Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GewO 1994 §367 Z14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der IR in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 25. Jänner 1999, Zl. UVS-1998/16/118-10, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des darin enthaltenen Schuldspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 25. Jänner 1999 wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug nach § 66 Abs. 4 AVG schuldig erkannt, als gewerberechtliche Geschäftsführerin der R GmbH für die Ausübung des Drogistengewerbes im Standort M, auf Grund einer Bestellung am 4. August 1997 an eine bestimmte Kundin per Nachnahme, aufgegeben beim Postamt M, unter dem Namen "Natur-Produktevertrieb", M, Hauptstraße 4, einen "Ener-Chi-Spray 120 ml" ausgeliefert und dadurch eine Übertretung nach § 367 Z. 14 GewO 1994 i.V.m. § 50 Abs. 2 GewO 1994 sowie § 370 Abs. 2 GewO 1994 begangen zu haben, da der Versandhandel mit Giften, Arzneimitteln, Heilbehelfen, Verzehrprodukten, Waffen und Munition verboten sei und es sich bei dem Produkt "Ener-Chi-Spray" zweifelsfrei um ein Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes, BGBl. Nr. 185/1983, handle. Nach § 367 Einleitungssatz GewO 1994 wurde über sie eine Geldstrafe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt. Gleichzeitig wurde das Verwaltungsstrafverfahren wegen einer anderen der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Tat gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt. Zur Begründung des Schuldspruches führte der Unabhängige Verwaltungssenat im Wesentlichen aus, eine namentlich bezeichnete Kundin habe auf Grund eines im ORF-Teletext erschienen Werbetextes für den fraglichen Spray telefonisch Kontakt unter der dort genannten Telefonnummer aufgenommen und nach einem kurzen Informationsgespräch den angepriesenen Spray bestellt. Sie habe am 7. August 1997 das Paket von der Post nach Bezahlung von S 780,-- in Empfang genommen. Nach Anwendung des Mittels habe sie eine Allergie erlitten und deswegen Strafanzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung erstattet. Der im Zuge des Strafverfahrens beigezogene Gerichtsmediziner habe ein Gutachten erstattet, wonach die Gesundheitsschäden auf Grund einer Allergie entstanden seien. Die Beschwerdeführerin habe sich seinerzeit vor dem Inverkehrbringen der fraglichen Spezialität auf ein deutsches Gutachten gestützt, wonach es sich um ein Kosmetikum handle. Auch ein chinesischer Heilpraktiker habe bestätigt, der Spray sei kein Arzneimittel aber ein Naturprodukt zur äußerlichen Anwendung, das seit Jahren von tausenden Menschen in Holland und anderen europäischen Ländern ohne Probleme und mit viel Vergnügen verwendet werde. Nach der Beschriftung auf der Verpackung des verfahrensgegenständlichen Produktes löse dieses die Blockaden der Lebensenergie (Chi) in den spürbaren Körperstellen auf und stelle somit die ideale Anwendung für ermüdete, verspannte und steife Muskeln, starre, aufgedunsene und sich warm anfühlende Gelenke sowie Blessuren und Krämpfe dar. Es sei angenehm für alle Rheumapatienten, Sportler und solche, die stürzen, sich stoßen, verrenken oder sonstigen Verletzungen ausgesetzt seien. Es sei zusätzlich sehr wohltuend bei blauen Flecken, Blasen, Schwellungen und auch bei Insektenstichen. Es sei ein umweltfreundlicher Pump-Spray. Es sei sehr einfach in der Anwendung, da es direkt aufgesprüht werde und nicht an der fühlbaren Stelle eingerieben werden müsse. Es sei ein sicheres Produkt, das viele andere derartige Produkte in ihrer Wirksamkeit übertreffe, aber keine unzulässigen Bestandteile enthalte (auch kein Cortison). Es sei ein 100 %iges Naturprodukt und basiere auf der traditionellen chinesischen Heilkunde. Es habe anfangs eine stark kühlende Wirkung, wärme dann behaglich und löse Blockaden des Chi und des Blutes auf. Ferner finde sich auf der Verpackung eine Erläuterung der chinesischen Heillehre. Aus dieser Beschreibung des Produktes gehe ganz eindeutig hervor, daß dieses Mittel dazu bestimmt sei, zumindest Beschwerden zu lindern und Krämpfe zu lösen. Damit erwarte sich der Konsument eine positive Beeinflussung eines bei ihm vorherrschenden unnatürlichen Zustandes, der in Krämpfen, Steifheit, Schwellungen und Schmerzen bestehe. Von der objektiven (und subjektiven) Zweckbestimmung her liege daher ganz eindeutig ein Arzneimittel vor. Dieses falle unter das absolute Versandverbot. Objektiv liege die Übertretung auf jeden Fall vor. Es wäre der Beschwerdeführerin vor Beginn des Versandhandels mit diesem Produkt zuzumuten gewesen, sich mit der österreichischen Rechtslage vertraut zu machen und zumindest im Zweifel ein österreichisches Gutachten des Gesundheitsministeriums einzuholen. Vergleiche mit ähnlichen Produkten, wie sie im Verfahren vorgebracht worden seien, seien nicht relevant, weil es nicht um diese Produkte gehe und weil von diesen Produkten auch keinesfalls bekannt sei, daß sie im Versand verkauft würden. Die Beschwerdeführerin habe jedenfalls fahrlässig gehandelt, wenn sie sich bloß auf ein deutsches und ein holländisches Gutachten gestützt habe. Solange die Harmonisierung der Vorschriften über Arzneimittel nicht vollständig gediehen sei, könne sie sich nicht darauf verlassen, daß sie mit einer deutschen Zulassung in Österreich Produkte im Versand verkaufen könne. Es folgen sodann die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.
Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen den darin enthaltenen Schuldspruch richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt sie vor, sie habe im Strafverfahren den Antrag auf Einholung eines lebensmittelchemischen Gutachtens zum Beweis dafür beantragt, daß es sich bei dem fraglichen Produkt nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Kosmetikum handle. Dieser Beweisantrag sei von der belangten Behörde abgewiesen worden. Aber auch ohne ein solches Gutachten hätte die belangte Behörde aus dem auf der Verpackung des Produktes angebrachten Text dieses Produkt als Kosmetikum einstufen müssen.
Die Beschwerde erweist sich schon auf Grund folgender Erwägungen als berechtigt.
Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist es danach rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandselemente ermöglicht wird und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Es sind daher insbesondere in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Auch muß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Schließlich muß der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. N.F. Nr. 11.466/A).
Diesen Anforderungen kommt der Spruch des angefochtenen Bescheides insofern nicht nach, als darin zwar die einen rechtlichen Schluß darstellende Aussage getroffen wird, es handle sich bei dem in Rede stehenden Produkt um ein Arzneimittel im Sinn des § 1 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes, ohne daß jedoch jener konkrete Sachverhalt geschildert wird, aus dem dieser Schluß zu ziehen ist.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid im Umfang des darin enthaltenen Schuldspruches mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 2. Juni 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999040055.X00Im RIS seit
20.11.2000