobert hat. Das ist mein Fluchtgrund."

Hinsichtlich des minderjährigen Kindes [bP3] brachte die bP2 vor, dass für diesen die gleichen Fluchtgründe wie für sie gelten würden. Der Sohn habe darüber hinaus keine eigenen Fluchtgründe.

Bei der folgenden Einvernahme beim Bundesamt gab die bP2 im Wesentlichen zur Problemlage im Irak bzw. zur Ausreisemotivation Folgendes an:

"[...]

Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

Jajaja.

(...]

Möchten sie Ihr bisheriges Vorbringen von selbst ergänzen?

Fragen Sie mich einfach. Ich habe schon alles gesagt.

[...]

Aus welchem Grund haben Sie nunmehr Ihren Herkunftsstaat verlassen bzw. einen Asylantrag gestellt?

Es herrscht Krieg im Irak. Es wurden Drohungen bezüglich meines Sohnes ausgesprochen - wir haben unsicher gelebt, weshalb wir das Land verlassen haben. Wir kauften ein Auto, unser Bezirk wurde angegriffen und das Auto wurde beschädigt. Wir kauften ein weiteres Auto und mein Mann wurde entführt, das hat er euch nicht erzählt, man hat ihm das Auto entzogen und ihn hat man weggeschickt. Es gab keine Sicherheit. 2001 kehrte ich nach dem Tod meines Vaters zurück - das war am 10.01.2011, ich hatte keine Chance woanders zu leben.

Was war der konkrete Anlass für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates?

Die Drohungen. Mein Mann wurde bedroht und wir beide hatten Sorgen um unser Kind. Sie wollten von ihm Zusammenarbeit und das wollten wir nicht.

Haben Sie somit all Ihre Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates genannt?

Das ist alles was ich sagen kann.

[...]

Hatte konkret Ihre Person jemals Probleme mit den Behörden, der Polizei, dem Militär Ihres Herkunftsstaates? Gab es Schikanen?

Nein.

[...]

Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

Ich habe alles gesagt und habe keine Einwände.

[...]"

Das Bundesamt hat die Anträge der bP2 und bP3 im Folgenden wie jenen der bP 1 entschieden.

Gegen diese Bescheide wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Moniert wurde im Wesentlichen eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, allfällige "Unstimmigkeiten" zw. Erstbefragung und Einvernahme wurden mit Fehlleistungen des Dolmetschers erklärt und zudem gemeint, dass keine Rückübersetzung der niederschriflichen Erstbefragungen erfolgt sei. Neues Vorbringen wurde erstattet, wie, dass seitens der schiitischen Familie der bP1 mit der Entführung des Sohnes gedroht worden sei, weil diese nicht mit der Ehe einverstanden seien. Die bP2 habe nie gesagt, dass ihr Ehegatte entführt worden sei, hier liege ein Übersetzungsfehler des Dolmetschers vor. Die bP hätten bei der Erstbefragung keine Gelegenheit gehabt ihre gesamte Fluchtgeschichte vorzubringen, deshalb sei nichts von der Entführung des Sohnes in der Erstbefragung erwähnt. Sie seien deshalb nicht zu den Eltern der bP1 geflohen, da "schwere Drohungen gegen die Ehegattin und den Sohn" bestanden hätten. Neu wurde auch dargelegt, dass ein mutmaßlicher Verdacht entstanden sei, dass die bP1 für den sunnitischen Geheimdienst arbeiten würde.

3. Am 08.05.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP1-3 sowie im Beisein ihrer bevollmächtigten Vertreterin eine Verhandlung durch. Das BFA blieb entschuldigt fern.

Mit der Ladung wurden die beschwerdeführenden (volljährigen) Parteien auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert insbesondere ihre persönliche Ausreisemotivation und sonstigen Rückkehrbefürchtungen soweit als möglich durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine umfassende, jedoch demonstrative Aufzählung von grds. als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

Zugleich mit der Ladung wurden den beschwerdeführenden Parteien mit Schreiben vom 29.03.2018 ergänzend Berichte zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat übermittelt bzw. namhaft gemacht (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 23.11.2017), welche das Verwaltungsgericht in die Entscheidung ergänzend miteinbezieht. Eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen wurde dazu eingeräumt. Eine solche schriftliche Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

Es wurde der bP am Ende der Verhandlung aufgetragen das BVwG unverzüglich zu verständigen, wenn sich entscheidungsrelevante Änderungen, die ihren Antrag auf internationalen Schutz bzw. ihr Privat- und Familienleben betreffen, ergeben. Bis zu dieser Entscheidung langte keine solche Mitteilung ein.

Die Verhandlung beim BVwG gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt:

"[...]

Verfahren BFA

Konnten Sie bisher im Asylverfahren bei den beiden niederschriftlichen Einvernahmen alles vorbringen was Ihnen zum Antrag auf internationalen Schutz wichtig erscheint?

P1: Als wir unsere Heimat verlassen haben, sind wir geflüchtet. Wir hatten nur die Kleidung am Körper und sonst nichts mit. Wir waren bei Freunden und von dort sind wir weg. Alle Dokumente und Unterlagen waren zu Hause. Wir hatten nichts mit.

RI wiederholt die Frage.

P1: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe auf alles geantwortet, was ich gefragt wurde.

P2: Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe nicht alles gesagt. Der Dolmetscher sagte damals, ich sollte nicht mehr sagen, was mein Mann gesagt hat. Nachgefragt gebe ich an, dass es bei der Polizeibefragung in Traiskirchen war.

Wollen Sie hier in der Verhandlung von sich aus noch weitere Angaben zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz machen?

P1: Wir haben heute was Neues zu sagen.

Was gibt es Neues:

P1: Es ist nicht neu geschehen. Ich wollte auch beim ersten Interview alles angeben, aber der Dolmetscher hat mir gesagt, dass ich die alten Ereignisse nicht erzählen muss. Deshalb habe ich nicht alles gesagt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich das zweite Interview meinte. Beim ersten Interview war ganz ganz wenig.

Was wollten Sie bei der zweiten Einvernahme noch sagen?

P1: Ich wollte eigentlich schon erwähnen, dass ich 2007/2008 meine Provinz verlassen habe, aus dem Grund, weil es Stammesprobleme gab. Es gab auch Probleme mit der Al Mehdi Miliz. Ich und mein Kollege haben immer die Betonstücke transportiert. Dieser Kollege wurde von der Al Mehdi Miliz getötet. Wir haben diese Betonstücke für die amerikanische Armee dort transportiert. Der Grund damals war, dass wir mit den Amerikanern gearbeitet haben. Damals bin ich gleich nach Bagdad übersiedelt. In Bagdad habe ich mich registrieren lassen. Das heute bereits vorgelegte Schreiben ist eine Vertreibung aus meiner Provinz durch die dortigen Stämme. Bei meinem Interview habe ich dies damals nicht erwähnt, weil der Dolmetscher zu mir sagte, dass es eine alte Sache sei. Der Dolmetscher sagte zu mir, jetzt hätte ich mich an diese alte Sache erinnert, ich sollte was Neues erwähnen.

Wollen Sie hier in der Verhandlung von sich aus noch weitere Angaben zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz machen?

P2: Ich wollte in dem Interview erwähnen, dass ich sehr viel von den Eltern meines Mannes unterdrückt wurde, ich bin Sunnitin, mein Mann ist Schiit. Meine Schwiegermutter und meine Schwägerin haben mich gefoltert, indem, dass sie mir meine Kleidung ausgezogen haben und sie haben ein giftiges Mittel oder Waschmittel in meine Gebärmutter gesteckt. Seitdem bin ich nicht mehr schwanger geworden. Sie sagten zu mir, dass mein Sohn ihnen gehören würde. Mein Sohn und mein Mann würden ihnen gehören, da ich ungläubig wäre. Ich habe meinen Sohn mitgenommen und bin nach Bagdad zu meinem Vater geflüchtet. Nach drei Tagen kam mein Mann nach. Nachgefragt gebe ich an, dass mein Sohn damals weniger zwei Jahre alt war. Es müsste ungefähr 2007/2008 gewesen sein.

P1 merkt an, das es Ende 2007 war, als sie nach Bagdad zogen.

Nachgefragt, ob es danach noch Vorfälle mit den Verwandten des Ehegatten gab, gebe ich an, nein, ich bin nicht mehr zurückgegangen und habe sie nicht mehr gesehen.

Welche Provinz haben sie 2007/2008 wegen Stammesproblemen verlassen und wo sind Sie hingezogen?

P1: In die Provinz Dhi-Qar, die Hauptstadt Al Nassirya habe ich verlassen und bin nach Bagdad, Bezirk Al Khadraa gezogen. Mein Wohnort gehört zum Bezirk Mansour.

Wo befindet sich das Grundstück und das Miteigentum an einem Haus der Ehegattin?

P1: Wir haben Eigentumshaus, es ist in Al Khadraa.

P2: Das Haus gehörte meinem Vater. Ich habe das Haus von meinem Vater geerbt. Ich bin Eigentümerin des Hauses. Ich habe auch ein Grundstück in Bagdad, Bagdad Umgebung, XXXX.

In welchem Zeitraum haben Sie in diesem Haus gelebt?

P2: Von 2007 bis 2014, bis wir geflüchtet sind.

P1: Ja, das stimmt.

Erörterung Beweismittel Nr. 9:

Das Schreiben betrifft die Probleme 2007/2008, weshalb wir nach Bagdad zogen.

P1: Es handelte sich um die Stämme XXXX

D wird gebeten Beweismittel 9 zu übersetzen (eine Seite).

D: Ich Ali Nasser (Vater P1) bestätige (Zl. 201), dass mein Sohn mit ausländischen militärischen Kräften arbeitet und ich halte mich ganz weit von ihm. Es geht mich nichts an, was er arbeitet, er gehört mir nicht mehr. Ich akzeptiere den Beschluss, was die Stämme beschlossen haben. Aus diesem Grund entschied unser Stamm, ihn zu vertreiben aus der Provinz Dhi-Qar. Weil er mit Ausländern, militärischen Kräften gearbeitet hat. Zwei Zeugen haben unterschrieben, Datum 11.07.2009. Stempel vom Bezirksvorsteher, Viertel Al Shuhadaa ist im Bezirk Al Gharaf.

Warum wurde diese Bestätigung 2009 ausgestellt?

P1: Das war eine Stammesanordnung, es ist das System, bis alle drei Stämme zusammenkommen, hat mehr als ein Jahr und ein paar Monate gedauert. Deshalb.

Warum legen Sie dieses Schreiben erst jetzt vor?

P1: Weil damals der Dolmetscher zu mir sagte, ich sollte nichts von den alten Problemen erwähnen oder sagen.

Hatte dieses Schreiben bzw. diese Vertreibung für das Leben in Bagdad irgendwelche Auswirkungen?

P1: Ich habe meine Arbeit mit den LKW's verlassen. Dann habe ich als Taxifahrer gearbeitet. Ich habe mich dann selbstständig gemacht mit dem Restaurant.

P2: Bei mir wurde da ein psychisches Problem ausgelöst, ich bekam Migräne und die Probleme mit der Gebärmutter. Ich hatte auch eine Operation an der Schilddrüse. Ich wurde damals im Irak deswegen in Behandlung. Auch in Österreich bin ich in Behandlung.

Angehörige Hks.:

Warum unterstützt Sie Ihre Familie finanziell in Österreich, wenn das Verhältnis zu diesen so zerrüttet ist?

P1: Nein, nicht meine Eltern. Mein Bruder hat mich ein bisschen unterstützt.

[...]

Alleinige Befragung von XXXX, Ehegattin verlässt über Aufforderung bis zum Wiederaufruf den Verhandlungssaal.

Ausreise:

Auf Ihrer Reise nach Österreich durchreisten Sie eine Vielzahl von Staaten die als sicher gelten. Warum haben Sie nicht schon in einen dieser Staaten einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt?

Ich kam durch die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien. In der Türkei bekommt man kein Asyl. In Griechenland bekamen wir ein Schreiben, dass wir innerhalb von vier Wochen das Land verlassen mussten. In Mazedonien und Serbien sind wir nur durchgegangen, die geben kein Asyl.

Ad I:

Sie sind Ihren Angaben nach ca. 2007/2008 von Dhi Qar nach Bagdad übersiedelt. Wann haben die Probleme in Bagdad begonnen?

Angefangen Ende 2011, Anfang 2012. Die Miliz Badr verlangte von mir über das sunnitische Gebiet, wo ich wohnte, Informationen. Ich habe natürlich abgelehnt. Am Anfang bekam ich per Telefon Drohungen, weil sie nicht gewusst haben, wo ich gewohnt habe. Aber am Ende, haben sie mich gefunden, wo ich wohnte. Dann kamen sie zu mir nach Hause, an diesem Tag waren wir Gott sei Dank nicht zu Hause. Die Nachbarn haben mir es später dann erzählt. Die Nachbarn riefen mich an und sagten mir, dass ich nicht mehr zurück nach Hause sollte. An diesem Tag übernachtete ich mit meiner Familie bei einem Freund. Ich blieb bei diesem Freund zwei Tage und ich verkaufte mein Auto an diesen Freund. Dann haben wir die Stadt Richtung Arbil verlassen. Wir blieben dort zwei Wochen und von dort sind wir in die Türkei gereist. Ich blieb drei Monate in der Türkei, danach bin ich nach Griechenland gegangen. Dort blieb ich ca. 25 Tage, weniger als einen Monat. Ich blieb 15 Tage dann in Mazedonien. Dann sind wir nach Serbien gekommen, wie lange wir dort waren, weiß ich nicht. Von dort sind wir nach Österreich gekommen.

Was haben Ihnen die Nachbarn konkret erzählt?

Die Nachbarn sagten mir, dass fünf bewaffnete Personen meine Haustür kaputt gemacht hätten und sie seien momentan im Haus und ich sollte nicht nach Hause kommen. Ein Teil der Bewaffneten haben draußen im Auto gewartet. Eine Person der Milizen rief mich zwei Tage vorher an und sagte mir, dass sie wissen, wo ich wohne. Gleich nachdem sie mein Haus verlassen haben, rief diese Person wieder an und sagte mir, dass sie mich zu Hause nicht gefunden hätten. Er sagte mir, dass sie noch einmal kommen werden und dass sie mich dann haben werden.

Welche Informationen hätten Sie konkret dieser Miliz liefern sollen?

Wo ich gewohnt habe, waren wirklich Leute wie Offiziere, Ärzte, Ingenieure. Eigentlich wollten sie von mir genau wissen, welche von diesen Personen mit Al Kaida zusammengearbeitet haben. Al Kaida war damals sehr stark vertreten.

Sind Sie nach dem Anruf der Nachbarn dann nochmals zu ihrem Haus zurückgekehrt?

Nein, ich bin nicht mehr zurück. Meine Gattin auch nicht. Wir waren bei einem Freund, von dort sind wir dann ausgereist.

Was spricht dagegen, dass Sie aktuell wieder in Ihren Herkunftsstaat, konkret nach Bagdad zurückkehren?

Ich habe eigentlich wegen der Badr Miliz das Land verlassen. Momentan ist diese Miliz sehr stark im Irak und sogar der Innenminister ist von dieser Miliz. Es sind viele Bürogebäude in ihrer Hand.

Ihren Angaben beim BFA nach, wurden Sie lediglich aufgefordert, den "Bezirk" in Bagdad zu verlassen. Warum sind Sie nicht in einen anderen Bezirk übersiedelt?

Die sind in ganz Bagdad, ich bin von Bagdad weggegangen Richtung Arbil. In Arbil habe ich niemanden der für mich bürgt, die verlangen eine Bürgschaft. Ich blieb dort zwei Wochen lang, mehr ging nicht.

Alleinige Befragung von XXXX, Ehegatte verlässt über Aufforderung bis zum Wiederaufruf den Verhandlungssaal.

Ad I:

Sie sind Ihren Angaben nach ca. 2007/2008 von Dhi Qar nach Bagdad übersiedelt. Wann haben die Probleme in Bagdad begonnen?

Ich als Sunnitin hatte selber keine Probleme, außer den Problemen mit den Eltern meines Gatten, die ich vorhin erwähnte. Das Problem hat angefangen mit meinem Mann, nicht mit mir.

Was war das Problem Ihres Mannes in Bagdad?

In Bagdad hatte er diese Betonstücke, was ich vorhin erwähnte, hat er immer vorbereitet für die Miliz Al Mehdi. Ich korrigiere mich, die Miliz hat ihn bedroht. Diese Miliz hat verlangt von ihm, dass er mit ihnen arbeiten sollte. Genau weiß ich es auch nicht, er sagt mir auch nicht alles. Nachgefragt welche Miliz dies sei, dass ich nicht genau weiß, ich glaube es ist die Al Mehdi Miliz.

Hat es die letzten Tage oder Wochen vor dem Verlassen Bagdads irgendwelche Vorfälle, in Bezug auf Ihre Person, ihren Sohn oder ihres Gatten gegeben?

Ich war mit meinem Mann und meinem Sohn im Auto und wir sind weggefahren. Die Nachbarin ruft mich an und sagte mir, um Mohammed, dass bewaffnete Personen in unser Haus eingedrungen seien und wir sollten nicht mehr zurückkommen.

Sind Sie nach diesem Anruf, vor dem Verlassen des Iraks, nochmals in ihr Haus nach Bagdad zurückgekehrt?

Nein, wir sind nach Arbil gefahren in den Norden Iraks. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht genau weiß, wie lange wir dort waren. Ich nehme Medikamente und diese machen mich manchmal müde und schwindelig.

Was spricht dagegen, dass Sie aktuell wieder nach Bagdad zurückkehren?

Bis jetzt kommen diese bewaffneten Personen immer wieder und kontrollieren unser Haus. Die Gefahr für meinen Mann steht noch immer. Ich habe dies bis jetzt von meinen Nachbarn gewusst. Vier Cousins von mir wurden mitgenommen und kamen nicht mehr zurück.

Wann haben Sie zuletzt mit diesen Nachbarn gesprochen?

Vor kurzer Zeit, es ist nicht so lange her. Ein Datum kann ich nicht nennen. Manchmal ruft der Sohn der Nachbarn meinen Mann an.

[...]

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben.

Auf Grund des sachlichen und persönlichen Zusammenhanges wurden die Verfahren der beschwerdeführenden Parteien gem § 39 Abs 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Parteien:

Die Identität steht lt. Bundesamt fest. Dem BVwG wurden selbst keine irakischen, identitätsbescheinigenden Dokumente mit Lichtbild und im Original vorgelegt, weshalb das Gericht zur Identität keine eigenständige Feststellung trifft.

Die bP1 und bP2 sind verheiratet, die bP3 ist deren gemeinsames Kind.

Die bP sind Staatsangehörige des Irak und gehören der Volksgruppe der Araber an. Die bP1 ist Schiit, die bP2 Sunnitin.

Sie lebten ursprünglich im Gouvernement Dhi-Qar, übersiedelten dann 2007/2008 nach Bagdad. Dort betrieben sie bis ca. 2011 ein Restaurant, welches sie auf Grund des Konkurrenzdruckes einstellten. Die bP1 war danach im Wesentlichen als Kraftfahrer bzw. Taxilenker erwerbstätig. Die bP1 hat weiters Berufserfahrung als Schwimmtrainer, Friseur und Automechaniker. Die bP2 hat auch Berufserfahrung als Sportlehrerin, Sekretärin und Köchin.

Im Eigentum der bP2 stehen in Bagdad ein Haus und ein Grundstück.

Es wurde nicht behauptet, dass die bP im Falle einer Rückkehr nicht das zum Leben Notwendige erlangen könnten.

Ihren persönlichen Angaben nach nimmt die bP1 derzeit Medikamente gegen Blähungen und gegen Darmträgheit.

Ihren persönlichen Angaben nach machte die bP2 in Österreich eine psychiatrische, einjährige Therapie. Sie nimmt ein nicht näher bezeichnetes Medikament für die Schilddrüse sowie nicht näher bezeichnetes Schmerzmittel gegen Schmerzen der wirbelsäulen und Migräne sowie Vitaminpräparate. Wegen der Probleme mit der Migräne und der Schilddrüse war sie bereits im Irak in Behandlung.

Österreichische Befunde aus dem Jahr 2015/2016 wurden vorgelegt.

Hinsichtlich der bP3 wurde vorgebracht, dass dieser Probleme mit den Augen hat, er soll eine Brille tragen, was er überwiegend ablehnt. Weiters wurde eine Allergie gegen Milch, Blumen und Hausstaub behauptet.

Es wurde im Verfahren von den bP nicht behauptet, dass allfällig erforderliche medizinische Behandlung nicht auch im Irak verfügbar oder ihnen diese nicht leistbar wäre und ergibt sich dies auch nicht aus der Berichtslage.

Seit ihrer Ankunft in Österreich erhalten die bP Leistungen aus der Grundversorgung. Die bP1 und bP2 verneinten eine Erwerbstätigkeit in Österreich mit der Behauptung, dass sie als Asylwerber nicht arbeiten dürfen. Es kam somit nicht hervor, dass die bP1 und bP2 bislang durch - entgegen ihrer unzutreffenden Behauptung - für Asylwerber erlaubte Erwerbstätigkeit, zB. selbständige Erwerbstätigkeit, Saisonarbeit

(https://www.ams.at/_docs/400_Asyl-Folder_DEUTSCH.pdf) einen Beitrag zur gänzlichen oder teilweisen wirtschaftlichen Selbsterhaltung geleistet hätten.

Die minderjährige bP3 besucht die dritte Klasse Volksschule und verfügt über gute Deutschkenntnisse. Mit den Eltern unterhält sie sich überwiegend auf Arabisch.

Die bP1 hat verfügt nachweislich über A2 Deutschkenntnisse. Hinsichtlich der bP2 wurden keine erfolgreich abgelegten Prüfungen gem. dem GER für Sprachen nachgewiesen und wurden auch in der Verhandlung keine substantiierten Deutschkenntnisse dargelegt.

Gerichtliche oder verwaltungsstrafrechtliche Verurteilungen bzw. Bestrafungen wurden dem BVwG nicht mitgeteilt.

Die bP sind im Irak aufgewachsen, haben dort ihr überwiegendes Leben verbracht und wurden dort sozialisiert. Sie verfügen dort noch über Familienangehörige bzw. Verwandte. Familienangehörige der bP1 unterstützen die Familie während des Aufenthaltes in Österreich auch finanziell.

In Österreich verfügt die Familie über keine anderweitigen familiären Anknüpfungspunkte.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret in Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wären.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

(Quelle: zu Gehör gebrachtes LIB der Staatendokumentation)

Die terroristischen Aktivitäten der letzten Jahre setzten sich im Jahr 2016 fort, eine besondere Rolle spielten dabei die Anschläge des IS, insbesondere auf Städte. Bagdad war dabei am meisten betroffen, indem dort mehr als der Hälfte der aller Todesfälle verzeichnet wurden. UNAMI berichtet von nahezu täglichen Attacken mit improvisierten Sprengfallen (IEDs) von Jänner bis Oktober. Der IS führte insbesondere Angriffe auf Zivilisten in jenen Vierteln Bagdads aus, die mehrheitlich schiitisch sind. Der diesbezüglich größte Angriff des Jahres 2016 fand am 3. Juli statt. Dabei wurden im schiitisch dominierten Viertel Karrada 292 Zivilisten getötet und hunderte verletzt (USDOS 3.3.2017). Eine gewisse Sicherheit ist in Bagdad lediglich in der "grünen" internationalen Zone (Green Zone) im Zentrum der Stadt gewährleistet (ÖB 12.2016). Die Anschläge des IS finden dabei zunehmend auf Märkten und in Wohngegenden statt, der IS zielt dabei vorwiegend auf Zivilisten ab (UNAMI 1.2.2017).

Milizen und konfessioneller Konflikt

Die Vorstöße des IS im Nord- und Zentralirak 2014 und Anfang 2015 sowie das damit verbundene Sicherheitsvakuum in anderen Landesteilen haben dazu geführt, dass Milizen und Stammesführer in vielen Gegenden die Macht an sich gerissen haben, die Kriminalität zugenommen hat und insgesamt das staatliche Machtmonopol und die Rechtsstaatlichkeit aufgeweicht wurden, einschließlich in der Hauptstadt Bagdad (UNHCR 14.11.2016). Die PMF-Milizen, die ursprünglich entstanden sind, um den IS zu bekämpfen [andere gab es allerdings auch schon vor dem IS], verrichten nun in den Stadtvierteln von Bagdad Polizeiarbeit. Dadurch konkurrieren sie mit der regulären Polizei, missachten die Gesetze und verhalten sich oft eher wie mafiöse Gruppen. Im September 2016 kam es im Zafaraniyah-Viertel sogar zu einem Kampf zwischen schiitischen Milizen und der örtlichen Polizei. Die Milizen erschweren zunehmend die Arbeit der lokalen Polizeikräfte. Führungskräfte der Polizei sind gezwungen, mit den führenden Vertretern der Milizen, die in ihrem Stadtteil operieren, zu kooperieren, gesetzt den Fall, die Viertel befänden sich überhaupt unter Polizeikontrolle. Die meisten Stadtviertel von Bagdad haben einen Stützpunkt, zumeist in Form eines Büros, der zu der jeweiligen Miliz gehört, die in dem Teil der Stadt präsent ist (manchmal sind auch mehrere Milizen in einem Viertel präsent). Laut Angaben eines Bagdader Polizisten könne man die mutmaßlichen Rechtsverletzungen der Milizen nicht ahnden; Es käme auch zu Straßenkämpfen zwischen den Milizen und die Polizei müsse neutral bleiben und würde daher nicht in die Kämpfe eingreifen (Niqash 19.1.2017).

Offiziell ist nach wie vor das sogenannte "Baghdad Operations Command" (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Es umfasst etwa 70.000 Mitglieder, die aus Soldaten der regulären Armee, der Militärpolizei und der normalen Polizei sowie aus Geheimdiensten bestehen. Viele Bewohner haben jedoch den Eindruck, dass das BOC nicht in der Lage ist, seine Aufgabe zu erfüllen (Niqash 19.1.2017). Daher gibt es den Ruf danach, dass die PMF-Milizen auch offiziell für die Sicherheit zuständig sein sollen, bzw. den Druck, auch von Seiten verschiedener Parlamentsmitglieder, die Milizen stärker in Bagdads Sicherheitskonzept einzubinden, oder ihnen sogar die Sicherheitsagenden komplett zu übergeben und das BOC aufzulösen (IFK 25.7.2017; vgl. Niqash 19.1.2017). Problematisch werden diese Entwicklungen v.a. auch auf Grund der Tatsache gesehen, dass die PMF-Milizen konfessionell sehr einseitig (schiitisch) aufgestellt sind, und einige von ihnen direkt mit dem iranischen Revolutionsführer Ayatollah Ali Khamenei affiliiert sind [sowie auf Grund der von ihnen im Irak begangenen Menschenrechtsverletzungen -

s. Abschnitt Menschenrechtslage] (Al-Monitor 9.6.2017).

Die zielgerichtete Gewalt gegen sunnitische Araber hat in Bagdad ebenso wie in anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten des Irak seit 2014 zugenommen (UNHCR 14.11.2016). In Bagdad wurde gemeldet, dass sunnitische Binnenvertriebene gedrängt

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wurden, aus schiitischen und gemischt sunnitisch-schiitischen Wohngebieten auszuziehen (UNHCR 14.11.2016). Auch gewaltsame Vertreibungen von Sunniten aus mehrheitlich von Schiiten bewohnten Vierteln Bagdads kamen laut dem Leiter des Sicherheitskomitees des Provinzrates Bagdad vor. Zum Teil würde es dabei weniger um konfessionell motivierten Hass gehen, sondern darum, die Grundstücke der vertriebenen Familien übernehmen zu können (IC 1.11.2016). Laut Berichten begehen die PMF-Milizen in Bagdad immer wieder Kidnappings und Morde an der sunnitischen Bevölkerung (die nicht untersucht werden), oder sie sprechen Drohungen dieser gegenüber aus (HRW 27.1.2016; Al-Araby 17.5.2017). Laut dem Parlamentsmitglied Abdul Karim Abtan langen bezüglich der Welle von konfessionell motivierten Entführungen und Morden fast täglich Berichte ein; er beschuldigt die Polizei, die Vorfälle zu ignorieren und den Milizen zu erlauben, straffrei zu agieren (Al-Araby 17.5.2017). Viele Familien waren in Bagdad durch den konfessionellen Konflikt dazu gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und sie siedelten sich zunehmend entlang konfessioneller Grenzen wieder an (IOM 31.1.2017). Somit sind separate sunnitische und schiitische Viertel entstanden. Bagdad ist weiterhin entlang konfessioneller Linien gespalten (IOM 31.1.2017). Dies geht auch aus den folgenden Grafiken hervor, die die zunehmende konfessionelle Gliederung der Stadt in den Jahren 2003, 2010 und 2016 zeigen:

Quelle: National Geographic (o.D.)

Quelle: Izady 2016

Insbesondere in den Stadtvierteln Ghazaliya, Mansur und Dawudi wurde auch von sunnitischen Moscheen berichtet, die Schikanen von Seiten der PMF-Milizen und der irakischen Sicherheitskräfte ausgesetzt sind. Diese haben Checkpoints vor den Moscheen eingerichtet, an denen sie Kontrollen durchführen. Laut einem Imam käme es fast täglich zu Verhaftungen; meistens erfolge eine Freilassung nach kurzer Zeit, nach der Entrichtung eines Betrages von 2.000 bis 10.000 Dollar (AQAA 14.4.2016).

Proteste

Darüber hinaus kommt es immer wieder zu Protesten in Bagdad, die v. a. mit der regierungskritischen Sadr-Bewegung in Zusammenhang stehen. Bei den im Jahr 2016 stattfindenden Protesten mit tausenden Demonstranten kam es sogar zweimal zur Durchbrechung der Barrieren zur stark befestigten "Green Zone". Dabei kam es auch zu gewaltsamen Reaktionen der Sicherheitskräfte, bei denen letztere auf Demonstranten schossen, Dutzende wurden verletzt. Am 11. Februar 2017 kam es in Bagdad erneut zu Zusammenstößen, bei denen Sicherheitskräfte der schiitisch dominierten Regierung auf schiitische Demonstranten der Sadr-Bewegung schossen, und bei denen es abermals zur Durchbrechung der Green-Zone-Barrieren kam. Dabei wurden mindestens sechs Personen getötet, weitere hunderte wurden verletzt, außerdem wurden dabei Raketen vom Typ Katyusha in die Green Zone geschossen. Gerichtet war die Demonstration v.a. gegen den konfessionell-ethnischen Proporz in der irakischen Politik (MEE 12.2.2017, vgl. Standard 13.2.2017; Al-Jazeera 12.2.2017).

Statistiken

Anm.: Die irakische Regierung veröffentlicht selbst keine Zahlen mehr. Es gibt im Wesentlichen drei Quellen, die Statistiken zu den Opferzahlen im Irak veröffentlichen:

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UNAMI, Iraqi Body Count und Joel Wing (in "Musings on Iraq"). Diese Zahlen unterscheiden sich betreffend der Methodik und insbesondere der Höhe der Zahlen voneinander. Es handelt sich bei keiner dieser Quellen um Schätzungen, die das wahre Ausmaß der Opferzahlen darzustellen versuchen, sondern jeweils lediglich um jene Vorfälle, die dokumentiert werden konnten. Alle drei Quellen betonen selbst, dass keinesfalls der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. (UNAMI 2016/2017; IBC 7.2017; Wing 20.7.2017; weitere Informationen zur Methodologie der der Quellen s. auch in Abschnitt Sicherheitslage). Die folgende Grafik zeigt die von UNAMI dokumentierten Zahlen der in der Provinz Bagdad in den Monaten Jänner 2015 bis Juni 2017 getöteten Zivilisten. Diese Zahlen sind laut Stellungnahme von UNAMI als absolute Mindestzahlen und nicht als vollständig anzusehen. UNAMI sei bei der Dokumentation der Vorfälle behindert worden und es könne laut UNAMI sein, dass diese Zahlen das Ausmaß der Folgen der Gewalt und der terroristischen Handlungen herunterspielen. Bundespolizisten wurden in diesen Zahlen bis November 2017 inkludiert, danach nicht mehr:

(Quelle UNAMI 2016/2017; Darstellung Staatendokumentation)

Die folgende Grafik veranschaulicht die von Iraqi Body Count dokumentierten monatlichen Zahlen an getöteten Zivilisten in der Provinz Bagdad:

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(IBC 7.2017)

Die folgende Grafik zeigt die monatlichen Zahlen der von Joel Wing auf "Musings on Iraq" dokumentierten sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz Bagdad (in blau), sowie die im Zuge derer getöteten Zivilisten (in rot) im letzten Jahr (Zeitraum Jänner bis Juni 2017).

Anm.: Stammesbezogene Gewalt ist wiederum nicht in die Statistik einbezogen (s.o.):

(Quelle Musings on Iraq 2016/2017; Darstellung Staatendokumentation)

Der folgende Auszug aus der Statistik von Joel Wing (Musings on Iraq) zeigt exemplarisch die in der Provinz Bagdad auf fast täglicher Basis stattfindenden Anschläge (s. auch Stansfield 26.4.2017; vgl. ÖB 12.2016).

Gewaltmonopol des Staates

Staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen [sowie der IS] handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017). Insbesondere über den Nordwesten des Irak kann die Regierung nicht die Kontrolle behalten und muss sich auf die [vorwiegend] schiitischen Milizen der PMF verlassen. Die zwei wichtigsten davon sind Asaïb Ahl al-Haq (AAH) und die Badr-Brigaden, die beide [effektiv] unter dem Kommando des Iran stehen (Stansfield 26.4.2017). Durch die staatliche Legitimierung der Milizen verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. Staatliche Ordnungskräfte können sich teilweise nicht mehr gegen die mächtigen Milizen durchsetzen

(AA 7.2.2017).

2. Beweiswürdigung

Ad 1.1.1 Zur Person der beschwerdeführenden Parteien

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien Angaben sowie ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmittel unstreitig.

Ad 1.1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

Vorweg ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlungen bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Gerade im Asylverfahren kommt der persönlichen Aussage des Antragstellers besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch im Wesentlichen behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse über die berichtet wird, die sich vielfach, insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen, weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen.

Den bP ist der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der darin bezeugten Vorgänge aus nachfolgenden Gründen nicht gelungen:

in der Beschwerde werden vom Bundesamt aufgezeigte "Ungereimtheiten" zwischen der Erstbefragung und weiteren Einvernahmen damit erklärt, dass keine Rückübersetzung der Protokolle erfolgte und deshalb Unstimmigkeiten existieren können.

Bei Betrachtung der Niederschriften aus den Erstbefragungen der bP1 und bP2 ist am Ende vermerkt, dass "die Niederschrift in einer für mich verständlichen Sprache rückübersetzt wurde". Die bP haben jede Seite der Niederschrift unterfertigt. Beide bP wurden am Beginn der Einvernahme beim Bundesamt gefragt ob sie bei der Erstbefragung der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht hätten und ob ihnen diese rückübersetzt und richtig protokolliert worden wären. Beide bP bestätigten dies. Ein Einwand gegen die Erstbefragung ist somit nicht nachvollziehbar

Soweit die bP1 in der Beschwerdeverhandlung angab, dass sie in der Einvernahme beim Bundesamt nicht alles angeben habe können, weil ihr der Dolmetscher gesagt habe, dass sie alte Ereignisse - konkret ihre Stammesprobleme die sie 2007/2008 zum Umzug nach Bagdad veranlasste - nicht erzählen müsse, kann dem Argument ebenso nicht gefolgt werden. So findet sich in der Einvernahme in korrekter Weise die offene Frage: "Was war der konkrete Anlass für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates?" oder, "Haben Sie somit all Ihre Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates genannt?" oder, "Theoretisch, was würden Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat befürchten?" oder letztlich, "Möchten Sie noch weitere Angaben machen?", "Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme noch irgendwelche Einwände?".

Es ist somit plakativ, dass die bP hinreichend dazu Gelegenheit gehabt hätten und es sich um ihren Einwand nur um eine bloße Schutzbehauptung handelt, um weiteres Vorbringen nachschieben zu können.

Das BVwG erachtet dieses Argument somit als bloße Schutzbehauptung, um nicht der Wahrheit entsprechende Angaben zu verschleiern.

Aus diesem Einwand zeigt sich bei den bP schon eine gewisse Bereitschaft zur Falschaussage im Asylverfahren, um den offenkundig angestrebten Erfolg, nämlich einen Aufenthaltstitel über das Asylverfahren zu erreichen, auch wenn es auf Kosten der Wahrheit geht. Dies trotz des Umstandes, dass die bP schon am Beginn des Verfahrens und vor jeder Einvernahme aufgefordert wurden nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und auf mögliche Folgen hingewiesen wurden.

Diese sich abzeichnende Persönlichkeitsstruktur, mit der Bereitschaft zur Falschaussage, setzt sich auch an anderen Punkten fort.

Wenngleich die Art des Ausreisemittels hier nicht zu den zentralen Faktoren des Fluchtvorbringens gehört, so ist es doch nicht unbeachtlich, dass sie es selbst hier als erforderlich ansehen, die wahren Umstände zu verschleiern. Die Ehegatten gaben übereinstimmend bei der Erstbefragung an, dass sie von Arbil aus in die Türkei "geflogen" seien. Die bP1 gab beim Bundesamt auf Befragung davon jedoch abweichend an, dass die Familie von Arbil in die Türkei mit dem "Bus" gefahren sei.

Die sich dabei abzeichnende Bereitschaft eines Menschen zu Falschaussagen ist auch geeignet bei der Beurteilung der anderen antragsbegründenden Aussagen im Hinblick Glaubhaftigkeit einzufließen bzw. Berücksichtigung zu finden (vlg.

Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Auflage, S53).

Die bP1 begründete ihre Ausreise zu Beginn des Verfahrens damit, dass sie "immer wieder" Anrufe von bekannten Personen bekommen habe und "die bP" sei aufgefordert worden den Bezirk zu verlassen, da sie Schiit sei und sie in einem sunnitischen Bezirk gewohnt habe. "Die bP" solle den Bezirk binnen 24 Stunden verlassen.

Die bP2 machte bei der Erstbefragung im Wesentlichen gleichlautende Angaben. Sie gab ebenso an, dass gedroht worden sei, dass die bP1 umgebracht würde, allerdings gab sie abweichend an, dies würde passieren, wenn die gesamte Familie nicht den Bezirk verlasse.

Schon dadurch ergibt sich eine gewisse Divergenz hinsichtlich des Personenkreises der den Bezirk verlassen sollte, die am Wahrheitsgehalt der dargelegten Fluchtgeschichte zweifeln lassen können.

Die bP gaben in der Verhandlung an, dass sie ca. seit 2007 in Bagdad im Bezirk Mansour gelebt hatten und behaupteten die bP, es handle sich hier um einen sunnitischen Bezirk. Aus Wikipedia ergibt sich zu diesem Bezirk Folgendes

(https://en.wikipedia.org/wiki/Mansour_district):

Al Mansour ist nach Abu Ja'far al-Mansur benannt, dem zweiten Abbasiden-Kalifen und Gründer von Bagdad. Seit 2015 ist Mansour eines der am stärksten sunnitisch besiedelten Gebiete in Bagdad, hauptsächlich aufgrund eines Zustroms von Binnenvertriebenen aus der überwiegend sunnitisch besiedelten Anbar-Provinz aufgrund des irakischen Bürgerkriegs, die meisten Einwohner des Bezirks sind jedoch schiitische Muslime .

Mansour war traditionell eine wohlhabende Gegend, in der wohlhabende sunnitische Familien lebten. Es wurde auch als "Botschaftsviertel" wegen der vielen ausländischen Botschaften bekannt. Es ist ein Ort, der Käufer anlockt, die nach Luxusimporten und hochwertigen Dienstleistungen wie Restaurants, Cafés und Unterhaltung suchen. Zwischen 2003 und 2007 wurde es jedoch ein Ort, an dem die schiitische Miliz sehr aktiv war, was zu Gewalttätigkeiten und Bombenangriffen führte, die viele Sunniten dazu veranlassten, den Distrikt zu verlassen. [4] Nach und nach, während sich die Situation in Bagdad stabilisiert, kehren hochwertige Einkaufszentren in das Gebiet zurück.

Aus einer graphischen Darstellung der ethnischen Zusammensetzung im Bezirk aus dem Jahr 2015 (Beilage zur Verhandlungsschrift), ergibt sich, dass es im Bezirk Stadtteile existieren in denen gemischt ethnische Personen leben.

Dass sich seither die ethische Zusammensetzung im Bezirk wesentlich geändert hätte, kam nicht hervor.

Anzumerken ist, dass hinsichtlich des Wohnbezirkes die Angaben der bP im Zuge des Verfahrens unterschiedlich waren. Dies ist nicht ohne Bedeutung, da die ethnische Zusammensetzung für die Beurteilung einer Sicherheitslage in Bagdad durchaus von Relevanz sein kann. So gab die bP1 und bP2 sowohl bei der Erstbefragung als auch bei den Einvernahmen vor dem Bundesamt an, sie hätten im "Bezirk Al Khadra" gelebt. Auffallend war, dass die bP zwar in der Erstbefragung die gleiche Straße und Hausnummer angaben, jedoch wiederum gleichlautend in der Einvernahme beim Bundesamt eine andere Straße und Hausnummer nannten.

Bei dem im Verfahren vor dem Bundesamt genannten Wohnbezirk "Al Khadra" handelt es sich um einen Bezirk mit anderer ethnischer Zusammensetzung der Wohnbevölkerung als in Mansour.

Al Kharada (auch Karrada) ist ein Stadtteil der oberen Mittelschicht der Stadt Bagdad, Irak. Es hat eine gemischte Bevölkerung mit einer schiitischen Mehrheit und einer bedeutenden christlichen Minderheit. Es ist eine der religiös vielfältigsten Gegenden der Stadt und gehört zusammen mit Dora zu den zwei großen Bezirken der christlichen Gemeinde in Bagdad. Alle Christen des Bezirks versammeln sich in Inner-Karrada, wo sich die meisten Kirchen befinden, mit Gemeinden von Chaldäern, Assyrern, melkitischen Griechen und armenischen Katholiken. Es hat zwei Unterbezirke, Nazaith und Masbah. Karrada liegt am nördlichen Teil der Halbinsel, die durch eine Biegung im Tigris entstanden ist. Aus diesem Grund rühmte sich der Bezirk mit einer Vielzahl von Immobilien am Wasser, die dazu beitrugen, das Gebiet in den teuren Bezirk zu verwandeln, der es heute ist.

Der Bezirk Karrada hatte im Laufe der Jahre mehrere Terroranschläge, die zum Teil auf die Anwesenheit seiner großen christlichen Bevölkerung und seines Reichtums zurückzuführen sind. Das Gebiet ist ansonsten relativ frei von Sektierertum, wobei die eigentlichen Bewohner des Distrikts ziemlich gut zusammenleben.

(https://en.wikipedia.org/wiki/Karrada, siehe auch Beilage Verhandlungsschrift).

In der Einvernahme erweiterten die bP ihr ausreisekausales Vorbringen. Brachten beide bei der Erstbefragung noch vor, dass alleine die bP1 mit dem Umbringen bedroht worden sei "weil sie Schiit wäre", gaben sie nunmehr an, dass Drohungen bezüglich des Sohnes ausgesprochen worden wären. Konkret sei mit dessen Entführung aus der Schule gedroht worden. Diesbezüglich machten sie bei der Erstbefragung keinerlei Angaben. Dass beiden dies nicht möglich gewesen wäre, kam nicht konkret hervor.

Weiters brachte die bP2 in der Einvernahme als ausreisekausales Vorbringen neu hervor, dass sie auch deshalb ausgereist seien, weil die bP1 entführt worden wäre. Davon brachte die bP2 jedoch im Zuge zweier Einvernahmen nichts vor.

Die bP1 sprach bei beiden Einvernahmen im behördlichen Verfahren nur davon, dass es telefonische Drohungen gegeben habe. In der Verhandlung wurde hingegen dargelegt, dass sie die bP1 nach den telefonischen Drohungen gesucht und letztlich ihren Wohnort gefunden hätten. Die bP seien von Nachbarn gewarnt worden nicht mehr zurückzukehren. Der Nachbar habe ihr erzählt, dass fünf bewaffnete Personen erschienen wären und die Haustüre beschädigt hätten. Die bP1 schilderte sogar, dass sie von einer Person der Miliz angerufen worden und ihr mitgeteilt worden wäre, dass man sie nun wissen würden wo die bP1 wohne und sie nochmals kommen würden um ihrer habhaft zu werden.

In der Beschwerde bringen die bP erstmals vor, dass seitens der Familie der bP1 seit 2012 gedroht worden sei den Sohn [bP3] zu entführen und diese Gefahr nach wie vor bestünde. Davon brachten die bP jedoch im behördlichen Verfahren nichts vor und erwähnten dies auch in der Verhandlung nicht. Im Gegenteil, die bP2 gab sogar an, dass es nach der Übersiedelung nach Bagdad im Jahr 2007 danach mit der Familie bzw. Verwandten des Ehegatten zu keinen Vorfällen mehr gekommen sei.

Neu und vom bisherigen Vorbringen ebenfalls abweichend der Umstand, dass die bP nach dieser Warnung vor der Ausreise aus dem Irak 2 Wochen in Erbil gelebt hätten. Bislang gab sie an, dass sie 1 Woche in Erbil gewesen wären.

Die bP machten im Zuge des Verfahrens auch unterschiedliche Angaben über das Verfolgungsmotiv der Verfolger. War es in der Erstbefragung deshalb, weil die bP1 als Schiit in einem sunnitischen Bezirk wohnte, so begründete die bP1 ihre Probleme in Bagdad damit, dass die Badr Miliz von ihr verlangt hätte über das sunnitische Gebiet Informationen einzuholen und an sie zu berichten. Die bP habe dies abgelehnt und deshalb sei sie bedroht bzw. verfolgt worden.

Die bP2 brachte zum Problem des Ehegatten befragt hingegen vor, dass er von der Al Mehdi Miliz bedroht worden sei. Zuvor gab sie allerdings an, dass er Betonstücke für diese Miliz vorbereitete, korrigierte sich aber dann dahin gehend, dass der Ehegatte doch von dieser Miliz bedroht worden sei. Er hätte für diese arbeiten sollen. Genaueres wisse sie allerdings darüber nicht. Sie könne auch nicht genau sagen welche Miliz in nun bedrohe, sie glaube es sei die Al Mehdi Miliz.

Resümierend gelangt das BVwG auf Grund der Ermittlungsergebnisse zum Schluss, dass es den bP nicht gelungen ist, i

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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