Entscheidungsdatum
12.11.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L519 2176698-1/18E
schriftliche ausfertigung des am24.9.2018 mündlich verkündeten erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.9.2018 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1
Asylgesetz 2005 i.d.g.F. der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Iran, brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 26.2.2016 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. dem BFA brachte der BF im Wesentlichen Folgendes vor:
Er habe sich im Iran mit einem Freund entschlossen, die Religion zu wechseln. Er habe darüber mit seinem Freund via Facebook und Skype kommuniziert. Offenbar seien alle Konten des Freundes unter Beobachtung der Polizei gestanden. Der Bruder dieses Freundes sei vor 2 Jahren wegen Konversion zum Christentum hingerichtet worden. Als die Polizei versuchte, den Freund des BF zu verhaften, sei der BF von der Mutter des Freundes telefonisch gewarnt worden. Dann sei der BF geflüchtet. In Österreich besuche der BF seit 14 Monaten den Taufvorbereitungskurs.
I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen des BF zu seiner Konversion nicht glaubhaft sei. Nach eigener Angabe hat der BF im Iran an keinen christlichen Aktivitäten teilgenommen, er habe sich lediglich 6 Monate mit seinem Freund getroffen und über Facebook und Skype Informationen eingeholt. Fragen zum Freund konnte der BF nur vage, widersprüchlich und ausweichend beantworten. Es sei auch nicht glaubhaft, dass der BF lediglich auf einen vagen Anruf hin Hals über Kopf sein gesamtes Leben hinter sich lässt, ohne selbst irgendwie verfolgt worden zu sein. Außerdem wären die Sicherheitskräfte wesentlich rigider und konsequenter vorgegangen, anstatt Hausbesuche zu machen, wenn der Betroffene gar nicht anwesend ist. Auch sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass besagter Freund nicht erst nach 2 Jahren Beobachtung festgenommen worden wäre und das zu einem Zeitpunkt, wo er nicht anzutreffen war.
Insbesondere die Fragen zur inneren Überzeugung habe der BF nur sehr oberflächlich und vage beantwortet. Die Antworten seien kurz und ohne eigenständige Ausführungen erfolgt. Auf die Frage nach Glaubensinhalten gab der BF z.B. an, dass Jesus Christus und zwischenmenschliche Beziehungen wie Liebe und gegenseitige Hilfe für ihn besonders wichtig seien. Liebe und Freundschaft beruhen nach Ansicht der Behörde nicht ausschließlich auf dem christlichen Glauben. Darüber hinaus stehe das Desinteresse des BF am Schicksal seines Freundes im Iran nicht mit diesen Werten in Einklang.
Der BF gab an, sich vom Islam abgewendet zu haben, da dieser eine brutale Religion sei. Es sei Zufall gewesen, dass er sich gerade zu diesem Zeitpunkt mit seinem Freund über das Christentum unterhalten habe. Dieser habe mehr über das Christentum gewusst und nach 6 Monaten habe sich der BF entschieden zu konvertieren. Weiter gab der BF an, sich zum römisch-katholischen Glauben zu bekennen. Auf die Frage, weshalb er sich gerade zu diesem Zweig des Christentums bekenne, gab er ab, dass diese Glaubensrichtung eine der ältesten im Christentum sei und Tradition habe. Der Onkel, der bereits seit 5 Jahren in Österreich lebt und Christ ist, habe ihn dieser Kirche vorgestellt.
Von jemand, der aus innerer Überzeugung einen Glaubenswechsel beabsichtigt, sei zu erwarten, dass dieser gerade von sich aus Kontakt mit einer kirchlichen Glaubensgemeinschaft sucht, sich aktiv mit den Grundsätzen der eigenen wie auch den der angestrebten Religion befasst, Religionsvergleiche vornimmt, den jeweiligen Glaubenslehren auf den Grund zu gehen versucht, die über den Glauben vermittelten unterschiedlichen Werte und Einstellungen in Beziehung setzt, hinterfragt, sich neue spirituelle Perspektiven verschafft und dies auch in seinem äußeren Verhalten und seinen geäußerten Einstellungen manifestiert. Die Hinwendung zu einem neuen Glauben geht mit einer inneren persönlichen Neuorientierung eines erwachsenen Menschen einher, der bis dahin in einem völlig anderen Kulturkreis, gesellschaftlichen Kontext und unter anderen religiösen (islamischen) Grundwerten aufgewachsen ist und sozialisiert wurde. Das bedeutet, viel von den bisherigen Einstellungen abzulegen und vieles neu anzunehmen. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen konnte der BF mit seinen Angaben nicht einmal ansatzweise glaubhaft machen, zumal er sich keineswegs initiativ mit seinem Glauben bzw. einem möglichen Glaubenswechsel auseinandergesetzt habe, sondern vielmehr missioniert wurde und sich nur deshalb für den römisch-katholischen Glauben entschieden hat, da er von seinem Onkel die Informationen darüber erhalten hat.
Das Wissen, dass Christen zu Weihnachten Christi Geburt feiern, sei notorisch, zumal wohl auch jedem Durchschnittschristen, der sich nicht mit dem Islam befasst, bekannt ist, dass Mohammed der Prophet ist.
Die nach außen sichtbaren Aktivitäten des BF wie die behaupteten Kirchenbesuche vermögen nach Ansicht der Behörde die zweifelhafte innere Wandlung und Zuwendung zum christlichen Glauben nicht zu kompensieren. Ein über diese Pflichttermine hinausgehendes Interesse habe der BF selbst nachgefragt nicht vorgebracht.
I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.
I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.
Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.
I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht:
Der Bescheid der belangten Behörde wird wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder mangelhafter Beweiswürdigung angefochten. Die belangte Behörde gehe nur unzulänglich und oberflächlich auf das Vorbringen des BF ein. Insbesondere fehle die gebotene Auseinandersetzung mit der Situation mit konvertierten Muslimen im Iran. Die Länderberichte seien veraltet und würden trotzdem ein schwarzes Bild für Christen im Iran malen. Außerdem sei die belangte Behörde bei der Auswahl der berichte selektiv vorgegangen. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
I.4. Für den 3.5.2018 und den 24.9.2018 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
I.5. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
II.1.1. Der Beschwerdeführer:
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen iranischen Staatsangehörigen, welcher zur Volksgruppe der Perser gehört. Er spricht Farsi auf muttersprachlichem Niveau. Der BF ist damit Drittstaatsangehöriger.
Der BF bekennt sich zum christlichen Glauben und wurde am 8.4.2018 in XXXX römisch-katholisch getauft.
Der BF ist ein junger, lediger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit einer im Iran -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.
Im Iran, XXXX, leben nach wie vor die Eltern und 1 Schwester des BF.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich bislang unbescholten.
Die Identität des BF steht nicht fest.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Iran:
1. Sicherheitslage
Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiöser) Feiertage und Gedenktage. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 9.2.2015).
Iran war in den letzten Jahren unregelmäßig Ziel terroristischer Anschläge, zuletzt zunehmend in Minderheitenregionen. Am 15. April 2011 kam es in der Provinz Khusestan anlässlich des sechsten Jahrestages der Niederschlagung der Proteste der arabischstämmigen Bevölkerung gegen eine Politik der Iranisierung im Jahre 2005 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und der arabischen Minderheit in Ahwaz und mehreren anderen Städten der Provinz (u.a. Hamidiyeh, Abadan, Khorramshahr). Dabei wurden mindestens 12 Menschen getötet und 20 verletzt (AA 9.2.2015a, vgl. BMEIA 9.2.2015).
2. Sicherheitsbehörden
Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung zur Vollstreckung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung. So das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Sicherheitskräfte werden nicht als völlig effektiv bei der Verbrechensbekämpfung angesehen und Korruption und Straffreiheit sind weiter problematisch. Menschenrechtsgruppen beschuldigten reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt auch keine Berichte, dass die Regierung Täter disziplinieren würde (US DOS 27.2.2014).
Seit 1991 sind die islamischen Revolutionskomitees, die Polizei und die Gendarmerie zu einer einzigen Sicherheitsbehörde mit einheitlichem Befehlsstrang und einheitlicher Verwaltung verschmolzen. Bei Straßenprotesten nach den Präsidentschaftswahlen 2009 ist es beim Einsatz von Sicherheitskräften zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit tödlichem Ausgang und einer Vielzahl von Verhaftungen gekommen. Seit 2005 gibt es eine klare Aufgabenverteilung und Zuständigkeitsregelung zwischen den einzelnen Polizeikräften (Kriminalpolizei, Sittenpolizei und Verkehrspolizei). Das Sepah-Pasdaran-Corps ("Revolutionswächter", "Revolutionsgarde") war unmittelbar nach der Revolution von 1979 zunächst als kleine Elitetruppe gegründet worden, um die Revolution gegen innere und äußere Feinde zu verteidigen. Im Laufe des Krieges gegen den Irak entwickelte sich das Pasdaran-Corps neben dem regulären Militär zu einer zweiten Streitmacht, die heute in ihrer Bedeutung höher als das reguläre Militär einzuschätzen und moderner als dieses ausgerüstet ist. Die Pasdaran haben einen eigenen Generalstab, der jedoch eingegliedert ist in den Gemeinsamen Generalstab der Streitkräfte. Dieser wiederum untersteht dem Revolutionsführer Khamenei als oberstem Befehlshaber. Während der Proteste im Juni 2009 stellten Pasdaran einen Großteil der Sicherheitskräfte.
Aufgaben der Sepah-Pasdaran sind gemäß ihrem Statut:
-
Schutz der Islamischen Republik und der Errungenschaften der islamischen Revolution gegen ausländische Feinde;
-
Bekämpfung von Verschwörungen innerer Feinde; gemeint ist nicht Zuständigkeit zur Verfolgung einzelner Oppositioneller oder Oppositionsgruppen, sondern Gewährleistung der inneren Sicherheit bei Aufständen oder Unruhen;
-
Sicherheitsschutz für Politiker und strategische Zentren im Lande,
-
seit einigen Jahren auch Bekämpfung des Rauschgiftschmuggels, insbesondere in den Provinzen Sistan-Belutschistan und Khorrasan (AA 11.2.2014, vgl. DW 13.6.2013).
Die Pasdaran verfügen über eigene Gefängnisse und einen eigenen Geheimdienst. Die Liquidierung Oppositioneller wurde in den Jahren nach der Revolution v.a. von den Pasdaran durchgeführt; das Corps war und ist ein Instrument zur gewaltsamen Durchsetzung der Revolution und Islamisierung der Gesellschaft. Die Pasdaran sind darüber hinaus eng mit der Politik verzahnt; insbesondere unter der Regierung von Ex-Präsident Ahmadinedschad wurden - und werden weiterhin - viele Positionen im Staatsapparat zunehmend mit Revolutionswächtern besetzt und weitreichende institutionelle Freiräume eröffnet. Ihre wachsende kommerzielle Vormachtstellung wird von allen Wirtschaftsakteuren respektiert (AA 11.2.2014, vgl. DW 13.6.2013). Sie sind in allen Sektoren aktiv, mit teilweise monopolartigen Stellungen in der Rüstungs- und Bauindustrie, bei Energieprojekten, im Schmuggel von Konsumgütern und im Telekommunikationssektor. Es gibt aber auch glaubwürdige Berichte, wonach Angehörige der Pasdaran in den Monaten nach den Wahlen 2009 inhaftiert waren, da sie sich geweigert hatten, gegen Demonstranten vorzugehen (AA 11.2.2014, vgl. FH 4.12.2014, DW 13.6.2013).
Neben einem "Hohen Rat für den Cyber Space" wurde Ende 2008 innerhalb der Pasdaran eine neue Einheit gegründet, welche sich ausschließlich mit Internetkriminalität befasst ("cyber army" - FATAH). Seit Sommer 2009 fanden die Aktionen dieser Einheit immer wieder Erwähnung in der iranischen Presse. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Einheit bei der Überwachung der Aktionen der Oppositionsbewegung im Internet eine maßgebliche Rolle gespielt hat. Die Einheit dürfte auch für mehrere Hacker-Angriffe auf oppositionelle und westliche, regierungskritische Webseiten, z.B. das zur News Corp. gehörende Farsi 1 verantwortlich sein. Bassij-Kommandeur General Ali Fasli verkündete am 14. März 2011, es seien mehrere Cyber-Angriffe gegen Websites von Feinden des Irans durchgeführt worden. Zu den Angreifern gehörten Professoren, Studenten und Geistliche (AA 11.2.2014).
Die sog. Bassij-Bewegung wurde 1980 von Khomeini mit dem Ziel gegründet, neben Militär und Sepah-Pasdaran eine bei Bedarf schnell mobilisierbare Volksmiliz zur Verfügung zu haben. Sie ist ein paramilitärischer Freiwilligenverband, der organisatorisch den Sepah-Pasdaran unterstellt und meist Moscheen und staatlichen Institutionen angegliedert ist. Die Bassij-Organisation ist zweigeteilt: Die militärisch ausgebildeten und bewaffneten Einheiten der Bassij haben 2009 ihre Unabhängigkeit eingebüßt und sind in den Landstreitkräften der Pasdaran aufgegangen. Sie nehmen polizeiähnliche Aufgaben zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit wahr. Die Angehörigen der Bassij-Milizorganisation hingegen sind ehrenamtlich tätig. Mitglieder ohne militärische Ausbildung erhalten von den Sepah-Pasdaran eine militärische Grundausbildung. Zu diesem Zweck werden sie in so genannten Aschura-Bataillonen zusammengefasst. Diese Bataillone kommen auch bei inneren Unruhen zum Einsatz. Bei den Bassij gibt es auch die weiblichen Freiwilligenbataillone "Al Zahra". Die Bassij spielten neben den Pasdaran die wichtigste Rolle bei der Niederschlagung der Proteste rund um die Präsidentschaftswahlen 2009 und gingen teilweise mit großer Brutalität vor. Auch einige der Todesfälle sind ihnen zuzurechnen. Die dezentrale und intransparente Organisationsstruktur der Bassij erschwert hierbei klare Schuldzuordnungen. Mangelhafte Ausbildung und Disziplin machen sie für Gewaltexzesse gegenüber Demonstranten besonders anfällig (AA 11.2.2014).
Der Geheimdienst "Vezarat-e Etela'at" (Ministerium für Information) ist mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung und Aufklärung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Das Ministerium für Information ist aufgeteilt in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Der Inlandsgeheimdienst hat die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition. Er stellt eine engmaschige Überwachung der Bürger sicher, die potentiell für das Regime gefährlich werden könnten. Seine Mitglieder sitzen in den Ministerien und öffentlichen Behörden, in staatlichen und privaten Betrieben sowie in den Universitäten. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Ladungen zu Anhörungen beim Geheimdienst ergehen grundsätzlich nur mündlich. Vom Geheimdienst veranlasste Verhaftungen und Durchsuchungen erfolgen nach außen in der Regel aufgrund von Haftbefehlen, Durchsuchungsbeschlüssen u. ä. der Revolutionsgerichte oder schriftlicher Anordnungen der Sicherheitskräfte, niemals aber als solche des Geheimdienstes. Der Trakt 209 des Evin-Gefängnisses in Teheran untersteht der Kontrolle des Geheimdienstes.
Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung (AA 11.2.2014).
Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis im Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 10.2014).
Sicherheitsbeamte nahmen weiterhin willkürlich Regierungskritiker und Oppositionelle fest. Die Festgenommenen blieben oft über lange Zeiträume ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert. Man verweigerte ihnen die notwendige medizinische Behandlung. Viele wurden gefoltert oder anderweitig misshandelt (AI 23.5.2013).
3. Allgemeine Menschenrechtslage
Der Iran zählt zu den Ländern mit einer beunruhigenden Lage der Menschenrechte, was sich auch auf die Asyl- und Migrationsströme auswirkt (ÖB Teheran 10.2014).
Die UN haben sich am 27.10.14 besorgt über die stetig steigende Zahl von Hinrichtungen und die Verschlechterung der Menschenrechtslage in Iran geäußert. Seit der Wahl des gemäßigten Präsidenten Hassan Rohani im Juni 2013 seien demnach 852 Menschen hingerichtet worden, darunter acht Minderjährige. Kritisiert wurde überdies die Einschränkung der Pressefreiheit. Demnach seien derzeit 35 Journalisten inhaftiert, mindestens 300 Menschen seien zudem wegen ihres Glaubens in Haft, darunter 120 Mitglieder der Baha'i (BAMF 3.11.2014).
Im Jahr 2014 gab es keine signifikanten Verbesserungen in Bezug auf Menschenrechte. Repressive Elemente innerhalb des Sicherheitsapparates, des Geheimdienstes und der Justiz bewahrten ihre Macht und blieben weiterhin die Haupttäter bei Menschenrechtsverstößen. Exekutionen, vor allem bei Drogenvergehen blieben hoch. Sicherheitsbehörden und Geheimdienst inhaftierten Journalisten, Blogger und Social Media Aktivisten, und die Revolutionsgerichte verhingen schwere Strafen gegen sie (HRW 20.1.2015).
Neben Menschenrechts-Aktivisten sind insbesondere auch Menschenrechts-Anwälte von staatlicher Verfolgung bedroht. Die Anwälte des Zentrums für Menschenrechtsverletzungen um Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi wurden seit der Schließung des Zentrums 2008 zu hohen Haftstrafen und Berufsverboten verurteilt. Zuletzt wurde der Mitbegründer des Zentrums, Abodlfattah Soltani, im März 2012 zu 18 Jahren Gefängnis im Exil und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. (Im Berufungsverfahren im Juni 2012 wurde die Haftstrafe auf 13 Jahre verkürzt). Zu den ihm vorgeworfenen Straftaten zählte neben "Propaganda gegen das Regime" und "Mitgliedschaft in einer illegalen Vereinigung" auch die "Annahme eines illegalen Preises" (Menschenrechtspreis der Stadt Nürnberg). In zahlreichen Fällen werden Berufungsverfahren von Menschenrechtsaktivisten oder -anwälten bewusst in der Schwebe gehalten, um die Betroffenen so in Unsicherheit zu belassen und iranischen oder internationalen Akteuren keine Angriffspunkte durch ein rechtskräftiges Urteil zu bieten. Berufungsverfahren dauern mitunter bis zu drei Jahre, so z.B. im Fall des Menschenrechtsanwaltes Dadkhah (Verurteilung 2009, Berufungsurteil Ende April 2012, 9 Jahre Haft und Berufsverbot) (AA 11.2.2014, vgl. HRW 20.1.2015).
Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sind weiterhin stark eingeschränkt. Regierungskritiker und Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtlerinnen und Personen, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzten, wurden willkürlich festgenommen, ohne Kontakt zur Außenwelt in Gewahrsam gehalten, nach unfairen Gerichtsverfahren zu Gefängnisstrafen verurteilt und daran gehindert, ins Ausland zu reisen. Viele von ihnen, auch die in den vergangenen Jahren in unfairen Prozessen verurteilten Personen, sind gewaltlose politische Gefangene. Die Behörden schikanierten beharrlich die Familien von Aktivisten. Folter und andere Misshandlungen an Gefangenen waren an der Tagesordnung und blieben für die Täter straffrei. Frauen, Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten sowie Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI) wurden weiterhin durch die Gesetzgebung und im Alltag diskriminiert. Es wurden gerichtlich angeordnete grausame Prügel- und Amputationsstrafen vollstreckt (AI 23.5.2013, vgl. US DOS 27.2.2014, UN Human Rights Council 11.3.2014). Trotz all dieser Probleme notiert der UN Human Rights Council auch Verbesserungen seit seinem letzten Bericht in Bezug auf die menschenrechtliche Situation, wie zum Beispiel die Freilassung hochrangiger politischer Gefangene, die nach den Protesten von 2009 verhaftet wurden, die Wiederanstellung von Universitätsstudenten und Dozenten, die von der Hochschulbildung aufgrund ihrer Rolle in den 2009er Protesten ausgeschlossen wurden und der Entwurf einer Bürgerrechtscharta. Die Regierung machte auch Versprechungen bezüglich der Beseitigung der Diskriminierung von Frauen und ethnischen Minderheiten und das Fördern der Meinungsfreiheit (UN Human Rights Council 11.3.2014).
Im Herbst 2014 gab es Anzeichen für eine verstärkte öffentliche Debatte in Bezug auf Menschenrechte, im Besonderen zur Todesstrafe, Filtern des Internets und Frauenthemen. Obwohl dies positiv zu werten ist, hat sich die Menschenrechtssituation in Iran nicht geändert. Sorge bereiten international die weitverbreitete Anwendung der Todesstrafe, Einschränkungen der Religions- und Glaubensfreiheit, sowie der Meinungsfreiheit, der Rechte von Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Frauen und Häftlingen (FCO 31.12.2014).
4. Todesstrafe
Die Todesstrafe steht auch auf vergleichsweise geringe Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichem Geschlechtsverkehr; u.a. auch für Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", außerehelicher Geschlechtsverkehr, Abfall vom islamischen Glauben (=Apostasie) und homosexuelle Handlungen. Vor allem bei Drogendelikten wird die Todesstrafe häufig angewendet, regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießung, zum Teil öffentlich, und auch gegen (zum Tatzeitpunkt) Minderjährige. Der zweitgrößte Anteil an Hinrichtungen ist auf Verurteilungen wegen Mord bzw. Sexualdelikten zurückzuführen. Der Iran exekutiert weltweit pro Kopf der Bevölkerung die meisten Menschen (ÖB Teheran 10.2014, vgl. HRW 20.1.2015, FCO 10.4.2014, AA 11.2.2014).
Bei Drogenverbrechen verhängt die Justiz in der Regel nicht schon bei bloßem Besitz oder Schmuggel von Mengen, die laut Gesetz zur Verhängung der Todesstrafe ausreichen (mehr als 5 kg Opium oder 30 g Heroin), die Todesstrafe, sondern erst bei Vorliegen zusätzlicher erschwerender Umstände wie bewaffnetem Schmuggel und Bandenbildung sowie bei Wiederholungstätern, die zum dritten Mal wegen Drogendelikten verurteilt werden. Wenn keine erschwerenden Umstände vorliegen, wird nicht selten eine Strafe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafmaßes verhängt. Seit Ende 2010 ist die Zahl der Hinrichtungen in Verbindung mit Drogendelikten allerdings stark angestiegen. Dies könnte unter anderem auf eine Verschärfung des Drogengesetzes Ende 2010 zurückzuführen sein, wodurch auch synthetische Drogen wie Speed, Ecstasy und LSD in den Anwendungsbereich der Drogengesetzgebung eingeschlossen wurden. Der Besitz von 30 Gramm solcher Substanzen zieht nunmehr laut Gesetz bereits die Todesstrafe nach sich. Nicht immer wird eine verhängte Todesstrafe auch vollstreckt. An religiösen Feiertagen oder zum iranischen Neujahrsfest werden auch zu langen Freiheitsstrafen Verurteilte bisweilen begnadigt. Darüber hinaus haben die Angehörigen der Opfer ein Begnadigungsrecht bei Qesas-Strafen. Im Mai 2013 hing ein Mann bereits sekundenlang wegen Mordes am Strick, ehe die Familie des Opfers ihn doch noch begnadigte. In absoluten Zahlen weniger auffällig (mindestens 6 Fälle im Jahr 2012) aber dennoch höchst alarmierend sind die Hinrichtungen wegen "Kampf gegen Gott" ("Moharebeh"). Der Tatbestand ist rechtlich betrachtet sehr offen formuliert und eignet sich in besonderem Maße für einen Missbrauch in politischen Schauprozessen. Mit Einführung des neuen Strafgesetzes sind die Tatbestandsvoraussetzungen für "Kampf gegen Gott" ("Moharebeh") und "Korruption auf Erden"("Efsad fil Arz") noch weiter gefasst und bieten somit zusätzlichen Spielraum für politischen Missbrauch. Die Entscheidung über die Art der Vollziehung der Todesstrafe obliegt dem erkennenden Richter. In der Regel wird die Todesstrafe durch Erhängen vollstreckt. Seit Januar 2008 ist die öffentliche Vollstreckung von Hinrichtungen aufgrund eines Erlasses des damaligen Chefs der Justiz, Ayatollah Sharoudi grundsätzlich untersagt. Dennoch werden Hinrichtungen immer häufiger öffentlich vollstreckt (AA 11.2.2014).
Laut iranischen Quellen haben die Behörden 2014 einschließlich Oktober 2014 mindestens 200 Personen hingerichtet, jedoch berichten oppositionelle Quellen von 400 zusätzlichen Hinrichtungen. Einige davon wurden öffentlich ausgeführt. Laut inoffiziellen Quellen wurden mindestens acht jugendliche Straftäter, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, hingerichtet. Dutzende jugendliche Straftäter befinden sich in den Todeszellen. Das iranische Recht erlaubt die Todesstrafe, wenn Personen die Pubertät erreicht haben, dies ist bei Mädchen neun, bei Jungen 15 Jahre. Die Justiz erlaubte weiterhin die Hinrichtung von Personen die aufgrund von moharebeh inhaftiert wurden, obwohl es diesbezüglich Änderungen im Strafgesetzbuch gab. Es wird nun verlangt, dass solche Fälle überprüft werden und die Todesstrafe aufgehoben wird, bis es einen Beweis gibt, dass der mutmaßliche Täter zu Waffen gegriffen hat (HRW 20.1.2015).
5. Religionsfreiheit
Die Bevölkerung besteht zu 98% aus Muslimen, darunter ca. 88% Schiiten und ca. 10% Sunniten (v.a. Araber, Turkmenen, Belutschen, Kurden). Die in Iran lebenden Schiiten gehören zum größten Teil zu den sogenannten 12er-Schiiten. Sie folgen einer Reihe von 12 Imamen. Es gibt keine offiziellen Zahlen zur Anzahl der Sufis, sie wird auf zwei bis fünf Millionen geschätzt. Die restlichen zwei Prozent verteilen sich auf Christen (ca. 117.000, davon 80.000 Armenisch-Apostolisch, 11.000 Assyrer, 10.000 Lateiner, 7.000 Chaldäer und mehrere Tausend Protestanten), Baha'i (25.000 -300.000), Zoroastrier (ca. 19.000), Juden (ca. 10.000) und Mandäer (ca. 5.000) (AA 11.2.2014).
Im Iran ist der schiitische Islam (Zwölfer-Schia) Staatsreligion. Anerkennte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) ChristInnen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen - Bahá'í, konvertierte evangelikale ChristInnen, Sufi (Derwisch-Orden), Sunni - werden in unterschiedlichem Grad verfolgt. Missionarische Tätigkeit - d.h. jegliches nichtislamisches religiöses Agieren in der Öffentlichkeit
-
und Konversion vom Islam sind verboten und werden streng geahndet. Statistische Daten über missionarische Tätigkeit bzw. deren regionaler Aufteilung liegen nicht vor. Es gibt im Iran anerkannte religiöse Minderheiten, deren Vertreter zumindest selbst immer wieder betonen, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Anerkannte religiöse Minderheiten sind laut Verfassung Christen, Juden und Zoroastrier. Diese sind in ihrer Religionsausübung - im Vergleich mit anderen Ländern der Region - nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten). Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa - unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke
-
eigene Vertreter im Majlis sowie das Recht auf Alkoholkonsum bei religiösen Riten und im Privatbereich, wenn keine Moslems anwesend sind. Grundrechtlich besteht "Kultusfreiheit" im Rahmen der Mauern der Gemeindezentren und der - auch von außen als solche klar erkennbaren - Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime keine Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, weder Freiheit der Meinungsäußerung noch Versammlungsfreiheit (Proselytismus-Verbot). Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor. Infolge des Proselytismus-Verbots wird - entgegen autochthoner Kirchen, welche sich an das Verbot aus unterschiedlichen Gründen penibel halten - gegen evangelikale Gruppen ("Hauskirchen") oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Die Mitglieder mancher Glaubensgemeinschaften sind angewiesen Mitgliedskarten mit sich zu tragen, die von Behördenvertretern außerhalb von Gottesdiensten kontrolliert werden. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Dennoch sind die hauptsächlichen Akteure von denen eine Verfolgung ausgeht staatliche Agenten. Der Auswanderungsdruck ist auf Grund der für alle IranerInnen geringeren wirtschaftlichen Perspektiven auch bei den Angehörigen der anerkannten religiösen Minderheiten weiterhin groß. Auch oppositionelle schiitische Geistliche sind der Verfolgung ausgesetzt. Während vielfach über die Verhaftung von Bahá'ís, Christen, Sunniten und Derwischen berichtet wird, gibt es keine Berichte über die Verfolgung von Juden. Seit dem Amtsantritt von Präsident Rohani im August 2013 ist trotz positiver Regierungsaussagen zur Gleichberechtigung von Minderheiten, einschließlich religiöser Minderheiten keine signifikante Besserung der Situation religiöser Minderheiten im Iran zu vermerken (ÖB Teheran 10.2014, vgl. US DOS 28.7.2014).
Religions- und Glaubensfreiheit besteht in Iran nur in eingeschränktem Maße. Die wirtschaftliche, berufliche und soziale Diskriminierung religiöser Minderheiten zusammen mit der von einem Großteil der Betroffenen empfundenen wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit führen zu einem unverändert starken Auswanderungsdruck dieser Gruppen. Diskriminierungen von Nichtmuslimen äußern sich u.a. darin, dass diese weder höhere Positionen in den Streitkräften (Art. 144 der Verfassung) einnehmen noch Richter werden können (Art. 163 der Verfassung i.V.m. dem Gesetz über die Wahl der Richter von 1983). Seit der Islamischen Revolution waren sämtliche Kabinettsmitglieder, Generalgouverneure, Botschafter und hochrangige Militärs sowie Polizeikommandeure ausschließlich schiitische Muslime. Art. 14 der Verfassung statuiert, dass Nichtmuslime "nach bester Sitte, mit Anstand und unter Wahrung islamischer Gerechtigkeit zu behandeln und ihre Menschenrechte zu achten sind". Dies gilt aber "nicht gegenüber jenen, die sich gegen den Islam und die Islamische Republik Iran verschwören und hiergegen handeln". Im Bereich des Strafrechts variieren die Strafen je nach Religionszugehörigkeit von Täter bzw. Opfer. Im Bereich des Zivilrechts besagt z.B. § 881a des islamischen Zivilgesetzbuches, das Nichtmuslime nicht von Muslimen erben können. Ist dagegen der Erblasser ein Nichtmuslim und befindet sich an irgendeiner Stelle in der Erbfolge ein Muslim, so werden alle nichtmuslimischen Erben von der Erbfolge ausgeschlossen und der muslimische Erbe wird Alleinerbe. Diese Regelung kann jedoch durch Errichtung eines Testaments zum Teil umgangen werden (AA 11.2.2014, vgl. ÖB Teheran).
5.1. Christen
Die christliche Minderheit besteht vor allem aus Armeniern verschiedener Konfessionen. Daneben gibt es noch einige Ostchristen, unter denen die Assyrer die größte Gruppe stellen. Die Christen lebten traditionell vor allem im Nordwesten des Landes, außerdem in Teheran und Esfahan. Nach der Islamischen Revolution zogen viele Armenier nach Teheran, so dass heute 75% von ihnen dort leben. Insgesamt gibt es etwa 100.000 christliche Iraner, ihnen stehen zwei Parlamentssitze zu (GIZ 12.2.2014).
Das Christentum im Iran kann in ethnische und nicht-ethnische Christen unterteilt werden. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen und beziehen sich auf armenische und assyrische (oder auch chaldäische) Christen, die eine lange Geschichte im Iran vorweisen und ihre eigenen linguistischen und kulturellen Traditionen besitzen. Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah Regimes. Die Mitglieder sind - wenn auch nicht alle - Konvertierte aus dem Islam. Von Repressionen und willkürlichen Verhaftungen von konvertierten Christen, Mitgliedern der protestantischen und evangelischen Kirche wird berichtet. Im Jänner 2014 waren mindestens 50 Christen wegen ihrem Bekenntnis zu Kirchen außerhalb des Iran, die Mitwirkung in informellen Hauskirchen und anderen christlichen Aktivitäten in Haft (ÖB Teheran 10.2014). Laut der Gefangenenliste von Open Doors befinden sich mit Stand November 2014 67 Christen in Haft, sechs wurden auf Kaution freigelassen und sechs freigelassen (Open Doors 11.2014).
Christen, die Angehörige der ethnischen Minderheiten sind (Armenier, Assyrer, Chaldäer), sind weitgehend in die Gesellschaft integriert. Soweit sie ihre Arbeit ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Gemeinden beschränken, werden sie nicht behindert oder verfolgt. Repressionen betreffen missionierende Christen, unabhängig davon, ob diese zuvor konvertiert sind. Missionierungsarbeit findet hauptsächlich durch evangelikale Freikirchen (z.B. die "Assemblies of God"), sowie in weitaus geringerem Umfang durch die Assyrische und Armenisch-evangelische Kirche statt. Staatliche Maßnahmen (v.a. Verhaftungen, Einschüchterung) richteten sich hier bisher ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen. Staatliche Repressionen gegen registrierte Kirchen haben in letzter Zeit zugenommen. Insbesondere Kirchen, die in persischer Sprache predigen stehen unter verstärkter Beobachtung. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen. Regelmäßig werden Berichte über Auflösungen von häuslichen christlichen Versammlungen und gelegentlichen Festnahmen von Angehörigen einer Hauskirchengemeinde bekannt. Verfolgung von Konvertiten und Missionaren erfolgt nicht strikt systematisch, sondern stichprobenartig, wenn z.B. von der Bevölkerung hauskirchliche Tätigkeiten oder private Versammlungen von Nachbarn gemeldet werden (AA 11.2.2014).
Vor allem evangelikale Christen sahen sich weiterhin Schikanen und Beobachtung ausgesetzt. Die Behörden verhafteten Christen unverhältnismäßig oft. Einige dieser Personen wurden beinahe sofort wieder freigelassen, andere wurden in geheimen Orten ohne Zugang zu einem Anwalt festgehalten (US DOS 28.7.2014).
5.2. Apostasie / Konversion zum Christentum / Proselytismus
Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2013 dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2014). Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Die Zahl der politischen Gefangenen, die sich aufgrund von Apostasie oder missionarischer Tätigkeit in Haft befinden, wird auf mindestens zehn geschätzt. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2014, vgl DIS 23.6.2014).
Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. Ehemals muslimischen Konvertiten droht Verfolgung und Bestrafung. In Einzelfällen werden Gerichtsverfahren eingeleitet, Verurteilungen erfolgen allerdings oft nicht wegen Apostasie, sondern wegen Sicherheitsdelikten. Es gibt allerdings auch Konvertiten, die unbehelligt eine der anerkannten Religionen ausüben. Die Konvertiten und die Gemeinden, denen sie angehören, stehen jedoch insofern unter Druck, als den Konvertiten hohe Strafen drohen und auch die Gemeinden mit Konsequenzen rechnen müssen (z.B. Schließung), wenn die Existenz von Konvertiten in der Gemeinde öffentlich bekannt wird. Zum anderen wird die "Ausübung" der Religion restriktiv ausgelegt und schließt jede missionierende Tätigkeit aus. Missionierende Angehörige auch von Buchreligionen werden verfolgt und hart bestraft, ihnen kann als "Kämpfer gegen Gott" ("Moharebeh") sogar eine Verurteilung zum Tode drohen (AA 11.2.2014, vgl. HRW 29.1.2015).
Die Regierung sieht Konversion vom Islam als Apostasie an. Dies kann mit der Todesstrafe bestraft werden. Nicht-Muslime sollten ihren Glauben nicht öffentlich kundtun oder Muslime von ihrem Glauben überzeugen wollen, da dies als Missionierung angesehen werden kann und auch dies mit der Todesstrafe bestraft werden kann. Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Zum Christentum konvertierte Muslime sehen sich Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung ausgesetzt. Viele dieser Verhaftungen finden während Polizeirazzien bei religiösen Versammlungen statt und es wird auch religiöses Eigentum konfisziert. Die Regierung vollzieht das Verbot des Proselytismus, indem sie vor allem die Aktivitäten der Evangelikalen streng überwacht, Muslime davon abbringt, kirchliche Grundstücke zu betreten, Kirchen schließen lässt und Christen verhaftet. Die Behörden zwingen evangelikale Kirchenführer Zusicherungen zu unterschreiben, dass sie keine Muslime missionieren oder Muslime den Zugang zum Gottesdienst zu verwehren. Berichten zufolge sehen die Behörden es als Proselytismus an, wenn eine christliche Kirche einem Muslim erlaubt, die Kirche zu betreten. Evangelikale Gottesdienste bleiben auf Sonntag [Werktag] beschränkt. Sowohl die armenischen, assyrischen und auch evangelikalen Christen wurden dazu gezwungen, ihre Gottesdienste auf Farsi zu beenden. Mitglieder von evangelikalen Kongregationen müssen Mitgliedsausweise mit sich führen und Kopien dieser müssen den Behörden übergeben werden. Sicherheitspersonal, das vor den Kirchen postiert ist, führen Identitätskontrollen der Gläubigen durch. Offizielle Berichte und die Medien charakterisierten die christlichen Hauskirchen weiterhin als "illegale Netzwerke" und "Zionistische Propagandainstitutionen". Verhaftete Hauskirchenmitglieder werden oft beschuldigt, von feindlichen Ländern unterstützt zu werden (US DOS 28.7.2014).
Im FFM Bericht des Danish Immigration Service wird von mehreren Quellen berichtet, dass sich Konvertiten in Bezug auf ihren Religionswechsel eher ruhig verhalten, um keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu lenken. Wenn aber ein Konvertit z.B. in Hauskirchen aktiv ist oder missioniert, können sich Probleme mit Behörden ergeben. Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. Seit 1990 gab es keinen Fall mehr, indem ein Konvertit wegen Apostasie exekutiert worden wäre. Der letzte Apostasie Fall war jener von Youssef Naderkhani, einem Pastor der Kirche von Iran, der international großes Medienecho hervorrief. Der FFM Bericht berichtet weiter, dass ab 2009-2010, als Naderkhanis Fall aufkam, Gerichte vom Regime unter Druck gesetzt wurden, Apostasieanklagen gegen Konvertiten zu verwenden. Die Gerichte wären aber eher zögerlich gewesen, da Apostasiefälle den religiösen Gerichtshöfen vorbehalten waren. Religiöse Gerichtshöfe waren die einzigen die Apostasiefälle verhandeln durften und demzufolge würde eine Anklage wegen Apostasie nur bei einem konvertierten Kleriker zur Anwendung kommen. Stattdessen würden Gerichte, die nicht den religiösen Gerichtshöfen zuzurechnen sind, Konversionsfälle eher mit Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung als Apostasie bearbeiten. Die einzige größere Änderung seit 2011 wie die Behörden Konvertiten zum Christentum behandeln scheint darin zu bestehen, dass Apostasie nicht auf christliche Konvertiten anwendbar sei. Die iranischen Behörden gaben von 2009 bis 2011 offiziell bekannt, dass Hauskirchen in direkter Verbindung mit ausländischen Bewegungen stehen, beispielsweise mit zionistischen Bewegungen oder Organisationen im Ausland, z.B. in den USA. Das Regime sieht die Anstrengungen der evangelikalen Bewegungen als Angriff gegen das iranische Regime an. Als Ergebnis werden evangelikale Kirchen und Hauskirchen als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen. Diese Sichtweise erklärt auch, dass einige Fälle von Konversionen, im speziellen von Führern von Hauskirchen, ebenso Anklagen, die eher politischer Natur sind, beinhalten. In Bezug auf Naderkhani gibt Christian Solidarity Worldwide im FFM Bericht des Danish Immigration Service an, dass laut ihren Informationen Naderkhani weiterhin als Pastor in Rasht tätig ist. Seitdem Naderkhanis Anklage gekippt wurde, gab es keine Apostasieanklage gegen Christen im Iran. Heutzutage sind alle Anklagen gegen Konvertiten und Pastoren/Hauskirchenführer von politischer Natur, immer im Zusammenhang mit Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Spionage, einschließlich Verbindungen zu ausländischen Organisationen und Feinden des Islam. Auch werden Konvertiten häufig mit sehr vagen und weit definierten Anklagen wie z.B. "Bildung einer illegalen Gruppierung", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch illegale Versammlungen" und anderen Anklagen, die ähnlich unpräzise und eine große Bandbreite an Aktivitäten umfassen können, angeklagt (DIS 23.6.2014).
6. Behandlung nach Rückkehr
Allein der Umstand, dass eine Person im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, löst keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr nach Iran aus. Es kann in Einzelfällen aber zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, besonders zu Kontakten während dieser Zeit. Die Befragung kann in Ausnahmefällen mit einer ein bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressionen ausgesetzt waren. Auch wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Es gibt derzeit keine Hinweise auf eine diesbezügliche Veränderung der Lage. Nach Angaben des Chefs der Judikative können Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, von den iranischen Auslandsvertretung ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Mit dieser gesetzlichen Wiedereinreise werde die frühere illegale Ausreise legalisiert. Personen, die während des Krieges illegal das Land verlassen haben, ohne den Wehrdienst abzuleisten, könnten mit Passersatzpapieren zurückkehren, wenn sie während ihres Aufenthaltes im Ausland nicht gegen Iran aktiv gewesen sind. Die iranischen Behörden bestehen darauf, dass ein Heimreisedokument von der zuständigen iranischen Auslandsvertretung ausgestellt wird. Diese wiederum haben Anweisung, jedem Iraner, der bei ihnen vorspricht und freiwillig die Ausstellung eines Reisepasses beantragt, einen solchen auszustellen. Dies gilt auch für Personen, die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Außerdem wird der zweifelsfreie Nachweis der iranischen Staatsangehörigkeit verlangt. Soweit Repressionen praktiziert werden, geschieht dies landesweit unterschiedslos.
Ausweichmöglichkeiten bestehen somit nicht (AA 11.2.2014).
Rückkehrer erhalten keine staatlichen Leistungen, es existieren jedoch wohltätige Organisationen, die eine Grundversorgung bereitstellen. Die Pflege von Angehörigen erfolgt üblicherweise innerhalb des Familienverbandes; der Betreuungsstandard in einem staatlichen Pflegeheim liegt unter dem in Deutschland üblichen Standard. Wegen des Platzmangels in diesen Heimen ist es schwierig, dort aufgenommen zu werden (AA 11.2.2014).
II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat:
Der BF war ursprünglich Moslem. Der BF wurde insgesamt 18 Monate einmal wöchentlich auf die Taufe vorbereitet und wurde am 8.4.2018 römisch-katholisch getauft. Der BF ist praktizierender Angehöriger der römisch-katholischen Kirche und beteiligt sich aktiv am christlichen Leben.
Im Fall der Rückkehr in den Iran kann zum Entscheidungszeitpunkt im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Iran keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt.
2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Die Feststellungen zur Identität und zur Person des BF ergeben sich aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben. Mangels Vorlage eines iranischen Originallichtbildausweises konnte die Identität des BF nicht festgestellt werden.
II.2.2. Die festgestellten Ausführungen zu möglichen Verfolgungshandlungen seitens staatlicher Behörden bei der Rückkehr der BF in den Iran ergeben sich in Zusammenschau mit den getroffenen Länderfeststellungen zum Iran, welche nach wie vor Gültigkeit besitzen, den Angaben des BF und den vorgelegten Beweismitteln.
Der BF hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht glaubwürdig seine Religionszugehörigkeit, sein nunmehr umfassendes Wissen über das Christentum und vor allem seine Religionsausübung in diesem Kontext dargelegt.
Die Feststellungen zur Religionszugehörigkeit des BF bzw. seiner Religionsausübung beruhen insbesondere auf den im gegenständlichen Verfahren im Zuge der letzten mündlichen Verhandlung durchgeführten Erhebungen.
In dieser Verhandlung kam eindeutig zu Tage, dass insbesondere aufgrund des großen Interesses des BF für die christliche Religion, des Engagements innerhalb der christlichen Gemeinde, der Regelmäßigkeit der Gottesdienstbesuche sowie der nunmehr überdurchschnittlichen Kenntnisse des christlichen Glaubens kein Zweifel daran besteht, dass der BF aus innerer Überzeugung die Konversion vollzogen habt und dem christlichen Glauben angehört. Der Glaubenswechsel ist nunmehr als ernsthaft einzustufen. Eine Konversion zum Schein kann jetzt ausgeschlossen werden.
Bei einer Rückkehr in den Iran würde der BF nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben und würde er auch im Iran versuchen, den Nicht-Christen das Christentum näher zu bringen bzw. Missionierungsarbeit leisten. Im Falle einer Rückkehr in den Iran hat der BF aus diesem Grund mit Verfolgung zu rechnen.
Aufgrund des Umstandes, dass der BF seine Zugehörigkeit und seine Glaubensausübung im Bereich der römisch-katholischen Kirche glaubhaft machen konnte, war eine weitere Erörterung der Geschehnisse im Iran im Detail obsolet und erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung mit diesen.
Dem BFA ist allerdings dahingehend zuzustimmen, dass nicht glaubhaft war, dass sich der BF bereits im Iran dem Christentum zugewendet hat, zumal er bis zu seiner Ausreise völlig unbehelligt in der elterlichen Wohnung aufhältig sein konnte und seine Eltern strenggläubige Moslems sein sollen. Gab der BF beim BFA noch ausschließlich den Freund im Iran als seine Informationsquelle über das Christentum dar, so stellte er bei Gericht seinen in Österreich aufhältigen Onkel in den Vordergrund. Nicht glaubhaft ist weiter, wenn der BF bei Gericht behauptete, er habe zu Hause keine Möglichkeit gehabt, eine Bibel aufzubewahren, während er aber sehr wohl über soziale Medien (Skype, Facebook) über das Christentum kommuniziert haben will. Nicht glaubhaft darlegen konnte der BF bei Gericht auch, dass er im Iran per Haftbefehl gesucht würde und der (strenggläubige) Vater ihn darüber unterrichtet habe. Seine Angaben in diesem Punkt waren ebenfalls nur sehr allgemein und vage bzw. spekulativ. Vorgelegt konnte der Haftbefehl ebenfalls nicht werden.
Allerdings geht das Gericht im Gegensatz zum BFA davon aus, dass sich der BF seit seiner Ankunft in Österreich sehr intensiv mit dem christlichen Glauben und dessen Inhalten auseinandergesetzt und sich diese auch verinnerlicht hat, indem er beispielsweise 1 1/2 Jahre eine Taufvorbereitung durchlaufen hat, getauft wurde und regelmäßig den Gottesdienst besucht. Zudem waren die Kenntnisse des BF über das Christentum im Rahmen der mündlichen Verhandlung als über den Durchschnitt hinausgehend anzusehen, weshalb das Gericht letztlich zum Schluss kam, dass die Konversion des BF zum Christentum aus innerer Überzeugung erfolgte und als ernsthaft anzusehen ist.
II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen - sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges - handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten - immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen - allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werden - aufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, GZ. E10 414843-1/2010).