Index
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §4 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Walter Panzer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Praterstraße 9/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Februar 1999, Zl. UVS-06/46/00034/98, betreffend Übertretung des § 111 ASVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 15.000,-- bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer als handelsrechtlichen Geschäftsführer und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Richard Weiss GesmbH für schuldig erkannt, der Verpflichtung zur Erstattung von Meldungen und Anzeigen der Gesellschaft hinsichtlich der Beschäftigung dreier näher genannter Animierdamen nicht nachgekommen zu sein. Über den Beschwerdeführer wurden je eine Geldstrafe von S 10.000,--, insgesamt S 30.000,--, sowie entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und ihm die Verfahrenskosten auferlegt. Die belangte Behörde stützte sich auf folgenden - zusammengefassten - Sachverhalt:
Am 6. Dezember 1996 habe in der "Zirkusbar" eine fremdenpolizeiliche Kontrolle stattgefunden. Es seien dort die drei im Spruch genannten Animierdamen (tschechischer, dominikanischer und türkischer Staatsangehörigkeit) "in Animierkleidung" angetroffen worden. In der Anzeige sei festgehalten, dass die genannten Personen angegeben hätten, seit mehreren Tagen "in der Zirkusbar zu arbeiten". Die Damen seien festgenommen und über sie die Schubhaft verhängt worden. Aus einer Auskunft der Gebietskrankenkasse gehe hervor, dass keine der drei in der Zirkusbar festgenommenen Damen bei der Sozialversicherung gemeldet gewesen sei. Nach einer Aufforderung zur Rechtfertigung, gerichtet an den Beschwerdeführer, habe dieser in seiner Stellungnahme "vermerkt", dass die genannten Personen weder von ihm noch von der Gesellschaft eingestellt worden wären und dass unabhängig davon keine Versicherungspflicht gegeben sei. Der Beschwerdeführer habe auch auf ein Schreiben des Landesarbeitsamtes hingewiesen, wonach ausländische Animierdamen aufgrund einer Entscheidung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales keiner Beschäftigungsbewilligung bedürften und auch nicht dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unterlägen. Anwaltlich vertreten habe der Beschwerdeführer später mit Schriftsatz angegeben, die in der Zirkusbar angetroffenen und von der Polizei festgenommenen Personen seien keine Beschäftigten, sondern bloß Gäste im Lokalbetrieb gewesen. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung führte die belangte Behörde (nach eingehender Begründung ihrer Beweiswürdigung und nach Hinweisen auf die von ihr angewendeten Bestimmungen des ASVG) aus:
"Die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses genannten Ausländerinnen waren, wie der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aus den in der Beweiswürdigung im Einzelnen dargelegten Gründen als erwiesen annimmt, als Animierdamen in der Zirkusbar beschäftigt. Animierdamen, deren Hauptaufgabe darin besteht, männliche Kundschaft zum Konsum von Getränken zu animieren und den Gästen an der Bar und in den Separees Gesellschaft zu leisten, fallen unter den ... Dienstnehmerbegriff des § 4 Abs. 2 ASVG, zumal ihre Tätigkeit in erster Linie der Umsatzsteigerung des Lokalbetreibers dient und bei ihrer Beschäftigung die wirtschaftliche und persönliche Abhängigkeit vom Lokalbetreiber eindeutig im Vordergrund steht. Dass die Damen zudem vom (Beschwerdeführer) Anweisungen bezüglich der Ausübung ihrer Tätigkeit als Animierdamen erhalten haben, ergibt sich nicht zuletzt aus den eigenen Angaben des (Beschwerdeführers) in der Verhandlung, wonach er den Mädchen untersagt habe, in den Separees Geschlechtsverkehr durchzuführen."
Des Weiteren begründete die belangte Behörde näher, dass eine Ausnahme von der Versicherungspflicht nicht vorliege und "angesichts des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes" die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 33 in Verbindung mit § 111 ASVG durch die GesmbH, für deren Verhalten der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich zeichne, als verwirklicht anzusehen sei. In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides erörtert die belangte Behörde Fragen der subjektiven Tatseite und der Strafzumessung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und "im Hinblick auf die Bescheidbegründung" von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen; sie beantragt jedoch die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und dem Beschwerdeführer den Ersatz des Vorlageaufwandes aufzuerlegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 25. April 1980, Zl. 1291/76 (= DRdA 1981/20 = SoSi 1981, 264 = SVSlg. 25256 und 30908 = ZAS 1982/8) eingehend mit der Frage der Versicherungspflicht von Animierdamen in Nachtlokalen auseinander gesetzt. Aus diesem Erkenntnis ergibt sich, dass aus den von der belangten Behörde ins Treffen geführten Umständen, wonach der Beschwerdeführer den Animierdamen den Geschlechtsverkehr im Separee untersagt habe und diese am Umsatz beteiligt seien, für sich allein genommen das Bestehen einer Versicherungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG nicht abgeleitet werden kann, ehe nicht die weiteren Voraussetzungen hiefür, insbesondere eine Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit und die dadurch fehlende Möglichkeit, über die Arbeitszeit auf längere Zeit frei zu verfügen, erwiesen ist. Auf die nähere Begründung des genannten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Gemäß § 111 ASVG begehen Dienstgeber und sonstige nach § 36 meldepflichtige Personen (Stellen), im Falle einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 die Bevollmächtigten, die der ihnen aufgrund dieses Bundesgesetzes obliegenden Verpflichtung (u.a.) zur Erstattung von Meldungen und Anzeigen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen - wenn die Handlung nicht nach anderer Bestimmung einer strengeren Strafe unterliegt - eine Verwaltungsübertretung und werden von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis S 50.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, bestraft.
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jeden von ihnen beschäftigten, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung Pflichtversicherten (Vollversicherte und Teilversicherte) bei Beginn der Pflichtversicherung (§ 10) unverzüglich beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.
Da somit Voraussetzung für eine gemäß § 111 ASVG strafbare Verletzung der Meldepflicht das Bestehen einer Pflichtversicherung ist, diese aber von der belangten Behörde aufgrund des von ihr (bisher) festgestellten Sachverhaltes unzutreffend beurteilt wurde, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, wobei der Kostenersatz dem Land Wien als Rechtsträger des Unabhängigen Verwaltungssenates aufzuerlegen war.
Wien, am 1. Juni 1999
Schlagworte
Dienstnehmer Begriff Persönliche AbhängigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999080044.X00Im RIS seit
20.11.2000