TE Bvwg Beschluss 2018/12/6 L504 2182968-3

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Veröffentlicht am 06.12.2018
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Entscheidungsdatum

06.12.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L504 2182968-3/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag R. ENGEL in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2018, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des XXXX, StA: Türkei, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG idgF, § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Fremde, ein Staatsangehöriger der Türkei und der kurdischen Volksgruppe angehörig, stellte zuletzt im Stande der Schubhaft am 19.10.2018 beim Bundesamt einen Antrag auf internationalen Schutz bzw. Folgeantrag und wurde vom Bundesamt die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs 2 AsylG am 13.11.2018 im Zuge einer Niederschrift mündlich verkündet und in dieser protokolliert.

Aus dem Verfahrensgang des Mandatsbescheides ergibt sich Folgendes:

"[...] Sie stellten am 18.02.2015 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung haben Sie bzgl. Ihrer Fluchtgründe nachfolgende Angaben gemacht:

Es geht um Blutrache. Mein Vater wurde vor ca. 24 Jahren erschossen. Danach hat mein Onkel Rache 2005 verübt und einen von der Gegenseite erschossen. 2008 wurde deswegen mein Onkel erschossen. Auch auf mich gab es Übergriffe. Vor zwei Monaten wurde ich mit einem Messer verletzt. Aus Angst vor der anderen Familie habe ich meine Heimat verlassen. Außerdem war ich noch nie beim Militär. Deswegen bekomme ich keine Dokumente.

Das ist mein einziger Flucht- und Asylgrund.

Sonst habe ich keine anderen religiöse, ethnische oder politische Flucht- und Asylgründe.

Dieser Antrag wurde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Ihren Herkunftsstaat Türkei abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Es wurde weiters eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde festgesellt, dass gemäß § 52 Absatz 9 FPG Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist. Weiters wurde gegen Sie ein Einreiseverbort von 8 Jahren erlassen. Sie brachten gegen diese Entscheidung eine Beschwerde ein, dieser wurde vom BVwG stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid behoben und zur neuerlichen Bescheiderlassung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Zwischenzeitlich musste Ihr Verfahren wegen unbekannten Aufenthaltes eingestellt werden, da Sie nicht behördlich gemeldet waren.

Nach nochmaliger Prüfung wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 18.06.2018 neuerlich abgewiesen, Ihnen kein Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen erteilt und festgestellt, dass Ihre Abschiebung in die Türkei zulässig ist. Es wurde Ihnen keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt. Zusätzlich wurde gegen Sie ein Einreiseverbot für die Dauer von 5 Jahren erlassen. Gegen diese Entscheidung brachten Sie fristgerecht eine Beschwerde ein, diese wurde vom BVwG als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid erwuchs mit 03.10.2018 in II Instanz in Rechtskraft.

Am 19.10.2018 stellten Sie im Stande der Schubhaft beim Bundesamt einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Sie gaben an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX1979 geboren und Staatsangehöriger der Türkei zu sein.

Ihren neuerlichen Asylantrag begründeten Sie damit, dass Sie als Kurde in der Türkei verfolgt werden würden. Auch wären Sie nicht zum Militär gegangen. Dies hätten Sie bereits bei der Erstantragstellung angegeben. Diese Gründe hätten sich nicht verändert und wären nach wie vor aktuell. Bis jetzt würde Ihre Schwester die Briefe vom Militär bekommen. Bei einer Rückkehr würden Sie unverzüglich einberufen werden. Und es würde Ihnen eine Haftstrafe drohen. Sie würden in der Türkei als Kurde verfolgt und inhaftiert werden. Aus diesem Grund hätten Sie die Türkei verlassen und wären nach Italien gereist. Dort hätten Sie im Jahre 2010 einen Asylantrag gestellt und eine Arbeitserlaubnis bekommen. In der Folge hätten Sie Verwandte in Österreich besucht und dann erfahren, dass Sie nicht mehr nach Italien zurückkehren können. Da Sie nicht mehr nach Italien zurückkehren konnten und in die Türkei nicht zurückkehren wollten, hätten Sie in Österreich einen Asylantrag gestellt. Ihre Fluchtgründe wären die gleichen wie beim Erstantrag.

Aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses wurde Ihnen am 23.10.2018 eine schriftliche Mitteilung gemäß §29 Abs 3 Zi 4 und 6 AsylG 2005 ausgefolgt, mit welcher Ihnen die Absicht des Bundesamtes zur Kenntnis gebracht wurde, Ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben."

Am 13.11.2018 wurde im Zuge einer Niederschrift ein Bescheid verkündet und beurkundet, wonach der faktische Abschiebeschutz gem. §§12, 12a Abs 2 AsylG idgF aufgehoben wurde.

Am 05.12.2018 langte der Verwaltungsakt vollständig bei der zuständigen Geschäftsabteilung ein.

Der Fremde hat sich in weiterer Folge mittels Hungerstreik aus der Schubhaft "freigepresst". Seit der Entlassung aus der Schubhaft ist er unbekannten Aufenthaltes und hat sich somit dem Verfahren entzogen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Behörde gelangte im Bescheid zu folgenden Feststellungen, denen sich das BVwG anschließt:

"-

zu Ihrer Person:

Ihre Identität steht nicht fest.

Sie heißen XXXX und sind am XXXX1979 geboren.

Sie sind Staatsangehöriger der Türkei

Sie sind ledig

Sie sind illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

Ihr Aufenthalt in Österreich ist ein Vorübergehender.

Bis zur Bescheiderlassung ergaben sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch ergab sich eine schwere psychische Störung, die bei einer Überstellung/Abschiebung in die Türkei eine unzumutbare Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes bewirken würde.

Es existieren unter Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen keine Umstände, welche einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der

Landespolizeidirektion XXXX - scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) LG F.STRAFS.XXXX

§ 15 StGB § 27 (1) Z 1 8. Fall, (3) SMG

Datum der (letzten) Tat 25.07.2015

Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG F.STRAFS.XXXX RK 10.11.2015

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG F.STRAFS.XXXX vom 04.10.2016

02) LG F.STRAFS.XXXX XXXX vom 04.10.2016 RK 08.10.2016

§ 15 StGB §§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 23.06.2016

Freiheitsstrafe 12 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG F.STRAFS.XXXX RK 08.10.2016

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 03.05.2017

03) BG XXXX vom 03.05.2017 RK 20.07.2018

§ 15 StGB § 127 StGB

Datum der (letzten) Tat 22.11.2016

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

-

zu den Gründen für Ihre Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:

Die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren würden noch immer bestehen.

Sie brachten ergänzende Fluchtgründe vor.

Ihr Vorbringen im gegenständlichen Verfahren ist als Ergänzung zu den Angaben im Erstverfahren zu werten.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Ihr nunmehriges Vorbringen ist nicht glaubwürdig.

Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

-

zur Gefährdungssituation bei einer Abschiebung:

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände konnte nicht festgestellt werden, dass Ihre Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Georgien [gemeint offenkundig: Türkei] eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

-

zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Unter Beachtung sämtlicher bekannter Tatsachen kann kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 EMRK erkannt werden.

Sie sind alleine nach Österreich eingereist.

Es liegt keine berufliche oder amtsbekannte und nennenswerte soziale Integration im Bundesgebiet vor.

-

zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat: [...]"

Das Bundesamt traf im Bescheid Feststellungen auf Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation mit Stand Oktober 2018. Die Behörde wahrte diesbezüglich das Parteiengehör und trat der Fremde diesen nicht entgegen.

Zusammengefasst ergibt sich daraus zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage keine solche Situation, dass dort per se oder für die bP eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestünde. Es gibt keine Todesstrafe und ist die Lage auch nicht dergestalt, dass - unter Berücksichtigung jenes Sachverhaltes der von der bP glaubhaft gemacht werden konnte - dort für sie eine Gefahr der Verletzung von Art 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe bestünde.

2. Beweiswürdigung:

Beweiswürdigend führte die Behörde im Wesentlichen aus:

"betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:

[...]

Sie haben bei der Einvernahme angegeben, die Einvernahme durchführen zu können. Sie wären im Drogenersatzprogramm. Medizinische Befunde brachten Sie nicht in Vorlage.

Sie leiden weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit, noch leiden Sie an einer psychischen Erkrankung, da eine Mitteilung des PAZ über derartige Erkrankungen an die verfahrensführende Erstaufnahmestelle des Bundesamtes unterblieb. Ihnen steht im PAZ Wien umfassende und durchgehende (fach)ärztliche Betreuung sowohl in allgemeinmedizinischer, auch in psychischer Hinsicht (DIALOG), zur Verfügung. Bedenken hinsichtlich des Gesundheitszustandes eines Insassen der diensthabenden Ärzte des PAZ werden unverzüglich an das Bundesamt gemeldet. Es besteht im gegenständlichen Verfahren kein begründeter Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Negativ-Feststellung.

Am 06.11.2018 wurden Sie in der Betreuungsstelle Traiskirchen einer psychologischen Untersuchung unterzogen. Aus aktueller Sicht liege keine belastungsabhängige, krankheitswertige psychische Störung vor. Weiters wurde in der gutachterlichen Stellungnahme auch festgehalten, dass derzeit keine akute Selbstgefährdung bestehe.

In der gutachterlichen Stellungnahme ist angeführt, dass aufgrund von Opiatabhängigkeit ein ärztlich überwachtes Ersatzdrogenprogramm durchgeführt wird und eine F 13.24 Störung durch psychische Substanzen, hier Benzodiazepine, aktiver Gebrauch vorliegt.

Laut eigenen Angaben befinden Sie sich im Drogenersatzprogramm und bekommen Drogenersatzmittel Substitol. Wie in den Feststellungen zur Türkei angeführt, ist die Behandlung von Drogenkranken gewährleistet.

Zusätzlich ist auf die jüngste Rechtsprechung des EGMR zur Frage einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Zusammenhang mit

Artikel 3 EMRK zu verweisen (zusammengefasst dargestellt beispielsweise in den UBAS - Bescheiden vom 20.06.2006,

Zahl 302.011-C1/E1-XIX/62/06 sowie vom 11.12.2006, Zahl:

301.827-C2/E1-XVII/55/06 und daraus exzerpiert) :

PARAMASOTHY vs. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03

RAMADAN & AHJREDINI vs. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03

HUKIC vs. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05

OVDIENKO vs. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04

AMEGNIGAN vs. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04

NDANGOYA vs. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung nach Georgien ist kein ausreichendes "real risk".

Der Entscheidung GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06 lag ua. der Fall zugrunde, dass der Zweitbeschwerdeführer - ein russischer

.BFA Bundesamt § 12aAbs2 NS und mündl. Bescheid-BFA 2014

Seite 21 von 27

Asylwerber, der drei(!) Selbstmordversuche begangen bzw. mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich hatte und dem von Gutachern einhellig ein schwere psychische Erkrankung ua. in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine akute Selbstmordgefährdung bescheinigt worden war - seine Abschiebung nach Russland mit dem Hinweis auf seinen schlechten und infolge aktueller Suizidgefahr lebensbedrohlichen Gesundheitszustand in Beschwerde zog. Auch diese Beschwerde wies der EGMR mit einer über weite Strecken identen Begründung wie in der Entscheidung AYEGH gg. Schweden ab.

Die erkennende Behörde verkennt nicht den Umstand, dass sich eine Abschiebung aufgrund des Erkrankungsbildes negativ auf deren Gesundheitszustand auswirken könnte und eine solche negative Auswirkung aus ärztlicher Sicht nicht wünschenswert ist. Aus juristischer Sicht haben Sie jedoch eine Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes, welche nicht die Schwelle des Art. 3 EMRK erreicht, zu erdulden.

Im gegenständlichen Fall ist - abgesehen von den allgemeinen Ausführungen zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit Erkrankungen durch von fremdenpolizeilichen Maßnahmen betroffenen Menschen - daher davon auszugehen, dass eine der Rechtssprechung des EGMR Rechnung tragende Überstellung möglich ist, da es hiezu ausreicht, dass Behandlungsmöglichkeiten für Drogenkranke im Land der Überstellung verfügbar sind (siehe oa. Entscheidungen des EGMR), was aufgrund der getroffenen Ausführungen in der Türkei der Fall ist.

Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (Behandlungsmöglichkeiten beispielsweise für AIDS in Tansania sowie Togo, für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina, für psychische Erkrankungen im Iran und in Russland bejaht).

Zudem sei abschließend noch auf die Anmerkungen zur Regierungsvorlage verwiesen: in wieweit eine Abschiebung nach durchsetzbarer zurückweisender Entscheidung samt verbundener Ausweisung rechtlich möglich ist oder sich, etwa auf Grund einer schweren Krankheit, durch die eine Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, verbietet, hat das BFA zu beurteilen.

Es wird hier auch im besonderen Maße auf die Judikatur des EGMR hingewiesen, wo dieser wiederholt feststellte, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden, dass der Herkunftsstaat (Türkei) gewisse soziale, medizinische oder. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet.

Ein notwendigerweise zu gewährender Abschiebeschutz zur Wahrung der in Artikel 3 EMRK gewährleisteten Rechte eines Antragstellers soll in erster Linie eine gravierende Beeinträchtigung von Leib und Leben verhindern. Fehlende gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat sind nicht geeignet, einen unzumutbaren Eingriff in die in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte des Antragstellers aufzuzeigen, wenn dort zumutbare Behandlungsmöglichkeiten vorhanden sind. Derartige zumutbare Behandlungsmöglichkeiten sind, wie bereits erörtert, für Personen wie Sie in der Türkei vorhanden und zugänglich.

Die Feststellungen, dass Sie in Österreich straffällig und auch verurteilt wurden, ergeben sich aus den diesbezüglichen Vormerkung zur Ihrer Person im Strafregister der Republik Österreich, sowie aus dem Vormerkungen im Kriminalpolizeilichen Aktenindex des Bundesministeriums für Inneres.

-

betreffend die Gründe für die voraussichtliche Entscheidung:

Der Feststellung wurde Ihr Vorbringen im Erstverfahren sowie Ihr heutiges Vorbringen zugrunde gelegt.

In der heutigen Einvernahme gaben Sie an, dass die Fluchtgründe aus dem Erstverfahren nach wie vor bestehen würden. Ergänzend brachten Sie vor, dass Sie vor 8 Jahren aufgrund von Folter das Gefühl in Ihren Genitalien verloren hätten und seit dieser Zeit kein Sexgefühl hätten. Dieser Sachverhalt habe bereits bei der Erstantragstellung bestanden und wurde von Ihnen schuldhaft nicht vorgebracht, obwohl Sie dazu verpflichtet gewesen wären.

Sie brachten weiters vor, dass in der Türkei nach Ihnen gefahndet werden würde, da seit dem Jahre 2010 ein Haftbefehl gegen Sie bestehen würde. Aus diesem Grund hätten Sie damals die Türkei verlassen. Sie brachten zusammen gefasst keinen Sachverhalt vor, welcher nach Rechtskraft Ihres Erstverfahrens am 04.10.2018 neu entstanden ist.

Ihrem nunmehrigen Vorbringen stehen keine anders lautenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegen. Daraus ergibt sich kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt. Die nunmehr vorgebrachten Gründe, weshalb Sie nicht in Ihr Herkunftsland zurückkehren wollen, erfüllen keinen geänderten Sachverhalt dem Entscheidungsrelevanz bzw. Asylrelevanz zukommt.

Anzumerken ist noch, dass der Maßstab für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes § 12 a (2) lediglich eine Prognoseentscheidung ist und diese aufgrund ihres Vorbringens eine voraussichtliche Zurückweisung bedingt, da keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts erkennbar ist, zumal Folgeanträge wie sich aus den Bemerkungen des FRÄG ergibt, oftmals in rechtsmissbräuchlicher Weise gestellt worden sind um die Effektuierung der Asylentscheidung zu verzögern bzw. zu verhindern.

Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts wird voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen.

Die vorgebrachten Gründe, warum es Ihnen nun nicht mehr möglich wäre, in Ihr Herkunftsland zurückzukehren, sind somit nicht geeignet, eine neue, inhaltliche Entscheidung der Behörde zu bewirken und kann darin kein neuer, entscheidungsrelevanter asyl- bzw. refoulementrelevanter Sachverhalt festgestellt werden. Werden nur Nebenumstände modifiziert, so wie in diesem Fall, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl, zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057).

Die erkennende Behörde kann sohin nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist. Es liegt sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.

Anzumerken ist noch, dass der Maßstab für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes § 12 a (2) lediglich eine Prognoseentscheidung ist und diese aufgrund ihres Vorbringens eine voraussichtliche Zurückweisung bedingt, da keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts erkennbar ist.

-

betreffend die Feststellungen zur Gefährdungssituation:

Die Lage in Ihrem Herkunftsstaat ist seit der Entscheidung über Ihren vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert.

Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens gemäß § 3 und 8 AsylG und Rückkehrentscheidung seit 04.10.2018 nicht geändert.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Ihrem Herkunftsland in Verbindung mit Ihrem Vorbringen droht Ihnen keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z. 3 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, beschrieben.

Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

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betreffend die Feststellungen über Ihr Privat- und Familienleben:

Die Feststellungen Ihres Privat -und Familienlebens ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Eine Schwester von Ihnen würde in Linz leben. Sie leben mit Ihrer Schwester nicht im gemeinsamen Haushalt. Ihre Schwester wäre Diabetikerin, würde aber von Ihnen unterstützt werden. Ein Abhängigkeitsverhältnis konnte nicht festgestellt werden.

-

betreffend die Lage in Ihrem Herkunftsstaat:

Die Feststellungen ergeben sich aus den unbedenklichen objektiven Zusammenstellungen und Auskünften der österreichischen Staatendokumentation.[...]"

Die von der Behörde durchgeführte Beweiswürdigung ist im Wesentlichen schlüssig und nachvollziehbar, weshalb sich das BVwG dieser anschließt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

§ 12 AsylG

(1) Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.

(2) Der Aufenthalt eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dem kein Aufenthaltsrecht zukommt, ist für die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt lediglich im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde, in dem sich sein Aufenthaltsort im Sinne des § 15 Abs. 1 Z 4 befindet, zulässig. Darüber hinaus ist sein Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet zulässig, wenn und solange dies

1.

zur Erfüllung von gesetzlichen Pflichten notwendig ist;

2.

notwendig ist, um Ladungen von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden Folge zu leisten oder

3.

für die Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung und Behandlung notwendig ist.

Nach Abschluss des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt ist der Aufenthalt des Fremden, solange ihm faktischer Abschiebeschutz zukommt, im gesamten Bundesgebiet zulässig.

(3) Der Aufenthalt gemäß Abs. 1 und 2 stellt kein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 dar.

§ 12 a Abs. 2 AsylG normiert, dass, wenn ein Fremder einen Folgeantrag stellt und kein Fall des Absatz 1 vorliegt, das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben kann, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung oder Ausweisung besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG ergehen solche Entscheidungen des Bundesamtes betreffend die Aufhebung des Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs. 2 AsylG mündlich in Bescheidform.

Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22 BFA-VG

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

Fallbezogen ergibt sich Folgendes:

Gegen den Fremden besteht seit der Entscheidung des BVwG, rechtskräftig seit 04.10.2018, eine aufrechte Rückkehrentscheidung. Der Ausreiseverpflichtung kam er widerrechtlich nicht nach.

Am 19.10.2018 stellte der Fremde im Stande der Schubhaft gegenständlichen Folgeantrag.

Der Fremde verfügt über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz ist voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, da kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt vorgebracht wurde und sich dieser auf die schon im Erstverfahren behandelten Fluchtgründe bezog, bzw. das Vorbringen keinen glaubhaften Kern hatte.

Auch hat sich die allgemeine Lage im Herkunftsstaat nicht entscheidungswesentlich nachteilig geändert. Dies ergibt sich weder aus den herkunftsstaatlichen Quellen der Staatendokumentation noch auf konkrete Weise durch das Vorbringen der Partei.

Bereits im Vorverfahren wurde festgestellt, dass bei einer Rückkehr bzw. Abschiebung in das Herkunftsland keine Verletzung ihrer hier maßgeblichen Rechtsgüter droht. Da sich die allgemeine Lage wie auch die persönlichen Verhältnisse und gesundheitliche Zustand seit der letzten Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich nachteilig geändert hat, kann davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat Türkei für sie zu keiner relevanten Bedrohung der angeführten Rechtsgüter führen wird.

Die Feststellung der Zulässigkeit der in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung ist nach wie vor nicht anzuzweifeln.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Verbindung mit dem Vorbringen kann somit davon ausgegangen werden, dass keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschrieben, droht. Ebenso sind seit der rechtskräftigen Entscheidung keine privaten bzw. familiären Bindungen in Österreich entstanden wodurch es bei einer Rückkehr zu einer Verletzung von Art 8 EMRK kommen würde.

Es liegen somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vor, sodass die Rechtmäßigkeit derselben zu bestätigen war.

Gem. § 22 Abs 1 BFA-VG konnte eine Verhandlung entfallen. Auf Grund der Aktenlage ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte, dass dessen ungeachtet eine Verhandlung zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlich wäre.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
Folgeantrag, Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real
risk, reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L504.2182968.3.00

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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