Entscheidungsdatum
15.11.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W224 2207786-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, XXXX, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.09.2018, Zl. 1133613602-180528675, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU, ABl. Nr. L 337 vom 20.12.2011 S. 9, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 07.06.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die Beschwerdeführerin an, in Syrien geboren und staatenlos zu sein. Sie sei Palästinenserin und gehöre dem muslimischen Glauben an. Sie stamme aus XXXX/Syrien, habe etwa im Mai 2016 Syrien von XXXX aus illegal verlassen und sei in die Türkei gefahren. Nach einem etwa zweijährigen Aufenthalt in der Türkei sei sie schlepperunterstützt nach Griechenland gekommen, von wo aus sie ebenfalls schlepperunterstützt bis nach Österreich gereist sei.
Zu ihren Fluchtgründen gab sie an, das Haus ihrer Familie sei zerstört worden. Ihre Familie sei aus Syrien geflüchtet. Sie habe Angst gehabt, als junge Frau entführt zu werden. Sie habe mit dem Bürgerkrieg nichts zu tun haben wollen.
2. Am 30.08.2018 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Hierbei legte sie unter anderem ihr Reisedokument für palästinensische Flüchtlinge im Original, eine Geburtsurkunde im Original samt beglaubigter Übersetzung, einen Auszug aus dem Personalstandregister und ein Abschlusszeugnis von der Schule vor und gab im Wesentlichen an, staatenlose Palästinenserin muslimischen Glaubens zu sein. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Familie in XXXX gelebt.
Zu ihren Fluchtgründen befragt führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei Absolventin eines medizinisch-technischen Instituts. Sie habe von den Milizen ein Angebot bekommen, dass sie mit ihnen im Spital zusammenarbeiten solle. Dies habe sie abgelehnt und sei daraufhin mit dem Tod bedroht worden. Die Milizen seien Mitglieder der Al Nusra-Front gewesen. Sie seien zur Beschwerdeführerin nach Hause gekommen, sie aber habe sich versteckt. Aus Angst vor der Terrormiliz habe sie Syrien verlassen.
3. Das BFA wies mit Bescheid vom 17.09.2018, Zl. 1133613602-180528675, den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.
Das BFA stellte die Identität der Beschwerdeführerin fest, sowie dass sie eine staatenlose Palästinenserin sei. Ferner stellte das BFA fest, dass die Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat nicht asylrelevanten Gründen verfolgt werde.
4. Gegen den Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft. In der Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, bei unionsrechtskonformer rechtlicher Beurteilung wäre der Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 1 lit a RL 2004/83/EG des Rates iVm der Rechtsprechung des EuGH ipso facto der Status einer Asylberechtigen zuzuerkennen gewesen, denn sie sei tatsächlich unter dem Schutz von UNRWA gestanden und legte diesbezüglich die Registrierungskarte ihrer Familie vor, auf welcher die Beschwerdeführerin ebenfalls verzeichnet sei.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA vorgelegt und sind am 17.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist staatenlose Palästinenserin und als Flüchtling bei UNRWA registriert. Die Beschwerdeführerin lebte in Syrien in XXXX. sie verließ das Einsatzgebiet der UNRWA in XXXX wegen des Krieges, konkret wegen der Bedrohung in XXXX durch die islamistischen Milizen.
Sie stellte in Österreich den verfahrensgegenständlichen Asylantrag. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich unbescholten.
Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführerin der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Staat Syrien wegen der realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens aufgrund der instabilen Sicherheitslage und des innerstaatlichen Konfliktes in Syrien zuerkannt.
Zur Lage in Syrien wird festgestellt (entnommen aus:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation 3.3.2014 und 5.1.2017 sowie 25.1.2018; UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. Aktualisierte Fassung; UNHCR-Berichte: Relevante Herkunftslandinformation zur Unterstützung bei der Anwendung der UNHCR Richtlinien für Syrien, Februar 2017, sowie Syrien:
Militärdienst, November 2016):
1. Sicherheitslage
Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die alle Städte und Regionen Syriens betrifft. Nahezu täglich werden landesweit zwei- bis dreistellige Zahlen von Toten und Verletzten gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch (AA 22.12.2016). Neben der Gefahr von Entführungen besteht das Risiko jederzeit in bewaffnete Auseinandersetzungen zu geraten (BMEIA 22.12.2016).
Der weitverbreitete Konflikt und das hohe Maß an Gewalt halten in Syrien weiter an. Unterschiedslose Luftangriffe und Bodenangriffe des Regimes und willkürlicher Beschuss durch nichtstaatliche bewaffnete Oppositionsgruppen und terroristische Gruppierungen töten, verletzen und vertreiben weiterhin Zivilisten. Die Kampfhandlungen aller Parteien waren weiterhin durch weit verbreiteten Mangel an Respekt für das internationale humanitäre Recht und die Verpflichtung der Kriegsparteien zum Schutz von Zivilisten geprägt (UNSC 21.1.2016).
Mitte September des Jahres 2016 wurde von den USA und Russland, nach monatelangen Gesprächen, eine Waffenruhe ausgehandelt. Diese sollte ermöglichen, dass humanitäre Hilfe die Kriegsgebiete erreichen kann, und sie sollte den Luftangriffen des syrischen Regimes auf die Opposition Einhalt gebieten. Die Waffenruhe sollte sieben Tage bestehen und galt für das syrische Regime und die Rebellen, jedoch nicht für die terrorostischen Gruppierungen IS und Jabhat Fatah al-Sham (CNN 12.9.2016). Es soll in verschiedenen Gebieten mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben haben. Nach ungefähr einer Woche wurde die Waffenruhe von der syrischen Armee bzw. vom syrischen Regime für beendet erklärt. In dieser Zeit konnten keine humanitären Hilfslieferungen die Kriegsgebiete erreichen (Zeit Online 19.9.2016).
Nach der Waffenruhe eskalierte die Gewalt und die Stadt Aleppo erlebte die heftigsten Bombardierungen durch das Regime und die russische Luftwaffe seit Beginn des Bürgerkrieges, während die Armee zugleich eine Bodenoffensive startete. Die USA brachen daraufhin Anfang Oktober des Jahres 2016 die direkten Gespräche mit Russland über eine weitere Waffenruhe in Syrien ab. Unter anderem konnten sich die beiden Länder nicht darauf einigen, welche der syrischen Rebellengruppen als terroristisch und welche als gemäßigt einzustufen sind (Welt 3.10.2016). Ende Oktober fand eine einseitig von Russland eingehaltene, humanitäre Waffenruhe in Aleppo statt. Anfangs sollte die Waffenruhe acht Stunden dauern und am 20.10.2016 beginnen (Al Jazeera 18.10.2016). Sie wurde dann jedoch bis 22.10.2016 verlängert. Danach erlebte Aleppo erneut schwere Kämpfe. Die Vereinten Nationen hofften während dieser Zeit Verletzte evakuieren und Hilfsgüter liefern zu können. Jedoch war beides aufgrund fehlender Sicherheitsgarantien nicht möglich (Al Jazeera 23.10.2016; vgl. BBC News 22.10.2016).
Nach dem Vormarsch auf die nordirakische Großstadt Mosul hat Anfang November des Jahres 2016 auch eine Offensive zur Rückeroberung der syrischen IS-Hochburg Raqqa begonnen. An der Offensive, die unter dem Namen "Wut des Euphrat" läuft, sind etwa 30.000 Kämpfer der Demokratischen Syrischen Kräfte (SDF), einer von den USA unterstützten kurdisch-arabischen Rebellenallianz, beteiligt, von denen ein Großteil von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gestellt wird (Standard 6.11.2016). Die Türkei sollte nicht an der Offensive beteiligt werden. Die türkische Armee hat im August einen Bodeneinsatz mit Panzern in Syrien begonnen, der sich gegen den IS und die YPG richtet. Die türkische Führung hat zudem angekündigt, dass die in Nordsyrien stationierten Soldaten ihre Einsätze auch auf Raqqa ausdehnen könnten. Die SDF-Miliz vereinbarte nach eigenen Angaben mit den USA jedoch, die Türkei von der Raqqa-Offensive auszuschließen (Standard 6.11.2016, vgl. auch TDS 7.11.2016).
Im Dezember 2016 nahmen syrische Regierungssoldaten nach einer von der russischen Luftwaffe unterstützten Offensive den Osten Aleppos ein, welcher seit 2012 von bewaffneten Gruppen gehalten wurde (Der Standard 21.12.2016). Es fanden Evakuierungen von Kämpfern wie Zivilisten statt, die jedoch durch erneute Gefechte zwischenzeitlich unterbrochen wurden. Zugleich wurden Zivilisten aus den von Rebellen belagerten Orten Fua und Kafraja im Nordwesten Syriens evakuiert (Der Standard 19.12.2016). Es gibt immer wieder Versuche von Waffenruhen, welche jedoch nicht alle Gruppierungen und nicht alle Gebiete Syriens betreffen und brüchig sind bzw. von verschiedenen Konfliktparteien verletzt werden (Der Standard 30.12.1026).
2. Ethnische Minderheiten
Die Bevölkerung besteht überwiegend aus Arabern (hauptsächlich Syrer, Palästinenser und Iraker). Ethnische Minderheiten sind Kurden, Armenier, Turkmenen und Tscherkessen (AA 8.2016). Dazu kommen die chaldäischen und assyrischen Christen (Chaldeans 1999). Innerhalb der Minderheiten gibt es eine Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des syrischen Regimes (BBC 24.12.2012; vgl. MRG 12.7.2016; zu Christen vgl. z.B. TDS 21.2.2014). In ganz Syrien werden bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder ihnen wird auf andere Weise Schaden zugefügt. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz oder Herkunft in/aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).
3. IDPs und Flüchtlinge
Der andauernde Konflikt in Syrien hat auch schwere Auswirkungen auf die Lage von palästinensischen Flüchtlingen in Syrien. Über 40% der Lager, in denen palästinensische Flüchtlinge lebten, sind vom Konflikt betroffen worden. Von den zwölf palästinensischen Flüchtlingslagern in Syrien wurden fünf entweder zerstört oder sind für die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) unzugänglich, nämlich Ein el-Tal, Daraa, Yarmouk, Sbeineh und Khan Eshieh. 95% der palästinensischen Flüchtlinge sind vollkommen auf die humanitäre Hilfe der UNRWA angewiesen, um zu überleben (UNRWA 24.10.2016). Mehr als zwei Drittel der palästinensischen Flüchtlinge wurden intern vertrieben. Zehntausende sind in Gebieten, in denen Kämpfe stattfinden, wie Yarmouk oder Khan Eshieh in Damaskus oder Mzeirib und Jillin in Deraa, eingeschlossen, wodurch ihr Zugang zu humanitärer Hilfe extrem eingeschränkt ist (UNRWA o.D.). Sowohl das Regime als auch oppositionelle Gruppierungen belagerten palästinensische Flüchtlingslager und Nachbarschaften in Syrien, was zu Fällen von schwerer Unterernährung und fehlendem Zugang zu medizinischer und humanitärer Versorgung führte (USDOS 13.4.2016). Vor Ausbruch des Bürgerkrieges lebten geschätzte 560.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien. Kinder von palästinensischen Vätern und Großvätern werden von der syrischen Regierung als Palästinenser und nicht als Syrer angesehen - unabhängig von der Staatsbürgerschaft der Mutter. Mittlerweile sind mehr als 110.000 in Syrien geborene Palästinenser aus Syrien geflohen und 450.000 wurden intern vertrieben (Al Jazeera 23.3.2016).
Die staatenlosen palästinensischen Flüchtlinge in Syrien hatten sich, auch auf Wunsch der palästinensischen Führung in Ramallah, lange Zeit aus dem Krieg in Syrien herausgehalten. Spätestens seit die Rebellen in Yarmouk [ein zu einem Stadtteil mutiertes Flüchtlingslager in strategisch wichtiger Lage, das erst belagert wurde und dann zum Kampfgebiet wurde] einzogen, wurden die Palästinenser zwischen den Fronten zerrieben: Die Asad-Gegner beschuldigen sie, hinter dem Asad-Regime zu stehen, da die syrische Regierung den Palästinensern gegenüber immer großzügig gewesen war. Man gab ihnen in Syrien zwar keine Staatsbürgerschaft, aber sie hatten Zugang zu sämtlichen staatlichen Dienstleistungen (DW 11.2.2014). Syrische Palästinenser können von der syrischen Regierung auch Reisedokumente erlangen, was jedoch nicht bedeutet, dass sie die syrische Staatsbürgerschaft besitzen (IRB 22.11.2013). Für männliche Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Auch die Palästinenser in Syrien sind gespalten, was ihre Position im syrischen Bürgerkrieg angeht (Al Monitor 31.8.2015).
4. Risikoprofile
Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind (siehe Absatz 29). Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen.
Wo relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise bereits ausgesetzt waren. Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend; sie basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Daher sollte ein Antrag nicht automatisch als unbegründet eingestuft werden, wenn keines der hier aufgeführten Risikoprofile einschlägig ist.
* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.
* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Regierungsbeamte und Mitglieder von Parteien, die der Regierung verbunden sind; tatsächliche und vermeintliche Mitglieder von Streitkräften der Regierung und Truppen regierungsnaher Gruppen sowie Zivilbürger, von denen angenommen wird, dass sie mit Streitkräften der Regierung oder Truppen regierungsnaher Gruppen zusammenarbeiten; Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich die Regierung unterstützen; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsnahen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.
* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von ISIS sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen ISIS de facto die Kontrolle ausübt.
* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner bewaffneter oppositioneller Gruppen sind, und sich in Gebieten aufhalten, in denen diese Gruppen de facto die Kontrolle ausüben.
* Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von PYD/YPG sind und sich in Gebieten aufhalten, in denen PYD/YPG de facto die Kontrolle ausüben.
* Angehörige bestimmter Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen, Laienjournalisten;
Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen;
Menschenrechtsaktivisten; humanitäre Helfer; Künstler; Unternehmer und Gewerbetreibende.
* Mitglieder religiöser Gruppen, einschließlich Sunniten, Alawiten, Ismailis, Zwölfer-Schiiten, Drusen, Christen und Jesiden.
* Personen, die vermeintlich gegen die Scharia verstoßen, und die in Gebieten leben, die von extremistischen islamistischen Gruppen beherrscht werden.
* Angehörige ethnischer Minderheiten, einschließlich Kurden, Turkmenen, Assyrern, Tscherkessen und Armeniern.
* Frauen, insbesondere diejenigen, die Opfer von sexueller Gewalt, Kinder- und Zwangsheirat, häuslicher Gewalt, Verbrechen zur Verteidigung der Familienehre ("Ehrendelikt") und Menschenhandel wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.
* Kinder, insbesondere Kinder, die in der Vergangenheit festgenommen wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind; sowie Kinder, die Opfer von Zwangsrekrutierung als Kindersoldaten, sexueller und häuslicher Gewalt, Kinderarbeit, Menschenhandel und systematischer Verweigerung des Zugangs zu Bildungsangeboten wurden, oder die einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.
* Personen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung und/oder geschlechtlicher Identität und intersexuelle Personen.
* palästinensische Flüchtlinge aus Syrien.
5. Bewegungsfreiheit
Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generelle unsichere Lage im Land schränken stark die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport von lebensnotwendigen Gütern ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, welche von den Rebellen kontrolliert werden, und die Rebellen und der IS wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung kontrollierte Gebiete an (FH 27.1.2016). In Gebieten unter ihrer Kontrolle beschränken der IS und andere Regierungsgegner die Bewegungsfreiheit von Unterstützern der Regierung bzw. von Personen, von denen dies angenommen wird. Dies gilt besonders für die alawitische und schiitische Bevölkerung (USDOS 13.4.2016).
Das syrische Regime setzt Scharfschützen ein, um Sperrstunden durchzusetzen, oder Zivilisten an der Flucht aus belagerten Städten zu hindern (USDOS 13.4.2016).
4,8 Millionen Menschen sind seit Beginn des Konfliktes aus Syrien geflohen (OCHA o.D.).
Die syrische Regierung verweigert die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum. Über Menschenrechtsaktivisten oder andere Aktivisten der Zivilgesellschaft, deren Familien oder Bekannte werden häufig Ausreiseverbote verhängt. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt (USDOS 13.4.2016).
Aufgrund des Bürgerkrieges haben in Gebieten, welche von der Opposition kontrolliert werden, Institutionen, die Identitätsdokumente ausstellten, aufgehört zu funktionieren. In Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, gibt es diese Institutionen noch, für manche Syrer ist es jedoch unmöglich geworden sie zu erreichen. So können manche Personen Geburten, Eheschließungen oder Todesfälle nicht mehr eintragen lassen, oder sich neue Identitätsdokumente ausstellen lassen. Durch den Bürgerkrieg sind auch die Kontrollmaßnahmen schwächer geworden. So werden "echte" Dokumente mit falschen Namen oder geänderten Informationen ausgestellt. Außerdem werden vermehrt gefälschte Dokumente benutzt (Landinfo 11.11.2016).
2015 schlossen Jordanien und Libanon ihre Grenzen für palästinensische Flüchtlinge aus Syrien, später für Syrer generell (Al Jazeera 23.3.2016). Im Juni 2016 hat die jordanische Regierung den Grenzübergang zu Syrien wegen Sicherheitsbedenken für syrische Flüchtlinge geschlossen und auch die Durchfahrt für Hilfsleistungen gestoppt, nachdem bei einem Selbstmordanschlag in dem Gebiet sieben jordanische Soldaten getötet worden waren. Der IS bekannte sich zu diesem Anschlag und soll auch eines der beiden informellen Zeltlager von Rukban und Haladat auf der syrischen Seite der Grenze infiltriert haben. Seither waren nur Anfang August und Anfang Oktober 2016 Hilfsgüter mit Kränen über den Erdwall an der syrisch-jordanischen Grenze, hinter dem mittlerweile ungefähr 80.000 Syrer in Zelten leben, geliefert worden. Wie viele Menschen tatsächlich in den Lagern leben, wissen internationale Hilfsorganisationen nur von Satellitenbildern (Der Standard 5.10.2016).
Auch die Türkei, welche anfangs noch Millionen Syrer aufnahm, hat mittlerweile die Grenzen de facto geschlossen. Die Südgrenze wurde weitgehend dicht gemacht und die Türkei setzt auf die Versorgung von Flüchtlingen in Nordsyrien (Die Presse 13.3.2016).
Die Grenze zwischen Syrien und dem Irak existiert faktisch nicht mehr. Derzeit ist die Grenze für Flüchtlinge geschlossen (Die Presse 13.3.2016).
6. Rückkehr
Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 22.11.2016).
Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert (UK HOME 8.2016).
Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen (IRB 19.1.2016).
Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird (UK Home Office 8.2016).
Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 13.4.2016).
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den vorgelegten, unbedenklichen Identitätsdokumenten sowie aus den Angaben der Beschwerdeführerin. Die Identität wurde auch bereits vom BFA festgestellt. Die Feststellung zur Unbescholtenheit in Österreich aus einer am heutigen Tag in das Verfahren eingeführten negativen Strafregisterauskunft.
Dass die Beschwerdeführerin in Daraa gelebt hat und bei United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) registriert ist, wurde widerspruchsfrei vorgebracht. Die Registrierung der Beschwerdeführerin bei UNRWA (Syrien) ergibt sich darüber hinaus aus der vorgelegten Registrierungskarte von UNRWA. Dass dir Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz im Einsatzgebiet der UNRWA in Daraa wegen des Krieges verlassen hat, ergibt sich aus dem glaubhaften Vorbringen.
Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass die staatenlosen palästinensischen Flüchtlinge in Syrien sich, auch auf Wunsch der palästinensischen Führung in Ramallah, lange Zeit aus dem Krieg in Syrien herausgehalten hatten. Spätestens seit die Rebellen in Yarmouk einzogen, wurden die Palästinenser zwischen den Fronten zerrieben: Die Assad-Gegner beschuldigen sie, hinter dem Assad-Regime zu stehen, da die syrische Regierung den Palästinensern gegenüber immer großzügig gewesen war.
Der andauernde Konflikt in Syrien hat auch schwere Auswirkungen auf die Lage von palästinensischen Flüchtlingen in Syrien. Über 40% der Lager, in denen palästinensische Flüchtlinge lebten, sind vom Konflikt betroffen. Von den zwölf palästinensischen Flüchtlingslagern in Syrien wurden fünf entweder zerstört oder sind für UNRWA unzugänglich, nämlich Ein el-Tal, Daraa, Yarmouk, Sbeineh und Khan Eshieh. 95% der palästinensischen Flüchtlinge sind vollkommen auf die humanitäre Hilfe der UNRWA angewiesen, um zu überleben. Mehr als zwei Drittel der palästinensischen Flüchtlinge wurden intern vertrieben. Zehntausende sind in Gebieten, in denen Kämpfe stattfinden, wie Yarmouk oder Khan Eshieh in Damaskus oder Mzeirib und Jillin in Deraa, eingeschlossen, wodurch ihr Zugang zu humanitärer Hilfe extrem eingeschränkt ist. Sowohl das Regime als auch oppositionelle Gruppierungen belagerten palästinensische Flüchtlingslager und Nachbarschaften in Syrien, was zu Fällen von schwerer Unterernährung und fehlendem Zugang zu medizinischer und humanitärer Versorgung führte. Mittlerweile sind mehr als 110.000 in Syrien geborene Palästinenser aus Syrien geflohen und 450.000 wurden intern vertrieben.
UNRWA beschreibt seine Verantwortlichkeiten in Bezug auf alle bei ihr registrierten Palästina-Flüchtlinge und deren Nachkommen in männlicher Linie innerhalb ihres Mandatsgebiets: "Die Verantwortung von UNRWA ist begrenzt auf die Bereitstellung von Leistungen und Verwalten ihrer Einrichtungen. Weder besitzt noch verwaltet die Agentur die Lager, und sie führt keine polizeilichen Aufgaben durch. Dies ist die Aufgabe der Behörden des Gaststaates" (Information der Staatendokumentation vom 19.09.2014).
Die Rückkehrbefürchtungen der Beschwerdeführerin in Bezug auf ihre Situation als palästinensischer Flüchtling in Syrien stellen sich daher vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen als plausibel dar.
Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den dort jeweils angeführten Quellen. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Zwar existiert hinsichtlich Syrien eine Vielzahl tagesaktueller Medienberichte, die auch regelmäßig in die Situationsberichte Eingang finden, doch ergibt sich daraus aktuell keine wesentliche Änderung im Hinblick auf die verfahrensgegenständlich festgestellte Situation und es wurde Derartiges auch nicht behauptet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 4/2008) - jeweils in Bezug auf eine durch § 67d AVG in der Fassung vor der Novelle begründete Verhandlungspflicht - ausgesprochen, die Voraussetzung eines aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärten Sachverhaltes sei nicht erfüllt, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung in der Berufung substantiiert bekämpft wird oder der Berufungsbehörde ergänzungsbedürftig oder in entscheidenden Punkten nicht richtig erscheint, wenn rechtlich relevante Neuerungen vorgetragen werden oder wenn die Berufungsbehörde ihre Entscheidung auf zusätzliche Ermittlungsergebnisse stützen will (zum Erfordernis einer schlüssigen Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und zur Verhandlungspflicht bei Neuerungen VwGH 11.11.1998, 98/01/0308, und 21.01.1999, 98/20/0339; zur Bekämpfung der Beweiswürdigung in der Berufung VwGH 25.03.1999, 98/20/0577, und 22.04.1999, 98/20/0389; zum Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung VwGH 18.02.1999, 98/20/0423; zu Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens VwGH 25.03.1999, 98/20/0475).
Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU auch im vor-liegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Vor-aussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Appl. Nr. 28.394/95, Döry vs. Schweden; 8.2.2005, Appl. Nr. 55.853/00, Miller vs. Schweden).
Der Verfassungsgerichtshof hat betreffend die Anwendung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2005, - also zur Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG - unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfSlg. 19.632/2012).
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Der maßgebliche Sachverhalt ist aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens des BFA festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter Weise behauptet. Daran ändert auch ein in der Beschwerde gestellter Antrag nichts, eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. VwGH 17.10.2006, 2005/20/0329; 23.11.2006, 2005/20/0406).
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten unter anderem dann ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1).
Gemäß Abs. 2 leg.cit. kann, wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach Art. 1 Abschnitt D GFK findet das Abkommen auf Personen keine Anwendung, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten. Wenn dieser Schutz oder diese Hilfe aus irgendeinem Grunde wegfällt, ohne dass die Stellung dieser Personen gemäß den bezüglichen Beschlüssen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geregelt ist, so werden diese Personen ipso facto der Vorteile dieses Abkommens teilhaftig.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 (in Umsetzung des Art. 12 Abs. 1 lit. a erster Satz Status-RL und dieser wiederum in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D erster Satz GFK) sind diese Personen von der Anerkennung als Flüchtling zunächst ausgeschlossen. Sie genießen aber - nach der in diesem Punkt im innerstaatlichen Recht nicht umgesetzten und sohin unmittelbar anwendbaren Bestimmung des zweiten Satzes des Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL - dann "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird. Dieser "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung, als für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft zu machen ist, sondern nur, dass sie erstens unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind und zweitens, dass dieser Beistand aus "irgendeinem Grund" weggefallen ist. Die erste Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union mit der Vorlage einer UNRWA-Registrierungskarte erfüllt (EuGH 17.6.2010, Rs. C-31/09, Bolbol, Rz 52).
Die zweite Voraussetzung erfordert eine Prüfung, "ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, El Kott, Rz 61). Ein Zwang zum Verlassen des Einsatz-gebietes einer Organisation iSd Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz Status-RL liegt nach den Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache El Kott dann vor, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befand und es der betreffenden Organisation oder Institution unmöglich ist, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der dieser Organisation oder Institution obliegenden Aufgabe im Einklang stehen (EuGH, El Kott, Rz 65; vgl. auch EuGH 25.7.2018, Rs. C-585/16, Alheto, Rz 86).
Personen, die dem Schutz der UNRWA (nicht mehr) unterstehen, nehmen einen Sonderstatus im völker- und unionsrechtlichen System der Asylgewährung ein.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Lage der Personen, die den Beistand von UNRWA genießen, bislang nicht endgültig geklärt worden ist (vgl. auch EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 54).
Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 vom 20.12.2011 S. 9 (im Folgenden: Status-RL), ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie.
Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. b der Status-RL ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn von den zuständigen Behörden des Landes, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verknüpft sind, bzw. gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Gemäß Art. 12 Abs. 2 der Status-RL ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass er a) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen; b) eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Aufnahmelandes begangen hat, bevor er als Flüchtling aufgenommen wurde, das heißt vor dem Zeitpunkt der Ausstellung eines Aufenthaltstitels aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; insbesondere grausame Handlungen können als schwere nichtpolitische Straftaten eingestuft werden, auch wenn mit ihnen vorgeblich politische Ziele verfolgt werden; c) sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen.
Gemäß Art. 12 Abs. 3 der Status-RL findet Abs. 2 auf Personen Anwendung, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.
2. Es ist der Beschwerdeführerin gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie unter dem Schutz bzw. Beistand von UNRWA stand und dieser Schutz bzw. Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt wurde.
Bei UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D der GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sowie § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtsstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sieht - in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D GFK - einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Aufgrund dieses in Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 76).
Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art. 12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 normierten Asylausschlussgrund einem Fremden kein Asyl gewährt werden kann, "so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt". Eine ausdrückliche Regelung, die die - in Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL vorgesehene - "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG 2005 jedoch nicht. Der "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind, als diese - im Unterschied zu nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL fallende Personen - für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind, dass dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 76). Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz der Status-RL ist daher unmittelbar anwendbar (vgl. zuletzt VfGH 22.09.2017, E 1965/2017).
Die erste Voraussetzung (Unterschutzstehen von UNRWA) ist nach der Rechtsprechung des EuGH mit der Vorlage einer UNRWA-Registrierungskarte erfüllt (EuGH 17.06.2010, Rs. C-31/09, Bolbol, Rz 52; zuletzt auch VfGH 22.09.2017, E 1965/2017, und VfGH 24.09.2018, E 761-766/2018).
Dies liegt bei der Beschwerdeführerin vor.
Die zweite Voraussetzung (Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen) erfordert eine Prüfung, "ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, El Kott, Rz 61). Ein Zwang zum Verlassen des Einsatzgebietes einer Organisation iSd Art. 12 Abs. 1 lit. a zweiter Satz Status-RL liegt nach den Ausführungen des EuGH in der Rechtssache El Kott dann vor, wenn sich die betroffene Person in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befand und es der betreffenden Organisation oder Institution unmöglich war, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der dieser Organisation oder Institution obliegenden Aufgabe im Einklang stehen (EuGH, El Kott, Rz 65). In der Unterscheidung dieser Umstände von individuellen Verfolgungsgründen iSd Art. 1 Abschnitt A GFK liegt geradezu das Wesen des "ipso facto"-Schutzes nach Art. 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL (VfGH 22.09.2017, E 1965/2017 unter Hinweis auf VfGH 18.9.2014, U 73/2014). Das bloße oder das freiwillige Verlassen des Einsatzgebietes von UNRWA reicht nicht aus.
UNHCR führt dazu (unter Hinweis auf die Rechtssache vor dem EuGH, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a.) in seiner "Note on UNHCR's Interpretation of Article 1 D of the 1951 Convention relating to the Status of Refugees and Article 12(1)(a) of the EU Qualification Directive in the context of Palestinian refugees seeking international protection" vom Mai 2013 aus, dass es für einen antragstellenden palästinensischen Flüchtling unter anderem dann nicht möglich sein wird, zurückzukehren oder sich unter den Schutz von UNRWA zu stellen, wenn damit eine Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der persönlichen Freiheit verbunden wäre, sowie aus anderen ernst zu nehmenden Schutzproblemen, wie beispielsweise bei Vorliegen von bewaffneten Konflikten oder von anderen Gewaltsituationen sowie in Bürgerkriegssituationen.
Indem die belangte Behörde das Vorliegen von nicht von der Beschwerdeführerin zu kontrollierenden und von ihrem Willen unabhängigen Gründen zum Verlassen des Schutzgebiets von UNRWA ausschließt, missachtet es die vom EuGH zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht.
Der Wegzug der Beschwerdeführerin aus XXXX war durch nicht von ihr zu kontrollierende und von ihrem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt, die sie zum Verlassen dieses Gebiets gezwungen und daran gehindert haben, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen. Die Beschwerdeführerin befand sich durch die Bürgerkriegssituation und durch die Bedrohung des Flüchtlingscamps durch die islamistischen Milizen in einer sehr unsicheren persönlichen Lage. Dem UNRWA war es unmöglich, ihr in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der dieser Organisation obliegenden Aufgabe im Einklang stehen. Alleine der Umstand, dass die Beschwerdeführerin zwischen dem unfreiwilligen Verlassen des Flüchtlingscamps XXXX und der Asylantragstellung in Österreich für eine kurze Zeit in Syrien auch außerhalb des Einsatzgebietes ge- bzw. überlebt hat, ändert nicht am Zwang zum Verlassen des Einsatzgebietes des UNRWA und an seiner sehr unsicheren persönlichen Lage. Dementsprechend erkannte das BFA (mit dem in Rechtskraft erwachsenen Spruchpunkt II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides) der Beschwerdeführerin den Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf - das gesamte Staatsgebiet von - Syrien wegen des Vorliegens von Sicherheitsdefiziten erheblicher Intensität und einer Bedrohung ihres Lebens infolge des innerstaatlichen Konfliktes zu.
Es ist - zumal eine unveränderte Tatsachenlage in diesem Bereich anzunehmen ist - ausgehend von dem zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes angenommenen Sachverhalt der belangten Behörde daher auch bei der Frage, ob ein palästinensischer Flüchtling als gezwungen anzusehen ist, das Einsatzgebiet von UNRWA zu verlassen, festzustellen, dass sich die Beschwerdeführerin angesichts der Bürgerkriegssituation in Syrien in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet, da sie dort tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens ausgesetzt zu sein, bzw. dass es für die Beschwerdeführerin nicht möglich sein kann, nach Syrien (in sein Herkunftsgebiet in Syrien oder in einen anderen Teil Syriens) zurückzukehren oder sich dort unter den Schutz/den Beistand von UNRWA zu stellen, und es UNRWA auch nicht möglich ist, der Beschwerdeführerin dort Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen.
Es sind somit fallbezogen von der Beschwerdeführerin nicht zu kontrollierende und von ihrem Willen unabhängige Gründe für die nicht längere Gewährung des Beistandes von UNRWA zu bejahen. Zumal keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 der Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt, genießt die Beschwerdeführerin daher gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL "ipso facto" den Schutz dieser Richtlinie.
Es sind auch im Zuge des Verfahrens keine Hinweise hervorgekommen, wonach einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.
Der Beschwerdeführerin war daher der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass der Beschwerdeführerin damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W224.2207786.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.02.2019