TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/28 I420 2115571-1

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Veröffentlicht am 28.11.2018
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Entscheidungsdatum

28.11.2018

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I420 2115571-1/14E

I420 2115565-1/11E

I420 2115568-1/10E

I420 2139626-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerden des XXXX, geb. XXXX, der XXXX, geb. XXXX, des minderjährigen XXXX, geb. XXXX, und des minderjährigen Adam XXXX, geb. XXXX, die minderjährigen Beschwerdeführer gesetzlich vertreten durch XXXX, alle irakische Staatsbürger und vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2015, Zl. 1044754105-140148020, vom 29.07.2015, Zl. 1044754007-140148011, vom 12.09.2015, Zl. 1066406107-150432949, und vom 13.10.2016, Zl. 1129670009-161255481, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.10.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Verfahren von XXXX (Erstbeschwerdeführer), seiner Ehefrau XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) sowie ihrer zwei minderjährigen Kinder (des am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführers XXXX und des am XXXX geborenen Viertbeschwerdeführers XXXX XXXX) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin reisten unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellten am 07.11.2014 Anträge auf internationalen Schutz. Für den in Österreich geborenen Drittbeschwerdeführer und den in Österreich geborenen Viertbeschwerdeführer wurden am 28.04.2015 bzw. am 09.09.2016 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

Am 08.11.2014 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich einvernommen und dabei u.a. zu ihrem Gesundheitszustand, ihren Lebensumständen im Irak, ihren bisherigen Lebensumständen in Österreich, ihren Familienangehörigen und ihren Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen befragt. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin gaben an, aus Mosul, Irak, zu stammen, miteinander verheiratet zu sein und der christlichen Religionsgemeinschaft anzugehören. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er von seinem Chef gezwungen worden sei, Belege betreffend Einfuhrgenehmigungen von gewissen Produkten zu unterschreiben. Hätte der Erstbeschwerdeführer sich geweigert, wäre er getötet worden. Zudem sei er vom IS mit dem Tode bedroht worden und der IS habe seine Ehefrau verkaufen wollen. Die Zweitbeschwerdeführerin führte zu ihren Fluchtgründen aus, dass ihr Ehemann, der Erstbeschwerdeführer, von seinem Arbeitgeber mit dem Leben bedroht worden sei, wenn er nicht diverse Dokumente unterzeichnen würde. Zudem hätten IS-Soldaten die Zweitbeschwerdeführerin mit dem Tode bedroht und sie verkaufen wollen.

Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin wurden am 28.04.2015 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Der Erstbeschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er als Elektroingenieur im Bildungsministerium, für welches er vom 10.08.2008 bis Oktober 2014 gearbeitet habe, vom Leiter der Planungsabteilung des Bildungsministeriums gezwungen worden sei, Dokumente bzw. Freigaben zu unterschreiben, die mit einem Betrug enden würden. Der Leiter habe dem Erstbeschwerdeführer telefonisch gedroht, er müsse diese Dokumente unterschreiben. Der Direktor sei im Jänner bzw. Februar 2014 neu ins Ministerium gekommen und habe von Anfang an größere Korruptionsfälle veranlasst. Die letzte Drohung habe der Erstbeschwerdeführer im September 2014 erhalten. Mosul hätten sie verlassen müssen, da die IS-Truppen Mosul erobert hätte und alle Christen bedroht hätten. Auf der Flucht aus der Stadt nach Erbil hätten die IS-Kämpfer die Zweitbeschwerdeführerin verkaufen wollen. Nach Flehen des Erstbeschwerdeführers hätten die IS-Kämpfer jedoch von ihr abgelassen. Die Zweitbeschwerdeführerin legte zu ihren Fluchtgründen dar, dass sie und ihr Ehemann als Christen aufgrund der Besetzung durch den IS ihre Heimatstadt Mosul verlassen hätten müssen. Die IS-Soldaten hätten ihnen alle Wertgegenstände abgenommen und hätten die Zweitbeschwerdeführerin entführen wollen. Darüber hinaus sei der Erstbeschwerdeführer an seinem Arbeitsplatz von dem neu eingestellten Direktor bedroht worden. Der Direktor habe einen Betrug durchbringen wollen, doch der Erstbeschwerdeführer habe dies nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können. Sein Glaubensbekenntnis habe ihn zu einem potenziellen Opfer dieser Betrügereien gemacht.

In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführer mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 29.07.2015, vom 12.09.2015 sowie vom 13.10.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde den Beschwerdeführern der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide). Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 29.07.2016 bzw. bis zum 29.07.2018 erteilt (Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide).

Gegen Spruchpunkt I. der im Spruch genannten Bescheide wurde fristgerecht mit einem Schreiben vom 30.09.2015 betreffend die im Spruch angeführten Bescheide des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers sowie mit einem Schreiben vom 03.11.2016 betreffend den im Spruch angeführten Bescheid des Viertbeschwerdeführers Beschwerde erhoben sowie entsprechende Vollmachten für die Vertretung durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe vorgelegt. Es wurde beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG durchführen; die angefochtenen Entscheidungen hinsichtlich Spruchpunkt I. beheben und den Beschwerdeführern Asyl zuerkennen; in eventu die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 und 4 VwGVG beheben und zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde zurückverweisen und in eventu die ordentliche Revision zulassen.

Hierzu führten sie begründend aus, dass die Beschwerdeführer als Christen aus Mosul vertrieben worden seien. Auf der Flucht von Mosul nach Erbil seien den Beschwerdeführern von IS-Schergen an den Checkpoints alle Wertsachen abgenommen worden und die Zweitbeschwerdeführerin sei bedroht worden. Sie hätten in Erbil Zuflucht gefunden, allerdings sei es ihnen nicht möglich gewesen, dort ein dauerhaftes sicheres und zumutbares Leben zu führen. Zudem sei der Erstbeschwerdeführer in seiner Arbeit als Elektroingenieur im Ministerium für Jugend und Kultur von seiner Vorgesetzten, bei der es sich um eine Frau handle, massiv unter Druck gesetzt worden, Projekte, für die er verantwortlich gewesen sei und die vom Erstbeschwerdeführer als Betrug eingestuft worden seien, zu unterzeichnen. Als Christ sei der Erstbeschwerdeführer für die Erpressung seiner Vorgesetzten ein besonders leichtes Opfer gewesen. Eine weitere Weigerung des Erstbeschwerdeführers hätte mindestens zu einer Kündigung geführt. Hätte er sich an dem Betrug beteiligt, was der Erstbeschwerdeführer jedoch abgelehnt habe, hätte er im Fall des Auffliegens mit drakonischen Strafen zu rechnen gehabt. Die Angaben der Beschwerdeführer seien glaubwürdig und würden auch eine Deckung in den Länderberichten aufweisen. Zudem seien die Länderfeststellungen veraltet, unübersichtlich und unlogisch aneinandergereiht. Die Beschwerdeführer hätten daher ihr Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch die Islamisten des IS wegen ihres christlichen Glaubens verlassen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative liege nicht vor, da die Sicherheitslage im gesamten Gebiet des Irak zu gefährlich sei. Zudem sei der irakische Staat nicht in der Lage, den Beschwerdeführern Schutz zu bieten.

Beschwerden und Bezug habende Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 09.10.2015 vorgelegt. Am 04.07.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

Am 29.10.2018 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten, in welcher der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin im Beisein ihrer Rechtsvertretung befragt wurden; im Vorfeld war den Beschwerdeführern das Länderinformationsblatt zum Irak zugeschickt worden.

Die Verfahren der Beschwerdeführer wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichts zur gemeinsamen Verhandlung verbunden. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden die Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch getrennt voneinander u.a. zu ihrer Identität, ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihren Familienverhältnissen, ihren Fluchtgründen sowie ihrem Leben in Österreich befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in die die Beschwerdeführer betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakte des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Befragung des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.10.2018;

-

in das Verfahren eingeführte Länderberichte zur Situation im Herkunftsstaat;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Republik Irak. Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um einen volljährigen Mann (Erstbeschwerdeführer), seine volljährige Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin) sowie ihre zwei minderjährigen Kinder (Drittbeschwerdeführer und Viertbeschwerdeführer).

Die Identität des Erstbeschwerdeführers, der Zweitbeschwerdeführerin, des in Österreich geborenen Drittbeschwerdeführers und des ebenfalls in Österreich geborenen Viertbeschwerdeführers stehen fest.

Die Beschwerdeführer gehören der Volksgruppe der Araber und der christlichen Religionsgemeinschaft an.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin haben im Irak standesamtlich geheiratet und sind Eltern sowie gesetzliche Vertreter der minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin halten sich seit spätestens 07.11.2014 in Österreich auf. Der Drittbeschwerdeführer wurde am XXXX und der Viertbeschwerdeführer wurde am XXXX in Österreich geboren.

Im Bundesgebiet leben die Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt und sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würden.

Für die minderjährigen Beschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

1.3. Zur Situation im Irak:

Zur allgemeinen Lage:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit dem Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der Stadt MOSUL, Hauptstadt der Provinz NINAWA, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit den schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz ANBAR als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSUL sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von MOSUL.

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt MOSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie einer Enklave südlich von KIRKUK, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS, auch in diesen Gebieten, besiegt sei.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung bezüglich der Frage der Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte. Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und seit 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt, mit sich brachte. Die sicherheitsrelevante Situation im Großraum BAGDAD ist durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu dienen sollte, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten ebenso wenig, wie Hinweise auf eine Säuberung von durch ethnische oder religiöse Gruppierungen bewohnten Gebieten.

Beim Unabhängigkeitsreferendum bezüglich der Frage der Loslösung Irakisch Kurdistans (KRI) vom irakischen Staat stimmten am 25.09.2017 92,7 Prozent der Stimmberechtigten für einen eigenen Staat (Wahlbeteiligung: 72 Prozent) (ORF 27.9.2017). Als Reaktion darauf verbot die irakische Zentralregierung u.a. internationale Flüge in die Region. Die irakische Zentralregierung bat zudem die beiden Länder Türkei und Iran darum, ihre Grenzen zu den kurdischen Autonomiegebieten zu schließen sowie jeglichen Handel einzustellen. Die Grenzübergänge von der KRI zum Iran und der Türkei sind seit dem Referendum nur mehr teilweise geöffnet (s. Karte unten). Die Irakischen Sicherheitskräfte (ISF) haben außerdem begonnen, Checkpoints an diesen Grenzübergängen einzurichten. Irakische Regierungskräfte haben als Reaktion auf das Kurdenreferendum beinahe alle Gebiete eingenommen, die zu den sogenannten "umstrittenen Gebieten" zählen, einschließlich Kirkuk und die dort befindlichen Ölquellen. Neben den militärischen Maßnahmen fasste die Zentralregierung in Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum eine Reihe weiterer Maßnahmen, darunter: Die Sanktionierung kurdischer Banken, das Einfrieren von Fremdwährungstransfers, sowie das Einstellen von Flugverbindungen und mobilen Kommunikationsnetzen.

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren.

In den südlichen Provinzen ist der Großteil der Gewalt, die dort stattfindet, nicht terroristischer Natur, sondern krimineller und "tribaler" (d.h. stammesbezogener) Natur. Die Provinz BASRA war nicht direkt von der Offensive der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 betroffen und sind dort keine direkten Auseinandersetzungen zwischen IS-Kämpfern und irakischen Truppen festzustellen gewesen. Es wird zwar über Auseinandersetzungen zwischen schiitischen Stämmen berichtet, jedoch finden sich keine Berichte über Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten. Auch wird über kriminelle Banden berichtet, die für Entführungen zur Erpressung von Lösegeld, einen Anstieg von Gewalttaten, von Diebstahl, von bewaffneten Raubüberfällen, Tötungen und Drogenhandel verantwortlich gemacht werden (OSAC 07.03.2017). Die Bestrebungen der ISF gehen dahin, die Sicherheit in Stadt und Provinz BASRA aufrecht zu erhalten, während bewaffnete Gruppen um die vorhandenen Ressourcen kämpfen/rivalisieren (OSAC 07.03.2017).

Die Verfassung des Iraks gewährt das Recht auf freie Meinungsäußerung, sofern die Äußerung nicht die öffentliche Ordnung oder die Moral verletzt, Unterstützung für die Baath-Partei ausdrückt oder das gewaltsame Verändern der Staatsgrenzen befürwortet. Der größte Teil der Einschränkungen dieses Rechts kommt durch Selbstzensur auf Grund von glaubhafter Furcht vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionelle Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden zustande. Bestimmte Berufsgruppen sind im Irak einem hohen Risiko, Opfer konfessioneller oder extremistischer Gewalt zu werden, ausgesetzt. Zu diesen Berufsgruppen zählen Künstler, Schriftsteller, Musiker und Poeten.

Quelle:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN.

Zur Religionsfreiheit:

Die Verfassung erklärt den Islam als die offizielle Religion und legt fest, dass kein Gesetz beschlossen werden darf, das den "bestehenden Vorschriften des Islam" widerspricht. Die Verfassung gewährt das Recht auf Religionsfreiheit für Muslime, Christen, Jesiden, und Saebäer/Mandäer. Das Gesetz verbietet allerdings das Ausüben des Bahai-Glaubens und des wahabitischen Zweiges des sunnitischen Islam (USDOS 10.8.2016).

Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im Parlament vertreten. Grundlage bildet

ein Quotensystem bei der Verteilung der Sitze (fünf Sitze für die christliche Minderheit sowie

jeweils einen Sitz für Yeziden, Sabäer, Mandäer und Schabak. Das kurdische Regionalparlament sieht jeweils fünf Sitze für Turkmenen, Chaldäer und Assyrische Christen

sowie einen für Armenier vor (AA 7.2.2017).

Der Verfassungsentwurf der KRG enthält die Scharia als eine der Gesetzesquellen, jedoch verbietet er nicht die Existenz von Gesetzen, die das islamische Recht verletzen (wie dies in der irakischen Verfassung festgeschrieben ist), außerdem anerkennt er die Rechte von Nicht-Muslimen (UNCIRF 26.4.2017). Anm.: In der Praxis sind Personen bei der Ausübung ihrer Religion in vielen Punkten de-facto eingeschränkt. S. dazu auch die Abschnitte Minderheiten, Menschenrechte, etc.

Es existieren zwar keine Gesetze im irakischen Zivil- oder Strafrecht, die Strafen für Personen vorsehen, die vom islamischen Glauben abfallen, es gibt jedoch Gesetze und Regulierungen, die die Konversion vom islamischen Glauben zu anderen Religionen verhindern. Iraks Muslime sind aber darüber hinaus auch nach wie vor der Scharia, dem islamischen Recht, untergeordnet. Dieses verbietet Apostasie, also den Abfall vom islamischen Glauben. Menschen, die den islamischen Glauben ablegen wollen, sind darüber hinaus oft ernsthafter Verfolgung durch die Gesellschaft ausgesetzt, werden zum Teil sogar getötet, oftmals von den eigenen Angehörigen/Bekannten. Feindseligkeiten gegenüber den Konvertiten oder Atheisten sind im Irak weit verbreitet (IRB 10.6.2014, vgl. IRB 2.9.2016).

Massive Einschränkungen der Religionsfreiheit gibt es insbesondere im IS-Gebiet: Der IS ging nach wie vor gewaltsam gegen Mitglieder aller Glaubensbekenntnisse vor, insbesondere gegen Nicht-Sunniten. In Gebieten, die unter der Kontrolle des IS stehen, beging dieser Morde, Massenexekutionen, Vergewaltigungen, Entführungen, Verhaftungen, Massenvertreibungen und Versklavung von Frauen und Mädchen, die religiösen Minderheiten angehören (USDOS 10.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

-

IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (2.9.2016): Iraq:

Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available (2013-September 2016) [IRQ105624.E],

http://www.ecoi.net/local_link/329716/470759_de.html , Zugriff 27.3.2017

-

IRB - Immigration and Refugee Board of Canada: Iraq (10.6.2014):

Situation of religious minorities, including practitioners of "Zoroastrianism" and [Yazidi]; treatment by other groups (including the Islamic State of Iraq and al Sham, ISIS) and the government;

state protection (2011-July 2014), http://www.ecoi.net/local_link/294738/429650_de.html , Zugriff 24. 3. 2017;

-

USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports: Tier 2 Countries:

Iraq, http://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494429603_iraq-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

-

USDOS - US Department of State (10. 8. 2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Iraq, https://www.ecoi.net/local_link/328414/469193_de.html, Zugriff 16.6.2017

Zur Situation von Christen:

Schätzungen gehen davon aus, dass heute noch etwa 200.000 bis 400.000 Christen im Irak leben (zum Vergleich 2003: 1,5 Mio.). Die Situation der Christen hat sich kirchlichen Quellen zufolge seit Ende der Diktatur 2003 stark verschlechtert. Viele sehen für sich keine Zukunft im Irak. In den vergangenen Jahren sind daher hunderttausende irakische Christen ins Ausland geflohen. Es kommt immer wieder zu Angriffen auf Priester, Bombenanschläge auf Kirchen und christliche Einrichtungen sowie Übergriffe auf von Christen geführte Lebensmittelhandlungen, in denen ggf. auch alkoholhaltige Getränke angeboten werden. Nach dem Vormarsch des IS auf Mosul und das umliegende christliche Kernland ergriffen im

Sommer 2014 zehntausende Christen die Flucht in die Region Kurdistan-Irak und vereinzelt auch nach Bagdad. Viele warten dort darauf, dass die teilweise mittlerweile befreiten christlichen Städte um Mossul, wie Qaraqosch, sicher genug für eine Rückkehr sind.

In der Region Kurdistan-Irak wie in angrenzenden Gebieten, die von der kurdischen Regionalregierung kontrolliert werden, haben seit 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden. Sie leben derzeit unter schwierigen materiellen und sozialen Bedingungen als Binnenvertriebe zumeist in der kurdischen Provinz Dohuk. Es gibt dort laut Auswärtigem Amt keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung. (AA 7.2.2017). Human Rights Watch berichtet allerdings davon, dass Christen davon abgehalten wurden, an Demonstrationen teilzunehmen, sowie dass es gegenüber Christen zu Quasi-Enteignungen von Land gekommen sei (HRW 22.4.2016). Die Hauptkonfessionen der christlichen Gemeinschaft im Irak sind die chaldäisch-katholische Kirche, die assyrische Kirche des Ostens, die syrisch-orthodoxe Kirche und die armenisch-orthodoxe Kirche (WCC, NCA 30.11.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

-

AI - Amnesty International: Iraq (22.12.2016): Nowhere to turn, http://www.ecoi.net/local_link/334019/475702_de.html" \h, Zugriff 16.6.2017

-

Al-Jazeera (11.2.2015): Iraq's Kakais: 'We want to protect our culture',

http://www.aljazeera.com/news/2015/02/iraq-kakais-protect-culture-150209064856695.html, Zugriff 12.7.2017

-

Al-Jazeera (13.2.2017): Iraq's Turkmen mobilise for a post-ISIL future,

http://www.aljazeera.com/indepth/features/2017/01/iraq-turkmen-mobilise-post-isil-future-170102075837918.html, Zugriff 25.8.2017

-

Al-Jazeera (3.3.2017): Rival Kurdish groups clash in Iraq's Sinjar region,

http://www.aljazeera.com/news/2017/03/rival-kurdish-groups-clash-iraq-sinjar-region-170303071119811.html, Zugriff 20.6.2017

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Al-Monitor (26.6.2013): Black Iraqis Struggle to Shake Legacy of Racism,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2013/06/black-iraqis-face-discrimination-racism.html#ixzz4keCv1cKV, Zugriff 21.6.2017

-

Al-Monitor (10.2.2016): Who are Iraq's Kakai?, http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/02/iraq-kakai-religious-minority-kurdistan-quota.html#ixzz4mbHj3sCF, Zugriff 12.7.2017

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BMI - Bundesministerium für Inneres; BMLVS - Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport (2016 - Stand Irak: 2014): Atlas:

Middle East & North Africa,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf, Quellen:

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1487772308_2017-02-bmi-atlas-mena-sources.pdf, Zugriff 16.6.2017

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HRC - UN Human Rights Council (9.1.2017): Report of the Special Rapporteur on minority issues on her mission to Iraq [A/HRC/34/53/Add.1],

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1486636376_g1700244.pdf, Zugriff 12.4.2017

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HRW - Human Rights Watch (22.4.2016): Iraqi Kurdistan: Christian Demonstration Blocked,

https://www.hrw.org/news/2016/04/22/iraqi-kurdistan-christian-demonstration-blocked, Zugriff 19.6.2017

-

HRW - Human Rights Watch (15.1.2017): Iraq: ISIS Bombings Are Crimes Against Humanity - Compensate Civilian Victims, http://www.ecoi.net/local_link/334849/476644_de.html, Zugriff 7.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (7. 5.2017): Iraq: Kirkuk Security Forces Expel Displaced Turkmen,

https://www.hrw.org/news/2017/05/07/iraq-kirkuk-security-forces-expel-displaced-turkmen, Zugriff 24.8.2017

-

Iraqinews (4.7.2017): IS executes 200 Turkmens, last local leader in Tal Afar,

http://www.iraqinews.com/iraq-war/executes-200-turkmens-last-local-leader-tal-afar/, Zugriff 24.8.2017

-

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Zur Lage von Frauen im Irak:

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25 % im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30 %) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen.

Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Diskriminierung von Frauen ist im Irak auch im sozialen und religiösen Kontext Alltag. Vor allem in schiitisch dominierten Bereichen herrschen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, zB Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt. Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO und andere internationale Akteure, z. B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irakmit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen. So hat die irakische Regierung gegenüber der UNDAF die Zusage zur Förderung von Frauen und Mädchen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auch für den Zeitraum von 2015 bis 2019 wiederholt.

Im Jahr 2014 lag die Erwerbsquote von Frauen im Irak bei ca 14 %, stieg allerdings in den letzten Jahren an und lag im Jahr 2016 bei 17,8 %. Die Anzahl möglicher Betätigungsfelder für Frauen im Irak steigt stetig an, so sind Frauen nicht nur im öffentlichen Sektor tätig sondern etablieren sich, trotz der nach wie vor vorherrschenden gesellschaftlichen Ressentiments und Widerständen, zunehmend als Unternehmerinnen bzw. Eigentümerinnen von Geschäftigen (zB Buchgeschäften oder Kaffeehäusern) etc.

In den Jahren 2014 und 2015 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Cafés und Restaurants in BAGDAD und BASRA, wobei der Umstand, dass dort Frauen beschäftig werden bzw. waren, oftmals als Motiv genannt wurde, jedoch auch als Vorwand gesehen wird, ein unliebsames Lokal zu schließen. Gegen die Zahlung von Schutzgeld war es Lokalbesitzern in BASRA möglich, auch Kellnerinnen einzustellen, die freizügiger angezogen waren. Grundsätzlich schützen die irakischen Gesetze Frauen, die in Kaffeehäusern oder Casinos arbeiten, es besteht seitens der irakischen Regierung ein Problembewusstsein für diese Thematik. Dennoch kommt es bei Frauen, die als Kellnerinnen arbeiten, oftmals zu Übergriffen.

Quellen:

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Adnan Abu Zeed, Nightclubs, cafes still risky business for Iraqi women, 05.12.2017,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/12/nightclub-girls-club-baghdad-iraq-harassment.html#ixzz56XBcW5nl (Letzter Zugriff am 09.08.2018)

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BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Ergänzende Informationen zu Vorschriften zur Frauenbekleidung durch Gesellschaft und Milizen sowie Ergänzungen zur Lage von Kellnerinnen, 13.11.2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1418160/5209_1511256710_irak-mr-sog-bekleidungsvorschriften-fuer-frauen-lage-von-kellnerinnen-ergaenzende-afb-2017-11-10ke.doc (Letzter Zugriff am 09.08.2018)

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BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 09.08.2018)

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Mustafa Saadoun, Iraq's female booksellers turn the page on gender roles, 19.10.2017,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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