TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/16 W197 2202609-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2018
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Entscheidungsdatum

16.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W197 2106232-1/20E

W197 2106235-1/14E

W197 2106229-1/12E

W197 2106231-1/11E

W197 2202609-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , 4.) mj. XXXX , geb. XXXX und 5.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Islamische Republik Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 31.03.2015 (ad 1. - 4.) respektive 03.07.2018 (ad 5.), Zln. 1047453007/140257435 (ad 1.), 1047453105/140257449 (ad 2.), 1047453203/140257457 (ad 3.), 1047453301/140257473 (ad 4.) sowie 1118730910-160829811 (ad 5.), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.09.2018 zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird stattgegeben und 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) mj. XXXX wie auch 4.) mj. XXXX und 5.) mj. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 i.d.g.F. jeweils der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird unter einem festgestellt, dass damit sowohl 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) mj. XXXX als auch 4.) mj. XXXX und 5.) mj. XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

II. Die Revision ist hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien ist Afghanistan. Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Gattin des Erstbeschwerdeführers und Mutter der gemeinsamen minderjährigen Kinder, der Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer. Sie gehören alle der Volksgruppe der Tadschiken sowie dem sunnitischen Islam an. Am 06.12.2014 stellten die Erst- bis Viertgenannten einen Antrag auf internationalen Schutz; die Antragstellung für den am XXXX im Bundesgebiet nachgeborenen Fünftasylwerber erfolgte über seine gesetzliche Vertreterin am 14.06.2016.

1.2. Mit den nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien gem. §§ 3 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idgF ebenso abgewiesen (Spruchpunkt I.) wie auch jene auf Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.). Unter einem wurde den Rechtsmittelwerbern gemäß §§ 57 und 55 leg. cit. die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen verwehrt, sowie gegen diese jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. wurde zudem festgestellt, demzufolge die Abschiebung der Asylwerber nach Afghanistan gemäß § 46 leg. cit. zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise der Antragsteller gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg. cit. mit zwei Wochen angesetzt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, wonach die Genannten nicht glaubwürdig dartun hätten können, dass ihnen im Herkunftsstaat tatsächlich asylrelevante Verfolgung drohe. Darüber hinaus wären die beschwerdeführenden Parteien keinerlei individuellen Umständen ausgesetzt, die für eine extreme Notlage oder unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland sprechen würden. Auch sonst wären im Verfahren keinerlei sonstige Hinweise auf eine Verletzung beziehungsweise Gefährdung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG hervorgetreten. Aufgrund der erst sehr kurzen Aufenthaltsdauer wären zudem zwischenzeitlich keine rechtlich relevanten Anknüpfungspunkte entstanden respektive Hinweise in diese Richtung hervorgetreten. Familiäre Bezüge in Österreich außerhalb der allesamt im Verfahren befindlichen Angehörigen wären nicht existent, weshalb die in Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte der Asylwerber im Falle ihrer Ausweisung nicht berührt würden. Zudem habe die Familie ihr gesamtes bisheriges Leben in Afghanistan verbracht, weshalb in einer Abwägung das öffentliche Interesse an einer Beendigung des Aufenthaltes der Rechtsmittelwerber in Österreich klar überwiege.

1.3. Gegen sämtliche Punkte dieser Bescheide erhoben die rechtsfreundlich vertretenen Antragsteller fristgerecht Beschwerde.

1.4. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 04.09.2018, zu der ein Vertreter der belangten Behörde entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin sowie des Erstgenannten im Beisein einer Dolmetscherin, sowie durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Erstinstanz, wobei das Bundesamt lediglich schriftlich die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde von der Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen ihre auf ein selbstbestimmtes Leben gerichtete Einstellung ("westliche Gesinnung") vorgebracht.

So würde sich die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich ohne männliche Begleitung und unverschleiert frei bewegen können - eine Aktivität, wie sie in Afghanistan aufgrund diverser Anfeindungen und Diskriminierungen durch das muslimisch geprägte Gesellschaftssystem für Frauen generell ebenso völlig undenkbar gewesen wäre wie der Besuch von Bildungseinrichtungen. Ein Aufenthalt außerhalb des Hauses sei ausschließlich mit einer Burka unter permanenter Begleitung ihres Gatten, dem Erstantragsteller, möglich gewesen. Im Gegensatz dazu genieße sie hier im Bundesgebiet ihre völlig uneingeschränkte Bewegungsfreiheit mit sämtlichen damit verbundenen Möglichkeiten. Darüber hinaus würde eine Vielzahl regelmäßiger persönlicher Kontakte mit Vertretern der autochthonen Bevölkerung zu einem stetigen Zuwachs an Deutschkenntnissen führen, was im Rahmen der Beschwerdeverhandlung auch durch eine entsprechende Gesprächsführung mit dem entscheidenden Richter ohne Einbindung der anwesenden Dolmetscherin hinreichend belegt werden konnte.

Ihre diesbezüglichen Angaben wurden von ihrem Gatten, dem Erstbeschwerdeführer, bestätigt. Letztgenannter brachte etwa sinngemäß eine inhaltlich übereinstimmende Weltanschauung glaubhaft zum Ausdruck, indem er vor allem das Ziel eines eigenbestimmten Lebens seiner Familienangehörigen hervorstrich. In Afghanistan sei er etwa dazu gezwungen gewesen aufgrund der ständig drohenden Gefahr von Übergriffen auf Gattin und Kinder sämtliche, auch alltägliche, Wege wie etwa Kleidungs- und Nahrungsmitteleinkäufe, selbst vorzunehmen, zumal es seine Frau, sogar komplett verhüllt in einer Burka, nicht gewagt hätte, das Haus alleine ohne seine Begleitung zu verlassen. Umso größer wäre im Vergleich dazu die Bewegungsfreiheit hier im Bundesgebiet, wo es der Zweitgenannten auch eigenständig ohne seine Mitwirkung möglich sei, angstfrei überallhin zu gehen und ungehindert ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So nehme das Paar mittlerweile auch regelmäßig das Angebot an Deutschkursen wahr, gingen die zwei der drei minderjährigen Kinder erfolgreich zur Schule beziehungsweise Kindergarten und werde das jüngste in Bälde diesem Beispiel folgen. Inwieweit die minderjährige Tochter einmal ihre Religion ausüben wolle, sei dieser ebenso frei gestellt wie das Tragen des Kopftuches. Diesbezüglich nehme er auch bei seiner Ehefrau, der Zweitantragstellerin, keinerlei wie auch immer gearteten Einfluss. Hinsichtlich der gemeinsamen minderjährigen Kinder, den Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführern, wurden seitens ihrer gesetzlichen Vertreter keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

2.1 Zu den Personen:

Die beschwerdeführenden Parteien sind afghanische Staatsangehörige und gehören der Volksgruppe der Tadschiken sowie dem sunnitischen Islam an. Ihre Identität steht fest. Sie sind unbescholten.

Über die Gründe, warum die beschwerdeführenden Parteien ihr Herkunftsland verlassen haben, werden keine Feststellungen getroffen, zumal die Parteien im Verlauf ihrer öffentlichen mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf deren Erörterung verzichtet haben. Bei der Zweitbeschwerdeführerin handelt es sich um eine Frau, die an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Mit ihrer Flucht nach Österreich wollte sie auch ihre Vorstellungen über die einer Frau zustehenden Rechte verwirklichen und nach diesen Maßstäben ihr weiteres Leben gestalten. Sie hat dementsprechend inzwischen eine auf ein selbstbestimmtes Leben gerichtete Einstellung angenommen und verinnerlicht. Auf Grund dieser "westlichen Gesinnung" unterliegt sie in Afghanistan einem realen Risiko, von privater Seite ausgehende Verfolgung zu erleiden, wobei ihr in Bezug auf diese Verfolgung weder effizienter staatlicher Schutz noch eine innerstaatliche Fluchtalternative zukommt.

2.2. Zur Situation in der Islamischen Republik Afghanistan:

Zur allgemeinen Lage:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt nach wie vor volatil; immer wieder erschüttern Attentate das Land und treiben regierungsfeindliche Kräfte ihr Unwesen. Die konkrete Beurteilung der Sicherheitslage variiert von Provinz zu Provinz stark. Die Hauptstadt Kabul und mehrere Provinzhauptstädte, stehen jedoch überwiegend unter staatlichem Einfluss und sind vergleichsweise sicher. Die Taliban haben keine größeren Versuche mehr unternommen, Provinzhauptstädte einzunehmen.

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 02.03.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.01.2018 [in Folge: "LIB"], Pkt. 1. "Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen" und 3. "Sicherheitslage").

Rebellengruppen

Allgemeines

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015. Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium.

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden.

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit.

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban. Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen. Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung.

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt. Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben. Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten. Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan).

Der derzeitige Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. Hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour.

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet. Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente. Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar.

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert. Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete. Anfangs wuchs der IS schnell. Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand.

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar. Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen. Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen. Der IS hatte mit Verlusten zu kämpfen. Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan.

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen. Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan.

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan.

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander.

(Auszüge aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 3. "Sicherheitslage")

Grundversorgungs- und Wirtschaftslage

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist. Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können.

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten. Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig. Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe.

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 21 "Grundversorgung und Wirtschaft").

Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan

Im Bereich des Rechtsschutzes und des Justizwesens in Afghanistan gibt es legislative Fortschritte; dennoch gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen und werden Dispute überwiegend außerhalb des formellen Justizsystems gelöst. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, in den ländlichen Gebieten aber schwächer ausgeprägt. Dem Justizsystem mangelt es an Leistungsfähigkeit, teils mangels qualifizierten Personals (insbesondere in ländlichen Gebieten), teils wegen der eingeschränkten Zugänglichkeit von Gesetzestexten; die Situation bessert sich jedoch. Innerhalb des Gerichtswesens ist auch Korruption vorhanden und sind Richterinnen und Richter und Anwältinnen und Anwälte oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen.

(Zusammenfassung aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 4. "Rechtsschutz/Justizwesen")

Sicherheitsbehörden in Afghanistan

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums.

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban.

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt.

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan's Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen.

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert, davon 4.228 Frauen.

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2%.

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten. 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind.

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind. Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden.

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9%.

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force - AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile.

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul.

Resolute Support Mission

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman.

(Auszug aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 5. "Sicherheitsbehörden")

Folter und unmenschliche Behandlung

Laut afghanischer Verfassung ist Folter verboten (Art. 29). Fälle von Folter durch Angehörige der Polizei, des NDS und des Militärs sind nachgewiesen und werden von den jeweiligen Behörden zumindest offiziell als Problem erkannt.

Generell sind Frauen und Kinder in Polizeigewahrsam und Haftanstalten besonders in Gefahr, misshandelt zu werden. In jüngerer Vergangenheit wurden im Zusammenhang mit Häftlingen, die im Zuge des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan festgenommen wurden, grobe Missstände aufgedeckt.

Im Jänner 2015, startete Präsident Ghani einen Nationalen Aktionsplan zur Eliminierung von Folter; das dafür zuständige Komitee wurde im Mai 2015 gegründet. Im November 2015, war das Justizministerium dabei ein neues Anti-Folter-Gesetz zu erarbeiten. Von diesem wird erwartet, weitläufige Bestimmungen zur Wiedergutmachung für Folteropfer zu enthalten. Human Rights Watch zufolge, gab es im Jahr 2016 diesbezüglich keine weiteren Entwicklungen.

Artikel 30 der afghanischen Verfassung besagt, dass Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt worden sind, ungültig sind. Da die Abgrenzung zwischen polizeilicher und staatsanwaltlicher Arbeit nicht immer gewahrt ist, werden Verdächtige oft lange über die gesetzliche Frist von 72 Stunden hinaus festgehalten, ohne einem Staatsanwalt oder Richter vorgeführt zu werden. Trotz gesetzlicher Regelung erhalten Inhaftierte zudem nur selten rechtlichen Beistand durch einen Strafverteidiger. Schließlich liegt ein zentrales Problem in der Tatsache begründet, dass sich afghanische Richter/innen bei Verurteilungen fast ausschließlich auf Geständnisse der Angeklagten stützen. Das Geständnis als "Beweismittel" erlangt so überdurchschnittliche Bedeutung, wodurch sich der Druck auf NDS und Polizei erhöht, ein Geständnis zu erzwingen. Da die Kontrollmechanismen weder beim NDS noch bei der afghanischen Polizei durchsetzungsfähig sind, erfolgt eine Sanktionierung groben Fehlverhaltens durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden bisher nur selten. Allerdings scheint sich die Lage dieser Häftlinge insgesamt verbessert zu haben: rund 35% der Befragten gaben an, gefoltert worden zu sein (im Gegensatz zu 49% im UNAMA-Bericht von Januar 2013).

Im Juni 2015 gab der NDS wiederholt Anweisungen betreffend des Folterverbots, speziell zum Erhalt von Geständnissen.

(Zusammenfassung aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 6. "Folter und unmenschliche Behandlung")

Binnenflüchtlinge

Allgemeines

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern.

Die Zahl der Internvertriebenen im Jahr 2017 betrug 9.759 (Stand 4. Februar 2017). 636.503 Menschen wurden insgesamt im Jahr 2016 aufgrund des Konfliktes vertrieben. Mehr als die Hälfte dieser Menschen (56%) waren Kinder unter 18 Jahren. Von Binnenvertreibung betroffen waren 31 Provinzen in unterschiedlichem Ausmaß; alle 34 Provinzen beherbergten Binnenvertriebene. Im Jahr 2016 stammten die meisten Binnenvertriebenen aus den Provinzen Kunduz, Uruzgan, Farah und Helmand. Gleichzeitig nahmen die Provinzen Helmand, Takhar, Farah, Kunduz und Kandahar die meisten Binnenvertriebenen auf. Viele Menschen suchen also in der Nähe ihrer Heimat Schutz. Binnenvertriebene tendieren dazu aus ländlichen Gebieten in die Provinzhauptstädte zu ziehen, oder in die angrenzenden Provinzen zu gehen. Sobald der Konflikt zu Ende ist, versuchen sie bald wieder nach Hause zu kehren.

Der verhängnisvollste Monat war Oktober, in welchem die Taliban mehrere Provinzhauptstädte gleichzeitig angriffen: Kunduz City, Farah City, Maimana, und Lashkar Gah. Der Anstieg der IDP-Zahlen ist auch auf den Rückzug internationaler Truppen zurückzuführen, die durch Luftangriffe unterstützten; mittlerweile haben die Taliban ihre Angriffstaktik geändert und sind zu Bodenoffensiven übergegangen. Bodenoffensiven sind nicht nur die Ursache für Tote und Verletzte innerhalb der Zivilbevölkerung, sondern zwingen die Menschen aus ihren Heimen zu fliehen.

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben.

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren.

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc.

2017

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden.

2016

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar.

Flüchtlinge in Afghanistan

Laut UNHCR sind derzeit in Afghanistan rund 55.000 registrierte Flüchtlinge (darunter viele pakistanische Staatsangehörige) und ca. 300 Asylwerber. Der Großteil der Menschen aus Pakistan ist im Juni 2014 vor Auseinandersetzungen aus der Nord-Waziristan-Region nach Afghanistan geflüchtet.

(Auszug aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 20. "Binnenflüchtlinge")

1.5.2. Lage der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers in Afghanistan:

Kapisa

Kapisa ist eine Provinz in Zentralafghanistan. Kapisa grenzt an die Provinzen Panjshir, Laghman, Kabul und Parwan und ist in sieben Distrikte unterteilt. Die Provinzhauptstadt ist Mahmud-e Raqi. Die Landwirtschaft stellt die Haupteinnahmequelle in dieser Region dar.

Die Einwohnerzahl wird auf 441.010 geschätzt. Die größte ethnische Gruppe sind die Tadschiken, gefolgt von Paschtunen, Pashai, Nuristani und Kuchi.

Hintergründe zu dem Konflikt

Kapisa war Berichten aus dem Jahr 2015 zufolge gesellschaftlich gespalten. Im Süden sympathisierten die Bewohner mit den AGEs und im Norden mit der Partei Jamiat-e Islami.

Im April 2015 waren die drei Distrikte mit der unsichersten Lage Alasai, Tagab und Nejrab. Im Jahr 2015 gab es in diesen Distrikten die meisten Opferzahlen. Der südliche Distrikt Tagab ist durch relativ leicht befahrbare Straßenpässe mit den Distrikten Surobi in Kabul und Badpakh in Laghman verbunden. Daher ist die Region zu einem wichtigen Stützpunkt für AGEs geworden. Die Taliban kontrollierten 2014 einen wichtigen Teil einer Autobahn, die nach Kabul führte.

Der US-Streitkräfte beschreiben die Taliban in dieser Gegend als disziplinierte Truppen, die in der Lage waren, frei zu operieren. 2014 und Anfang 2015 wurde berichtet, dass die Taliban in Tagab und Alasay beinahe die gesamte Kontrolle, inklusive über die dort stationierte ANSF, halten. Im Jahr 2015 schlossen die Justizbehörden in Tagab und Alasay aufgrund von Sicherheitsrisiken. Stattdessen wurden Talibangerichte eingeführt. Strafen konnten nach der Scharia auch Hinrichtungen oder Verstümmelungen sein. Im Jahr 2015 klagten die Bewohner von Tagab und Alasay über den Mangel an medizinischen Einrichtungen. Vor allem schwangere Frauen litten unter den schlechten humanitären Bedingungen. (Hinweis: Näheres hierzu vgl. S. 166)

Im Dezember verbreiteten sich Gerüchte über Anwesenheit des IS. Regierungsquellen berichteten, dass der IS Drohungen verbreitet und ein IED mit der Flagge des IS auf dem Basar entschärft wurde.

Die Gewalt in den nördlichen Distrikten im Jahr 2015 war mehr mit politischen Spannungen zwischen Hezb-e Islami und Jamiat-e Islami verbunden. Laut Informationen aus dem Jahr 2016 galt Kapisa als eine der Hochburgen von Hezb-e Islami. Die Bewegung kontrollierte Kämpfer in der Provinz, hatte jedoch keine ausgeprägten territorialen Ansprüche, wie z.B. die Taliban.

Laut ISW waren ab März 2017 ein Großteil von Tagab und kleine Teile von Nijrab und Alasay unter der Kontrolle der Taliban. Große Teile dieser drei Distrikte wurden als ausgeprägte "Taliban-Unterstützungszonen" betrachtet. Im Mai 2017 wurde nach fast 16 Jahren die erste Schule für Mädchen im Shinkai-Gebiet des Distrikts Tagab eröffnet.

Neueste Sicherheitsentwicklungen

Vom 1. September 2016 bis zum 31. Mai 2017 zählte die Provinz Kapisa 137 Sicherheitsvorfälle.

Nach Angaben von UNAMA wurden zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2017 in Kapisa 16 Zivilisten getötet und 43 verletzt, hauptsächlich durch Bodenkämpfe.

Im Berichtszeitraum kam es in den südlichen Distrikten der Provinz Kapisa zu mehreren Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und AGEs. Im Oktober 2016 wurden zwei Taliban-Kämpfer getötet und ein dritter bei Kämpfen verletzt.

Anfang Januar 2017 starteten die Sicherheitskräfte großangelegte Befreiungsoperationen in den Distrikten Tagab und Nijrab. Laut Regierungsangaben wurden während dieser Offensive Dutzende von AGEs getötet oder verwundet. Viele Anwohner waren von der Gewalt betroffen. Nach lokalen Quellen wurden mehr als tausend Familien im Distrikt Tagab aufgrund der laufenden Operation vertrieben und benötigten dringende Soforthilfen. Ein Polizeisprecher behauptete, dass mindestens 27 Dörfer von Tagab während der Operation befreit worden seien. Im Juni 2017 wurden elf Aufständische, darunter der "Gouverneur" der Taliban in Kapisa, bei einem Luftangriff getötet. (Hinweis: Näheres hierzu vgl. S. 168)

Im Berichtszeitraum stieg der Anteil der explosiven Waffen, die von den AGEs benutzt wurden. Dabei wurden sie selbst regelmäßig durch eigene Sprengstoffexplosionen verletzt oder getötet. Zivilisten waren jedoch auch Opfer von Minen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: European Asylum Support Office [in Folge: "EASO"], Country of Origin Information Report Afghanistan, Security Situation, December 2017 [abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_Afghanistan_security_situation_2017.pdf (abgerufen am 11.05.2018); in Folge: "EASO-Bericht Sicherheitslage"], Pkt. 2.17)

1.5.3. Lage in der Stadt Kabul:

Allgemeines

Die Einwohnerzahl der Stadt Kabul beträgt nach offiziellen Angaben rund drei Millionen, Schätzungen gehen aber von bis zu sieben Millionen aus.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: Country of Origin Information Report Afghanistan, Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City, August 2017 [abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_COI_Afghanistan_IPA_August2017.pdf (abgerufen am 18.04.2018); in Folge: "EASO-Bericht Sozioökonomie"], Pkt. 1.1.)

Die Stadt Kabul ist neben 14 anderen Distrikten ein eigener Distrikt in der Provinz Kabul. In diesem Bericht wird die Stadt Kabul aufgrund ihrer herausragenden Stellung als Hauptstadt, gesondert behandelt. Hierbei liegt es an der hohen Konzentration von Regierungsgebäuden, internationalen Organisationen, diplomatischen Einrichtungen und internationalen und nationalen Sicherheitskräften, dass Kabul Stadt eine andere Prognose als den meisten anderen Provinzen Afghanistans in Bezug auf die Sicherheitslage zukommt. Kabul ist mit Abstand die größte Stadt in Afghanistan und sicherlich die am schnellsten wachsende. Eine große Anzahl an Rückkehrern, Binnenvertriebene und Wirtschaftsmigranten haben in Kabul ein rasantes Wachstum ausgelöst. Schätzungen der Bevölkerung reichen von 3,5 Millionen bis zu mehr als 7 Millionen Menschen, davon viele in informellen Siedlungen. Mehr als drei Viertel der Bevölkerung der Provinz Kabul leben in der Stadt Kabul. Kabul ist eine ethnisch vielfältige Stadt. Laut dem Kabul City Master Plan beträgt die Beschäftigungsstruktur der Provinz Kabul 79,4% Landwirtschaft, 5,7% Industrie und 14,9% Dienstleistungen. Auch wenn die Bevölkerung der Provinz Kabul zu 80% urban ist, sind die meisten Einwohner von der Landwirtschaft abhängig.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: EASO-Bericht Sicherheitslage, Pkt. 2.1.)

Sicherheit allgemein

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert. Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten fand eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Kabul statt.

Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen. Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen.

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert. Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant.

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an.

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizistinnen und Polizisten werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten, also ab der zweiten Jahreshälfte 2017, schrittweise umgesetzt werden.

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden nach einer Quelle von Ende Jänner 2018 Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert.

Wesentliche sicherheitsrelevante Vorfälle seit Beginn des Jahres 2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war. Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft. Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländerinnen und Ausländer und vier Afghaninnen und Afghanen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte. 160 Menschen konnten gerettet werden. Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet. Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff.

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere. Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt. Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte.

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 1. "Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen" und Pkt. 3.1 "Kabul").

Weitere Anschläge regierungsfeindlicher Elemente in der Stadt Kabul ereigneten sich im März 2018 (Anschlag des IS auf das Nawruz-Fest, über 30 Tote) und im April 2018 (Wählerregistrierungszentrum, über 60 Tote).

(Zusammenfassung aus folgenden Quellen: Zeitung "Kurier" vom 22.04.2018, "Kabul: Weit mehr als 50 Tote bei Selbstmordanschlag", abzurufen unter:

https://kurier.at/politik/ausland/kabul-mindestens-30-tote-54-verletzte-bei-selbstmordanschlag/400025008; Zeitung "Zeit online" vom 21.03.2018, "Viele Tote bei Anschlag in Kabul", abzurufen unter:

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-03/afghanistan-explosion-kabul-viele-opfer, beide Artikel abgerufen am 30.05.2018)

Erreichbarkeit von Österreich

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen. Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 3.2 "Erreichbarkeit - Flugverbindungen").

Wirtschaftliche Lage durch bzw. für Rückkehrer

Rückkehrer aus anderen Staaten

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghaninnen und Afghanen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrerinnen und Rückkehrer im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrerinnen und Rückkehrer existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen. Die meisten Rückkehrerinnen und Rückkehrer entschlossen sich, sich in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 23 "Rückkehr").

Lebenshaltungskosten und Wohnungsmarkt

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat. In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zu 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: LIB, Pkt. 23 "Rückkehr").

In den großen Städten sind die meisten Menschen auf den Mietmarkt verwiesen, weil der Kauf einer Immobilie teuer ist. Nach IOM betrugen die Mietkosten im Jahr 2016 für eine Wohnung zwischen 400 bis 600 USD pro Monat, plus den Kosten für Wasser und Elektrizität von etwa 40 USD. Der Nationale Konsumentenpreisindex von März 2014 des Zentralamts für Statistik in Afghanistan bestätigte, dass nach 2014 die Mietpreise in Kabul, wie auch an anderen Orten, wegen verminderter Nachfrage sanken. Gemäß einer im Mai 2017 interviewten Quelle der Vereinten Nationen sind die Preise wieder wegen einer großen Anzahl an Rückkehrern aus Pakistan angestiegen. Es besteht auch die Möglichkeit, ein einzelnes Zimmer zu mieten, was, nach Landinfo, günstiger ist.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan, Afghanistan Networks, Februar 2018 [in Folge:

"EASO-Bericht Netzwerke"], abrufbar unter:

https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/Afghanistan_Networks.pdf, abgerufen am 04.05.2018)

Sanitäre Situation

Nach einer Studie der afghanischen Regierung aus dem Jahr 2015 gibt es einen weitreichenden Zugang zu behandeltem, also vor externer Kontaminierung angemessen geschütztem, Trinkwasser in den Städten. In den afghanischen Städten umfassen behandelte Wasserquellen private und öffentliche Pumpen, private und öffentliche Brunnen oder Wasserleitungen. Allerdings fand dieselbe Studie heraus, dass sogar Wasser aus behandelten Quellen nicht frei von durch Wasserübertragene Krankheitserregern, Chemikalien und anderen Schadstoffen ist. Im Februar 2017 berichtete Reuters, dass eine wachsende Bevölkerung die Wasserversorgung in der afghanischen Hauptstadt belastet und zwingt diejenigen, welche es sich nicht leisten können, unkontrolliert Brunnen immer tiefer zu graben.

Einer anderen Quelle ist zu entnehmen, dass Dürreperioden, das Fehlen von Hygiene, eine entsprechende Abfallwirtschaft und das Bevölkerungswachstum die Wasserressourcen in den großen Städten stark beeinträchtigen, insbesondere in der Stadt Kabul. Die meisten der gemeinschaftlich genutzten Wasserversorgungseinrichtungen sind kontaminiert und wasserübertragene Krankheitserreger üblich.

Nach einer aus 2015 stammenden Studie der afghanischen Regierung ist der Zugang zu behandeltem Abwasser deutlich geringer als zu behandeltem Wasser.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.7.3.1.)

Arbeitsmarkt

Als Hauptstadt ist Kabul das Finanzzentrum und politische Zentrum und die größte Stadt des Landes und beheimatet die meisten internationalen Organisationen. Es hat einen höheren Grad an Industrialisierung als andere Städte.

Nach Aussagen der afghanischen Regierung hat Kabul grundsätzlich bessere Arbeitsmöglichkeiten aufgrund einer größeren Anzahl an Unternehmen und Behörden, wenngleich sich die Situation seit der zweiten Hälfte 2015 verschlechtert hat. Dies aufgrund von Sicherheit, dadurch einem reduzierten Vertrauen von Investoren sowie verringerter Entwicklungshilfe, wobei letzterer Umstand in größeren Verlusten von, von solchen Hilfsleistungen abhängigen, Haupt- und Hilfstätigkeiten mündete. Ohne Verbindungen ist es schwierig, eine Beschäftigung bei Regierungsstellen oder NGOs zu finden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus folgender Quelle: EASO-Bericht Sozioökonomie, Pkt. 2.2.5)

Der Arbeitsmarkt in Afghanistan ist herausfordernd und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Abschätzung der Arbeitslosenrate ist wegen des informellen Charakters des Markts schwierig. Auch für höher gebildete und höherqualifizierte Personen ist es, nach einer Quelle der UN schwierig, ohne ein Netzwerk Arbeit zu bekommen und ohne jemanden zu haben, welcher jemandem einem Arbeitgeber vorstellt. Afghanistan wird von Amnesty International als hochgradig korrupt beschrieben. Nepotismus ist weitverbreitet und die meisten höheren Positionen in der Verwaltung und Gesellschaft im Allgemeinen werden auf Grundlage von Beziehungen und früheren Bekanntschaften verteilt. Aus Sicht eines Arbeitgebers ist es sinnvoll jemanden aus seinem eigenen Netzwerk aufzunehmen, weil man genau weiß, was man bekommt. Wenn jemand aus der erweiterten Familie aufgenommen wird, so bleiben die Ressourcen im Familiennetzwerk. Eine Studie aus 2012 der ILO über Beschäftigungsmuster in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher einstufen als formale Qualifikationen und, dass dies der Schlüssel zur Sicherung von Beschäftigung wäre. Nach einer Analyse von Landinfo hat sich daran seit 2012 nichts geändert.

Nach der IOM gibt es lokale Webseiten, welche freie Stellen im öffentlichen und privaten Sektor ausweisen. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, ungeregelten Arbeitsmarkts. Der Arbeitsmarkt besteht hauptsächlich aus manueller Arbeit ohne die Anforderung für eine formale Ausbildung und gibt das niedrige Bildungsniveau wieder.

Eine lokale Botschaft beschreibt, wie Tagelöhner von der Straße angeworben werden. In Kabul gibt es lokale Treffpunkte für Arbeitssuchende und Nachfragende. Dort werden Vereinbarungen über Tagesarbeiten und kleinere Tätigkeiten kurzer Dauer, in der Regel unqualifizierte Handarbeit, wobei es auch höherqualifizierte Tätigkeiten sein können, abgeschlossen. Es kommen viele Personen zusammen, und nicht jeder erhält Arbeit.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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