TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/5 W129 2205671-1

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Veröffentlicht am 05.12.2018
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Entscheidungsdatum

05.12.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
Richtlinie 2004/38/EG Unionsbürger-RL Art.12 Abs1
Richtlinie 2004/38/EG Unionsbürger-RL Art.24 Abs2
StudFG §1 Abs4
StudFG §2 Z1
StudFG §4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W129 2205671-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Senats der Studienbeihilfenbehörde an der Stipendienstelle XXXX vom 27.06.2018, Zl. 410946301, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben, datiert mit 15.11.2017, beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Studienbeihilfe.

2. Mit Bescheid vom 27.12.2017 wurde der Antrag auf Gewährung einer Studienbeihilfe abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, er verfüge nicht über die österreichische Staatsbürgerschaft und erfülle auch nicht die Gleichstellungsvoraussetzungen gemäß § 4 StudFG.

3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine- näher begründete - Vorstellung.

4. Mit angefochtenem Bescheid vom 27.06.2018, Zl. 410946301, entschied die belangte Behörde, dass der Vorstellung vom 09.01.2018 keine Folge gegeben wird. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 21.11.2017 auf Gewährung einer Studienbeihilfe wurde abgewiesen.

Der Begründung ist im Wesentlichen zu entnehmen:

Zum Antragszeitpunkt sei der Beschwerdeführer vom 21.09.2017 bis 30.09.2017 als Arbeiter und von 01.10.2017 bis 30.04.2018 als geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der XXXX GmbH in XXXX beschäftigt gewesen. Dabei handle es sich nicht um eine tatsächliche und echte Tätigkeit, sondern um eine Tätigkeit, die einen so geringen Umfang habe, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstelle. Seit 01.05.2018 sei er nicht mehr in Österreich erwerbstätig. Nach eigenen Angaben absolviere der Beschwerdeführer zurzeit ein studienbegleitendes Praktikum im Europäischen Parlament in Brüssel, Belgien. Da er aktuell nicht in Österreich, sondern in Belgien beschäftigt sei, erfülle er die Bedingungen für eine Gleichstellung als Wanderarbeitnehmer durch sein Praktikum nicht. Auch sonst würden keine Gründe für eine Gleichstellung gemäß § 4 StudFG vorliegen. Der Vorstellung sei daher keine Folge zu geben gewesen.

5. Dagegen brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde ein, in der er sinngemäß und im Wesentlichsten vorbrachte, dass § 4 StudFG eine Gleichstellung von EWR-Bürgern mit österreichischen Staatsbürgern vorsehe, sofern diese "in das österreichische Bildung- und Gesellschaftssystem integriert sind". Die belangte Behörde habe verabsäumt, dies - trotz ausdrücklichen Hinweises in seiner Vorstellung - zu prüfen. Er sei als ordentlicher Student an einer österreichischen Hochschule, mit Studienbeginn ein Jahr vor Stellung des Antrages auf Gewährung einer Studienbeihilfe, per se als "in das österreichische Bildungssystem integriert" anzusehen. Weiters sei er in Österreich sozial und politisch aktiv, was als Beweis seiner Integration in das hiesige Gesellschaftssystem diene.

Betreffend der Gleichstellung gemäß § 4 StudFG führte er aus, dass eine Gleichstellung nach geltender nationaler und europäischer Judikatur nur gegeben sei, wenn die entsprechende Beschäftigung als "tatsächliche und echte Tätigkeit" ausgeübt werde und sich nicht als "vollständig untergeordnet oder unwesentlich darstellt". Die belangte Behörde habe dabei den Zeitraum vom 21. bis 30.09.2017 unberücksichtigt gelassen. In dieser Zeit sei er im Rahmen einer Teilzeittätigkeit bei der XXXXGmbH in XXXX beschäftigt gewesen.

Darüber hinaus leite die belangte Behörde aus dem Praktikum beim Europäischen Parlament für den Zeitraum 30.04.2018 bis 13.07.2018 in Brüssel ein Beschäftigungsverhältnis in Belgien ab. Dies lasse aber außer Acht, dass eine Beschäftigung in einer Institution der Europäischen Union nicht an das belgische Arbeit-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht gebunden und damit nicht als Beschäftigungsverhältnis in Belgien zu verstehen sei. Es sei eine Gleichwertigkeit des Praktikums in europäischem Dienste mit einer "echten" Beschäftigung innerhalb Österreich gegeben. Beim Praktikum auf Vollzeitbasis handle es sich um eine "echte" Tätigkeit, die nicht "untergeordnet" sei. Auch habe er trotz des Praktikums im Sommersemester 2018 seine Studien an der Universität XXXX fortgeführt.

6. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde mit Schreiben vom 11.09.2018, eingelangt am 14.09.2018, der Verwaltungsakt vorgelegt.

7. Am 07.11.2018 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdesache ausführlich erörtert wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Schreiben, datiert mit 15.11.2017, beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Studienbeihilfe.

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsbürger. Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder eine Schule besucht noch die Reifeprüfung abgelegt. Er konnte auch keine Schulausbildung an einer österreichischen Auslandsschule nachweisen. Sein Vater ist verstorben und seine Mutter lebt und arbeitet in Deutschland.

Er hat sein Bachelorstudium in Deutschland abgeschlossen. Sein Masterstudium an der Universität XXXX hat er im Wintersemester 2016/2017 aufgenommen. Er ist seit September 2016 laut ZMR in XXXX gemeldet.

Der Beschwerdeführer war von 21.09.2017 bis 30.09.2017 als Arbeiter und von 01.10.2017 bis 30.04.2018 als geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der XXXX GmbH, XXXX, beschäftigt. So erhielt er für September 2017 einen Auszahlungsbetrag von 405,32 EUR; für Oktober 2017 376,24 EUR; für November 2017 227,62 EUR; Dezember 2017 176,54 EUR; für Januar 2018 372,57 EUR; für Februar 2018 174,88 EUR; für März 2018 82,39 EUR; für den Monat April 2018 einen Auszahlungsbetrag in etwa wie im März 2018, jedenfalls aber unter der Geringfügigkeitsgrenze.

Seit 01.05.2018 ist er nicht mehr in Österreich erwerbstätig. Der Beschwerdeführer absolvierte in weiterer Folge (ab 30.04.2018) ein Praktikum im Europäischen Parlament in Brüssel, Belgien, dieses dauerte bis zum 13.07.2018. Dabei war er als Assistent bei einem deutschen Abgeordneten tätig. Der Beschwerdeführer erhielt aus dem Budget des Europäischen Parlaments monatlich einen Betrag von 1.200 Euro (steuerfrei). Seitdem ist er nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis.

Der Beschwerdeführer hat sich auch im Wahlkampf der österreichischen Hochschülerschaft im Jahr 2017 eingebracht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststelllungen ergeben sich aus den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen sowie den unbedenklichen und daher glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Studienförderungsgesetz 1992 lauten wie folgt:

Begünstigter Personenkreis

§ 2. Förderungen können folgende Personen erhalten:

1. österreichische Staatsbürger (§ 3) und

2. gleichgestellte Ausländer und Staatenlose (§ 4).

Gleichgestellte Ausländer und Staatenlose

§ 4. (1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens zur Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und von Vertragsparteien des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sowie Drittstaatsangehörige sind österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, soweit es sich aus diesen Übereinkommen ergibt.

(1a) EWR-Bürger erfüllen die Gleichstellungsvoraussetzungen, wenn sie

1. Wanderarbeitnehmer im Sinne des Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) oder Familienangehörige von Wanderarbeitnehmern sind oder

2. das Recht auf Daueraufenthalt in Österreich im Sinne des Artikels 16 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, haben oder

3. in das österreichische Bildungs- oder Gesellschaftssystem integriert sind.

(2) Staatenlose sind österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, wenn sie vor der Aufnahme an einer im § 3 genannten Einrichtung

1. gemeinsam mit wenigstens einem Elternteil zumindest durch fünf Jahre in Österreich unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und

2. in Österreich während dieses Zeitraumes den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hatten.

(3) Flüchtlinge im Sinne des Artikels 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, sind österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

Art 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union lautet wie folgt:

TITEL IV

DIE FREIZÜGIGKEIT, DER FREIE DIENSTLEISTUNGS- UND KAPITALVERKEHR

KAPITEL 1

DIE ARBEITSKRÄFTE

Artikel 45

(ex-Artikel 39 EGV)

(1) Innerhalb der Union ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.

(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

(3) Sie gibt - vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen - den Arbeitnehmern das Recht,

a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;

b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;

c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;

d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission durch Verordnungen festlegt.

(4) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.

3.2. Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer zu Recht nicht als Wanderarbeiter qualifiziert:

Das vom Senat der Studienbeihilfenbehörde, Stipendienstelle XXXX, zitierte Urteil des EuGH vom 21.02.2013, C-46/12, hat als Sachverhalt zu Grunde, dass ein nicht-dänischer Unionsbürger im März 2009 die Zulassung zu einem Wirtschaftsstudium an der Copenhagen Business School beantragt und dieses Studium mit September 2009 aufgenommen hatte. Der Unionsbürger reiste im Juni 2009 nach Dänemark ein, arbeitete zunächst einige Wochen Vollzeit und ab Studienbeginn Teilzeit. Das dänische "Amt für Hochschulbildung und Ausbildungsförderung" wies den im August 2009 gestellten Antrag auf Ausbildungsförderung ab. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde erhoben; der zuständige "Beschwerdeausschuss" legte dem EuGH sinngemäß die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob jemand, der aus dem Motiv der Ausbildung eingereist sei, gleichzeitig auch als Arbeitnehmer, der Anspruch auf Ausbildungsförderung habe, qualifiziert werden könne bzw. ob diese Person von der Ausbildungsförderung ausgeschlossen werden könne.

In der genannten Entscheidung hielt der EuGH zusammengefasst und sinngemäß folgende Aspekte fest:

Die Inanspruchnahme der unionsrechtlichen Freizügigkeit der Arbeitnehmer hängt nicht von den Absichten und Zielen eines Unionsbürgers zum Zeitpunkt der Einreise in den Aufnahmemitgliedsstaat ab, solange der Unionsbürger dort nur eine echte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis tatsächlich ausübt oder ausüben will. Im Falle der Qualifikation als Arbeitnehmer sind die Absichten, die den Arbeitnehmer veranlasst haben, im betreffenden Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, belanglos (Rz 47).

Bei der Prüfung, ob eine tatsächliche und echte Tätigkeit vorliegt, müssen objektive Kriterien herangezogen und die einzelfallbezogenen Umstände in ihrer Gesamtheit beurteilt werden (Rz 43).

Die beschränkte Höhe der Vergütung oder eine eingeschränkte Wochenarbeitszeit schließen nicht aus, dass eine Person als "Arbeitnehmer" iSd Art 45 AEUV anerkannt wird (Rz 41), allerdings ist für die Qualifizierung als "Arbeitnehmer" erforderlich, dass eine Person eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt (Rz 42).

Wird einer Person, die als Wanderarbeiter zu qualifizieren ist (diesbezüglich hielt der EuGH fest, dass diese Prüfung vom vorlegenden Beschwerdeausschuss in weiterer Folge noch durchgeführt werden müsse), keine Ausbildungsförderung gewährt, so verletzt diese Weigerung den Anspruch auf Gleichbehandlung, den dieser Unionsbürger in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer genießt (Rz 48).

Im konkreten Beschwerdefall wies der Beschwerdeführer nach, zum Antragszeitpunkt von 21.09.2017 bis 30.09.2017 als Arbeiter und von 01.10.2017 bis 30.04.2018 als geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer tätig zu sein. So erhielt er für September 2017 405,32 EUR; für Oktober 2017 376,24 EUR; für November 2017 227,62 EUR; Dezember 2017 176,54 EUR; für Januar 2018 372,57 EUR; für Februar 2018 174,88 EUR; für März 2018 82,39 EUR; für den Monat April 2018 einen Auszahlungsbetrag in etwa wie im März 2018, jedenfalls aber unter der Geringfügigkeitsgrenze.

Der seit nunmehr mehr als 2 Jahre in Österreich aufhältige Beschwerdeführer war daher nur 8 Monate in Österreich tätig, wobei er davon 7 Monate geringfügig beschäftigt war und daher nur im Monat September 2017 im Zeitraum 21.09.2017 bis 30.09.2017 die Geringfügigkeit überschritten hat. Umgekehrt lag das Einkommen des Beschwerdeführers zum Teil deutlich unter der Geringfügigkeitsgrenze (zB Februar 2018 ca. 175 EUR; März und April 2018 ca. 83 EUR). Wie die belangte Behörde zu Recht ausführt, handelt es sich hier nicht um eine tatsächliche und echte Berufstätigkeit, sondern um eine Tätigkeit, die einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt.

Dass der Beschwerdeführer ein bezahltes Praktikum in Brüssel absolvierte, kann für die Prüfung der Eigenschaft als in Österreich tätiger Wanderarbeitnehmer nicht herangezogen werden, zumal er das Entgelt direkt vom Europäischen Parlament bezog und für einen deutschen Abgeordneten tätig war.

Somit fällt der Beschwerdeführer nicht unter die in § 2 Z 1 StudFG genannte Personengruppe der gleichgestellten Ausländer.

3.3. Weiters ist der Beschwerdeführer auch nicht in das österreichische Bildungs- bzw. Gesellschaftssystem integriert, dies aus folgenden Erwägungen:

Die Gesetzesmaterialien (IA 922/A XXV. GP) halten zu der mit BGBl. I Nr. 47/2015 eingefügten Bestimmung des § 4 Abs 1a StudFG fest:

"Gemäß § 4 Abs. 1 StudFG sind Staatsbürgerinnen und Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens zur Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und von Vertragsparteien des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sowie Drittstaatsangehörige österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern gleichgestellt, soweit es sich aus diesen Übereinkommen ergibt.

Den Gesetzesmaterialien zufolge (ErläutRV 1166 BlgNR 12 GP 18) soll durch den Verweis des § 4 Abs. 1 StudFG auf die europäischen Übereinkommen eine flexible Anpassung der Vollziehung an allfällige Änderungen durch die Rechtsprechung der EuGH ermöglicht werden.

Fest steht, dass die Unionsbürgerschaft alleine noch zu keiner Gleichstellung führt. Dem entsprechend wurden vor dem Hintergrund der einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften und der Judikatur des EuGH in Vollziehung des § 4 Abs. 1 StudFG folgende Gruppen von gleichgestellten EWR-Bürgerinnen und EWRBürgern entwickelt:

• Wanderarbeitnehmer und deren Familienangehörige (Art. 45 AEUV, Art. 7 und 10 VO-EU 492/2011)

• Daueraufenthaltsberechtigte (= Personen, die sich seit mindestens 5 Jahren in Österreich aufhalten) (Art. 27 Abs. 2 iVm Art. 16 RL 2004/38/EG)

• Personen, die in das österreichische Bildungs- oder Gesellschaftssystem integriert sind (u.a. EuGH Rs C209/03, Fall Bidar).

Diese in Auslegung des § 4 Abs. 1 StudFG definierten Gleichstellungsvoraussetzungen entsprechen zwar insoweit den europarechtlichen Vorgaben, als gemäß Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet sind, anderen Personen als Wanderarbeitnehmern (und deren Familienangehörigen) und daueraufenthaltsberechtigten Personen Studienbeihilfe zu gewähren. Da es jedoch aufgrund der Formulierung des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG auch nicht ausgeschlossen ist, dass Mitgliedstaaten auf das Erfordernis der Daueraufenthaltsberechtigung verzichten und auch Personen, die dieses Kriterium nicht erfüllen, Studienbeihilfe gewähren, lässt sich das Erfordernis des mindestens fünfjährigen Aufenthalts in Österreich nicht unmittelbar aus Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ableiten.

Im Sinne der Klarheit und Vorhersehbarkeit der Regelung sollen daher mit dem neuen Absatz 1a die bisher im Auslegungsweg entwickelten Gleichstellungsvoraussetzungen ausdrücklich festgelegt werden."

Der Beschwerdeführer ist zwar Unionsbürger, jedoch weder - wie bereits ausgeführt - Wanderarbeitnehmer oder Familienangehöriger einer Wanderarbeitnehmerin oder eines Wanderarbeitnehmers; seine Mutter lebt in Deutschland und ist dort berufstätig.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich ein Studierender, der Angehöriger eines Mitgliedstaats ist und sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, um dort zu studieren, auf Art. 12 Abs. 1 EG berufen, um ein Unterhaltsstipendium zu erhalten, sofern er sich für eine gewisse Dauer im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Art. 12 Abs. 1 EG verbietet nicht, von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten einen vorherigen Aufenthalt von fünf Jahren zu verlangen. Allerdings darf ein solches Aufenthaltserfordernis nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Verhältnismäßig ist ein Aufenthaltserfordernis nur dann, wenn die nationalen Behörden es auf der Grundlage von klaren und im Voraus bekannten Kriterien anwenden. "Wenn sie es denn wünschen" ist es den Mitgliedstaaten jedoch unbenommen, Unterhaltsstipendien an Studierende aus anderen Mitgliedstaaten zu vergeben, die das Erfordernis eines fünfjährigen Aufenthalts nicht erfüllen. (vgl. EuGH vom 18.11.2008, Förster, C-158/07).

Bereits in seiner Entscheidung vom 15.03.2005, Bidar, C-209/03, hat der EuGH ausgeführt, dass diese Entwicklung des Gemeinschaftsrechts durch Art. 24 der Richtlinie 2004/38 bestätigt wird, der in Abs. 1 vorsieht, dass jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, "im Anwendungsbereich des Vertrags" die gleiche Behandlung genießt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat in Abs. 2 dieses Artikels den Inhalt des Abs. 1 präzisiert, indem er bestimmt, dass ein Mitgliedstaat, was andere Personen als Arbeitnehmer oder Selbstständige, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihre Familienangehörigen angeht, die Gewährung von Beihilfen zum Unterhalt in Form von Stipendien oder Darlehen für Studenten, die kein Recht auf Daueraufenthalt erworben haben, begrenzen kann, und sieht demnach die Gewährung solcher Beihilfen als einen Bereich an, der nach diesem Abs. 1 gegenwärtig in den Anwendungsbereich des Vertrages fällt. Damit ist die obzitierte Judikatur, die sich auf einen Sachverhalt vor Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38 (siehe Art. 40 Richtlinie 2004/38) bezieht, auch auf die aktuelle Rechtslage anwendbar. Der Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 "der Aufnahmemitgliedstaat [ist] jedoch nicht verpflichtet" lässt dabei zweifelsfrei erkennen, dass Mitgliedsstaaten, "die das wünschen" auf das Aufenthaltserfordernis weiterhin, im Sinne der obzitierten Judikatur, verzichten können.

Bis zum Beginn des Wintersemesters 2016/2017 haben keinerlei Anknüpfungspunkte zur Republik Österreich bestanden: Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder eine Schule besucht noch die Reifeprüfung abgelegt. Er konnte auch keine Schulausbildung an einer österreichischen Auslandsschule nachweisen. Sein Vater ist verstorben und seine Mutter lebt und arbeitet in Deutschland.

Der Beschwerdeführer zog mit dem Beginn des Wintersemesters 2016/17 von Deutschland nach XXXX und nahm an der Universität XXXX das Masterstudium Geschichte auf.

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich zusammengefasst der Standpunkt, er sei als ordentlicher Student an einer österreichischen Hochschule, mit Studienbeginn ein Jahr vor Stellung des gegenständlichen Antrages, per se als "in das österreichische Bildungssystem integriert" anzusehen. Weites sei er in Österreich sozial und politisch aktiv.

Diesem Standpunkt kann jedoch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes aufgrund folgender Überlegungen nicht gefolgt werden:

Die oben angeführte Novellierung des StudFG und die zitierten Gesetzeserläuterungen knüpfen an die oben zitierte EuGH-Judikatur an, insbesondere an den Fall Bidar, EuGH 15.03.2005, Rs. C-209/03. Im Fall Bidar lebte der Antragsteller, ein französischer Staatsbürger, bereits drei Jahre lang in England und hatte dort auch seine Matura absolviert, bevor er sein Studium in England begann und um Studienbeihilfe ansuchte.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer seit dem Wintersemester 2016/17 in Österreich studiert. Der Lebenslauf des Beschwerdeführer erweist sich jedoch als geradezu gegenteilig zur Fallkonstallation der EuGH-Entscheidung Bidar (EuGH 15.03.2005, Rs. C-209/03), da der Beschwerdeführer eben nicht die Sekundarausbildung (einschließlich Reifeprüfung) im Aufnahmemitgliedsstaat absolvierte (vgl. EuGH, Bidar, Rn 62: "... einen großen Teil seiner Ausbildung an weiterführenden Schulen in diesem Staat erhalten hat."). Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder eine Schule besucht noch die Reifeprüfung abgelegt. Er konnte auch keine Schulausbildung an einer österreichischen Auslandsschule nachweisen. Sein Bachelorstudium hat er in Deutschland abgeschlossen. Zum Antragszeitpunkt lebte der Beschwerdeführer erst seit ungefähr einem Jahr in XXXX und hatte an der Universität XXXX 7 positive Prüfungsleistungen (im Gesamtausmaß von 33 ECTS) erbracht.

Zum Praktikum beim Europäischen Parlament ist auszuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht aus der Assistenztätigkeit des Beschwerdeführers für einen deutschen Abgeordneten in Brüssel keine Integration in das österreichische Bildungs- bzw. Gesellschaftssystem abzuleiten vermag. Auch aus der aktiven Mitwirkung des Beschwerdeführers im Wahlkampf rund um die ÖH-Wahl des Jahres 2017 ergibt sich kein entscheidender Beitrag zu einer umfassenden Integration in das österreichische Bildungs- und Gesellschaftssystem.

Das Bundesverwaltungsgericht kann somit keine Rechtswidrigkeit erkennen, indem die belangte Behörde von einer - zum Zeitpunkt der Antragstellung (§ 1 Abs 4 StudFG) - unzureichenden Integration in das österreichische Bildungs- und Gesellschaftssystem ausging.

Zu Spruchpunkt B):

4.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

4.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

geringfügige Beschäftigung, Gleichstellung, Inlandsaufenthalt,
Integration, Masterstudium, ordentliches Studium, Rechtslage,
Studienbeihilfe, Unionsbürger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W129.2205671.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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