TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/27 W265 2200528-1

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Veröffentlicht am 27.11.2018
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Entscheidungsdatum

27.11.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W265 2200528-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 05.06.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte erstmals am 29.05.2015 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, in welchem die Funktionseinschränkung "Zustand nach Poliomyelitis der linken unteren Extremität, Zustand nach Beinverlängerungsoperation links" mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. festgestellt wurde, wies die belangte Behörde den Antrag mit Bescheid vom 13.08.2015 ab.

Am 13.03.2018 beantragte der Beschwerdeführer erneut die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.05.2018 basierenden Gutachten vom selben Tag wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Siehe auch VGA vom 15.07.2015 Zustand nach Poliomyelitis der linken unteren Extremität, Zustand nach Beinverlängerungsoperation links 20%

Derzeitige Beschwerden:

Ich hatte Kinderlähmung, wo das linke Bein und der rechte Arm und die rechte Brustmuskulatur betroffen ist. Am linken Beinen hatte ich eine Verlängerungsoperation. Ich habe jetzt Beschwerden mit dem Rücken. Ich habe eine Erkrankung, die man nicht heilen kann.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Seractil, Sirdalud

Sozialanamnese:

Ledig, keine Kinder, Beruf: keine Ausbildung, HTL wurde abgebrochen,

AMS

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

KFJ vom 24.10.2017

St.p. Poliomyelitis in fru¿her Kindheit (in Tschetschenien) mit bestehender Parese OE rechts sowie UE links

St.p. Beinextensionsoperation UE links vor ca. 4 Jahren (in Speising)

Klinischer Status:

OE bds.: reduziertes Muskelrelief Schultergu¿rtel + prox. OE rechts, Schulterabduktion re bis 40°, KG 2-3, links KG 5, Außenrotation/Innenrotation KG 3 re, KG 5 links, Ellbogenflexion re KG 4-5, links KG5, Ellbogenextension KG 5 bds., distal KG 5 bds. Scapula alata rechts

UE bds.: reduziertes Muskelrelief UE links, Kraft rechts allseits

KG5, links: Hu¿ftbeugung KG3, Kniestreckung KG3-4, Vorfußheber KG 3-4, Plantarflexion ca KG4

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 179,00 cm Gewicht: 69,00 kg Blutdruck: 130/80

Klinischer Status - Fachstatus:

22 Jahre

Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet

Caput, Visus: unauffällig Hörvermögen nicht eingeschränkt

keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei

Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten:

nicht palpabel

Thorax: symmetrisch, elastisch

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar, Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.

Pulse: Allseits tastbar Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. durchführbar, rechts jedoch deutlich erschwert, rechter Arm kann bis 45° abduziert werden grobe Kraft rechts geringgradig vermindert, geringgradige Scapula alata rechts, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben

Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. links erschwert/bzw. nicht durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft links vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, Muskelverhältnisse links geringgradig verschmächtigt, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 5 cm

Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen endlagig eingeschränkt

Gesamtmobilität - Gangbild:

Leicht hinkendes Gangbild, kein Gehbehelf

Status Psychicus:

Klar, orientiert

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach Poliomyelitis in früher Kindheit 2 Stufen über dem unteren Rahmensatz, da mäßiggradige Parese der oberen Extremität rechts sowie der unteren Extremität links

04.01.01

30

 

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

 

 

Begründung für

den Gesamtgrad der Behinderung:

-

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Verschlechterung im Vergleich zum VGA

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Anhebung des GdB um eine Stufe.

[x] Dauerzustand

..."

Mit Parteiengehör vom 04.05.2018 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das bisherige Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis und gab ihm die Möglichkeit, dazu binnen zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer gab mit Schreiben vom 20.05.2018 eine Stellungnahme ab, in welcher er zusammengefasst vorbrachte, er sei weder mit der Untersuchung durch die Sachverständige noch mit dem Ergebnis und festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. einverstanden. Die Untersuchung sei zu kurz gewesen und der Beschwerdeführer habe seine Probleme nicht ausführlich schildern können. Was der Beschwerdeführer der Gutachterin gesagt habe, sei nicht im Sachverständigengutachten festgehalten oder einfach ignoriert worden. Er leide seit seiner Kindheit an dieser Krankheit, die laut Ärzten nicht heilbar sei. Damit sich die Krankheit nicht verschlimmere, mache der Beschwerdeführer physikalische Behandlungen und Heilgymnastik zuhause und verwende für die Muskeln täglich einige Stunden neuromuskuläre Elektrostimulation. Zusätzlich mache er derzeit noch Munari, Impulsgalvanisation und Heilmassage in einer Praxis für Physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation. Aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigungen müsse er mit seiner Mutter leben, die koche, einkaufen gehe und ihm, so wie auch andere Familienmitglieder, allgemein helfe. Ein Blatt Papier reiche nicht, um all seine gesundheitlichen Beschwerden zu schildern, dies sei nur eine Zusammenfassung. Das Sachverständigengutachten sei insofern zu ergänzen, als unter dem Punkt "Behandlungen/Medikamente/Hilfsmittel" folgendes anzugeben sei "Seractil, Sirdalud, Arthrotec MTBL, Mexalen, Oleovit D3 und auch einige Vitamine z.B. Vitamin C, Omega 3, Vitamine A-Z,... Zuhause: Heilgymnastik und neuromuskuläre Elektrostimulation. Im Krankenhaus: Physikalische Therapie, Munari, Impulsgalvanisation und Heilmassage". Unter dem Punkt "Derzeitige Beschwerden" müsse folgendes angegeben werden: "Muskelschwäche, Minderung der Muskelkraft, reduziertes Muskelrelief (Muskelatrophie) und Schmerzen an den betroffenen Regionen; Rücken, linkes Bein, linke Bauchseite, rechte Brust, rechter Arm mit Schulter und rechte obere Rückenseite einfacher gesagt Scapula Alata rechts. Mit dem rechten Arm einfache Dinge zu machen ist unmöglich, z.B. den Arm nach oben, hinten oder seitlich zu heben auch ohne Gewicht geht nicht, irgendwas zu tragen, kochen, usw. Der Grund ist, ich habe keine Kraft dafür und es tut gleich weh. Regelmäßiges Muskelzittern am Oberarm-Schulterbereich. Es fällt mir schwer zu gehen, ich kann nicht viel gehen oder stehen, während ich gehe, kann ich jederzeit hinfallen, da das Bein keine Kraft hat. Bin oft beim Gehen hingefallen, deswegen muss ich immer aufpassen und mich langsam bewegen. Es besteht eine Atrophie in der linken Hüftmuskulatur. Rückenschmerzen, da ich hinkend gehe, früher war es noch schlimmer wegen Skoliose von 14° hatte ich ungefähr vor 4 Jahren Beinverlängerungs-Operation im Spital Speising, das linke Bein wurde 2,5 cm verlängert, weiter zu warten war es gefährlich. Druckschmerz an der linken Bauchseite z.B. bei Bauchlage, Druckschmerz an der rechten Brust, an der Seite sind die Rippen (Brustkorb) spürbar und sichtbar, da deutliche Muskelatrophie besteht." Die gesunden oberen und unteren Extremitäten würden auch leiden, da sie z.B. beim Gehen und Stehen fast die gesamte Last tragen müssten. Dies und noch weitere Angaben habe der Beschwerdeführer bei der Untersuchung gemacht bzw. versucht zu erwähnen. Wenn man ihn ansehe, sehe man, dass sein physischer Zustand nicht gut sei. Daher sollte der Gesamtgrad der Behinderung mit zumindest 50 v.H. eingestuft sein.

Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers wurde die allgemeinmedizinische Sachverständige von der belangten Behörde um eine Stellungnahme ersucht. Mit Stellungnahme vom 04.06.2018 führte die Gutachterin dazu Folgendes aus:

"Stellungnahme zum Beschwerdeschreiben vom 20.05.2018, da das Leiden zu gering eingestuft wurde.

Bezüglich der Poliomyelitis wurde die Einstufung gemäß der objektivierbaren Funktionsdefizite auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Befunde, adäquat vorgenommen, sodass die Argumentation im Beschwerdeschreiben nicht geeignet ist, die bereits vorliegende Beurteilung zu entkräften. Es ergeben sich daher keine neuen Aspekte hinsichtlich noch nicht adäquat berücksichtigte, relevanter Leidenszustände, sodass an der bereits vorhandenen Beurteilung festgehalten wird."

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.06.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Mit dem Bescheid wurden dem Beschwerdeführer das ärztliche Sachverständigengutachten und die gutachterliche Stellungnahme übermittelt.

Mit E-Mail vom 05.07.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wiederholte er das bereits in der Stellungnahme vom 20.05.2018 erstattete Vorbringen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 13.03.2018 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer besteht folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

1. Zustand nach Poliomyelitis in früher Kindheit

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.05.2018 und in deren Stellungnahme vom 04.06.2018 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem Akt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.05.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag.

In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wird auf die Art des Leidens des Beschwerdeführers und dessen Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung. Die Gesundheitsschädigung wurde nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Wie die Sachverständige in ihrer Stellungnahme vom 20.05.2018 bestätigt, wurde die Einstufung aufgrund der objektivierbaren Funktionsdefizite unter Berücksichtigung der vorhandenen Befunde vorgenommen. In der Statuserhebung der Untersuchung am 03.05.2018 zeigten sich vor allem der rechte Arm und das linke Bein mäßiggradig eingeschränkt. Nacken- und Schürzengriff waren beidseitig durchführbar, wenn auch rechts deutlich erschwert. Der rechte Arm konnte in der persönlichen Untersuchung bis 45° abduziert werden die grobe Kraft rechts zeigte sich geringgradig vermindert, Faustschluß und Spitzgriff waren beidseitig durchführbar. Die grobe Kraft des linken Beins ist vermindert, Zehenspitzen- und Fersenstand sowie Einbeinstand waren links erschwert bzw. nicht durchführbar. Der Beschwerdeführer konnte beide Beine von der Unterlage abheben, Hüft- und Kniegelenke waren frei beweglich, die Muskelverhältnisse links geringgradig verschmächtigt, das Gangbild leicht hinkend. Die Einschätzung unter eine andere Positionsnummer mit einem höheren Grad der Behinderung ist aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen nicht möglich.

Das Vorbringen, die Untersuchung sei zu kurz gewesen und die Sachverständige habe die Schilderungen des Beschwerdeführers nicht im Sachverständigengutachten festgehalten, wird anhand der Ergebnisse der Statuserhebung widerlegt, worin detailliert und ausführlich Kopf, Hals, Thorax, Herz, Lunge, Leib, obere und untere Extremitäten, Gangbild und Mobilität sowie psychischer Status überprüft wurden. Die Ausführungen unter dem Punkt "Derzeitige Beschwerden" sind im Rahmen der Anamneseerhebung vom Beschwerdeführer selbst getätigte Angaben. Die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 20.05.2018 und der Beschwerde dazu ausführlicher beschriebenen Beschwerden stimmen mit den Untersuchungsergebnissen der Sachverständigen und den vorgelegten Befunden überein. Dass der Beschwerdeführer Vitaminpräparate einnehme und seine Krankheit mittels Heilgymnastik, neuromuskuläre Elektrostimulation, Physikalische Therapie, Munari, behandle und stabilisiere, ändert ebenfalls nichts an der Einstufung der objektivierbaren Funktionseinschränkungen.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vor, die geeignet wären, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung des Leidenszustandes zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Er ist dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.05.2018 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 03.05.2018. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.05.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 30 v.H. beträgt. Die Funktionseinschränkung wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Beschwerdeführer ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkung) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W265.2200528.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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