TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 W170 2204036-1

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z17
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2204036-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.07.2018, Zl. 1187073400-180587111/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in Folge: beschwerdeführende Partei) stellte am 22.06.2018 nach legaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, sie habe keine eigenen Fluchtgründe, wolle aber denselben Schutz wie ihr in Österreich asylberechtigter Vater.

Im Rahmen des Administrativverfahrens legte die beschwerdeführende Partei einen auf diese lautenden syrischen Reisepass vor, in dem ein österreichisches Visum, ausgestellt in Beirut, angebracht ist.

3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurde der gegenständliche Antrag der beschwerdeführenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 27.07.2018, erlassen am 30.07.2018, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde dieser der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe keine Fluchtgründe vorgebacht.

4. Mit am 16.08.2018 bei der Behörde eingebrachtem Schriftsatz wurde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides Beschwerde erhoben.

Begründend wurde ausgeführt, der beschwerdeführenden Partei drohe in Syrien Verfolgung durch die Al-Nusra Front. Weiters sei auf Grund der Asylantragstellung davon auszugehen, dass man der beschwerdeführenden Partei im Falle ihrer Rückkehr eine oppositionell-politische Gesinnung unterstellen würde und drohe dieser Verfolgung als alleinstehende Frau und als Kurdin.

5. Die Beschwerde wurde samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten am 22.08.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Vom zur Entscheidung berufenen Richter des Bundesverwaltungsgerichtes wurde am 22.11.2018 eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers abgehalten. In dieser gab die beschwerdeführende Partei zusammengefasst an, dass ein benachbartes Dorf von der Al-Nusra-Front komplett zerstört worden sei, woraufhin die Familie in das sichere Kamishli übersiedelt sei; der Vater der beschwerdeführenden Partei werde von Al-Nusra gesucht. In Kamishli sei die Familie in Sicherheit gewesen, aber die Lage sei nicht stabil gewesen. Sie habe als Mädchen aus Angst vor Entführung und Vergewaltigung nicht allein einkaufen gehen können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist eine bereits zum Antragszeitpunkt am 22.06.2018 volljährige syrische Staatsangehörige, die der Volksgruppe der Kurden und der Konfession der Sunniten angehört. Die Identität der XXXX steht fest.

1.2. XXXX ist legal und im Rahmen eines Familienverfahrens nach Österreich eingereist, hat am 22.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt; im Rahmen des diesbezüglichen Administrativverfahrens wurde XXXX mit im Spruch bezeichneten Bescheid der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

1.3. XXXX ist in Österreich unbescholten.

1.4. XXXX hat Syrien am 18.06.2018 aus syrischer Sicht rechtmäßig über einen Grenzübergang zum Libanon und ohne Probleme bei der Ausreise gemeinsam mit ihrer Mutter und einer Schwester verlassen. XXXX ist im Besitz ihres Reisepasses, in dem sich ein syrischer Ausreisestempel befindet.

1.5. Zu diesem Zeitpunkt kam dem Vater der XXXX namens XXXX , geb. 01.01.1962, in Österreich bereits der Status des Asylberechtigten zu.

Der Vater der XXXX namens XXXX hat am 12.01.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, XXXX hatte zwischen dem 12.01.2015 und dem 18.06.2018 (Tag ihrer Ausreise) keine Probleme mit staatlichen oder kurdischen Organen. Der Vater der XXXX namens XXXX ist kein Reservist der syrischen Armee.

1.6. Im Verfahren gab XXXX an, dass ihr in Syrien Verfolgung durch die Al-Nusra Front drohe, die ihren Vater suche. Weiters sei auf Grund der Asylantragstellung davon auszugehen, dass der syrische Staat XXXX im Falle ihrer Rückkehr eine oppositionell-politische Gesinnung unterstellen würde und drohe dieser Verfolgung als alleinstehende Frau und als Kurdin.

1.7. Vor ihrer Ausreise hat XXXX seit etwa 2013 bis zu ihrer Ausreise in der Stadt Kamishli gelebt, die derzeit und wohl auf Dauer in der Hand der kurdischen Kräfte ist.

In Kamishli leben derzeit noch Verwandte der XXXX , die diese vor ihrer Ausreise unterstützt haben, etwa indem sie XXXX bei Einkäufen begleitet haben.

1.8. In Kamishli kann - von den kurdischen Kräften abgesehen - kein anderer Verfolger auf XXXX greifen, in Kamishli würde diese wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden nicht verfolgt werden.

1.9. Die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz durch XXXX ist weder dem syrischen Staat noch den kurdischen Kräften bekanntgeworden.

1.10. Es besteht kein reales Risiko, wohl aber eine entfernte Möglichkeit, dass XXXX im Rahmen der Einreiseformalitäten am Flughafen von Damaskus aus, von dem sie Kamishli per Flugzeug erreichen kann, aus welchem Grund auch immer festgenommen und einer mit Folter verbundenen Anhaltung zugeführt wird.

1.11. Andere Verfolgungsgründe sind nicht hervorgekommen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu 1.1., 1.2. und 1.3. ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus dem Reisepass und hinsichtlich der Unbescholtenheit der ins Verfahren eingeführten Strafregisterauskunft sowie den diesbezüglich nachvollziehbaren und glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei.

2.2. Die Feststellungen zu 1.4. ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus dem einen Ausreisestempel enthaltenden Reisepass der beschwerdeführenden Partei, und deren Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht, die mit den Aussagen der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesamt in Einklang zu bringen waren.

2.3. Die erste und zweite Feststellung zu 1.5. ergibt sich aus dem in das Verfahren eingeführten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.12.2017, Zl. W199 2124016-1/15E, die dritte Feststellung aus den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die letzte Feststellung zu

1.5. ergibt sich aus den glaubwürdigen Aussagen des Zeugen, des Vaters der beschwerdeführenden Partei.

2.4. Die Feststellungen zu 1.6. ergeben sich aus der klaren Aktenlage, der keine der Parteien entgegengetreten ist.

2.5. Die erste Feststellung zu 1.7. ergibt sich aus der Aussage der beschwerdeführenden Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht, siehe insbesondere S. 8 des Protokolls der mündlichen Verhandlung. Dass Kamishli derzeit in der Hand der Kurden ist, ergibt sich aus den in die mündliche Verhandlung eingeführten Beweismitteln, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation "Syrien", Gesamtaktualisierung vom 25.1.2018, Stand August 2018 (siehe hier insbesondere die Karte auf S. 7). Dass Kamishli wohl auf Dauer in der Hand der Kurden ist ergibt sich aus dem Fehlen von Anzeichen, dass dieses der kurdischen Macht entrissen werden könnte.

Dass in Kamishli derzeit noch Verwandte der beschwerdeführenden Partei leben, die diese vor ihrer Ausreise unterstützt haben, etwa indem sie diese bei Einkäufen begleitet haben, ergibt sich aus den Aussagen der beschwerdeführenden Partei.

2.6. Die Feststellung zu 1.8. ergibt sich daraus, dass in Kamishli (nur) die kurdischen Kräfte die Macht in der Hand haben und nicht zu sehen ist, dass ein anderer Verfolger auf die beschwerdeführende Partei greifen könnte; zwar gibt es kriminelle Banden in der Stadt, aber dafür dass diese an den Machthabern vorbei agieren könnten bzw. von diesen toleriert werden, gibt es keine hinreichenden Hinweise.

Dass die beschwerdeführende Partei in Kamishli nicht wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden verfolgt werden würde, ergibt sich aus dem Umstand, dass eben die Kurden in Kamishli die Macht in der Hand haben.

2.7. Die Feststellung zu 1.9. ergibt sich aus dem Umstand, dass es den österreichischen Behörden verboten ist, Daten über Asylwerber(innen) an Behörden aus deren Herkunftsstaat zu übermitteln und kein Grund zu sehen ist, warum dem syrischen Staat oder den kurdischen Kräften die Asylantragstellung bekanntgeworden sein sollte.

2.8. Dass kein reales Risiko, wohl aber eine entfernte Möglichkeit, besteht, dass die beschwerdeführende Partei im Rahmen der Einreiseformalitäten am Flughafen von Damaskus aus, aus welchem Grund auch immer, festgenommen und einer mit Folter verbundenen Anhaltung zugeführt wird (Feststellung 1.10), ergibt sich daraus, dass diese rechtmäßig ausgereist ist und dies auch mittels Reisepass und Ausreisestempel beweisen kann.

Aus den Länderberichten, insbesondere aus dem Bericht UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria, Februar 2017, der zwar schon älter als eineinhalb Jahre ist, aber mit den späteren Berichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation "Syrien", Gesamtaktualisierung vom 25.1.2018, Stand August 2018, noch in Einklang zu bringen ist, ergibt sich, dass syrische Staatsbürger grundsätzlich Reisefreiheit genießen und Syrien frei verlassen können, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang - etwa auch am Flughafen von Damaskus - ausreisen. Die Ausreise ist mit einer Gebühr verbunden. Eine Ausreisegenehmigung benötigen nur Beamte (iSv Angestellte des Staates), Berufssoldaten und wehrpflichtige Männer zwischen 18 und 42 Jahren, daher benötigte die beschwerdeführende Partei keine Ausreisegenehmigung. Diese ist somit rechtmäßig ausgereist. Insbesondere am Flughafen von Damaskus werden zurückkehrende Syrer auch hinsichtlich ihrer Ausreise und hinsichtlich allfälliger Fahndungen (etwa wegen Verbrechen, regimekritischen Aktivitäten oder Ansichten, Einberufungsbefehlen) überprüft. Personen, die unter ein unten dargestelltes Risikoprofil fallen, können mit realer Wahrscheinlichkeit mit Isolationshaft und Folter rechnen, ebenso werden Rückkehrende inhaftiert, weil ein Familienmitglied, etwa wegen Nichtbeachtens eines Einberufungsbefehls, gesucht wird. Die genannten Risikogruppen sind:

• Personen mit einer (unterstellten) oppositionellen Gesinnung;

• Personen, die aus einem Gebiet stammen, das von der Opposition beherrscht wird oder wurde, vor allem wehrfähige Männer;

• Wehrdienstflüchtige;

• Deserteure und

• Exiloppositionelle, insbesondere Teilnehmer an regimekritischen Demonstrationen.

Dass die beschwerdeführende Partei nicht unter eine dieser Risikogruppen fällt ergibt sich einerseits aus dem Umstand, dass diese ohne Probleme ausreisen konnte und andererseits keinerlei politische Aktionen entfaltet hat. Auch ist der Vater der beschwerdeführenden Partei kein Wehrdienstflüchtling oder Deserteur, wie sich aus seinen nachvollziehbaren, mit dem Alter und der Lebenssituation des Zeugen in Einklang zu bringenden Aussagen ergeben hat. Zwar kommt es vor, dass Personen ohne Grund bei der Einreise verhaftet werden, aber ein reales Risiko ist diesbezüglich nicht zu erkennen; dies ergibt sich im Wesentlichen daraus, dass diese Berichte nur vereinzelt sind und zum Teil anekdotenhaft, d.h. unüberprüfbar, erzählt werden; hierbei verkennt das Bundesverwaltungsgericht aber nicht, dass die Möglichkeit einer grundlosen Inhaftierung besteht und es diesbezüglich auch nachvollziehbare (wenn auch regelmäßig mit einer dem Opfer unterstellten politischen Gesinnung verbundene) Berichte gibt.

Daher droht der beschwerdeführenden Partei allenfalls ein gewisses Risiko, aber keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, am Flughafen von Damaskus, aus welchem Grund auch immer, festgenommen und einer mit Folter verbundenen Anhaltung zugeführt zu werden.

Dass die beschwerdeführende Partei Kamishli per Flugzeug vom Flughafen von Damaskus erreichen kann, ergibt sich aus ihren Aussagen, die auf einen Flugverkehr zwischen Damaskus und Kamishli schließen lassen (siehe 1. Antwort auf S. 7).

2.9. Hinsichtlich der Feststellung zu 1.11. ist auf die Aktenlage zu verweisen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien, da die beschwerdeführende Partei syrischer Staatsangehöriger ist.

Es ist daher zu prüfen, ob der beschwerdeführenden Partei in Syrien vor deren Ausreise Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK gedroht hat oder im Falle einer Rückkehr drohen würde, wobei auf Grund der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten davon auszugehen ist, dass der beschwerdeführenden Partei mangels hinreichender Sachverhaltsänderung eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

Die beschwerdeführende Partei hat vorgebracht, ihr drohe in Syrien

1. Verfolgung durch die Al-Nusra Front;

2. Verfolgung hinsichtlich der wegen der Asylantragstellung ihr im Falle ihrer Rückkehr oppositionell-politische Gesinnung unterstellen sowie

3. Verfolgung als alleinstehende Frau und als Kurdin.

Gemäß den Feststellungen kann die Al-Nusra Front auf die beschwerdeführende Partei in Kamishli, das sie über den Flughafen von Damaskus hinreichend sicher und legal erreichen kann, nicht auf die beschwerdeführende Partei greifen. Diese Verfolgungsangst ist daher mit der realen Situation in Syrien nicht in Einklang zu bringen und kann nicht zu einer Asylgewährung führen. Hinsichtlich der Einreise am Flughafen von Damaskus ist nach den Feststellungen kein reales Risiko gegeben, dass die beschwerdeführende Partei Ofer von Festnahme und Folter wird, wenn es auch nicht ganz ausgeschlossen werden kann; alleine die nicht an ein reales Risiko heranreichende Möglichkeit einer Verfolgung führt aber nicht zur Asylgewährung.

Selbiges gilt für die Angst, man werde der beschwerdeführenden Partei wegen der Asylantragstellung im Falle ihrer Rückkehr eine oppositionell-politische Gesinnung unterstellen, da die Asylantragstellung weder dem syrischen Regime bzw. den syrischen noch den kurdischen Behörden zur Kenntnis gekommen ist.

Auch ist eine Verfolgung als Kurdin im in kurdischer Hand befindlichen Kamishli nicht mit der realen Situation in Syrien in Einklang zu bringen und kann nicht zu einer Asylgewährung führen.

Hinsichtlich ihres Vorbringens, in Syrien als alleinstehende Frau Verfolgung zu befürchten, ist die beschwerdeführende Partei darauf zu verweisen, dass sich in Kamishli Familienmitglieder aufhalten, die der beschwerdeführenden Partei bis dato geholfen haben. Es ist kein Grund zu sehen, warum dies im Falle einer (fiktiven) Rückkehr nicht wieder der Fall sein sollte und wäre die beschwerdeführende Partei daher in Kamishli keine alleinstehende Frau; daher kann auch dieses Argument nicht zu einer Asylgewährung führen.

Da andere Gründe weder vorgebracht wurden noch amtswegig hervorgekommen sind, ist die Beschwerde abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.

Schlagworte

alleinstehende Frau, Asylantragstellung, Asylverfahren, begründete
Furcht vor Verfolgung, Bürgerkrieg, Fluchtgründe,
Flüchtlingsbegriff, Glaubhaftmachung, Herkunftsstaat, mündliche
Verhandlung, politische Gesinnung, real risk, reale Gefahr,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2204036.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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