TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/23 G307 2180539-1

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Veröffentlicht am 23.11.2018
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Entscheidungsdatum

23.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §70 Abs3
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1

Spruch

G307 2180539-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA: Rumänien, vertreten durch RA Dr. Hans GRADISCHNIG in 9500 Villacht, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2017, Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Das mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.03.2018 zu Zahl G307 2180539-1/6Z unterbrochene Verfahren wird wieder fortgesetzt.

II. Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 27 abs. 1 iVm § 28 VwGVG aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) wurde am 13.11.2017 von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten (im Folgenden: BFA, RD Ktn.) zu seinen persönlichen Verhältnissen, gesetzten Integrationsschritten und der in Aussicht genommenen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einvernommen.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 27.11.2017, dem BF persönlich zugestellt am selben Tag, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs. 3 kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

3. Mit Schreiben vom 14.12.2017, beim BFA eingebracht am 15.12.2017, erhob der BF durch den im Spruch angeführten Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den angeführten Bescheid.

Darin wurde beantragt, der Beschwerde stattzugeben und angefochtenen Bescheid in seinem gesamten Inhalt aufzuheben, sowie der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

4. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 19.12.2017 vorgelegt und langten dort am 22.12.2017 ein.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.03.2018, GZ G307 2180539-1/6Z wurde das gegenständliche Verfahren ausgesetzt, weil das beim Bezirksgericht XXXX (BG XXXX) zu XXXX wegen Körperverletzung gegen den BF geführte Strafverfahren noch nicht abgeschlossen war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist rumänischer Staatsbürger, frei von Obsorgeplichten und geschieden. In Rumänien besuchte er 10 Jahre lang die Schule und erlernte dort den Beruf eines Mechanikers. Er hat keine finanziellen Pflichten und verdiente zuletzt € 500,00. Der Vater des BF ist gestorben, die Mutter lebt noch in Rumänien, 2 Geschwister des BF in Spanien. In Österreich hält sich die Lebensgefährtin des BF, XXXX auf. Im Bundesgebiet verfügt der BF über keine weiteren Familienangehörigen oder sonstige Verwandte.

1.2. Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in Rumänien, er hielt sich zuletzt vom 13.11.2017 bis 27.11.2017 in Österreich auf.

1.3. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF an irgendwelchen Krankheiten leidet oder arbeitsunfähig ist.

1.4. Der BF geht derzeit keiner Beschäftigung nach, Kenntnisse der deutschen Sprache konnten nicht festgestellt werden.

1.5. Das zu XXXX beim BG XXXX gegen den BF wegen § 83 StGB (Körperverletzung) geführte Strafverfahren wurde mit Beschluss vom XXXX.2018 gemäß 200 Abs. 5 iVm § 199 StPO nach Zahlung eines Geldbetrages in der Höhe von € 680,00 eingestellt. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

In Italien weist der BF kriminalpolizeilichen Vormerkungen wegen Körperverletzung, Raufhandels und Diebstahls auf.

2. Beweiswürdigung

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Familienstand, Existenz von Verwandten in der Heimat und innerhalb Europas, die Beziehung mit XXXX, Schulausbildung, letzte Einkommenshöhe und dem Freisein von Obsorgepflichten getroffen wurden, beruhen diese auf dem Vorbringen in der Niederschrift vor dem BFA und dem im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung von der Polizeiinspektion XXXX angefertigten Personalblatt des BF, welche beide auch mit den Feststellungen im bekämpften Bescheid in Einklang zu bringen sind.

Der BF legte einen auf seinen Namen ausgestellten rumänischen Personalausweis vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Der BF hat keine Anhaltspunkte für das Vorliegen irgendwelcher Krankheiten oder von Arbeitsunfähigkeit geliefert.

Der in Rumänien gelegene Lebensmittelpunkt ergibt sich aus der vom BF getätigten Aussage, er reise nur hin und wieder nach Österreich und begäbe sich dann wieder in sein Heimatland zurück. Auch die relativ kurzen Zeitspannen der Meldung in Österreich deuten auf diesen Umstand hin.

Der auf den Namen des BF lautende Sozialversicherungsdatenauszug weist innerhalb Österreichs keine Beschäftigung weder für die Vergangenheit noch für die Gegenwart aus.

In Ermangelung der Vorlage eines Sprachzertifikats konnten beim BF keine Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus festgestellt werden. Ferner deutet die Einvernahme des BF sowohl in der PI Hauptplatz auch vor dem BFA in rumänischer Sprache auf fehlende Deutschkenntnisse hin.

Die kriminalpolizeilichen Vormerkungen des BF in Italien folgen dem Inhalt der vom Polizeikooperationszentrum XXXX am 25.11.2017 dem BFA übermittelten Ergebnis der dahingehenden Anfrage bei den italienischen Behörden.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit in Österreich folgt dem Inhalt des auf den Namen des BF lautenden Auszuges aus dem Strafregister der Republik Österreich.

Die Einstellung des gegen den BF geführten Verfahrens vor dem BG XXXX, welches zu keiner Verurteilung des BF führte, ist dem dahingehend im Akt einliegenden Beschluss vom XXXX.2018 zu entnehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides.:

3.1.1. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war der Beschwerde stattzugeben und der bekämpfe Bescheid aufzuheben, dies aus folgenden Gründen:

Für den BF, die aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1., 1. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung, weil er sich noch nicht 10 Jahre in Österreich aufhält.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Die von der belangten Behörde erstellte Gefährdungsprognose steht auf keinem Fundament. So antizipiert das Bundesamt das Verschulden des BF in dessen Bescheid, obwohl zum damaligen Zeitpunkt (noch) keine Verurteilung vorlag. Auch wenn das in der Anzeige der PI XXXX geschilderte Verhalten verwerflich anmuten mag, wurde der BF nicht gerichtlich beanstandet, sondern das Verfahren - wie oben erwähnt - eingestellt. § 67 FPG stellt zwar nicht ausschließlich auf eine gerichtliche Verurteilung ab, doch lässt auch das übrige persönliche Verhalten des BF keinen Schluss zu, dass daraus eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr abzuleiten wäre, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührte. Ferner ist aus dem Faktum, dass die LG des BF im Prostituiertenmilieu tätig ist, nicht selbstredend auf eine Verwerflichkeit seiner Person zu schließen.

Was die kriminalpolizeilichen Vormerkungen in Italien betrifft, dürfen auch diese nicht als Basis für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes herangezogen werden. Diese Aufzeichnungen - in Österreich ist die Rechtsgrundlage in den §§ 57 SPG und 100 Abs. 2 Z 4 StPO geregelt - enthalten bloß Informationen über die wegen des Verdachts von vorsätzlich begangenen, von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlungen, welche an die Staatsanwaltschaften zur Anzeige gebracht werden. Daraus unmittelbar auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung seitens des BF-Verhaltens zu schließen, ohne dass in Italien eine Verurteilung vorliegt (dies ist dem Akteninhalt jedoch nicht zu entnehmen), stand dem Bundesamt nicht zu.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erweist sich somit vorliegend nicht als verhältnismäßig.

Da es schon der in § 67 Abs. 1 normierten Grundvoraussetzung des Vorliegens einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung fehlt, konnte die im Lichte der im Sinne des § 9 BFA-VG ansonsten gebotene Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen unterbleiben.

Schließlich sei noch hervorgehoben, dass im vorliegenden Fall von einem Aufenthaltsverbot - und nicht wie die belangte Behörde auf Seite 6 des Bescheides (2. Absatz, drittvorletzte Zeile) - von einem Einreiseverbot auszugehen ist.

3.3. Da den (weiteren) Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheides somit die Rechtsgrundlage entzogen war, waren auch diese aufzuheben.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zahl Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen der BF in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, EU-Bürger, Interessenabwägung, mangelnder
Anknüpfungspunkt, öffentliche Interessen, Rechtsgrundlage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G307.2180539.1.01

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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