TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/13 W200 2121896-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.11.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §8 Abs1

Spruch

W200 2121896-2/42E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz über die Säumnisbeschwerde von XXXX , 01.01. XXXX , StA.

Afghanistan, am 10.02.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebracht, im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom 03.02.2015 gegen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, AZ 1051114101 zu Recht erkannt:

A) I. Der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz vom 03.02.2015

wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird der Antrag von XXXX auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen.

III. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

IV. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG idgF wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG 2005 idgF erlassen. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

V. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für seine freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger der pashtunischen Volksgruppe, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, verheiratet und Vater von sechs Kindern zu sein. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, dass sein Onkel, der auch sein Schwiegervater sei, Chauffeur der Familie XXXX sei, der jetzt Regierungsmitglied sei. Deshalb sei er vor ca. einem Jahr von den Taliban entführt und im Gebiet XXXX für fünf Tag festgehalten worden. Sie hätten ihn mit dem Umbringen bedroht, falls er ihnen seinen Onkel nicht übergeben werde. Sie hätten mit dessen Hilfe die Familie XXXX töten wollen. Nach seiner Freilassung aufgrund einer Bürgschaft von anderen sei er geflohen.

Am 10.02.2016 erhob der BF eine Säumnisbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht.

Im Rahmen der am 13.04.2016 durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des BVwG gab der BF an afghanischer Staatsbürger, Pashtune und Sunnite zu sein. Er stamme aus der Provinz Nangahar, Distrikt XXXX , Dorf XXXX , sei dort aufgewachsen und hätte dort bis zur Ausreise gelebt. Die Familie lebe immer noch dort. Er hätte nie die Schule besucht. Seine Eltern, Ehefrau und Kinder lebten noch in Afghanistan.

Die weitere Befragung des BF nahm den folgenden Verlauf:

VR: Schildern Sie mir Ihren Fluchtgrund in eigenen Worten.

BF: Ich hatte in Afghanistan einen eigenen Laden. Dort arbeitete ich ca. zehn bis 15 Jahre. Mein Problem war, dass mein Schwiegervater, der gleichzeitig auch mein Onkel mütterlicherseits ist, der Fahrer des XXXX war. Eines Tages habe ich am Abend meinen Laden abgeschlossen. Ich war auf dem Weg nachhause. Auf dem Weg nachhause wurde ich in meinem Dorf von vier vermummten Personen entführt. Sie haben mich mit dem Auto mitgenommen. Sie haben meine Augen zugebunden. Sie brachten mich zu einem anderen Dorf namens XXXX . Das liegt im Distrikt XXXX . Ich war dort 15 Tage in Gefangenschaft. Diese Leute haben mir gesagt, sie wollen, dass ich mit ihnen zusammenarbeite. Sie wollten das Auto meines Schwiegervaters mit Sprengstoff beladen, ich soll die Autos präparieren und mit Sprengstoff beladen.

VR: Wer hätte genau den Sprengstoff in das Auto geben sollen?

BF: Die haben mir gesagt, sobald ich das Auto habe, ich es ihnen sagen soll, damit sie diesen Leuten den Sprengstoff ins Auto geben sollen und nach der Abholung das Auto mit dem Sprengstoff wegfährt.

VR: Wieso kommen Sie zu den Autos?

BF: Ich hatte eine Autowerkstatt und habe die Autos von XXXX repariert. Es war eine ganz normale Arbeit.

VR: Welche Marke ist XXXX gefahren?

BF: Ich weiß nicht. Wir nennen diese Autos Picnic. Es war ein Toyota. Er war rot. Mit diesem Auto haben die Bodyguards seine Kinder und seine Familie herumgeführt.

VR: Mit welchem Auto ist XXXX selbst gefahren?

BF: Er hatte Landcruiser und Lexus.

VR: Haben Sie die auch repariert?

BF: Nur bei Kleinigkeiten.

VR: Wer ist XXXX ?

BF: Er ist ein Führer.

VR: Wo wohnt er?

BF: Derzeit in Paghman, er hat aber auch ein Haus in XXXX .

VR: Wo hat er gelebt, als Sie für die Autos zuständig waren?

BF: So wie heute. Entweder in Paghman oder in XXXX .

VR: Sie sind ja in Nangahar zuhause gewesen?

BF: Ja.

VR: Wo hat die Familie von XXXX gelebt?

BF: In Paghman.

VR: Warum wurden die Autos dann in Nangahar repariert?

BF: Weil Nangahar näher an der pakistanischen Grenze liegt und wir die Ersatzteile schneller

und günstiger bekommen haben als die Leute in Kabul. Außerdem hat der Fahrer nicht jedem vertraut, er ist zu mir gekommen, weil ich sein Schwiegersohn bin.

VR: Wie weit ist ihre Werkstatt vom jeweiligen Wohnsitz von XXXX entfernt?

BF: Man fährt ca. zwei, zweieinhalb Stunden von Kabul nach Jalalabad.

VR: Wie ist der Name Ihres Onkels?

BF: XXXX .

VR: Ich brauche alle Daten Ihres Onkels. Nennen Sie mir Vorname,

Nachname, Wohnadresse. BF: Mein Onkel lebt bei XXXX . Der ist den ganzen Tag bei ihm. Er ist schon seit 30 Jahren sein Fahrer. Mein Onkel hat auch eine Familie. Er hat eine Frau, sechs Töchter und zwei Söhne. Er heißt mit Stammesnamen XXXX . Den Familiennamen kenne ich nicht.

VR: Bei der Erstbefragung haben Sie gesagt, dass der XXXX Regierungsmitglied ist. Das ist er aber nicht.

BF: Er hat mit der afghanischen Regierung zu tun. Er hat einen höheren Rang als ein Minister.

VR: Ich will konkret wissen, wann der Vorfall passiert ist.

BF: Ein genaues Datum kenne ich nicht, weil ich ein Analphabet bin. Ich kann nicht einmal meinen Namen aufschreiben.

VR: Können Sie mir ungefähres Datum sagen? Jahr, Monat, Jahreszeit, vor oder nach dem Ramadan?

BF: Im Frühling vor zwei Jahren.

VR: Wie sind Sie entführt worden?

BF: Das ging sehr schnell. Ich bin mit dem Auto nachhause gefahren. Als ich rechts abbiegen wollte, standen dort vier Personen mit einem Pick-up. Sie haben mich aus dem Auto gezerrt und mitgenommen.

VR: Wie sind Sie transportiert worden?

BF: Sie haben mir die Augen zugebunden und ich musste mich zu ihnen ins Auto setzen und dann fuhren wir los.

VR: Wie groß ist XXXX ?

BF: XXXX ist ein großes Dorf. In XXXX hat die Regierung gar keine Macht.

VR: Wie lange sind Sie gefahren?

BF: Sie haben mir die Augen verbunden und mir mein Handy weggenommen. Ich hatte kein Zeitgefühl.

VR: Beschreiben Sie ganz genau, als das Auto stehen geblieben ist.

BF: Als ich ausgestiegen bin, haben sie mir die Augenbinde abgenommen und als ich links und rechts geschaut habe, standen überall diese Männer.

VR: Wen meinen Sie mit "diese Männer"?

BF: Sie haben sich nicht vorgestellt, ich wusste nicht, wer die sind.

VR: Welche Gruppierung gehörten sie an?

BF: Sie haben sich als Taliban bezeichnet.

VR: Was ist im Anschluss passiert?

BF: Wir waren bei einem Berg. Dort standen wir alle. Tagsüber haben sie mich eingesperrt und in der Nacht musste ich Munition und Waffen für sie auf den Berg tragen.

VR: Was war gleich, nachdem Sie die Männer gesehen haben?

BF: Ich hatte Angst um mein Leben. Ich habe nichts gemacht.

VR: Was haben die Männer gemacht?

BF: Den ersten Tag haben sie nichts gesagt. Erst am zweiten und dritten Tag haben sie mich befragt.

VR: Was ist passiert, gleich nachdem Sie ausgestiegen sind?

BF: Sie haben mich wo hinein gebracht und eingesperrt. Dort war eine Höhle im Berg. Dort haben sie mich hineingebracht. Ich bin dort gesessen.

VR: Waren Sie dort alleine?

BF: Ja.

VR: Gab es irgendwelche Einrichtungsgegenstände? Matratze?

BF: Dort gab es gar nichts. Sie haben mir die Hände und Füße zugebunden und ich bin einfach dort gesessen.

VR: Hat sich über Nacht niemand um Sie gekümmert?

BF: Man konnte nichts sehen. Es gab keine Elektrizität.

VR: Hat Ihnen wer was zu Essen oder Trinken gebracht?

BF: Man hat mir ein kleines Stück Brot auf den Boden geworfen und ich musste es aufheben. VR: Sie hatten doch die Hände zusammengebunden?

BF: Während sie mit das Brot auf den Boden geworfen haben, haben sie mir die Fesseln von den Händen abgenommen, es stand aber dann dauernd wer neben mir.

VR: Wo waren Sie am WC?

BF: Wenn man auf die Toilette gehen musste, habe ich nach ihnen gerufen. Hin und wieder sind die aufgetaucht, hin und wieder musste ich meine Notdurft dort verrichten.

VR: Mit gefesselten Armen und Beinen?

BF: Dort war ja niemand. Wenn sie gekommen sind, haben sie mir die Fesseln abgenommen und ich konnte aus der Höhle rausgehen und dort auf die Toilette gehen. Wenn sie nicht gekommen sind, musste ich die Notdurft in der Höhle verrichten.

VR: Das hat mit gefesselten Armen und Beinen funktioniert?

BF: Nein.

VR: Konnten Sie aufstehen?

BF: Nein. Ich konnte nicht aufstehen.

VR: Sie mussten in die Hose machen?

BF: Ich hatte eine afghanische Tracht an. Ich habe einfach in meine Kleidung gemacht.

VR: Was hat man Ihnen gesagt, als man zum ersten Mal mit Ihnen gesprochen hat?

BF: Das was ich ihnen gesagt habe. Sie haben gesagt entweder wir werden mit deiner Hilfe diesen Mann töten, oder wenn du uns nicht unterstützt, werden wir dich töten.

VR: Was haben Sie dann gesagt?

BF: Ich hatte Angst um mein Leben, darum hatte ich keine andere Wahl als ihnen zu sagen, dass ich das machen werde.

VR: Warum wurden Sie dann 15 Tage angehalten, wenn sie gleich zugesagt haben.

BF: In diesen 15 Tagen haben sie einen Plan erstellt. Ich habe ihnen ja auch gesagt, dass ich nicht weiß, wie ich das anstellen soll.

VR: Hat man mit Ihnen den Plan besprochen oder hat man Ihnen genau aufgetragen was sie zu tun haben?

BF: Über die Pläne die sie im inneren Kreis beschlossen haben, habe ich nichts mitbekommen. Es sind immer wieder einzelne Personen zu mir gekommen und haben mir gesagt, dass ich das so machen soll und ein anderer hat gesagt, dass ich das so machen soll. Zum Schluss haben sie dann gemeinsam einen Plan beschlossen.

VR: Bei der Erstbefragung haben Sie ausgesagt, dass sie 5 Tage festgehalten wurden. Heute sagen Sie 15 Tage.

BF: Ich habe 15 gesagt. Kann sein, dass er sich verhört hat.

VR: Wie sind Sie dann freigekommen?

BF: Ich habe dann mit meiner Familie telefoniert und ihnen gesagt, dass ich bei denen bin. Meine Familie hat dann mit den Dorfältesten gesprochen und die haben dann mit den Taliban telefoniert. Die haben um meine Freilassung gebeten und dann haben sie mich freigelassen.

VR: Das ist unlogisch, weil sie hätten Sie ohnehin freilassen müssen, sonst hätten Sie den Plan ja nicht ausführen können.

BF: Sie haben jemanden gebraucht, der für mich bürgt. Die Dorfältesten haben für mich gebürgt.

VR: Wie sind Sie dann nachhause gekommen?

BF: Gar nicht. Ich bin direkt ausgereist.

VR: Direkt von der Höhle?

BF: Ich bin in die Stadt Jalalabad gefahren. Ich habe dann in Jalalabad meinen Schwiegervater angerufen und ihm gesagt, dass ich freigelassen wurde und gefragt, was ich tun soll. Mein Schwiegervater hat mit mir geschimpft. Er hat mir vorgeworfen, dass er wegen mir Probleme hätte. Wenn die Taliban mich nicht umbringen würden, würde er es selbst tun.

VR: Wie sind Sie nach Jalalabad gefahren?

BF: Ich bin in einem Miettaxi gefahren. Als ich von der Höhle freigelassen wurde, haben mir die Taliban gesagt, ich soll weiter runter gehen. Dort würden sich genügend Miettaxis befinden.

VR: Was wirft Ihr Schwiegervater Ihnen vor?

BF: Mein Schwiegervater hat mir vorgeworfen, ich hätte ihn verraten und dass ich gemeinsam mit den Taliban einen Plan geschmiedet hätte, um deren Plan durchzuziehen.

VR: Wo sind Ihre Frau und die Kinder?

BF: Sie sind in meinem Heimatdorf. Mein Schwiegervater lebt nicht dort.

VR: Haben Sie den Vorfall angezeigt?

BF: Ich bin ausgereist, mein Vater hat dann Anzeige erstattet. Mein Vater wurde auch zusammengeschlagen.

VR: Gibt es Unterlagen darüber?

BF: Die Anzeige habe ich bereits vorgelegt und auch einen Drohbrief.

RV: Der BF hat zwei Mal von seinem Onkel gesprochen?

D: Er hat nur von einem Onkel gesprochen. Es ist immer der Onkel mütterlicherseits.

VR: Was ist Ihrem Vater passiert?

BF: Mein Vater war in der Moschee um zu beten. Dort haben sie ihn zusammengeschlagen. Jetzt ist der halbseitig gelähmt.

VR: Wann ist das passiert?

BF: Als ich in Griechenland in Haft war.

VR: Wie lange war das ungefähr nach Ihrer Ausreise?

BF: Ich weiß es nicht mehr. Ich bin gleich an dem Tag, als ich freigelassen wurde, ausgereist. Von Jalalabad über Kabul in den Iran.

VR: Sie haben es erst in Griechenland erfahren? Wo haben Sie es erfahren?

BF: Ja.

VR: Ihr Vater ist XXXX ?

BF: Ja.

VR: Adresse des Vaters?

BF: Mein Vater wohnt in meinem Heimatdorf.

D: Es gibt nur den oberen Teil des Dorfes, den Unteren oder in der Nähe der Moschee.

BF: Wir sind genau in der Mitte, im Zentrum des Dorfes.

VR: Ihre Mutter lebt auch noch?

BF: Ja. Meine Frau und die Kinder leben auch bei meinen Eltern.

VR: Haben Sie Ihren Onkel informiert?

BF: Ich habe seit dem nicht mehr mit ihm gesprochen.

VR: Hat Ihr Vater oder Ihre Mutter den Onkel informiert?

BF: Meine Eltern haben nicht mit ihm gesprochen. Erst als ich in Griechenland angekommen bin hat die gesamte Familie erfahren, dass ich das Land verlassen habe.

VR: Ihre Familie hat erst dann erfahren, dass sie nicht mehr in Afghanistan sind, als Sie in Griechenland waren?

BF: Erst als ich in Griechenland angekommen bin, habe ich gesagt, dass ich nicht mehr in Afghanistan bin.

VR: Ihr Onkel weiß immer noch nichts von diesem Plan?

BF: Mein Onkel weiß es jetzt. Er ist zu uns nachhause gekommen und meine Familie hat es ihm erzählt.

RV: Wie lange war die Reise von Afghanistan nach Griechenland?

BF: Ich war ca. ein Monat unterwegs.

RV: Gibt es ein anderes Problem mit den Taliban in Ihrem Heimatdorf?

BF: Davor hatte ich kein Problem mit den Taliban. Ich war den ganzen Tag arbeiten und bin in der Nacht nachhause gekommen. Am nächsten Tag war ich wieder bei der Arbeit. Es gab

allgemein Probleme mit den Taliban. Durch die Anschläge wurden unschuldige Menschen getötet.

RV: Waren Sie alleine in der Höhle?

BF: Ja, am nächsten Morgen habe ich zwei Personen dort gesehen, die Hände und Füße ebenfalls gefesselt hatten. Es waren Mitarbeiter der Kabul-Bank.

RV: Wissen Sie warum?

BF: Sie wussten es selbst nicht. Die zwei Personen haben mir gesagt, dass sie auf der Hauptstraße angehalten und mitgenommen wurden.

VR: War es schon finster, als Sie entführt wurden?

BF: Ja. Es war dunkel.

VR: Sie wurden in die Höhle gebracht, und am Weg zur Höhle und in der Höhle war es dunkel?

BF: Am Weg zur Höhle war es dunkel. Als ich zur Höhle gebracht wurde, war es finster.

VR: Waren Sie tagsüber in der Höhle?

BF: Ja. Es war auch tagsüber dunkel.

VR: Wie konnten Sie dann die beiden Bankmitarbeiter sehen?

BF: Als wir in der Nacht gemeinsam hinaus durften, habe ich sie gesehen und mich mit ihnen unterhalten. Diese beiden haben auch die Munition den Berg hinauf getragen.

VR: Ist Ihr Onkel noch immer für die Familie XXXX tätig?

BF: Ich habe das letzte Mal mit ihm telefoniert als ich in Afghanistan war. Seit dem weiß ich nichts von ihm.

VR: Haben Sie mit ihrer Familie Kontakt?

BF: Ja.

VR: Die Familie weiß es auch nicht?

BF: Das haben sie mir nicht erzählt. Sie haben nur gesagt, dass mein Schwiegervater sich sehr aufgeregt hat und wütend war.

VR: Sind Sie mit der Durchführung von personenbezogenen Recherchen in ihrem Heimatland einverstanden?

BF: Ja.

Das BVwG beauftragte einen Sachverständigen folgende vom

Beschwerdeführer aufgestellte Behauptungen zu überprüfen:

1. Der BF war wohnhaft in XXXX , Distrikt XXXX , Nangahar (Dorfzentrum).

2. Der Vater, XXXX , whft. ebenfalls in XXXX , ist halbseitig gelähmt, weil er in der Moschee zusammengeschlagen wurde. Die Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers wohnen bei den Eltern des BF im Heimatdorf.

3. Der Onkel des BF (= XXXX des BF) namens XXXX , XXXX XXXX war/ist seit 30 Jahren Fahrer des XXXX . Die Familie des Onkels (Onkel, dessen Frau, 6 Töchter, 2 Söhne) wohnt bei XXXX .

4. Der BF ist Mechaniker, besaß eine Werkstatt, war selbständig berufstätig, reparierte und wartete die Fahrzeuge von XXXX (hauptsächlich Toyota Picnic), mit denen die Familie von XXXX transportiert wurde.

5. Der BF wurde ca. im Februar 2014 am Heimweg von der Werkstatt von den Taliban entführt und 5 Tage in XXXX in einer Höhle angehalten. Man wollte ihn zwingen ein Auto von XXXX in seiner Werkstatt mit Sprengstoff zu beladen.

6. Er wurde nach einem Telefonat zwischen den Dorfältesten und den Taliban freigelassen, da die Dorfältesten für ihn gebürgt hatten.

7. Er kehrte nach der Freilassung nie mehr in sein Heimatdorf zurück, sondern reiste unverzüglich nach der Freilassung aus.

Das Ergebnis der Recherchen vom 10.08.2016 lautet folgendermaßen:

"Vorgangsweise bei der Erhebung

Die Erhebungen und Befragungen erfolgten im Zeitraum vom 10. Juli bis 8. August 2016 und wurden von mir persönlich unter Zuhilfenahme eines erfahrenen und absolut zuverlässlichen Mitarbeiters in Kabul, Jalalabad und XXXX , Distrikt XXXX , Nangahar durchgeführt.

Basierend auf den Zeitangaben des Bf wurde der Zeitraum 2010 bis 2015 betrachtet.

Erhebungen wurden durchgeführt in:

Kabul: Verkehrspolizei, Zentrale Taskira Behörde

Jalalabad: Verkehrspolizei, Taskira Behörde

XXXX , Distrikt XXXX , Nangahar: Dorfälteste, Polizei, Moschee

Es wurde immer mit Vorname und Nachnahme aller genannten Personen gesucht sowie ähnlichen Schreibweisen.

Die Erhebungen und Befragungen wurden unter strikter Anonymität des Bf und des Grundes der Recherche durchgeführt. Die Befragungen wurden von mir und meinen Dari und Paschtu sprechenden Mitarbeiter durchgeführt.

Folgende Unterlagen wurden vom Gericht zur Verfügung gestellt:

-

Rechercheauftrag vom 29.6.2016

-

Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2016

-

Erstbefragung nach AsylG vom 3. Februar 2015

Befund:

1. Der BF war wohnhaft in XXXX , Distrikt XXXX , Nangahar (Dorfzentrum).

Der BF ist bekannt ebenso seine Familie allerdings ist der BF und seine Familie schon vor Jahren weggezogen (Zeitangaben schwanken zwischen 5 und 10 Jahren, sowie die Angaben wohin die Familie gezogen ist - nach Kabul oder Peshäwar).

2. Der Vater, XXXX , whft. ebenfalls in XXXX , ist halbseitig gelähmt, weil er in der Moschee zusammengeschlagen wurde. Die Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers wohnen bei den Eltern des BF im Heimatdorf.

Punkt 1 gilt auch für Vater, der genannte Vorfall in der Moschee ist nicht bekannt.

3. Der Onkel des BF (= XXXX des BF) namens XXXX , Stammesname XXXX war/ist seit 30 Jahren Fahrer des XXXX . Die Familie des Onkels (Onkel, dessen Frau, 6 Töchter, 2 Söhne) wohnt bei XXXX .

Ein Mann mit den Namen des angegebenen Onkels hat nie als Fahrer von XXXX gearbeitet, diese wurde von mehreren Personen aus dem Umkreis der Familie XXXX bestätigt.

4. Der BF ist Mechaniker, besaß eine Werkstatt, war selbständig berufstätig, reparierte und wartete die Fahrzeuge von XXXX (hauptsächlich Toyota Picnic), mit denen die Familie von XXXX transportiert wurde.

Diese Angaben können nicht bestätigt werden. Es konnten keine Informationen über den Beruf oder der Arbeit des BF gefunden werden.

5. Der BF wurde ca. im Februar 2014 am Heimweg von der Werkstatt von den Taliban entführt und 5 Tage in XXXX in einer Höhle angehalten. Man wollte ihn zwingen ein Auto von XXXX in seiner Werkstatt mit Sprengstoff zu beladen.

Alle befragten Personen können sich an den geschilderten Vorfall nicht erinnern bzw. dass es einen solchen gegeben hat.

6. Er wurde nach einem Telefonat zwischen den Dorfältesten und den Taliban freigelassen, da die Dorfältesten für ihn gebürgt hatten.

Gespräche mit den Dorfältesten ergaben keine Anhaltspunkte für die Angaben des BF. Die Dorfältesten verneinten Kontakte dieser Art mit den Taliban.

7. Er kehrte nach der Freilassung nie mehr in sein Heimatdorf zurück, sondern reiste unverzüglich nach der Freilassung aus.

Dazu können - siehe Punkte 1 bis 6 - keine Angaben gemacht werden.

Führerschein: der Führerschein ist gültig und registriert

Taskira: Taskira ist registriert, aber mit den Vermerk versehen, das die Taskira nicht legal erworben wurde, da der Bf nicht persönlich anwesend war und daher nach afghanischen Recht die Taskira nicht gültig ist (Aussage eines Sachbearbeiters: "Taskira wurde gekauft").

Zusammenfassung:

Trotz intensiver Recherche und Ausnützung aller Kontakte konnten keine Hinweise gefunden werden, welche die Angaben des Bf bestätigen (Der SV kennt die Gegend auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit seit 2010 - und auch die Dorfältesten, andere Entscheidungsträger sowie die Sicherheitssituation sehr gut). Die Angaben des Bf können nur hinsichtlich seiner Angaben einmal in XXXX , Distrikt XXXX , Nangahar (Dorfzentrum) gewohnt zu haben, bestätigt werden. Die Angaben betreff des Fluchtgrundes sind nicht bestätigbar, da eine Überprüfung keine Anhaltspunkte für die vom Bf gemachten Angaben ergaben.

Der Führerschein ist registriert und gültig, die Taskira wurde ausgestellt ist, aber nicht gültig."

Im Zuge der Verhandlung am 06.10.2016 wurde der BF und seine Vertreterin (in weiterer Folge BFV) darauf hingewiesen, dass laut dem Rechercheergebnis der von ihm geschilderte Sachverhalt nicht mit den Tatsachen übereinstimmt und aufgeforderte Fragen an den Sachverständigen (in weiterer Folge SV) zu stellen.

Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:

"BFV: Sie haben geschrieben, dass die Erhebungen vom 10.07.- 08.08.2016 stattgefunden haben (S. 2). Können Sie schildern, waren Sie persönlich vor Ort? Wenn ja, wo?

SV: Es steht hier, dass die Erhebungen persönlich von mir durchgeführt wurden. Ich war XXXX , im gesamten Distrikt unterwegs. Ich kenne den XXXX Distrikt seit 2009 persönlich und sehr viele Entscheidungsträger im Distrikt, da unsere Firma dort einen Lieferanten hat, der in einem Parkhaus Obst und Gemüse liefert.

VR: Bitte schildern Sie uns Ihre Firma.

SV: Unsere Firma befasst sich mit der Versorgung der internationalen Gemeinschaft (Truppen, Botschaften) mit Lebensmitteln. Wir sind nicht im militärischen Bereich tätigt. Die Firma nennt sich International Emergency Services und benützt in Afghanistan lokale Firmen. Wir sind überall lokal vertreten.

BFV: Das ist mir neu.

SV: Ich bin seit 2009 in Afghanistan tätig und wohnte auch dort. Seit 2014 lebe ich in Dubai, bin aber im Monat zwei Wochen in Afghanistan.

BFV: Sind Sie als Vertreter dieser Firma im Zuge dieser Erhebungen aufgetreten?

SV: Nein, ich bin als Privatperson XXXX aufgetreten. Ich bin bekannt. Es geht aber bei meiner Arbeit darum, die Anonymität des BF aufrecht zu erhalten. Das ist insofern gut möglich, da Sicherheit für unsere Firma ein großes Anliegen ist und wir uns mit Sicherheit sehr viel befassen. Ich komme gerade aus Afghanistan. Ich war in einer anderen Angelegenheit in Jalalabad. Da gab es eine Sicherheitskonferenz Ost und dort wurden alle Fälle, die Taliban und Aufständige betrifft, besprochen.

VR: Sind Sie nur für Verfahren in Österreich tätig?

SV: Ich bin auch für andere EU-Länder tätig, ich möchte aber aus Sicherheitsgründen nicht in der Öffentlichkeit sagen für welche. Ich bin auch für andere Verfahren - nicht nur Asylverfahren - tätig.

BFV: Seit wann sind Sie als Sachverständiger tätig?

SV: Als allgemein-beeideter-und-gerichtlich-zertifizierter SV seit Mai 2009 (Schreibfehler - korrekt 2016), vorher seit 2009 in Afghanistan.

BFV: Sie haben vorher erzählt, dass Sie unter Achtung der Anonymität die Befragungen führen, haben aber gleichzeitig in der Vorgangsweise der Erhebung geschrieben, dass Sie mithilfe der Nennung der Vor- und Nachnamen aller genannten Personen gesucht hätten. Wie geht das?

SV: Das geht. Sie haben nicht immer die Chance, einen Führerschein oder eine Taskira zu bekommen, die leicht zu überprüfen haben. Sie haben in Afghanistan das Problem der Schreibweisen. Das Problem der Dolmetscher bei uns, dass die Namen der BF nicht korrekt protokolliert werden. Ich setze mich mit meinen Mitarbeiten zusammen und bespreche mit ihnen die Möglichkeit der Schreibweisen und dann versuchen wir im Register mehrere Daten einzugeben.

VR: Wer gibt das dort ein?

SV: Meine Mitarbeiter oder ein zuständiger Polizist, der vielleicht Englisch kann.

BFV: Gibt es ein öffentlich zugängliches Register?

SV: Nein. Aber es gibt bei der Polizei und dem Militär Datenbanken, auf die Berechtigte Zugriff haben. Da unsere Firma ein berechtigtes Sicherheitsinteresse in Afghanistan hat, haben wir darauf Zugriff.

BFV: Direkt von Ihrem PC aus?

SV: Nicht von meinem. Aber von Firmencomputern. Geht es um sensible Daten, müssen wir persönlich zu den Behörden.

BFV: Mir war nicht bekannt, dass es ein Gesamtregister gibt, das computerisiert ist.

SV: In Afghanistan wurde 2002/2003 ein Datenregister aufgebaut, das weitgehend gar nicht bekannt ist. Wo die USA vor Ort sind oder beteiligt sind, gibt es eine Fülle von Daten. Das Problem ist nur, einen Zugriff auf die Daten zu bekommen. Das ist der Sicherheitsbereich. Im Zivilbereich sind Taskiras und Führerscheine weitgehend erfasst. Das Problem ist, dass sie in den Datenbanken auch die Fälschungen oft aufscheinen. Sie sehen aber an meiner Erhebung, dass die Taskira, die der BF vorgelegt hat, eine völlig normal ausgestellte Taskira ist. Nur hat man bei der Überprüfung festgestellt - nicht im Anlassfall, sondern davor - dass der BF die Taskira nicht persönlich abgeholt hat und diese deshalb nach neuem afghanischem Recht nicht gültig ist.

Der vorgelegte Führerschein ist gültig und registriert. Es gibt eine Unmenge von Daten, man muss nur wissen, wie man sie bekommt und wo man sie sucht.

BFV: Soweit mir von anderen Experten und einem SFH-Bericht bekannt ist, ist die Sorgfalt und Registrierung von Dokumenten in Afghanistan mit dem Standard in Europa vergleichbar. Können Sie das bestätigen?

SV: Nein, das würde ich ablehnen.

BFV: Können Sie ausschließen, dass es Fehler in der Ausstellung gibt und dies nicht automatisch den Rückschluss zulässt, dass es sich um Fälschungen oder andere Unregelmäßigkeiten handelt?

SV: Nein. Ich würde es nicht sagen, dass es einen großen Unterschied gibt bei der Ausstellung der Dokumente und Führung der Datenbänke. Was anders ist, ist die hohe Korruption und sie können Dokumente sehr einfach kaufen. Das zeigt nichts über die Dokumente und die Qualität der Datenbanken aus.

VR: Das heißt, man kann echte Dokumente kaufen?

SV: Ja. Danach werden diese auch in die Datenbanken eingetragen.

VR an BFV: Ich zweifle nicht an der Identität des BF aufgrund des vorgelegten Führerscheins.

BFV: Zur Taskira: Sie haben angegeben, dass Sie in Kabul bei einer "Zentrale Taskira Behörde" recherchiert haben (S. 2). Wurde auch im Distrikt bei der zuständigen Behörde recherchiert?

SV: Selbstverständlich. Die Taskira werden im Distrikt, in der Provinz und zentral erfasst. Wir haben überall gefragt.

BFV: Wie haben die Befragungen stattgefunden?

SV: Die Mitarbeiter sind mit der Kopie der Taskira im Distrikt und in der Provinz gewesen und haben gefragt, ob es diese Taskira wirklich gibt und ob diese registriert ist. Ich war selbst in Kabul in der zentralen Behörde, weil mich dieser Vermerk "nicht legal erworben" (S. 3) interessiert hat. Da mir das nicht bekannt war und der zuständige Beamte und Behördenleiter hat mir gesagt, dass sie dabei wären, alle Taskira zu überprüfen. Eine Frage ist, ob der Besitzer diese persönlich abgeholt hat.

BFV: Ich wüsste gerne, um wen es sich bei Ihrem "erfahrenem und absolut zuverlässigem Mitarbeiter" (Zitat von S. 2) handelt, welche Qualifikation er aufweist und welche Herkunft und Ethnie er hat?

SV: Zum Namen kann nicht nichts sagen. Den stelle ich gerne dem Gericht zur Verfügung, möchte ihn aber nicht öffentlich diskutieren. Er ist Paschtune, Sunnit, hat einen Universitätsabschluss aus Afghanistan und arbeitet seit 2009 mit mir zusammen. Generell habe ich für alle Ethnien einen Mitarbeiter (Ich habe vier Mitarbeiter -Paschtune, Hazari, Tadschiken.)

BFV: Sie wissen aber nicht, ob er aus Nangahar kommt?

SV: Er kommt aus Kabul und lebt auch dort.

BFV: Gibt es Gesprächsprotokolle oder andere Dokumentationen über Ihre Erhebungen?

SV: Es gibt eine lückenlose Dokumentation über alle Gespräche, Gesprächspartner und Gesprächszeitpunkt, sowie Zusammenfassungen von allen Gesprächen.

BFV: Sie sind nicht Inhalt der Recherche.

SV: Dem Gericht stelle ich gerne alles zur Verfügung, für die Öffentlichkeit kann ich sie aufgrund der Sicherheitsbedenken meinen Mitarbeitern und der befragten Person gegenüber nicht zur Verfügung stellen.

BFV: Die Nachvollziehbarkeit wird dadurch erschwert. Daher meine konkrete Frage: Die Antwort auf Punkt 1 (S. 3): Von wem wurde bekannt gegeben, dass die Familie weggezogen ist bzw. falls Sie den Namen nicht nennen können, wie wurden die Erhebungen durchgeführt? Welche Quelle hatten Sie dafür?

SV: Wir haben Polizisten, Dorfälteste und Personen nahe der Moschee befragt. Näheres kann ich nicht bekannt geben, weil in einem Anlassfall, bei dem ich die Namen der befragten Personen bekannt gegeben habe, diese durch Verwandte des BF massiv bedroht wurden. Ich kann deshalb konkret keine Namen nennen.

VR: Gab es in unserem Fall unterschiedliche Angaben von den befragten Personen?

SV: Nein.

VR: Nur die Zeitangaben haben geschwankt?

SV: Ja. Wo die Familie sein könnte, gab es Vermutungen.

BFV: Sie haben diesbezüglich auch Personen rund um die Moschee gefragt. Sie sind aber nicht in die Nähe oder die Nachbarschaft des Wohnsitzes der Familie gegangen bzw. haben versucht, die Familie dort ausfindig zu machen?

SV: Auf Punkt 3 der Seite 3 haben wir auch mit Personen aus dem Umfeld von XXXX , den der BF als Grund der Flucht genannt hat, gesprochen.

VR: Haben Sie in dieser Ortschaft die Familie konkret gesucht?

SV: Ja. Aber wir haben dort niemanden gefunden. Aus den Gesprächen mit der Polizei, bei der Moschee und den Dorfältesten wurde niemand gefunden, der annähernd der Familie des BF entsprechen könnte.

BFV: Aber Sie haben nicht in den unterschiedlichen Ortsteilen gefragt?

SV: Ich kann mich nicht frei bewegen. Meine Mitarbeiter sind allen Angaben, die sie von der Moschee, den Dorfältesten und der Polizei erhalten haben, nachgegangen, um herauszufinden, wo sich die Familie aufhält. Es gab bei den Angaben des BF zwei Hauptpunkte: Dass der Onkel, der XXXX bei XXXX gearbeitet hat und zweitens, dass der BF von den Taliban entführt wurde. Zu diesen Angaben konnte keine Bestätigung gefunden werden. Man muss es sich wie eine Pyramide vorstellen. Diese beiden Fragen waren die Ansatzpunkte. Wir haben versucht, den Onkel, den Vater, die Werkstätte, wo der BF gearbeitet hatte, zu finden. Es gab dazu keine Anhaltspunkte.

BFV: Aber auch nichts Gegensätzliches?

SV: Nein. Gar nichts. Wesentlich ist allerdings anzumerken, dass dieser Distrikt nicht sehr groß ist. Die Polizei schätzt ungefähr 150.000 Einwohner. In der starken Vernetzung paschtunischer Familien ist es sehr unwahrscheinlich, keine Anhaltspunkte zu finden und wie Sie der Beantwortung meiner Frage 1 entnehmen konnten, können Sie ersehen, dass die Familie bekannt war (S. 3).

BFV: Sie haben auch erwähnt, "Ich kann mich nicht frei bewegen", kann ich daraus schließen, dass es ein gewisses Sicherheitsrisiko in der Gegend gibt?

SV: Es gibt ein Sicherheitsrisiko für Ausländer. Das muss man sich so vorstellen, dass es gewisse Tage gibt, an denen es nicht ratsam ist, hinzufahren. Aber das ist nicht immer so.

VR: Gibt es konkrete Tage?

SV: Es gibt Hinweise der Sicherheitsbehörden, dass eine Gefahr besteht. Wir prüfen immer vor der Anreise, ob es empfehlenswert ist oder nicht. In diesem Fall hatten wir eine kurzfristige Warnung, aber nur für Ausländer. Das ist ein großes Problem in Afghanistan, dass die Sicherheitssituation nur für Ausländer bewertet wird.

BFV: Gibt es Ihrer Meinung nach auch gewisse Vorbehalte gegenüber Fremden allgemein? Ich meine damit auch nichtortsansässige Mitarbeiter.

SV: Das würde ich verneinen. Ich halte die Afghanen für das gastfreundlichste Volk der Welt.

BFV: Aber gibt es Ihrer Meinung nach auch keine Probleme bezüglich Spitzelwesen und Misstrauen?

SV: Nein, absolut nicht.

BFV: Bezüglich Ihrer Befragungen: Darf man wissen, welche Personen aus dem Umkreis der Familie XXXX (siehe Punkt 3) befragt wurden?

SV: Kann ich wieder nur das gleiche sagen wie zuvor. Ich kann dem Gericht die Namen bekannt geben. Für die Öffentlichkeit kann ich die Namen des Befragten und der Fragenden nicht bekannt geben. XXXX sitzt im Parlament.

BFV: Darf ich daher auch davon ausgehen, dass ein gewisses Sicherheitsrisiko für Personen im Umkreis von XXXX besteht und davon auszugehen ist, dass ein gewisses Sicherheitsbedanken der befragten Personen gibt und nicht freizügig über Angestellte und Personen im Umkreis von XXXX Auskunft gegeben wird?

SV: Da kann ich Ihnen teilweise Recht geben. Es gibt ein sehr hohes Risiko für afghanische Parlamentarier. Was die Auskunftsfreudigkeit angeht, gibt es hier keine Einschränkungen. Ich kenne XXXX persönlich von einigen Treffen, aber nicht im Zusammenhang mit dieser Befragung.

VR: Warum gibt es Ihnen gegenüber keine Einschränkung der Auskunftsfreudigkeit?

SV: Es gibt generell keine Einschränkung der Auskunftsfreudigkeit.

VR: Geben diese Personen Ihnen die Auskünfte grundsätzlich bekannt, oder nur deshalb, weil sie wissen, dass Sie eine verschwiegene Person sind?

SV: Sie kennen mich seit 2009. Wir sagen ihnen bei der Befragung klar, dass wir dem Gericht die Namen bekannt geben, aber nicht der Öffentlichkeit. Ich glaube, das ist ein fairer Weg.

BFV: Zu Punkt 4: Sie haben angegeben, dass Sie keine Bestätigungen über die Werkstatt des BFs bzw. seinen Beruf gefunden hätten. Wo haben Sie diesbezüglich Erhebungen durchgeführt?

SV: Bei den Personen, die wir schon genannt haben: Polizei, Moschee und Dorfälteste.

BFV: Des Dorfes oder in Jalalabad?

SV: Des Distriktes XXXX .

BFV: Aber nicht in Jalalabad, wo sich die Werkstatt des BFs befindet?

SV: In Jalalabad haben wir aufgrund der mir gegeben Informationen nicht gefragt. Es wäre unmöglich, mit diesen Informationen eine Antwort zu bekommen.

BFV: Punkt 5: Sie haben an, dass "alle befragten Personen" sich nicht an den geschilderten Vorfall erinnern können. Auch hier wieder die Frage, wer waren diese Personen und werden solche Vorfälle allgemein in der Bevölkerung bzw. bei der Polizei registriert bzw. konnten Ihnen die nicht nur Augenzeugen etwas berichten?

SV: Der BF hat angegeben, dass die Dorfältesten für ihn verhandelt haben. Daher haben wir alle infrage kommenden Dorfältesten im Distrikt XXXX befragt. Zur Frage der Registrierung des Vorfalles:

Man versucht seitens der Polizei, alle Vorfälle tatsächlich zu registrieren und zum Beispiel bei der von mir erwähnten Sicherheitskonferenz wurde von sehr vielen Vorfällen berichtet. Beantwortet das Ihre Frage?

VR: Würde dieser Vorfall in der Bevölkerung Aufmerksamkeit erregen?

SV: Wenn dem so wäre, dass der Mechaniker des XXXX gezwungen werden würde, in sein Auto Sprengstoff einzubauen und für seine Weigerung entführt werden würde und von den Dorfältesten befreit worden wäre, wären das "Breaking News" in allen Fernsehstationen. Das würde sich XXXX nicht entgehen lassen.

BFV: Dazu möchte ich anmerken, dass der BF nie behauptet hat, mit XXXX persönlich Kontakt gehabt zu haben oder ein Mechaniker von XXXX gewesen zu sein, sondern lediglich dass er über seinen Onkel bzw. XXXX gelegentlich Reparaturen am Auto der Familie von XXXX durchgeführt habe. Ich bezweifle daher, dass dieser Vorfall überhaupt XXXX bekannt gegeben worden wäre?

VR: Sie meinen, dass XXXX über eine potentielle Gefährdung seiner Familie nicht informiert worden wäre?

BFV: Das kann ich nicht sagen. Dadurch, dass der BF vorbrachte, direkt nach dem Vorfall mit den Taliban geflohen zu sein und nicht weiter über die Unterstützungsaufforderung seitens der Taliban Auskunft gegeben haben wird, wäre dies nachvollziehbar, dass derlei Informationen nicht weiter gegangen sind.

VR: Wenn XXXX Paschtune ist und laut Auskunft des SV die Dorfältesten Paschtunen sind, ist davon auszugehen, dass die Dorfältesten diesen Vorfall XXXX bekannt gegeben hätten?

BFV: Darüber kann der SV mehr Auskunft geben, aber meinem Wissen nach erfreut sich XXXX keiner großen Beliebtheit.

SV: Es ist absolut unwahrscheinlich, dass der Onkel des BF, wenn wie angegeben, der Onkel des BF 30 Jahre lang Fahrer des XXXX war, es aufgrund des Vertrauensverhältnisses nicht an XXXX weitergegeben hätte. Zur Beliebtheit des XXXX stimme ich der BFV zu. Er ist aufgrund seiner Vergangenheit in Afghanistan nicht sehr beliebt, aber sehr geschätzt im XXXX -Distrikt, da er für seine Paschtunen sorgt.

BFV: Sie gaben Gespräche mit Dorfältesten an. Können Sie über die Dorfältesten Auskunft geben, die befragt wurden?

SV: Wie bereits zuvor gesagt, kann ich die Namen nur dem Gericht bekannt geben, nicht der Öffentlichkeit. Wenn Sie (BFV) mir konkrete Personen nennen, mit denen Sie sprechen wollen, kontaktiere ich diese und wenn diese einverstanden sind, teile ich das dem Gericht mit.

BFV: Das ist natürlich schwierig, wenn ich nicht weiß, wer die befragten Personen waren. Können Sie mir zumindest sagen, ob unter den befragten Dorfältesten ein Herr XXXX , ein Herr XXXX ist?

SV: Nein. Ich kann aber wie zuvor beschrieben diese Personen kontaktieren, so sie bei den befragten Personen dabei waren. Aber ich brauche auch Adressen dazu.

BFV: Nein, nur Nangahar und XXXX .

SV: Das schränkt es zumindest ein.

BFV: Ich verweise bezüglich dieser Namen auf die Übersetzung des Schreibens (Beilage A4 zur Verhandlung vom 13.04.2016).

BFV: Würde jemand Ihrer Meinung nach über Kontakte mit den Taliban offen sprechen?

SV: Es gibt Leute, die in Afghanistan bekannt sind, die Kontakte mit den Taliban haben, derer sich die Regierung, die Firmen und Personen, die mit den Taliban kommunizieren wollen, bedienen.

VR: Boten, sozusagen?

SV: Ja. Ich kenne viele Leute, die mit großer Freude ihre Abenteuer mit den Taliban erzählen, es gibt aber auch Leute, die nicht darüber sprechen.

BFV: Können gewisse befragte Personen Ihrer Meinung nach aus Furcht gewisse Schutzbehauptungen aufgestellt haben? Wie z.B. dass die Familie weggezogen ist oder keine Auskunft gegeben haben?

SV: Grundsätzlich ist es so, dass ich alle Daten, die ich niederschreibe, von zwei Quellen bestätigt bekomme. Aber ich kann nicht ausschließen, dass irgendjemand nicht die Wahrheit sagt.

BFV: Ich ersuche um Gewährung einer Frist von drei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme.

VR an BF: Wollen Sie noch etwas sagen? Ihre Vertreterin hat ausführliche Fragen gestellt und es wurde Ihre eine Frist für eine Stellungnahme gewährt.

BF: Ich habe keine Fragen.

BFV an BF: Wissen Sie, ob Ihre Familie derzeit noch im Dorf lebt?

BF: Ja, bei meinen Eltern.

BFV: Können Sie sich erklären, warum angegeben wurde, dass ein Teil der Familie weggezogen sein sollte?

BF: Meine Familie lebt noch dort. Aber mein Bruder ist vor 8 oder 9 Jahren aus dem Heimatdorf weggezogen. Vermutlich haben sie ihn verwechselt.

VR: Wer konkret sollte Ihnen konkret etwas antun?

BF: Ich fühle mich von den Taliban bedroht. Ich wollte den Taliban nicht helfen. Hätte ich mich geweigert, hätten sie mich getötet.

VR: Das heißt, Ihre Fluchtgeschichte, die Sie im Rahmen der letzten Verhandlung geschildert haben, ist korrekt und Sie halten die Behauptungen aufrecht?

BF: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt.

VR: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

BF: Es geht mir gut, aber ich bin manchmal verwirrt, weil ich manchmal drei Tabletten einnehme.

VR: Um welche Art von Medikamenten handelt es sich, wissen Sie das?

BF: Für den Stress, den ich im Kopf habe.

VR: Wie oft gehen Sie zum Arzt und zu wem?

BF: Ich war schon bei sehr vielen Ärzten. Derzeit gehe ich zu meinem Hausarzt, Dr. XXXX , und der verschreibt mir die Medikamente.

VR: Wie oft gehen Sie zu Ihrer Psychiaterin?

BF: Ich bin 15 Monate zu ihr gegangen. Derzeit hole ich mir meine Medikamente bei Dr. XXXX .

VR: Sie waren im Juli im Spital zur stationären Behandlung?

BF: Ich habe Medikamente eingenommen und wurde ohnmächtig.

VR: Was machen Sie derzeit hier in Österreich? Arbeiten Sie? Besuchen Sie Deutschkurse?

BF: Ich besuche zwei Mal in der Woche einen Kurs. Ich versuche, mehr Sport zu machen. Ich habe viel Kontakt mit anderen Menschen, mit Österreichern. In der Gegend, wo ich mich aufhalte, verstehe ich mich sehr gut mit Österreichern. Wir hatten eine Veranstaltung, eine Party. Der Chef meiner

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten