TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/29 W196 1262319-3

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Veröffentlicht am 29.11.2018
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Entscheidungsdatum

29.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §75 Abs20
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.3
EMRK Art.8 Abs1
EMRK Art.8 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W196 1262319-3/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.05.2012, Zl. 05 07.905-BAI zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wird das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der der Ukraine und Angehöriger der Volksgruppe der Ukrainer, reiste am 31.05.2005 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 (idF BGBl I Nr. 76/1997).

Im Zuge der niederschriftlichen Befragung am 31.05.2005, gab er zu seinem Fluchtgrund befragt, zusammengefasst an, die Ukraine verlassen zu haben, weil er dort verfolgt worden sei. In Tschechien habe er dann einen negativen Bescheid bekommen und in der Slowakei sei ihm mitgeteilt worden, dass er kein Asyl bekommen werde.

Am 06.06.2005 sowie am 14.06.2005 erfolgten niederschriftliche Einvernahmen des Beschwerdeführers in der Erstaufnahmestelle West, jeweils im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin der russischen Sprache und eines Rechtsberaters.

Im Zuge der Einvernahme vom 06.06.2005 gab der Beschwerdeführer unter anderem an, zu befürchten, von der ukrainischen Polizei umgebracht zu werden. Ungefähr im Juli 2003 sei ein 14-jähriges Mädchen in der Nachbarschaft verschwunden; ihre Leiche sei in der Folge auf rumänischem Staatsterritorium gefunden worden. Es habe der Verdacht der Vergewaltigung und gewaltsamen Tötung des Mädchens bestanden, weshalb die Polizei sämtliche in Frage kommenden Personen, darunter auch den Beschwerdeführer, überprüft habe. In der Folge habe ein Gerichtsgutachten jedoch ergeben, dass der Tod des Mädchens ein Unglücksfall gewesen sei. Nach Abschluss der Angelegenheit habe die Polizei neuerlich begonnen, den Beschwerdeführer zu verfolgen. Er habe ständig unter Beobachtung gestanden, wobei ihn die Polizei aufgrund einer Überprüfung seiner Personalunterlagen als Nationalist und Homosexuellen beschuldigt habe. Etwa einen Monat nach dem Tod des Mädchens sei er von seinem Chef zu einem Urlaub eingeladen worden, bei welchem man die Ermordung des Beschwerdeführers geplant habe. Die Polizisten hätten darauf gewartet, dass er in den Fluss baden gehe, seien schon unter Wasser gewesen und hätten ihn am Fuß erfasst. Der Beschwerdeführer habe sich retten können. Während er in der Tschechischen Republik aufhältig gewesen sei, hätten sich Mitarbeiter des ukrainischen Sicherheitsbüros als Schwarzarbeiter ausgegeben und in der Gemeinschaftsunterkunft des Beschwerdeführers niedergelassen. Auch sei er während seines Aufenthaltes stets von Kameras beobachtet und verfolgt worden. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass seine Ehefrau in Italien ermordet worden sei. Nachdem die Polizei den Mörder zunächst nicht habe finden können, sei er dank der Anzeige des Beschwerdeführers gefasst worden.

In seiner Einvernahme am 14.06.2005 gab der Beschwerdeführer neuerlich an, von der ukrainischen Polizei verfolgt worden zu sein.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.07.2005 wurde der Asylantrag ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Asylantrages die Slowakei zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs 1 iVm § 5a Abs 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei ausgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylamtes vom 04.11.2005, Zl. 262.319/2-102/05, gemäß § 32a Abs 1 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt am 21.07.2006 im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin der russischen Sprache niederschriftlich einvernommen. Er gab an, der ihn bei den vorhergehenden Einvernahmen befragende Beamte des Bundesasylamtes habe nur das für ihn relevante Vorbringen des Beschwerdeführers in der Niederschrift festgehalten und darüber hinaus psychologischen Druck auf den Beschwerdeführer ausgeübt. Er werde auch hier in Österreich ständig von versteckten Kameras gefilmt und abgehört. In der Ukraine sowie in Italien und Moldawien habe er Teile der Mafia aufgedeckt. Der Beschwerdeführer gab ferner an, über hypnotische Fähigkeiten zu verfügen. Er werde rund um die Uhr beobachtet sowie abgehört; er könne die versteckten Wanzen wahrnehmen. Geheimdienste würden ihn vor seinen Killern beschützen. Der österreichische Geheimdienst vermute, dass er ein Spion sei. Aufgrund von erheblichen Zweifeln an der Einvernahmefähigkeit des Beschwerdeführers wurde die Einvernahme abgebrochen und dem Beschwerdeführer in der Folge eine Ladung für eine psychiatrische Untersuchung zugestellt.

Am 13.09.2006 erstattete der allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige Dr. Mag. rer. nat. Klaus Burtscher ein neuropsychologisches sowie klinisch-psychologisches Gutachten und diagnostizierte beim Beschwerdeführer eine paranoide Schizophrenie. Die verbalen und visuellen Gedächtnisabrufprobleme sowie Arbeitsgedächtnisstörungen seien mit der nachgewiesenen chronischen posttraumatischen Belastungsstörung in Übereinstimmung zu bringen. Da diese chronifizierten Folgen einer extremen Belastung noch nach Jahrzehnten bestünden, sei eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung zu diagnostizieren. Der Beschwerdeführer sei weder vernehmungs- noch aussagefähig und benötige dringend eine psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer mehrere Selbstmordversuche geschildert habe, bestehe sowohl Fremd- als auch Selbstgefährdung. Deshalb stelle sich auch die Frage nach dem Verbleib der Ehefrau des Beschwerdeführers. In diesem Zusammenhang erwähnte der Sachverständige, dass der Beschwerdeführer die Frage, ob er jemals einen Menschen getötet habe, nicht beantworten habe wollen.

Mit Schreiben vom 25.09.2006 regte das Bundesasylamt beim Bezirksgericht Dornbirn die Bestellung eines Sachwalters für den Beschwerdeführer an.

Am 30.03.2007 erstattete XXXX , ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten, in dem er zu dem Schluss gelangte, dass sich beim Beschwerdeführer Hinweise für das Vorliegen einer paranoiden Schizophrenie, also einer Geisteskrankheit im engeren Sinne mit im Vordergrund stehender Wahnsymptomatik, fänden. Da eine Schizophrenie nach heutigem Stand der Wissenschaft durch spezifische Stoffwechselstörungen des Gehirns, die wiederum in sozialen Extremsituationen entstehen bzw. gefördert werden, hervorgerufen würden, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer von seinem Lebensablauf her, früher erheblich psychisch traumatisiert worden sein dürfte. Das klinische Zustandsbild entspreche mit aus gutachterlicher Sicht ausreichender Sicherheit einer akuten schizophrenen Psychose, womit eine eigenständige psychische Erkrankung im engeren Sinn vorliege. Die forensischen Voraussetzungen zur Errichtung einer Sachwalterschaft seien grundsätzlich erfüllt.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Dornbirn, AZ 29 P 8/06b vom 30.04.2007, wurde ein Sachwalter gemäß § 273 ABGB für die Vertretung des Beschwerdeführers im Asylverfahren bzw. zur Vertretung in einem allfälligen fremdenrechtlichen Verfahren bestellt.

Mit Schreiben vom 07.05.2007 wurde XXXX als Sachwalter aufgefordert, innerhalb einer Frist von drei Wochen schriftlich seine Gründe zur Begründung des Asylantrages, dem subsidiären Schutz sowie Gründe, die gegen eine Ausweisung sprechen, einzubringen. Mit gleichem Schreiben wurde gemäß § 45 Abs 3 AVG Parteiengehör zu den Länderfeststellungen zur Ukraine gewährt.

Am 31.05.2012, am 12.06.2007 und am 12.07.2007 ersuchte der Sachwalter des Beschwerdeführers um Fristverlängerung, die ihm auch bis zum 10.08.2007 gewährt wurde.

Am 13.08.2007 langte vom Sachwalter des Beschwerdeführers eine Stellungnahme, datiert mit 09.08.2007 ein, in welcher er vorbrachte, es sei im Hinblick auf die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers davon auszugehen bzw. jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, über in der Vergangenheit liegende Ereignisse vollständig und wahrheitsgemäß zu berichten. Weiters besitze er keine voluntativen Fähigkeiten, sein Verhalten zweckgerichtet zu steuern. In der Ukraine sei die Lage für psychisch Kranke besorgniserregend; eine ausreichende medizinische Versorgung sei nur gegen Bezahlung erhältlich. Der Beschwerdeführer habe jedoch seine Existenzgrundlage in der Ukraine verloren und sei nicht in der Lage, die nötigen finanziellen Mittel für die Behandlung seiner psychischen Erkrankung aufzubringen.

Mit Schreiben vom 14.08.2007 wurde XXXX neuerlich gemäß § 45 Abs 3 AVG Parteiengehör zu den aktuellsten Länderfeststellungen zur Ukraine eingeräumt und er aufgefordert, innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu schriftlich Stellung zu nehmen, wobei diesbezüglich keine weitere Stellungnahme einlangte.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 11.10.2007, Zl. 0507.905-BAI, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 für zulässig befunden (Spruchpunkt II) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen Sachwalter fristgereicht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes sowie mangelhafter Begründung.

Im Akt befindet sich ein Schreiben eines Akt näher bezeichnetem Landeskrankenhauses vom 22.10.2007, wonach sich der Beschwerdeführer seit dem 25.09.2007 in stationärer psychiatrischer Behandlung befinde und an einer paranoiden Schizophrenie leide. Ein weiterer stationärer Aufenthalt sowie eine psychopharmakologische Therapie seien derzeit dringend indiziert.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.12.2011, Zl. D 6 262319-2/2008/7E, wurde in Erledigung der Beschwerde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Am 30.12.2011 wurde seitens des Organwalters eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesasylamtes gestellt, deren Ergebnis am 15.03.2012 einlangte.

Mit Schreiben des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 20.03.2012 wurde dem Sachwalter des Beschwerdeführers gemäß § 45 Abs 3 AVG Parteiengehör zu dem Ergebnis der Anfrage an die Staatendokumentation und zu den aktuellen Länderfeststellungen eingeräumt.

Am 04.04.2012 ersuchte der Sachwalter des Beschwerdeführers um Fristverlängerung, die diesem auch bis zum 18.04.2012 gewährt wurde.

Am 20.04.2012 langte eine Stellungnahme des Sachwalters des Beschwerdeführers ein, wobei vorwiegend auf die hohen Kosten einer medizinischen Behandlung im Heimatland des Beschwerdeführers hingewiesen wurde.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.05.2012, Zl. 05 07.905-BAI, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I), die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen (Spruchpunkt III).

Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes wurde mit Schriftsatz vom 24.05.2012 fristgerecht Beschwerde an den Asylgerichtshof erhoben und der Bescheid im vollen Umfang angefochten. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, ein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchzuführen und die Ausführungen im angefochtenen Bescheid teilweise unvollständig, widersprüchlich und nicht ausreichend begründet seien.

Das vom Asylgerichtshof geführte Beschwerdeverfahren wurde mit 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht fortgeführt.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 22.05.2014, Zl. W196 1262319-3/6E, gemäß § 3 Abs. 1 sowie § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt A, I.), verwies das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurück (Spruchpunkt A, II.) und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seinen Sachwalter Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Der Verwaltungsgerichtshof wies die Revision mit Beschluss vom 06.08.2014, Zl. Ra 2014/01/0082-4, zurück, da der Beschwerdeführer nur allgemein behauptete habe, dass Rechtsprechung darüber fehle, unter welchen Voraussetzungen das Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG absehen könne, ohne konkret aufzuzeigen, inwiefern die vorliegende Revisionssache von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, zu der noch keine Rechtsprechung bestehe.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23.02.2015, Zl E 882/2014-15, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtshofes aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, dass es das Bundesverwaltungsgericht, vor dem Hintergrund der Situation in der Ukraine im Entscheidungszeitpunkt, unterlassen habe, entsprechende Ermittlungen zur aktuellen Lage in der Ukraine anzustellen und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Beziehung zu setzen, und somit Willkür geübt habe, zumal nur so geklärt hätte werden können, ob die Möglichkeit einer Niederlassung angesichts der als notorisch bekannten angespannten Situation in der Ukraine für den Beschwerdeführer überhaupt gegeben und/oder ihm - angesichts seiner paranoiden Schizophrenie - zumutbar sei.

Mit Verfahrensanordnung vom 21.02.2018 wurde der Sachwalter des Beschwerdeführers aufgefordert, die aktuellen medizinischen Unterlagen den Beschwerdeführer betreffend nachzureichen.

Mit Eingabe vom 19.03.2018 wurden folgende Unterlagen vorgelegt:

* Arztbrief eines im Akt näher bezeichneten Facharztes vom 12.01.2018,

* Arztbrief eines im Akt näher bezeichneten Facharztes vom 22.02.2018;

* Befund eines im Akt näher bezeichneten praktischen Arztes vom 07.03.2018

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Ukraine und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er gehört der ukrainischen Volksgruppe an und führt den im Spruch genannten Namen. Der Beschwerdeführer spricht Ukrainisch und Russisch. Vor seiner Ausreise im Juni 2003 lebte der Beschwerdeführer in XXXX , wo auch seine Angehörigen (Mutter, Bruder, Schwester) leben. Der Beschwerdeführer reiste mit einem tschechischen Visum, welches er durch eine Reiseagentur in Kiew erhalten hat, legal nach Tschechien ein, wo er einen Asylantrag stellte. Im Jänner 2004 fuhr er - nachdem er einen negativen Bescheid erhalten hat - in die Slowakei, wo er ebenfalls einen Asylantrag stellte, der abgelehnt wurde. Der Beschwerdeführer reiste folglich am 31.05.2005 nach Österreich ein.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und am 31.05.2005 einen Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 gestellt hat, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.10.2007 in allen Spruchpunkten abgewiesen worden war. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.12.2011 wurde dieser Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.05.2012 wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine für zulässig erklärt und der Beschwerdeführer in die Ukraine ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. am 22.05.2014 vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen und betreffend Spruchpunkt III. gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes am 06.08.2014 zurückgewiesen. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23.02.2015 behoben.

Beim Beschwerdeführer wurde eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Der Beschwerdeführer steht unter Sachwalterschaft und ist weder vernehmungs- noch aussagefähig. Der Beschwerdeführer leidet an keiner akuten oder lebensbedrohlichen physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung in die Ukraine darstellen würde.

Der Sachwalter des Beschwerdeführers hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht. Auch im übrigen Verfahren haben sich keine Hinweise auf eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat ergeben. Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer in der Ukraine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer - auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Beeinträchtigungen - an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet, welche eine Rückkehr in die Ukraine iSd. Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Zudem handelt es sich beim Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht um ein wirtschaftlich derart schwaches Land, in dem es keine staatliche Fürsorge bzw. keine staatlichen Sozialleistungen gibt. In der Ukraine ist die Grundversorgung der Bevölkerung jedenfalls gewährleistet und die medizinische in der Regel flächendeckend kostenlos.

Der unbescholtene Beschwerdeführer hält sich seit seinem Antrag auf internationalen Schutz am 31.05.2005 durchgehend in Österreich auf. Seit Zulassung seines Verfahrens verfügt er über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Rahmen des Asylverfahrens. Er verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht. Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise im Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung, lebt in einem Quartier der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Ukraine eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Zur verfahrensrelevanten Situation in der Ukraine:

0. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.12.2017, Antikorruption (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage, Abschnitt 4/Rechtsschutz/Justizwesen und Abschnitt 7/Korruption)

Die Ukraine hat seit 2014 durchaus Maßnahmen gesetzt, um die Korruption zu bekämpfen, wie die Offenlegung der Beamtenvermögen und die Gründung des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU). Gemeinsam mit dem ebenfalls neu geschaffenen Antikorruptionsstaatsanwalt kann das NABU viele Fälle untersuchen und hat einige aufsehenerregende Anklagen vorbereitet, u.a. wurde der Sohn des ukrainischen Innenministers festgenommen. Doch ohne ein spezialisiertes Antikorruptionsgericht läuft die Arbeit der Ermittler ins Leere, so die Annahme der Kritiker, da an normalen Gerichten die Prozesse erfahrungsgemäß eher verschleppt werden können. Das Antikorruptionsgericht sollte eigentlich bis Ende 2017 seine Arbeit aufnehmen, wurde aber noch immer nicht formell geschaffen. Präsident Poroschenko äußerte unlängst die Idee, eine auf Korruption spezialisierte Kammer am Obersten Gerichtshof sei ausreichend und schneller einzurichten. Diesen Vorschlag lehnte jedoch der Internationale Währungsfonds (IWF) ab. Daher bot Poroschenko eine Doppellösung an: Zuerst solle die Kammer eingerichtet werden, später das unabhängige Gericht. Der Zeitplan dafür ist jedoch offen (NZZ 9.11.2017).

Kritiker sehen darin ein Indiz für eine Einflussnahme auf die Justiz durch den ukrainischen Präsident Poroschenko. Mit Juri Luzenko ist außerdem Poroschenkos Trauzeuge Chef der Generalstaatsanwaltschaft, welche von Transparency International als Behörde für politische Einflussnahme bezeichnet wird. Tatsächlich berichtet die ukrainische Korruptionsstaatsanwaltschaft von Druck und Einflussnahme auf ihre Ermittler (DS 30.10.2017).

Ende November 2017 brachten Abgeordnete der Regierungskoalition zudem einen Gesetzentwurf ein, der eine "parlamentarische Kontrolle" über das NABU vorsah und heftige Kritik der westlichen Partner und der ukrainischen Zivilgesellschaft auslöste (UA 13.12.2017). Daraufhin wurde der Gesetzesentwurf wieder von der Tagesordnung genommen (DS 7.12.2017), dafür aber der Vorsitzende des Komitees der Werchowna Rada zur Korruptionsbekämpfung entlassen, welcher die Ernennung des von der Regierung bevorzugten Kandidaten für das Amt des Auditors im NABU blockiert hatte (UA 13.12.2017).

Im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben zuletzt mehrere Tausend Menschen für eine Amtsenthebung von Präsident Petro Poroschenko demonstriert. Die Kundgebung wurde von Micheil Saakaschwili angeführt - Ex-Staatschef Georgiens und Ex-Gouverneur des ukrainischen Odessa, der ursprünglich von Präsident Poroschenko geholt worden war, um gegen die Korruption vorzugehen. Saakaschwili wirft Poroschenko mangelndes Engagement im Kampf gegen die Korruption vor und steht seit einigen Wochen an der Spitze einer Protestbewegung gegen den ukrainischen Präsidenten. Mit seinen Protesten will er vorgezogene Neuwahlen erzwingen. Saakaschwili war Anfang Dezember, nach einer vorläufigen Festnahme, von einem Gericht freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Organisation eines Staatsstreiches (DS 17.12.2017).

Die EU hat jüngst die Auszahlung eines Hilfskredits über 600 Mio. €

an die Ukraine gestoppt, und der Internationale Währungsfonds (IWF) ist ebenfalls nicht zur Gewährung von weiteren Hilfskrediten bereit, solange der Kampf gegen die grassierende Korruption nicht vorankommt (NZZ 18.12.2017). Der IWF hat die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit von NABU und Korruptionsstaatsanwaltschaft zu gewährleisten und rasch einen gesetzeskonformen Antikorruptionsgerichtshof im Einklang mit den Empfehlungen der Venediger Kommission des Europarats zu schaffen (UA 13.12.2017).

Quellen:

* DS - Der Standard (17.12.2017): Tausende fordern in Kiew Amtsenthebung von Poroschenko,

http://derstandard.at/2000070553927/Tausende-fordern-in-Kiew-Amtsenthebung-von-Poroschenko?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

* DS - Der Standard (7.12.2017): Interventionen verhindern Gesetz gegen ukrainisches Antikorruptionsbüro, http://derstandard.at/2000069775196/Ukrainischer-Antikorruptionsbehoerde-droht-Verlust-an-Unabhaengigkeit, Zugriff 19.12.2017

* DS - Der Standard (30.10.2017): Die ukrainische Justizfassade bröckelt noch immer,

http://derstandard.at/2000066853489/Die-ukrainische-Justizfassade-broeckelt-noch-immer?ref=rec, Zugriff 19.12.2017

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (18.12.2017): Das politische Risiko in der Ukraine ist zurück,

https://www.nzz.ch/finanzen/das-politische-risiko-in-der-ukraine-ist-zurueck-ld.1340458, Zugriff 19.12.2017

* NZZ - Neue Zürcher Zeitung (9.11.2017): Der ukrainische Präsident verschleppt längst überfällige Reformen, https://www.nzz.ch/meinung/ukraine-revolution-im-rueckwaertsgang-ld.1327374, Zugriff 19.12.2017

* UA - Ukraine Analysen (13.12.2017): Ukraine Analysen Nr. 193, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/UkraineAnalysen193.pdf?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=Ukraine-Analysen+193&newsletter=Ukraine-Analysen+193, Zugriff 19.12.2017

KI vom 30.11.2017, Zeugen Jehovahs (relevant für Abschnitt 15/Religionsfreiheit)

In verschiedenen Regionen der Ukraine beklagen religiöse Minderheiten Diskriminierung durch lokale Behörden. Die ukrainischen Gesetze verbieten jedenfalls Diskriminierung aufgrund des Glaubens, und religiöse Gruppen haben auch Möglichkeiten im Gesetzgebungsprozess gehört zu werden. Ukrainische Gerichte haben an mehreren Orten Polizeistrafen aufgehoben, welche gegen Zeugen Jehovahs wegen der Verteilung ihrer Schriften an öffentlichen Orten verhängt worden waren. Es gibt Berichte von physischen Angriffen auf Zeugen Jehovahs und von Vandalenakten gegen ihre Einrichtungen. Für 2016 werden 21 Fälle von Vandalismus (davon drei Brandstiftungen) gegen Königreichhallen gezählt, während es 2015 noch 56 Fälle von Vandalismus (davon fünf Brandstiftungen) waren. Es gibt aber auch Berichte über behördliche Gegenmaßnahmen, etwa die Verurteilung von Tätern bei Körperverletzungen. 2015 hatte der Gemeinderat eines ukrainischen Dorfes im Oblast Kirovohrad alle Religionsgemeinschaften außer der lokalen orthodoxen Gemeinde verboten, darunter auch die Zeugen Jehovahs. Dieses Verbot wurde auf Intervention des Büros des Ombudsmanns zurückgenommen, was die Zeugen Jehovahs sehr begrüßten. (USDOS 15.8.2017a).

In früheren Jahren zählten die Zeugen Jehovahs 64 Körperverletzungen (2008-2014) und 190 Vandalenakte (2008-2013) bei, nach eigenen Angaben, 150.000 Mitgliedern. Sie beklagten die Passivität von Polizei und Gerichten bei der Verfolgung der Delikte (JW 28.7.2014). 2014-2016 zählten die Zeugen Jehovahs 115 Übergriffe; acht Täter wurden in diesem Zeitraum gerichtlich verurteilt. Auch beklagten sie Einmischung der Behörden bei der Errichtung von Königreichsälen (UNHRC 31.8.2017). Andererseits sehen die Zeugen Jehovahs in der Ukraine ihre Position im Land durch ein ukrainisches Gerichtsurteil gestärkt, das der Religionsgemeinschaft die Anmietung von Gebäuden erleichtert (JW 24.3.2017). Laut Bericht wurde der Tag der offenen Tür der Zeugen Jehovahs in Lemberg auch von Behördenvertretern besucht (JW 25.7.2017).

Die Zeugen Jehovas sind eine jener Religionsgemeinschaften, deren Angehörige in der Ukraine ausdrücklich für einen Wehrersatzdienst aus Gewissensgründen infrage kommen, was auch für den Mobilisierungsfall gilt, wie eindeutig gerichtlich bestätigt wurde (USDOS 10.8.2016) (siehe dazu Kap. 9.1. Wehrersatzdienst, Anm.).

Die Separatisten in den selbsternannten Volksrepubliken Donetsk (DPR) und Lugansk (LNR) sperrten unter anderem eine Reihe von Zeugen Jehovahs ein. Nachdem in der DPR ein Gesetz zum Verbot von Sekten erlassen wurde, wurden einige Königreichhallen der Zeugen Jehovas besetzt, zwei davon aber auch wieder zurückgegeben (USDOS 15.8.2017a). Auf der Krimhalbinsel wird faktisch russisches Recht umgesetzt (USDOS 15.8.2017b). Die Zeugen Jehovahs wurden auf der Krimhalbinsel im April 2017 durch Entscheidung des russischen Verfassungsgerichts für illegal erklärt, weil sie eine extremistische Organisation seien. Am 1. Juni 2017 wurden alle 22 Gemeinden dieser Religionsgemeinschaft auf der Krim (geschätzte 8.000 Mitglieder) amtlich abgemeldet. Am 9. Juni 2017 wurde einem Zeugen Jehovahs auf der Krim erklärt, er habe als solcher in der Russischen Föderation kein Recht auf einen Wehrersatzdienst aus Glaubengründen. Am 27. Juni 2017 wurde das Oberhaupt einer Gemeinde der Zeugen Jehovahs wegen unerlaubter Missionierungstätigkeit vor Gericht geladen und starb später am Tag an einer Herzattacke (OHCHR 25.9.2017).

Quellen:

? JW - Jehovahs Witnesses (24.3.2017): Oberstes Gericht der Ukraine stärkt Versammlungsfreiheit,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/high-gericht-st%C3%A4rkt-versammlungsfreiheit/, Zugriff 29.11.2017

? JW - Jehovahs Witnesses (25.7.2017): Behörden­vertreter besuchen Zweigbüro von Jehovas Zeugen in der Ukraine am Tag der offenen Tür, https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/pressemitteilungen/nach-region/ukraine/behoerdenvertreter-besuchen-zweigbuero-jehovas-zeugen-tag-der-offenen-tuer/, Zugriff 29.11.2017

? JW - Jehovahs Witnesses (28.7.2014): Passivität der Strafverfolgungsbehörden in der Ukraine leistet weiteren Straftaten Vorschub,

https://www.jw.org/de/aktuelle-meldungen/rechtliche-entwicklungen/nach-region/ukraine/religioes-motivierte-gewalt-bleibt-ungestraft/, Zugriff 29.11.2017

? OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (25.9.2017): Situation of human rights in the temporarily occupied Autonomous Republic of Crimea and the city of Sevastopol, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1506587856_crimea2014-2017-en.pdf, Zugriff 29.11.2017

? UNHRC - UN Human Rights Council (31.8.2017): Summary of Stakeholders' submissions on Ukraine; Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1510062028_g1725515.pdf, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (15.8.2017a): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/345317/489112_de.html, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (15.8.2017b): 2016 Report on International Religious Freedom - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/345319/489113_de.html, Zugriff 29.11.2017

? USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - Ukraine, http://www.ecoi.net/local_link/328420/455696_en.html, Zugriff 29.11.2017

1. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Ihr Staatsoberhaupt ist seit 7.6.2014 Präsident Petro Poroschenko. Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman. Das Parlament (Verkhovna Rada) der Ukraine besteht aus einer Kammer; 225 Sitze werden über ein Verhältniswahlsystem mit Listen vergeben, 225 weitere Sitze werden in Mehrheitswahl an Direktkandidaten in den Wahlkreisen vergeben. 27 Mandate bleiben aufgrund der Krim-Besetzung und des Konflikts in der Ost-Ukraine derzeit unbesetzt. Im Parlament sind folgende Fraktionen und Gruppen vertreten (mit Angabe der Zahl der Sitze):

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

142

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

43

Selbsthilfe (Samopomitsch)

26

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

20

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

48

(AA 2.2017a)

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahldurchgang zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt seither mit unterschiedlichen Koalitionen eine europafreundliche Reformpolitik. Zu den Schwerpunkten des Regierungsprogramms gehören die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassung- und Justizreform. Die Parteienlandschaft ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Die Regierung Hrojsman, die seit April 2016 im Amt ist, setzt den euroatlantischen Integrationskurs der Vorgängerregierung unter Arseni Jazenjuk fort und hat trotz zahlreicher koalitionsinterner Querelen und zum Teil großer Widerstände wichtige Reformen erfolgreich durchführen können. Gleichwohl sind die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen bei weitem nicht befriedigt (AA 7.2.2017).

Die Präsidentenwahlen des Jahres 2014 werden von internationalen und nationalen Beobachtern als frei und fair eingestuft (USDOS 3.3.2017a).

Ukrainische Bürger können seit 11. Juni 2017 ohne Visum bis zu 90 Tage in die Europäische Union reisen, wenn sie einen biometrischen Pass mit gespeichertem Fingerabdruck besitzen. Eine Arbeitserlaubnis ist damit nicht verbunden. Die Visabefreiung gilt für alle EU-Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Irlands (DS 11.6.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

* AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Ukraine, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Nodes_Uebersichtsseiten/Ukraine_node.html, Zugriff 31.5.2017

* DS - Der Standard (11.6.2017): Ukrainer feierten Aufhebung der Visapflicht für die EU,

http://derstandard.at/2000059097595/Ukrainer-feierten-Aufhebung-der-Visapflicht-fuer-die-EU, Zugriff 19.6.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

2. Sicherheitslage

Der nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch vom mit großer Mehrheit bereits im ersten Wahlgang am 07.06.2014 direkt zum Präsidenten gewählte Petro Poroschenko verfolgt eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Diese Politik hat zu einer Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren geführt, obwohl Russland im März 2014 die Krim annektierte und seit Frühjahr 2014 separatistische "Volksrepubliken" im Osten der Ukraine unterstützt (AA 7.2.2017).

Die ukrainische Regierung steht für einen klaren Europa-Kurs der Ukraine und ein enges Verhältnis zu den USA. Das 2014 von der Ukraine unterzeichnete und ratifizierte Assoziierungsabkommen mit der EU ist zum Jahresbeginn 2016 in Kraft getreten und bildet die Grundlage der Beziehungen der Ukraine zur EU. Es sieht neben der gegenseitigen Marktöffnung die Übernahme rechtlicher und wirtschaftlicher EU-Standards durch die Ukraine vor. Das Verhältnis zu Russland ist für die Ukraine von zentraler Bedeutung. Im Vorfeld der ursprünglich für November 2013 geplanten Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens übte Russland erheblichen Druck auf die damalige ukrainische Regierung aus, um sie von der EU-Assoziierung abzubringen und stattdessen einen Beitritt der Ukraine zur Zollunion/Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft herbeizuführen. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und dem Sturz von Präsident Janukowytsch verschlechterte sich das russisch-ukrainische Verhältnis dramatisch. In Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen und bilateraler Verträge annektierte Russland im März 2014 die Krim und unterstützt bis heute die bewaffneten Separatisten im Osten der Ukraine (AA 2.2017c).

Die sogenannten "Freiwilligen-Bataillone" nehmen offiziell an der "Anti-Terror-Operation" der ukrainischen Streitkräfte teil. Sie sind nunmehr alle in die Nationalgarde eingegliedert und damit dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Offiziell werden sie nicht mehr an der Kontaktlinie eingesetzt, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen gekommen ist, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, eventuell auch zu extralegalen Tötungen. Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von allerdings teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse von UNHCHR, Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten. In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlung wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen (AA 7.2.2017).

Seit Ausbruch des Konflikts im Osten der Ukraine in den Regionen Lugansk und Donezk im April 2014 zählte das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte der UN (OHCHR) 33.146 Opfer des Konflikts, davon

9.900 getötete und 23.246 verwundete Personen (inkl. Militär, Zivilbevölkerung und bewaffnete Gruppen). Der Konflikt wird von ausländischen Kämpfern und Waffen, die nach verschiedenen Angaben aus der Russischen Föderation in die nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiete (NGCA) gebracht werden, angeheizt. Zudem gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen sind betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Der bewaffnete Konflikt stellt einen Bruch des Internationalen Humanitären Rechts und der Menschenrechte dar. Der Konflikt wirkt sich auf die ganze Ukraine aus, da es viele Kriegsrückkehrern (vor allem Männer) gibt und die Zahl der Binnenflüchtlinge (IDPs) hoch ist. Viele Menschen haben Angehörige, die getötet oder entführt wurden oder weiterhin verschwunden sind. Laut der Special Monitoring Mission der OSZE sind täglich eine hohe Anzahl an Brüchen der Waffenruhe, die in den Minsker Abkommen vereinbart wurde, zu verzeichnen (ÖB 4.2017).

Russland kontrolliert das Gewaltniveau in der Ostukraine und intensiviert den Konflikt, wenn es russischen Interessen dient (USDOS 3.3.2017a).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455088_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-januar-2017-07-02-2017.pdf, Zugriff 31.5.2017

* AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Innenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

* AA - Auswärtiges Amt (2.2017c): Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Ukraine/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 31.5.2017

* ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

* USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 12.7.2017

2.1. Halbinsel Krim

Die Halbinsel Krim wurde 2014 von der Russischen Föderation besetzt. Das "Referendum" über den Anschluss an Russland, welches auf der Krim durchgeführt wurde, wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen für ungültig erklärt. Die Resolution 71/205 der Generalversammlung der UN bezeichnet die Russische Föderation als Okkupationsmacht auf der Krim. Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der Machthaber zu beobachten:

Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erreicht wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht uneingeschränkt ihrer Arbeit nachgehen. Menschen, die keinen russischen Pass haben, wird der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen verwehrt. Weiters bestehen Diskriminierungen aufgrund von sexueller Orientierung und Genderidentität. Menschen mit anderer politischer Meinung werden verhaftet und unter Bezugnahme auf russische "Anti-Terror"-Gesetze zu Haftstrafen verurteilt. Auch werden Individuen entführt oder verschwinden plötzlich. Wenige bis keine dieser Fälle werden ausreichend investigativ und juristisch verfolgt. Besonders die ethnische Gruppe der Krimtataren, aber auch Ukrainer anderer ethnischer oder religiöser Gruppen, sind von Menschenrechtsverletzungen betroffen. Der Mejlis, die krimtatarische gewählte Versammlung zur Repräsentation der Krimtataren, wurde am 18. April 2016 durch die lokalen Behörden suspendiert und am 26. April vom Russischen Obersten Gerichtshof als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschenrechtsorganisationen sowie Journalisten haben keinen uneingeschränkten Zugang zur Krim. Bestimmte Webseiten werden blockiert und unabhängige Medien mussten auf das ukrainische Festland übersiedeln. Die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit wird massiv eingeschränkt. Am 7. März 2016 wurden in Simferopol alle öffentlichen Versammlungen verboten, die nicht von den Machthabern organisiert wurden (ÖB 4.2017).

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Auf der Krim werden seit der völkerrechtswidrigen Annexion durch Russland im März 2014 staatliche Aufgaben von russischen Behörden ausgeübt. Die Einwohner wurden pauschal eingebürgert, es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Reisepässen, auszustatten. Einwohner der Krim, die ihr Widerspruchsrecht nutzten haben damit u.

a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren. Die Minderheit der Krimtataren unterliegt erheblichen Restriktionen. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit verschwinden, nicht mehr auf die Krim reisen dürfen bzw. vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren, das Selbstverwaltungsorgan Medschlis, wird von den de-facto-Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft, seine Mitglieder werden verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Medien stehen unter Druck, eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Seine Sendungen können auf der Krim nur noch im Internet und dort sehr eingeschränkt verfolgt werden. Auch jüngste Berichte von UNHCR sowie Amnesty International listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reicht. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert (AA 7.2.2017).

Auf der Halbinsel Krim sind Dissidenten das Ziel systematischen Missbrauchs und der Verfolgung durch die russischen Behörden. Es gibt Berichte über Fälle von Verschwindenlassen. Internationalen und nationalen Menschenrechtsbeobachtern wird die Einreise auf die Krim verweigert. Wenn Gruppen versuchen dort tätig zu werden, werden sie zum Ziel erheblicher Drangsale und Einschüchterung (USDOS 3.3.2017a).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen Staaten und internationale Organisation auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert. Die russischen Sicherheitsbehörden konsolidieren ihre Kontrolle der Halbinsel weiterhin und beschränken die Menschenrechte durch unverhältnismäßige Anwendung repressiver russischer Gesetze. Abweichende und Meinungen und Opposition zur Annexion der Krim werden von den russischen Behörden durch Einschüchterung unterdrückt. Dazu gehören Entführungen, Verschwindenlassen, Misshandlung, politische Prozesse, wiederholte grundlose Vorladungen durch die Sicherheitsbehörden, gegenstandslose Festnahmen, usw. Bestimmte Gruppen, vor allem ethnische Ukrainer und Krimtataren werden systematisch diskriminiert und ihre Menschenrechte eingeschränkt. Der Selbstverwaltungskörper der krimtatarischen Minderheit, der demokratisch gewählte Mejlis, wurde als extremistische Organisation verboten. Personen, welche die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft verweigern, werden beim Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Arbeitsmarkt diskriminiert. Es gibt auch Eingriffe in die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit, speziell durch Behinderung bei der Pflege des kulturellen Erbes und durch Einschränkung des Zugangs zu Unterricht in ukrainischer und krimtatarischer Sprache. Die Medienfreiheit auf der Krim wird ebenfalls eingeschränkt, unabhängige Medien gibt es nicht mehr. Die wenigen verbleibenden unabhängigen bzw. kritischen Journalisten wurden eingesperrt und wegen Extremismus angeklagt. Es kommt zu politischer Einmischung in gerichtliche Verfahren, Einschränkung der Bewegungsfreiheit und Diskriminierung ethnischer und sexueller Minderheiten. Tausende Personen flüchteten als Binnenvertriebene in die Ukraine. Bei den russischen Behörden auf der Krim herrscht betreffend Menschenrechtsverletzungen ein Klima der Straflosigkeit. Fälle von Entführung oder Tötung von Einwohnern der Krim in den Jahren 2014 und 2015 werden nicht angemessen untersucht (USDOS 3.3.2017b).

Die Rechte der Bevölkerung der Krim, besonders der Krimtataren, werden weitgehend verletzt. Der krimtatarische Mejlis wurde verboten und krimtatarische Führungspersönlichkeiten dürfen die Krim nicht betreten oder sind inhaftiert (FH 29.3.2017).

Auf der Krim setzten die de-facto-Behörden ihre Maßnahmen zur Unterdrückung jeglicher pro-ukrainischer Opposition fort, wobei sie zunehmend auf russische Gesetze zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus zurückgriffen und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Dutzende Personen anstrengten, die als illoyal betrachtet wurden. In keinem der Fälle von Verschwindenlassen, die sich im Anschluss an die russische Besetzung ereignet hatten, gab es gründliche Ermittlungen. Die russischen Behörden hielten Parlamentswahlen auf der Krim ab, die international nicht anerkannt wurden. Die bereits stark eingeschränkten Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wurden 2016 noch weiter beschnitten. Die Websites einiger unabhängiger Medienkanäle, die in den Jahren zuvor gezwungen waren, ihren Sitz auf das ukrainische Festland zu verlegen, wurden von den De-facto-Behörden auf der Krim gesperrt. Am 7. März 2016 verbot der Bürgermeister von Simferopol, der Hauptstadt der Krim, alle öffentlichen Versammlungen, die nicht von den Behörden organisiert wurden. Ethnische Krimtataren waren von dem Bestreben der De-facto-Behörden zur Beseitigung jeglicher pro-ukrainischer Opposition nach wie vor besonders stark betroffen. Am 18. April wurde der Medschlis, eine von der krimtatarischen Volksversammlung Kurultai gewählte Vertretung, aufgelöst und am 26. April von einem Gericht als "extremistisch" verboten. Das Verbot wurde am 29. September vom Obersten Gerichtshof der Russischen Föderation bestätigt (AI 22.2.2017).

Russland setzt Kritiker der Krim-Okkupation weiterhin politischer Strafverfolgung aus und schränkt die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit weiter ein. Krimtataren werden unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung verfolgt (HRW 12.1.2017).

Die im Zuge der Annexion der Halbinsel Krim bzw. im Zuge der Kampfhandlungen im Osten bekanntgewordenen und nicht zuletzt durch OSZE-Beobachter wiederholt thematisierten Verschleppungen von Journalisten durch Separatisten sowie die Behinderung objektiver Berichterstattung gaben ebenfalls zu verstärkter Sorge Anlass (ÖB 4.2017).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren aus. Exemplarisch sei auf das Argument verwiesen, wonach Parkflächen während der Schulferien für Kinderaktivitäten freizuhalten und dementsprechend öffentliche kulturelle Veranstaltungen der Krimtataren aus Anlass des Tags der Flagge der Krimtataren in Simferopol am 26. Juni 2014 zu untersagen seien (ÖB 4.2017).

Quellen:

* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/336532/479204_de.html, Zugriff 1.6.2017

* FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/338537/481540_de.html, Zugriff 1.6.2017

* HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/334769/476523_de.html, Zugriff 6.6.2017

* ÖB - Österreichische Botschaft Kiew (4.2017): Asylländerbericht Ukraine

* USDOS - US Department of State (3.3.2017a): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine, https://www.ecoi.net/local_link/337222/480033_de.html, Zugriff 31.5.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017b): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Ukraine (Crimea), https://www.ecoi.net/local_link/337269/480036_de.html, Zugriff 1.6.2017

2.2. Ostukraine

Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 rissen pro-russische Separatisten in einigen Gebieten der Ost-Ukraine die Macht an sich und riefen, unterstützt von russischen Staatsangehörigen, die "Volksrepublik Donezk" und die "Volksrepublik Lugansk" aus. Der ukrainische Staat begann daraufhin eine sogenannte Antiterroroperation (ATO), um die staatliche Kontrolle wiederherzustellen. Bis August 2014 erzielten die ukrainischen Kräfte stetige Fortschritte, danach erlitten sie jedoch - bedingt durch militärische Unterstützung der Separatisten aus Russland - zum Teil schwerwiegende Verluste. Die trilaterale Kontaktgruppe mit Vertretern der Ukraine, Russlands und der OSZE bemüht sich darum, den militärischen Konflikt zu beenden. Das Minsker Protokoll vom 5. September 2014, das Minsker Memorandum vom 19. September 2014 und das Minsker Maßnahmenpaket vom 12. Februar 2015 sehen unter anderem eine Feuerpause, den Abzug schwerer Waffen, die Gewährung eines "Sonderstatus" für einige Teile der Ost-Ukraine, die Durchführung von Lokalwahlen und die vollständige Wiederherstellung der Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze vor. Die von der OSZE-Beobachtermission SMM überwachte Umsetzung, etwa des Truppenabzugs, erfolgt jedoch schleppend. Die Sicherheitslage im Osten des Landes bleibt volatil (AA 2.2017b).

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten der Oblaste Donezk und Lugansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Berichte der OSZE-Beobachtermission, von Amnesty International sowie weiteren NGOs lassen den Schluss zu, dass es nach Ausbruch des Konflikts im März 2014 in den von Separatisten kontrollierten Gebieten zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Dazu zählen extralegale Tötungen auf Befehl örtlicher Kommandeure ebenso wie Freiheitsberaubung, Erpressung, Raub, Entführung, Scheinhinrichtungen und Vergewaltigungen. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte spricht von einem "volls

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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