TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/7 W271 2201763-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.11.2018
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Entscheidungsdatum

07.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W271 2201763-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ) XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2018, Zl. XXXX , nach der Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 01.10.2018 und 12.10.2018 zu Recht:

A)

1. Die Beschwerde gegen die gegen Spruchpunkte I., II., III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

2. Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird wie folgt abgeändert: "Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

3. Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: "BF"), ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, stellte am 12.11.2015 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Linz/PAZ Linz einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der am 13.11.2015 durchgeführten Erstbefragung gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei am XXXX geboren worden, spreche seine Muttersprache Dari und habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an einer Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Der BF gab an, über eine Familie zu verfügen: Diese bestehe aus seinen Eltern, vier Brüdern und zwei Schwestern. In Österreich befinde sich seit ca. zwei Monaten ein Cousin des BF.

Als letzte Wohnadresse nannte er "Logar, XXXX , XXXX ". In der Provinz Logar habe der BF auch zwölf Jahre lang eine Schule besucht und vier Jahre lang eine Universität. Er habe zuletzt keinen Beruf ausgeübt und habe Lehrer werden wollen. Der BF machte keine Angaben zu anderen früheren Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnissen. Vor eineinhalb Monaten habe er dann Afghanistan über den Iran verlassen und sich nicht in Pakistan aufgehalten.

Als Fluchtgrund führte der BF an, dass er, als er vor ca. eineinhalb Monaten mit seinem jüngeren Cousin gespielt habe, plötzlich die Taliban gekommen seien und diesen hätten mitnehmen wollen. Der BF habe sich dazwischen gestellt. Da viele Leute anwesend gewesen seien und die Polizei gekommen sei, hätten die Taliban die beiden schlussendlich nicht mitgenommen. Im Nachhinein habe der BF einen Anruf der Taliban erhalten, die ihm mit dem Umbringen gedroht haben sollen. Er habe Angst bekommen und sei aus Afghanistan geflohen.

3. Aufgrund eines Interventionsschreiben der behandelnden Allgemeinmedizinerin des BF, die den Verdacht geäußert hatte, der BF habe eine psychische Störung bzw. eine posttraumatische Belastungsstörung, holte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: "BFA") in der Folge ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen ein. Hieraus ergaben sich die Diagnosen des Vorliegens einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion und des Verdachts auf dissoziative Anfälle.

4. Mit Schreiben vom 16.03.2018 wurde die Landespolizeidirektion Oberösterreich um die Echtheitsprüfung des vom BF vorgelegten afghanischen Führerscheins ersucht. Das Ansuchen wurde mit 27.03.2018 an das Bundeskriminalamt weitergeleitet, das im Rahmen kriminaltechnischer Untersuchungen zum Ergebnis kam, dass es sich dabei um eine Totalfälschung handelt (vgl. Untersuchungsbericht vom 04.05.2018). Der BF gab in einem späteren Schreiben vom 17.05.2018 die Rechtfertigung ab, dass er den Führerschein vom afghanischen Verkehrsministerium erhalten habe. Nach seiner Flucht sei sein Bruder in das afghanische Außenministerium gegangen und dort sei dieser sogar bestätigt sowie mit einem amtlichen Stempel versehen worden.

5. Am 12.04.2018 erfolgte die Einvernahme des BF vor dem BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson. Zu Beginn der Einvernahme merkte der BF an, dass es bei der Erstbefragung Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher, der Farsi gesprochen habe, gegeben habe. Der Name des BF sei falsch geschrieben worden und er habe seine gesamte Fluchtgeschichte erzählen wollen, jedoch sei dafür keine Zeit gewesen. Verständigen hätte sich der BF mit dem Dolmetscher aber schon können.

Der BF führte im Laufe der Befragung an, am XXXX geboren worden zu sein und neben Dari noch Deutsch, Englisch und Paschtu zu sprechen. Er sei gesund, nehme aber Medikamente und stamme aus "Logar, Barakibarak, XXXX , XXXX , XXXX ". Der BF habe bis auf ein Jahr beim Militär in Kabul (Frühling 2014 bis Frühling 2015) immer an dieser Adresse gewohnt. Er habe zwölf Jahre die Schule in Logar besucht und danach vier Jahre lang Chemie studiert (zwei Jahre in Logar, zwei Jahre in Kabul), wofür er ein Diplom erhalten habe. Parallel dazu habe er sieben Jahre lang Medizin in Kabul ( XXXX ) studiert, das Studium aber nicht abgeschlossen. Der BF habe zudem ein Jahr lang ein Praktikum gemacht und sei danach nach Österreich gekommen. Nachts habe er in einer Fabrik gearbeitet.

Im Frühling 2014 habe der BF beschlossen, Afghanistan zu verlassen. Ausgereist sei er dann tatsächlich im Frühling 2015 von Afghanistan aus über Pakistan und habe bis nach Österreich zwei Monate benötigt. Im Bundesgebiet habe der BF einen Cousin, der seit fünf Jahren hier lebe und einen positiven Bescheid erhalten habe.

Zu seinen Fluchtgründen befragt schilderte der BF zusammengefasst, dass ihn seine Mutter, als er Praktikant im Krankenhaus gewesen sei, zu Neujahr angerufen habe. Sie habe ihn aufgefordert, ein Schaf zu kaufen und mitzubringen. An diesem Tag sei es üblich, dass Freunde und Bekannte zu Besuch kämen: Der BF habe mit dem Kind seines Bruders Volleyballspielen wollen. Um 16:00 Uhr seien beide zum Volleyballplatz gegangen; gleichzeitig seien die Taliban eingetroffen und hätten sie mitnehmen wollen. Die beiden hätten sich gewehrt, die Bezirkspolizei habe geholfen und die Taliban seien geflohen. Um Mitternacht hätten die Taliban aber dann an der Tür des Elternhauses geklopft und den BF aufgefordert, mitzukommen. Dieser Aufforderung habe der BF Folge geleistet, weil er und seine Familie mit dem Tod bedroht worden seien. In einer Moschee habe er sich an diesem und am nächsten Tag um Verletzte der Gruppierung kümmern müssen. Die Taliban hätten ihn danach nur unter der Bedingung nachhause gebracht, dass er den Verletzten ein weiteres Mal helfe. Als die Taliban das zweite Mal aufgetaucht seien, habe sich der BF geweigert mitzugehen, woraufhin er mit einer Waffe geschlagen worden sei. Er habe medizinisch behandelt werden müssen. Die Rettung habe sich geweigert, zur Familie des BF zu fahren und die Polizei habe sich geweigert, weil alle vor den Taliban Angst gehabt hätten. Der BF sei drei bis vier Tage zuhause gewesen und habe seiner Familie gesagt, wie man ihn behandeln solle. Danach seien die Taliban erneut gekommen. Dabei hätten sie den BF mit jemandem anderen verwechselt und diese andere Person mitgenommen. Diese Person habe gesehen, dass die Taliban die Todesstrafe für den BF vorgesehen hätten. Die Familie dieser Person habe aber nachweisen können, dass die Taliban sich geirrt hätten und die falsche Person mitgenommen hätten. Daraufhin hätten die Taliban sich bei dieser Familie entschuldigt. Seitdem habe der BF laufend Briefe erhalten und Totenkleidung vor die Tür gelegt bekommen. Danach sei der BF nach Kabul gereist und habe sich 15 bis 20 Tage in einem Krankenhaus befunden. Er sei anschließend zur Polizei gegangen, die wegen ihm jedoch nicht so weit habe fahren wollen und die ihm nicht hätte helfen können. In derselben Nacht sei der BF von seiner Tante aus nach Pakistan und danach in den Iran gereist. Er habe dort als Chemielehrer arbeiten wollen, aber es sei nicht möglich gewesen.

Zwei Monate vor diesem Ereignis hätten die Taliban auch seinen Cousin, der Polizist sei, mitnehmen wollen, der BF habe dies jedoch verhindert. Letztendlich hätten diese den Cousin nicht mitgenommen, aber der BF Probleme bekommen. Der BF sei von den Taliban als Spion bezeichnet worden.

6. Mit Bescheid vom 19.06.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Außerdem erkannte die belangte Behörde der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab, gestand dem BF keine Frist für eine freiwillige Ausreise zu und verhängte ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren über ihn.

7. Der BF erhob am 16.07.2018 gegen sämtliche Spruchpunkte Beschwerde. Darin wurden die Verletzung von Verfahrensvorschriften, unzureichende Länderfeststellungen, unrichtige Feststellungen aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahren und einer mangelhaften Beweiswürdigung sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde geltend gemacht.

8. Die Beschwerdevorlage erfolgte mit Schreiben vom 24.07.2017. Am 25.07.2017 langte der Akt beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch: "BVwG") ein.

9. Mit Benachrichtigung vom 26.07.2018 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den BF aufgrund des Verdachts eines strafrechtlichen Verhaltens wegen § 223 StGB eingestellt.

10. Mit Teilerkenntnis vom 31.07.2018, XXXX , wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Gegen diese Entscheidung erhob das BFA am 11.09.2018 eine außerordentliche Revision.

11. Das BVwG führte am 01.10.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein einer Rechtsvertreterin des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Präsent waren auch zwei Vertrauenspersonen des BF. Eine davon, und zwar seine behandelnde Hausärztin, wurde auch als Zeugin einvernommen.

Der BF legte zu Beginn der mündlichen Vernehmung ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor und wies darauf hin, dass es Probleme mit den Dolmetschern bei den bisherigen Einvernahmen gegeben habe, weil diese Iraner gewesen seien und nur Farsi gedolmetscht hätten. Die Protokolle seien ihm zwar rückübersetzt worden und er habe diese unterschrieben, aber Änderungen von Missverständnissen, auf die der BF danach hingewiesen habe, seien nicht mehr angenommen worden.

12. Am 05.10.2018 langte eine Stellungnahme des Bürgermeisters von

XXXX beim BVwG zur Integration des BF und mit der Bitte ein, nach einer Neubewertung des Sachverhalts eine positive Entscheidung auszusprechen.

13. Am 12.10.2018 fand eine weitere Verhandlung in der Sache in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein einer Rechtsvertreterin des BF statt. Vernommen wurde dabei nun auch die zweite Vertrauensperson des BF als Zeugin.

14. Der BF übersandte eine weitere Stellungnahme, datiert mit 15.10.2018, an das BVwG. Dort wurde vorgebracht, dass dieser im gesamten Staatsgebiet von den Taliban verfolgt werde, nur ein mangelnder staatlicher Schutz vor der Verfolgung gegeben sei, die Sicherheitslage in Kabul unzureichend sei und sich die Versorgungslage in Herat und Mazar-e Sharif aufgrund der anhaltenden Dürre verschlechtert habe. Außerdem bestehe kein effektiver Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten hinsichtlich der Erkrankungen des BF.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Person des BF

1.1.1. Der BF trägt den Namen XXXX (alias XXXX ) XXXX , alias XXXX , und führt das Geburtsdatum XXXX . Seine Aliasgeburtsdaten sind der XXXX , der XXXX , der XXXX und der XXXX . Der BF wurde zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt zwischen 1981 und 1992 in der Provinz Logar, Distrikt XXXX , Dorf XXXX , geboren. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Volksgruppenangehöriger der Tadschiken und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er spricht Dari als Muttersprache und beherrscht zudem ein wenig Paschtu, Englisch und Deutsch; er kann lesen und schreiben. Der BF ist volljährig, ledig und kinderlos. Er hatte einmal eine zweijährige Beziehung zu einer österreichischen Frau, die jedoch in die Brüche ging.

1.1.2. Der BF besuchte in seiner Heimatprovinz zwölf Jahre lang eine Schule und schloss diese mit "Matura" ab. Feststellungen zu weiterführenden Ausbildungen konnten nicht getroffen werden. Der BF verfügt über Berufserfahrung. Der BF hielt sich zumindest ein Jahr in Kabul auf.

1.1.3. Der BF hat Kontakt zu seiner Familie; dies hauptsächlich über seinen Bruder. Die Familie des BF verfügt jedenfalls über ein Haus in Logar. Die Eltern und sechs Geschwister des BF lebten nach der Ausreise des BF weiter im gemeinsamen Elternhaus in Logar, ehe sie vor Kurzem innerhalb Afghanistans umgezogen sind - vermutlich nach Kabul. Grund der Ausreise waren anhaltende Belästigungen der Taliban. Nicht festgestellt werden konnte, dass Probleme des BF mit den Taliban Grund für den Umzug waren. Der Vater des BF lebte im Heimatdorf von der Landwirtschaft, die Mutter des BF war Hausfrau. Die Brüder des BF trugen zum Lebensunterhalt durch ihre Arbeiten bei. Auch der BF wurde finanziell von seinem Bruder vom Iran aus unterstützt.

In Kabul lebt eine Tante des BF zusammen mit ihrer Familie. Der BF verfügt zudem über Verwandtschaft in Europa.

1.1.4. Der BF hat Afghanistan zwischen Frühjahr und Herbst 2015 verlassen und stellte am 12.11.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Seine konkrete Reiseroute konnte dabei nicht festgestellt werden. Für die Schleppung des BF wurden ca. EUR 2.500,- gezahlt, für die der BF selbst aufkam.

1.1.5. Der BF bestätigte die Richtigkeit und Vollständigkeit der Protokollierung seiner Einvernahmen. Während der Einvernahmen des BF kam es nicht zu maßgeblichen Verständnisschwierigkeiten oder nicht korrigierten Übersetzungsfehlern.

1.1.6. In seinem Herkunftsstaat ist der BF ist nicht vorbestraft, er war politisch nicht tätig und hatte keine Probleme mit den Behörden im Herkunftsstaat.

1.1.7. Dem BF wurde im vom BFA eingeholten Gutachten vom 09.02.2018 eine XXXX diagnostiziert; es besteht zudem der XXXX . Er kann Arbeiten des täglichen Lebens selbstständig verrichten. Im Falle einer Überstellung des BF nach Afghanistan ist keine dauerhafte Verschlechterung des Krankheitsbilds zu erwarten. Es besteht im Fall der Überstellung keine Gefahr, dass der BF wegen seiner psychischen Situation in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten würde oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Der BF ist zeitlich, örtlich, situativ und zur Person derart orientiert, dass er in der Lage ist, schlüssige und widerspruchsfreie Angaben zu tätigen. Eine suizidale Einengung war in einer früheren Untersuchung nicht feststellbar.

Die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie des BF stellte in ihrem zuletzt ausgestellten Arztbrief vom 10.10.2018 die Diagnose einer XXXX .

Der BF wurde wegen seiner psychischen Probleme mehrfach stationär aufgenommen. Er erhielt anfangs eine medikamentöse antidepressive Therapie durch die Medikamente XXXX und XXXX , die er jedoch selbstständig absetzte. Aktuell nimmt er die von seiner Ärztin verordneten Medikamente XXXX (10 mg) und XXXX (1 mg). Diese Medikation wirkt beim BF, im Gegensatz zu den ihm daneben verabreichten homöopathischen Präparaten. Der BF befand sich nicht in regelmäßiger, sondern in anlassfallbezogener psychologischer oder psychotherapeutischer Behandlung. Nunmehr wurden regelmäßige fachärztliche Kontrollen, eine Anpassung der Medikation und Psychotherapie angeordnet.

Die dem BF verschriebenen Medikamente sind in Afghanistan, insbesondere in den größeren Städten Afghanistans, erhältlich. Auch seine psychischen Probleme sowie seine von einer behandelnden Ärztin diagnostizierte Suizidalität infolge einer depressiven Episode können in Afghanistan behandelt werden.

Der BF ist ansonsten gesund. Er ist auch arbeitswillig und arbeitsfähig; Arbeit lindert seine psychischen Probleme.

1.1.8. Im Bundesgebiet verfügt der BF über einen Cousin, der sich seit mehreren Jahren in Österreich aufhält. Der BF hat einmal im Monat Kontakt zu diesem.

1.1.9. Zurzeit wohnt der BF im Bundesgebiet in einer eigenen Wohnung in XXXX und ist nicht auf die Grundversorgung angewiesen, weil er seit dem 03.09.2018 in einem landwirtschaftlichen Betrieb ( XXXX ) als Erntehelfer tätig ist (30 Stunden/EUR XXXX ,- netto). Er übte diese Tätigkeit bereits vom 04.05.2018 bis 21.06.2018 in einem anderen Betrieb ( XXXX ) aus. Der BF ist selbsterhaltungsfähig. Seine Vertrauensperson unterstützt ihn bei der Begleichung der Stromrechnung.

Der BF betätigte sich mehrfach bzw. betätigt sich auch aktuell ehrenamtlich für die Caritas. So hilft er, wenn er nicht gerade einer Anstellung nachgeht, in einem Seniorenheim in XXXX sowie in einem Kinder- und Jugendwohnheim in XXXX aus, wo er ein integratives Reitzentrum (Behindertenreiten) unterstützt. Er hat an einem Erste-Hilfe-Basiskurs teilgenommen und eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Sanitäter begonnen, diese aber aufgrund von Sprachproblemen nicht weiterbetrieben. Der BF brachte und bringt sich umfassend in sein soziales Umfeld ein; beispielsweise hilft er bei Gartenarbeiten oder kocht bei Veranstaltungen der Kirche.

Er hat mehrere Deutschkurse absolviert (zuletzt Niveau B1) und ein A2-Sprachzertifikat erworben; zur Verbesserung seiner Deutschkenntnisse besucht er oft ein Sprachcafé und erhält privat Nachhilfe in Deutsch. Zuletzt hat sich der BF für die Ablegung der B1-Sprachprüfung angemeldet. Er konnte die in der Verhandlung gestellten Fragen auf Deutsch verstehen und in verständlichen Sinneinheiten und teilweise in vollständigen deutschen Sätzen darauf antworten.

In seiner Freizeit geht der BF Volleyball spielen; über die letzten Jahre war dieser in mehreren Vereinen aktiv und nimmt an Turnieren teil. Der BF verfügt über zahlreiche österreichische Freunde und Bekannte, die ihm mittels Unterstützungsschreiben eine positive Integration und ein freundliches, hilfsbereites Wesen attestiert haben. In Zukunft möchte der BF als Arzt, Chemiker oder Altenfachbetreuer arbeiten. Seine Vertrauensperson plant, den BF für ein Integrationsjahr anzumelden; bereits zwei Einrichtungen haben sich - im Falle eines positiven Verfahrensausgangs - zu einer Aufnahme des BF bereit erklärt.

1.1.10. Der BF ist in Österreich nicht vorbestraft und hat keine Verwaltungsstrafe begangen. Aufgrund des vom BF vorgelegten Führerscheins, bei dem es sich um eine Totalfälschung handelt, wurde gegen ihn aufgrund des Verdachts einer strafbaren Handlung wegen § 223 StGB ermittelt, das Verfahren jedoch eingestellt.

1.2. Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates

Das Fluchtvorbringen des BF bezog sich auf eine angebliche, persönlich gegen den BF gerichtete, Bedrohung durch die Taliban. Feststellungen dazu, dass der BF Übergriffen oder Bedrohungen durch die Taliban ausgesetzt war oder persönlich aktuell ist, konnten nicht getroffen werden.

Der BF legte vor dem BFA mehrere Schreiben vor, die er als Drohbriefe der Taliban bezeichnete. Die Schreiben aus dem Jahr 2015 enthalten die an den BF gerichtete Aufforderung, sich innerhalb von 24 Stunden der militärischen Kommission des Distriktes XXXX zu übergeben, er andernfalls wegen der Zusammenarbeit mit der heidnischen Regierung und Unterstützung des Täters, indem er ihm das Flüchten ermöglicht habe, in seiner Abwesenheit verurteilt und der Kommissionszugehörige Mujaheddin beauftragt werde, die Strafe zu exekutieren. Aus den beiden Schreiben aus dem Jahr 2018, die dem BVwG vorgelegt wurden, geht hervor, dass der BF bisher nicht in die Hände der Mujaheddin gekommen und er aus der Gegend verschwunden/verschollen sei. Die Familie des BF solle hinsichtlich der Findung und Festnahme des Sohnes mit den Taliban zusammenarbeiten, um nicht in Zukunft des Verrates beschuldigt bzw. nicht zur Verantwortung gezogen zu werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die vom BF vorgelegten Schreiben Kunde einer tatsächlich gegen den BF gerichteten Bedrohung durch die Taliban sind.

Die Taliban und auch der IS sind in der - volatilen - Heimatprovinz des BF aktiv. Diesem könnte daher bei einer Überstellung nach Afghanistan in die Provinz Logar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit durch die regierungsfeindlichen Gruppierungen, etwa wegen einer (Zwangs-)Rekrutierung, drohen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb der Provinz Logar, insbesondere in Kabul, Herat Stadt oder Mazar-e Sharif, wäre der BF jedenfalls nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer von regierungsfeindlichen Gruppierungen, insbesondere den Taliban, ausgehenden, aktuellen oder unmittelbar bevorstehenden, lebensbedrohlichen oder seine körperliche oder geistige Integrität bedrohenden Gefahr ausgesetzt. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Taliban den BF im ganzen Land ausfindig machen will oder der Staat dem BF den verfügbaren Schutz versagen würde, auch wenn der BF vom Staat nicht präventiv gegen jedwede Übergriffe Dritter geschützt werden kann.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF aufgrund seiner Eigenschaft als Rückkehrer aus Europa eine persönlich gegen ihn gerichtete Bedrohung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan im Speziellen zu befürchten hätte.

Es konnte darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass in Afghanistan gegen den BF persönlich eine integritätsbedrohende Handlung oder Maßnahme wegen seines Geschlechts, seiner Rasse, seiner Religionszugehörigkeit, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung gesetzt wurde oder eine solche Handlung oder Maßnahme unmittelbar bevorstand oder ihm im Fall einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

1.3. Situation im Herkunftsstaat

1.3.1. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen.

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018). (Auszug aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 2. "Politische Lage")

(Auszug aus folgender Quelle: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 [in Folge:

"LIB"], Pkt. 3. "Politische Lage")

1.3.2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017)

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018).

Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen:

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Hinsichtlich Kabul sind weiters folgende Ereignisse erwähnenswert:

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben:

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018).

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte si

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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