TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/7 W124 2107629-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.2018
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Entscheidungsdatum

07.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.130 Abs1 Z3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §8 Abs1

Spruch

W124 2107629-1/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) des XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch XXXX , betreffend seinen Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX , ZI. XXXX , nach Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen am XXXX sowie am XXXX zu Recht erkannt:

A.

I. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß §§ 8 Abs. 1 iVm 28 Abs. 1 VwGVG stattgegeben.

II.

1. Der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

2. Ferner wird der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan als unbegründet abgewiesen.

3. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wird gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen.

4. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wird festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist.

5. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Erstbefragung gab er zu seinen Fluchtgründen vor der Landespolizeidirektion Niederösterreich an, dass er im Iran aufgewachsen sei. Seine Eltern seien, als der Beschwerdeführer fünf Jahre alt gewesen sei, in den Iran geflüchtet. Er selbst würde weder politisch noch religiös verfolgt werden.

2. In der mit dem Beschwerdeführer am XXXX aufgenommenen Niederschrift gab dieser an, fünfzehneinhalb Jahre alt zu sein und sich diesbezüglich mit seiner Mutter in Verbindung zu setzen. Er glaube, dass sie ein Dokument, von dem er glaube, dass dieses "Tazkera" heißen würde, innehabe. Seine im Iran, in XXXX , lebende Mutter, habe mit dem Beschwerdeführer die Entscheidung von dessen Ausreise getroffen. In Afghanistan hätten sie im Distrikt XXXX im Dorf XXXX gelebt.

Hinsichtlich seiner Geburtsdaten gab der Beschwerdeführer an, am XXXX geboren zu sein. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer sich laut einem Schreiben des italienischen Innenministeriums vom XXXX mit dem XXXX und dem Geburtsdatum XXXX ausgegeben habe, gab dieser an, dass andere Burschen während der Anhaltung durch die Polizei gesagt hätten, sie sollten zu ihrer Person falsche Angaben machen, damit es später keine negativen Auswirkungen habe. Jeder der Burschen habe irgendeinen Namen angegeben.

Der Beschwerdeführer sei drei Jahre alt gewesen, als er mit seiner Familie in den Iran übersiedelt sei. Bis vor acht Monaten sei er dort aufhältig gewesen. Das Leben im Iran sei mit jenem in Afghanistan nicht zu vergleichen, da es massive Unterschiede geben würde. Seine Eltern hätten ihm erzählt, dass sie aus Afghanistan wegen des Kriegs und eines Vorfalls weggegangen seien. Dabei sei eine Person ums Leben gekommen. Es sei darüber nie ausführlich gesprochen worden. Er habe immer wieder gefragt, aber sei ihm gesagt worden, dass es besser sei, wenn er wenig darüber wissen würde. Seine Mutter habe in Afghanistan keine Verwandten mehr. Zur Familie des Vaters würde aufgrund des einen Vorfalls kein gutes Verhältnis bestehen. Während ihres insgesamt sechs Monate langen Aufenthalts in Afghanistan sei sein Vater in den ersten zwei, drei Monaten verschwunden. Sie hätten vergeblich nach ihm gesucht.

Den Iran hätten sie verlassen, als sie von den Behörden keine Unterstützung bekommen hätten, als die Grundversorgungsmittel verteuert worden seien. Ein weiterer Grund sei gewesen, dass Ahmadenejad das Land nicht regieren habe können. Der dritte Grund sei gewesen, dass es keine Handelsabkommen zwischen dem Iran und anderen Ländern gegeben habe.

Die Iraner hätten dem Beschwerdeführer nicht erlaubt, dass er die Schule besuche. Er habe eine afghanische Schule besuchen müssen und wegen Ahmadenejad den Iran verlassen müssen. Sie seien dann gezwungen gewesen den Iran zu verlassen und nach Afghanistan zurückgekehrt. Neun Jahre lang habe er im Iran die Schule besucht. In Afghanistan habe er die Schule nicht fortsetzen können, weil es dort ein anderes System gegeben habe.

Als sie nach Afghanistan zurückgekehrt seien, hätte sie jeder gefragt, aus welchem Grund sie dies gemacht hätten. Es sei um diesen Vorfall gegangen. Sein Vater habe nicht mehr wegwollen und gemeint, dass er in Afghanistan bleiben wolle. Nach zwei, drei Monaten sei sein Vater verschwunden. Dieses Verschwinden habe vermutlich mit diesem Vorfall zu tun.

Als er drei Jahre alt gewesen sei, sei seine Familie gemeinsam mit einer weiteren afghanischen Familie in den Iran gereist. Es seien Bekannte seines Vaters gewesen. Der Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , habe ein Verhältnis mit einer Tochter dieser Familie gehabt. Diese sei vor der Familie des Beschwerdeführers vom Iran nach Afghanistan zurückgekehrt. Kurze Zeit später seien sie gefolgt. Sein Bruder XXXX habe seine Eltern zu dieser Familie geschickt, damit sie um die Hand dieser jungen Frau anhalten. Die Familie des Beschwerdeführers sei dreimal dort gewesen, doch habe die andere Familie diese Bindung nicht gewollt. Die junge Frau habe im Iran eine Ausbildung gemacht und sei die finanzielle Lage dieser Familie auch gut gewesen. Die junge Frau habe aber den Bruder des Beschwerdeführers gewollt und habe dieser weiterhin ein Verhältnis zu dieser Frau unterhalten. An einem Abend sei die Familie der jungen Frau nicht zu Hause gewesen und der Bruder zu ihr nach Hause gegangen. Kurze Zeit später sei plötzlich die Familie der jungen Frau nach Hause gekommen. Soweit der Beschwerdeführer wisse, sei es dort zu einem Streit gekommen. Man habe sich mit Messerstichen verletzt, worauf der Bruder des Beschwerdeführers geflüchtet sei. Die Häuser der Familien seien ca. 30 bis 45 Minuten zu Fuß voneinander entfernt gewesen.

XXXX sei dann von Afghanistan über Pakistan nach Indien geflüchtet. Der Grund, weshalb sie dann Afghanistan verlassen hätten und in den Iran zurückgekehrt seien, sei diese Familie gewesen. Die Familie habe Schadenersatz gefordert. Sie habe von seiner Familie verlangt, dass diese ihnen einen Sohn und eine Tochter gebe. Dann sei XXXX mit dem Sohn des "Ältesten" der Gegend verheiratet worden. Dieser Mann habe von XXXX im Gegenzug als Schadenersatz zwei Mitglieder der Familie des Beschwerdeführers verlangt, weil sein Bruder mit XXXX ein intimes Verhältnis gepflegt habe. Man habe sie belästigt und seien sie gezwungen gewesen in den Iran zurückzukehren.

Die Mutter des Beschwerdeführers habe in Afghanistan gar keine Familie mehr. Einige Familienmitglieder würden im Iran leben. Die Verwandten des Vaters des Beschwerdeführers würden in dieser Region leben. Die Mutter des Beschwerdeführers habe einen Bekannten gehabt, der ihnen geholfen habe Afghanistan zu verlassen. Die afghanischen Behörden habe er nicht um Schutz bitten können, als dieser Mann sehr wohlhabend gewesen sei. Er hätte die Behörden bestimmt bestochen. Letztendlich hätte man sie dann bestimmt verurteilt. Er wisse nicht, ob diese Familie auch zu den Hazara gehöre. Er glaube aber nicht. Diese Familie sei durch Grundstücke so wohlhabend geworden und hätten auch andere Leute für sie diese Grundstücke bewirtschaftet. Er wisse nicht, seit wann sein Bruder XXXX kenne. Den Kontakt hätten sie im Iran gehabt. Seine Familie habe keine Grundstücke besessen. Seine Mutter, glaube er, habe ein Haus gehabt, welches sie dann verkauft habe. Aus dem Erlös von diesen habe sie ihre Rückreise in den Iran finanziert.

Eine Woche lang habe diese Familie seine belästigt. Dann sei die Mutter des Beschwerdeführers mit einem Dorfältesten zu dieser Familie gegangen. Dort habe die Familie dann die Forderung gestellt und die Mutter des Beschwerdeführers um Zeit ersucht. Man habe seiner Mutter eine Woche Zeit eingeräumt. Sie seien dann noch zwei Tage dortgeblieben, bevor sie von dort weggegangen seien. Er wisse nicht, was mit dem Haus seiner Familie passiert sei. Sie hätten es nicht mehr beschützen können. Die Frage, ob es sich um dasselbe Haus gehandelt habe, beantwortete der Beschwerdeführer damit, dass das Haus, welches seine Mutter verkauft habe, sie geerbt habe. Es sei in XXXX gelegen. Als seine Mutter in den Iran gefahren sei, habe sie das Grundstück jemanden anderem gegeben. Dieser habe es dann verwaltet. Als seine Mutter den Vorschlag gemacht habe, es zu verkaufen, habe dieser Mann das Grundstück verkauft und seiner Mutter das Geld geschickt. Es habe sich dabei um zweihunderttausend Afghani gehandelt. Das Grundstück sei in einem mittelgroßen Dorf, in welchem zwischen 60 und 70 Familien gelebt hätten, gelegen. Er wisse nicht, wie weit dieses Dorf von XXXX entfernt gewesen sei. Er selbst sei noch nie in XXXX gewesen.

3. Im Schreiben vom XXXX brachten die ausgewiesenen Vertreter des Beschwerdeführers vor, dass der minderjährige Beschwerdeführer ein afghanischer Staatsbürger und Angehöriger der Ethnie der Hazara sei. Er habe jedoch bereits als Kleinkind, im Alter von drei bis fünf Jahren, sein Heimatland zusammen mit seiner Familie verlassen und fortan im Iran gelebt. Der Versuch der Neuansiedelung der Familie in Afghanistan im Anschluss an eine Abschiebung aus dem Iran sei nach wenigen Monaten gescheitert und habe zum Verschwinden des Vaters des Beschwerdeführers geführt. Die Mutter sowie der Großteil der Geschwister des Beschwerdeführers würden mittlerweile wieder im Iran leben. In Afghanistan würden sich keine Familienangehörigen mehr befinden. Als fluchtauslösendes Moment beschreibe der Beschwerdeführer die prekären Lebensverhältnisse seiner Familie im Iran sowie eine Feindschaft mit einer anderen afghanischen Familie wegen einer Affäre seines Bruders.

In der Folge wurden mehrere Auszüge von Berichten des UNHCR und Auszüge von Entscheidungen des UBAS bzw. AsylGH zitiert.

4. Am XXXX erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt.

Nachdem der BF seinen Alltag in Österreich beschrieb, gab er auf Vorhalt zum Alter seiner Mutter an, er habe jene Information weitergegeben, die er von seiner Mutter erhalten habe. Er wisse aber nicht, ob sie tatsächlich so alt oder jünger sei. Ob sie ihr richtiges Alter genannt habe, wisser er nicht, zumal sie Analphabetin sei. Während seines letzten Aufenthalts in Afghanistan habe er im Dorf XXXX in der Provinz Ghor gelebt. Er könne nicht sagen, ob sie im selben Haus wie früher gelebt hätten, da er drei Jahre alt gewesen sei, als sie Afghanistan verlassen hätten. Wenn in der Niederschrift der letzten Einvernahme steht, dass er fünf Jahre alt gewesen sei, so habe der Dolmetscher falsch übersetzt.

Vor seiner Ausreise in Richtung Europa sei er drei oder vier Wochen oder ein Monat im Iran gewesen. Er sei mit seiner Familie wieder nach XXXX gefahren. Das Leben sei nun härter geworden. Sie seien illegal dort gewesen. Seine Mutter habe gearbeitet.

Als er drei Jahre alt gewesen sei, habe sein Vater familiäre Stammesprobleme gehabt. Er habe in den Iran gehen müssen. Nach seiner Rückkehr seien diese Feindschaften weitergegangen. Der Beschwerdeführer wisse nicht, was dann passiert sei. Seine Mutter und seine Geschwister würden in XXXX leben. In Afghanistan habe er keine Familienangehörigen. Wie viel die Flucht insgesamt gekostet habe, wisse er nicht. Seine Mutter habe das bezahlt.

Der Beschwerdeführer habe den Beruf des Schneiders erlernt und habe für einen Afghanen gearbeitet. In der Woche habe er 60.000 Iranische Toman verdient.

5. Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom XXXX Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Bundesamt.

6. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

7. Mit Schriftsatz vom XXXX ersuchte die den Beschwerdeführer vertretene Caritas um eine rasche inhaltliche Erledigung ihres seit

XXXX anhängigen Verfahrens und verwies auf eine Entscheidung des VwGH vom 16.12.2014, Ra 2014/22/0106, wonach sich vor dem Hintergrund dessen keine Rechtsfragen mehr stellen würden. Neben Sprachkursbestätigungen wurde eine fachärztliche Bestätigung des Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen vom

XXXX vorgelegt, wonach der Beschwerdeführer kriseninterventionsmäßig betreut werde, da eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei. Er leide an einer ausgeprägten depressiven Verstimmung, Schlafstörung mit Albträumen, flash backs und Minderung seiner Konzentrations- und Leistungsfähigkeit.

8. Mit hg. Erkenntnis vom XXXX wurde der Säumnisbeschwerde stattgegeben und das Bundesamt gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG beauftragt, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der im Erkenntnis festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes binnen acht Wochen zu erlassen.

9. Mit Schriftsatz vom XXXX brachte der BF unter Hinweis auf die Entscheidung des BVwG vom 09.01.2015, Zl. W131 1438161-1, im Wesentlichen vor, dass das afghanische Staatswesen einen im Iran aufgewachsenen Afghanen schon alleine wegen der politisch - weltanschauliche Bewertung der afghanischen Bevölkerung und aufgrund des afghanischen Staatswesens nicht schützen können werde. Dem BF sei sohin aufgrund der in Afghanistan zu erwartenden Diskriminierungen wegen seines iranisch-ausländischen Akzents und seiner Zugehörigen zu den Schiiten sowie zu den Hazara der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen. Überdies würde ihn seine Rückkehr in seinem Recht nach Art. 3 EMRK verletzen, zumal er als Minderjähriger einer besonders vulnerablen Gruppe angehöre.

10. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde das hg. Erkenntnis vom XXXX wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben, da keine Rechtsanschauung zu maßgeblichen Rechtsfragen dargelegt worden sei, sondern - ohne die im konkreten Fall zu lösenden Rechtsfragen zu entscheiden - der Verwaltungsbehörde die Erlassung des versäumten Bescheides unter Setzung einer Nachfrist aufgetragen worden sei.

11. Am XXXX erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Sachverständigen XXXX . Im Zuge der Verhandlung wurden folgende Urkunden in Vorlage gebracht: Besuchsbestätigung Kurs B1 und Prüfungszertifikat ÖSD B1 (Beilage./A), Teilbesuchsbestätigung zum Pflichtschulabschlusslehrgang vom 22.02.2016 (Beilage ./B), Energie-Führerschein (Beilage ./C) sowie die Fachärztliche Bestätigung vom 15.07.2015 (Beilage ./D).

Zu seinem Gesundheitszustand gab der BF an, er habe sich früher in psychiatrischer Behandlung bei der "Boje" befunden, wo ihm Ärzte auch Schlafmittel verschrieben hätten. Diese Medikamente seien zu stark gewesen, weshalb er sie nicht genommen habe. Derzeit habe er keine gesundheitlichen Beschwerden. Er habe wegen der Einvernahme nicht geschlafen und habe etwas Kopfweh, dies hindere ihn aber nicht an der Verhandlungsteilnahme

Zur bestehenden Integration in Österreich brachte er vor, er besuche noch für zwei weitere Monate die Hauptschule. Er habe ein B1 Zertifikat sowie einen "Energie-Führerschein". Er wohne bei der Caritas und bekomme jede Woche € 21 Euro und zusätzlich € 41 Euro monatlich an Essensgeld. Um eine arbeitsrechtliche Bewilligung habe er angesucht, habe jedoch noch keinen Bescheid erhalten. Einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag habe er nicht. In seiner Freizeit mache er am PC Musik. Sein Traumjob sei DJ oder Musikproduzent. Früher sei er Teil einer kleinen Band gewesen. In einer Organisation, einer Kirche oder einem Verein sei er nicht tätig. In Österreich verfüge er über einen Freundeskreis, dem auch Österreicher angehören würden. In der Europäischen Union habe er keine Verwandten, sondern nur Bekannte. Mit diesen Bekannten stehe er nicht in Kontakt. An schwerwiegenden Krankheiten würde er nicht leiden und müsse er jetzt, im Gegensatz zu früher, keine Medikamente mehr nehmen. Er sei weder verheiratet, noch lebe er in einer Lebensgemeinschaft. Eine Freundin oder Kinder habe er nicht. Abgesehen davon sei er weder strafrechtlich vorbestraft, noch habe er eine schwere Verwaltungsübertretung begangen. Einen Aufenthaltsstatus, der sich nicht auf das Asylgesetz stütze, habe er nie besessen.

Zu seiner Herkunft gab er an, er stamme aus der Provinz Ghor, XXXX . Bis zu seinem dritten Lebensjahr habe er in Afghanistan gelebt. Anschließend sei er mit seiner Familie in den Iran geflüchtet, wo er ca. zwölf Jahre verbracht habe. Daraufhin sei er für sechs Monate nach Afghanistan zurückgekehrt. Dann seien sie wieder geflüchtet und zurück in den Iran gegangen. Nach ein bis zwei Wochen im Iran sei er alleine nach Europa geflüchtet, während seine Familie im Iran geblieben sei.

Zu dem sechsmonatigen Aufenthalt im Iran brachte er vor, sie seien dorthin zurückgegangen, von wo sie ursprünglich stammten. Damit beziehe er sich auf seine Angaben zu seinem Geburtsort. Sie hätten dort in einem Haus gewohnt. Er glaube, es sei nicht das Haus der Familie gewesen. Wie sie in den Besitz des Hauses gekommen seien, wisse er nicht genau. Allerdings glaube er, dass sein Vater mit Leuten vor Ort gesprochen habe und sie dieses Haus gemietet hätten. Die angrenzenden Dörfer seien XXXX gewesen. Ihm sei gesagt worden, dass diese Orte ebenfalls in einer ländlichen Gegend seien. Sein Vater stamme von dem genannten Dorf. Zur Herkunft seiner Mutter habe er keine Informationen. Ihm sei nur bekannt, dass ihre Angehörigen nicht mehr am Leben seien. Die Namen seiner Großväter kenne er nicht. Seine Eltern hätten darüber nicht gesprochen. Er habe zwar seine Eltern gefragt, seine Mutter hätte dazu nichts zu erzählen gehabt, da ihre Angehörigen bereits verstorben gewesen seien. Sein Vater hätte nicht über seine Familie und seine Vergangenheit gesprochen.

Zur Frage, ob es hierfür einen Grund gegeben habe, antwortete der BF, er wisse nur, dass sie Afghanistan verlassen hätten, weil es in der Vergangenheit Konflikte gegeben habe und sein Vater deswegen nicht mehr in Afghanistan leben hätte können. Im Iran hätten sie kein gutes Verhältnis zum Vater gehabt. Er habe den Beschwerdeführer geschlagen, sei nicht wie ein richtiger Vater zu ihm gewesen und habe auch nicht über seine Vergangenheit mit ihm gesprochen.

Befragt zu den erwähnten Konflikten gab er an, er glaube, sein Vater sei früher Mitglied einer politischen Gruppe gewesen. Es müsse irgendeine Mujaheddin Gruppe gewesen sein. Er glaube, dass es früher sehr viele Stammesprobleme gegeben habe. Bei einem bestimmten Konflikt dürfte jemand verletzt oder getötet worden sein, woraus eine Feindschaft entstanden sei. Daraufhin sei sein Vater gemeinsam mit ihnen in den Iran geflüchtet. Näheres dazu wisse er nicht. Seine Mutter habe erzählt, dass sein Vater in einer politischen Gruppe gewesen sei und sie aufgrund des Konfliktes geflüchtet seien. Genaueres habe sie über den Konflikt nicht erzählt und der BF wisse auch nichts Näheres darüber, zumal seine Fragen von ihr nicht genau beantwortet worden seien. Da er bereits im Iran gelebt habe, dort aufgewachsen sei und seine Freunde gehabt habe, habe er nicht weiter nachgefragt. Er habe vorgehabt, im Iran sein Leben zu verbringen. In die Vorfälle in Afghanistan sei er nicht involviert gewesen und es sei ihm daher nicht so wichtig gewesen.

In Afghanistan habe er gemeinsam mit seiner Familie, nämlich mit seinen Eltern, an der erwähnten Adresse gelebt. Neben seinen Eltern habe er drei Brüder und zwei Schwestern. Sein älterer Bruder XXXX halte sich wahrscheinlich in Pakistan auf. Seine Schwestern seien nicht verheiratet. Verwandte in Afghanistan habe er nicht. Soweit er wisse, habe sein Vater niemanden mehr im Dorf und habe er auch keine Geschwister. Auch seine Mutter habe keine Geschwister. Cousins habe er nicht. Kontakt zu seinen Großeltern habe er nie gehabt und wisse er auch nicht, wann die Eltern seiner Mutter verstorben seien. Soweit der BF wisse, sei seine Mutter Einzelkind gewesen. Sie sei selbst sehr jung gewesen, als ihre Eltern verstorben seien. Nähere Informationen habe er dazu nicht. Zur Herkunft seiner Mutter gab er an, es bestehe die Möglichkeit, dass sie in XXXX aufgewachsen sei, er wisse es aber nicht. Gefragt habe er sie nie.

Derzeit würden sich seine Angehörigen in XXXX , im Iran, aufhalten, es würde ihnen gut gehen und sie würden versuchen, ihr Leben dort voranzubringen. Alle der zuvor genannten Familienangehörigen, abgesehen von einem Bruder, würden dort leben. Dieser Bruder lebe mit hoher Wahrscheinlichkeit in Pakistan. Bereits als der BF den Iran verlassen habe, sei sein Bruder nicht mehr im Iran gewesen. Es sei länger als dreieinhalb Jahre her, dass er ihn das letzte Mal gesehen habe. Sonst habe er keinen Kontakt mehr zu ihm. Zuletzt habe er ihn während seines sechsmonatigen Aufenthaltes in Afghanistan gesehen. Danach habe kein Kontakt mehr bestanden. Zu den anderen Familienangehörigen habe er alle zwei Monate Kontakt.

Zu seiner Ausbildung gab der BF an, er habe im Iran neun Jahre die Schule besucht und habe dort sonst über einen Zeitraum von zweieinhalb bis drei Jahren als Schneider gearbeitet. Sein Vater sei in Afghanistan Bauer und im Iran Bauarbeiter gewesen. Eine Landwirtschaft habe er nicht betrieben, sondern für andere Leute gearbeitet. Seine Eltern hätten selbst über kein Land verfügt.

Wie seine Nachbarn in Afghanistan hießen, wisse er nicht mehr. Er habe dort nur sechs Monate verbracht und sei die meiste Zeit krank gewesen, da die Lebenssituation zwischen dem Iran und Afghanistan sehr unterschiedlich sei. In Afghanistan habe er durchgehend Kopfschmerzen gehabt, er habe gehustet und habe nicht auf die Toilette gehen können, da der Zustand sehr schlecht gewesen sei.

Befragt zu dem Haus, welches seine Mutter nach seinen Angaben in der Einvernahme am XXXX verkauft habe, erklärte der BF, er wisse nicht, wo sich dieses Haus befunden habe. Seine Mutter habe es von ihren Eltern geerbt. Als sie in den Iran flüchten wollten, habe die Mutter das Haus verkauft, um mit dem Erlös die Fluchtreise zu finanzieren. Ob seine Großeltern darin gewohnt hätten, wisse er nicht. Seine Mutter habe Bekannte mit dem Verkauf des Hauses beauftragt. In welcher Stadt sich das Haus befunden habe oder wie hoch der Erlös gewesen sei, wisse er nicht. Bekannte seiner Mutter hätten sich um das Haus gekümmert, als sie geflüchtet seien, zumal sie es nicht einfach so zurücklassen hätten können. Auf Vorhalt, er habe am XXXX gesagt, das Haus befände sich in XXXX , gab er an, er wisse nach wie vor nicht, wo sich das Haus befinde. Er habe bei seiner damaligen Aussage lediglich vermutet, dass sich das Haus in XXXX befunden habe. Die Summe die er damals angegeben habe (ca. 200.000 Afghani), habe er ebenfalls geschätzt. Den genauen Betrag des Verkaufserlöses kenne er nicht.

Auf Vorhalt, er habe am XXXX gesagt, sein Bruder sei über Pakistan nach Indien geflohen, während er nunmehr angegeben habe, er sei in Pakistan, gab der BF an, er schätze, dass sich sein Bruder zu 80% in Pakistan aufhalte, sei sich aber natürlich nicht sicher. Es könne auch sein, dass er in Indien sei.

Auf die Frage, was er in der Einvernahme am XXXX konkret damit gemeint habe, dass seine Familie ursprünglich wegen eines Krieges weggegangen sei, erklärte der BF, mit Krieg habe er die politischen Auseinandersetzungen gemeint. Er glaube, dass sein Vater ein Mitglied einer Jihad Gruppe gewesen sei. Er könne sich darin erinnern, dass in ihrem Haus in XXXX ein Bild eines Mannes namens "Baba Mazari" gehangen sei. In XXXX hätten sie in einem Ort namens XXXX gelebt. Dort hätten die meisten Leute Baba Mazari gekannt. Soweit er wisse, sei er ebenfalls Mitglied einer Jihad Gruppe gewesen. Aus diesem Grund nehme er an, dass sein Vater zu dieser Gruppe gehört habe. Mit ihm darüber gesprochen habe er nicht. Eigentlich habe er nie mit seinem Vater gesprochen. Er habe ihn lediglich zwei- oder dreimal in der Woche begrüßt. Seine Mutter habe ihm diesbezüglich nur sehr allgemein geantwortet. Sie habe gesagt, der Vater sei Mitglied dieser Gruppe gewesen. Er selbst habe sich nicht für genauere Informationen interessiert, weil es für ihn nicht wichtig gewesen sei. Ob es noch weitere Verwandte väterlicherseits in Afghanistan gegeben habe, wisse er nicht. Für ihn sei es nicht wichtig zu erfahren, ob sein Vater Geschwister habe. Seine Mutter habe er zur Familie seines Vaters nicht befragt. Sie habe für ihn sowohl die Mutter- als auch die Vaterrolle übernommen. Informationen, die seinen Vater betreffen, seien für ihn nicht wichtig. Er habe keine guten Erinnerungen an seinen Vater. Er wolle nichts über seinen Vater wissen und wenn es sich vermeiden lasse, müsse er auch nicht über ihn sprechen.

Auf Vorhalt, er habe am XXXX gesagt, dass aufgrund eines Vorfalls ein "nicht gutes Verhältnis" zur Familie des Vaters bestanden hätte, gab der BF an, er habe damals einfach nur so etwas über seinen Vater gesagt. Sein Vater habe keinen Wert für ihn. Zu den konkreten Geschehnissen habe er keine Informationen. Auf Vorhalt seiner Angaben am XXXX , wonach jemand bei dem Vorfall ums Leben gekommen sei, führte er aus, er habe zuvor gesagt, dass sie aufgrund einiger Konflikte zwischen den Gruppen aus Afghanistan geflüchtet seien. Damit meine er die Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppen. Zu seiner Aussage, jemand sei dort getötet worden, gebe er an, dass sich das auf jenen Zeitpunkt beziehe, als sie Afghanistan verlassen hätten. Genauere Informationen dazu, wer getötet worden sei und wie es zu dem Konflikt gekommen sei, habe er nicht.

Befragt, wann er nach seinem Aufenthalt im Iran nach Afghanistan zurückgekehrt sei, gab er an, dies sei vor drei Jahren, sohin im Jahr XXXX , gewesen.

Auf die Frage, wie oft er in XXXX gewesen sei, gab er zunächst an, er glaube, er sei noch nie in XXXX gewesen. Auf weitere Nachfrage, präzisierte er seine Antwort dahingehend, dass er niemals in XXXX gewesen sei. Das Haus seiner Mutter, welches sie inzwischen verkauft habe, habe er nie besucht. Erst nach dem Verkauf habe er von dem Haus erfahren.

Befragt zu der Ausreise aus Afghanistan im Jahr XXXX gab der BF an, die Reise habe fünf Tage in Anspruch genommen. Davon hätten sie drei Tage in der Nähe der Stadt XXXX an einem Ort gewartet, bis seine Mutter den Verkauf des Hauses organisieren habe können, um Geld für die Flucht in den Iran zu beschaffen. Genaue Ortsangaben könne er nicht machen und kenne er auch keine Ortsangaben. Da die Reise sehr schwierig gewesen sei, habe er sich nicht sehr viel gemerkt und jene Sachen, die er bei der Reise wahrgenommen habe, habe er inzwischen vergessen.

Zum Grund der neuerlichen Ausreise brachte er vor, als seine Familie das erste Mal Afghanistan verlassen habe, sei eine andere Familie gemeinsam mit ihnen in den Iran geflüchtet. Sein älterer Bruder habe eine Beziehung mit dem Mädchen dieser Familie geführt. Nachdem sie den Iran verlassen hätten und nach Afghanistan zurückgekehrt seien, habe diese Beziehung weiterhin bestanden. Als seine Eltern davon erfahren hätten, hätten sie offiziell um die Hand der Frau angehalten. Die Familie habe das Angebot abgelehnt. Die Eltern der Frau hätten sie mit einem anderen Mann zwangsverheiratet. Trotz dieser Hochzeit hätte sein Bruder die Beziehung zu dem Mädchen weitergeführt. Zwei Monate nach der Eheschließung sei der Bruder zu dem Mädchen gegangen, als deren Eltern nicht zuhause gewesen seien. Als diese aber plötzlich zurückkehrten, sei es zu einem Streit gekommen. Aus dem Grund sei der Bruder nach Pakistan geflüchtet. Zudem sei eine Feindschaft entstanden. Die Familie des Ehemanns des Mädchens habe die jüngere Schwester des BF bekommen wollen, weil sie der Meinung gewesen sei, der Bruder habe die Ehre der Familie verletzt. Abgesehen davon hätte sie gewollt, dass er oder sein jüngerer Bruder für die Familie als Diener arbeite. Seine Familie sei stark belästigt worden. Daraufhin habe seine Mutter mit einem Ältesten gesprochen und ihm gesagt, sie würden diese Forderungen akzeptieren, wenn die Belästigungen aufhören. Sie habe einen bestimmten Zeitpunkt erbeten, bis zu welchem sie diesen Anforderungen nachkommen würde. In dieser Zeit habe seine Mutter die Flucht geplant und sei mit ihnen geflüchtet.

Zum Kontakt zwischen den beiden Familien gab der BF an, sein Vater habe die Familie gekannt, da der Vater des Mädchens und er Mitglieder der zuvor beschriebenen Gruppen gewesen seien. Der Name des Mädchens sei XXXX gewesen. Auf Vorhalt, er habe am XXXX angegeben, der Name sei XXXX gewesen, gab er an, für ihn mache das keinen Unterschied. XXXX und XXXX seien ein Name. Der anwesende Sachverständige führte hierzu aus, die beiden Namen seien weder phonetisch ähnlich, noch hätten sie dieselbe Bedeutung. Es handle sich dabei um zwei verschiedene Namen. Im Vergleich zur deutschen Sprache würde das etwa Petra und Maria entsprechen.

Zur Familie des Mädchens führte er weiter aus, sie sei ca. zwei oder zweieinhalb Monate vor ihnen vom Iran nach Afghanistan gereist. Zum damaligen Zeitpunkt habe sich die Situation für afghanische Flüchtlinge im Iran stark verschlechtert. Als der Vater des Mädchens den Entschluss gefasst habe, nach Afghanistan zurückzukehren, habe er seinem Vater den Vorschlag gemacht mitzukommen. Sein Vater sei einverstanden gewesen, obwohl sie nicht nach Afghanistan zurückkehren gewollt hätten, zumal sie das Land nicht gekannt hätten und im Iran aufgewachsen seien. Die beiden Familien hätten dann im selben Ort gelebt, wobei die finanzielle Situation der anderen Familie besser gewesen sei, da der Vater des Mädchens landwirtschaftliche Grundstücke im Heimatdorf besessen habe. Sie hätten sechs bis sieben Gehminuten voneinander entfernt gewohnt. Seine Eltern hätten auf den landwirtschaftlichen Grundstücken der anderen Familie gearbeitet.

Bei der Rückkehr aus dem Iran sei er, abgesehen vom Vater, mit seiner gesamten Familie zurückgekehrt. Sein Vater habe drei Monate später gesagt, dass er mit jenen Personen sprechen wolle, wegen denen er Afghanistan verlassen habe. Er wolle die damaligen Probleme bzw. Konflikte lösen. Der Ort, an den er sich begeben habe, heiße XXXX und sei in der Provinz XXXX . Der Vater habe gesagt, sie sollten sich keine Sorgen machen, er werde zurückkommen. Sie hätten ein paar Tage abgewartet, dann habe sich seine Mutter große Sorgen gemacht und die Leute in der Umgebung nach dem Verbleib des Vaters befragt.

Auf Vorhalt seiner Angaben führte er aus, er sei mit der gesamten Familie aus dem Iran zurückgekehrt. Bei der Ausreise aus Afghanistan in den Iran seien sein Vater und sein Bruder nicht mehr dabei gewesen. Er habe angenommen, der Richter wisse bereits, dass sein Vater verschwunden sei. Er habe nämlich vorhin gesagt, sein Bruder habe Afghanistan verlassen und sei nach Pakistan gereist. Zum Vater habe er vorhin keine Angaben gemacht.

Befragt, was er unter einem "Verhältnis" verstehe, wenn er angebe, sein Bruder habe ein Verhältnis zu einer Frau gehabt, erklärte der Beschwerdeführer, im Iran hätten die beiden eine geheime Beziehung geführt. Nachdem sie nach Afghanistan gereist seien, habe sein Bruder seine Eltern gebeten, offiziell um die Hand des Mädchens anzuhalten. Dieser Antrag sei von der Familie des Mädchens abgelehnt worden. Im Iran verstehe man darunter, dass dieser Kontakt für eine längere Zeit zwischen diesen beiden Leuten bestehe und, dass diese beiden Personen dann vorhaben zu heiraten. In einer Beziehung könne man die gleichen Sachen wie verheiratete Paare machen. Damit meine er auch, eine sexuelle Beziehung zu führen. Auf die Frage, ob sein Bruder eine sexuelle Beziehung mit dieser Frau geführt habe, antwortete der BF "Bestimmt". Er glaube es sei etwas Normales, wenn man in einer Beziehung sei. Seine Mutter habe versucht, ihm den Grund für die Flucht zu erklären. Sie habe gesagt, sein Bruder und das Mädchen hätten eine Beziehung geführt und sie hätten etwas Verbotenes gemacht. Seine Mutter habe nicht aussprechen können, was der Bruder getan habe. Er schließe aus den Aussagen seiner Mutter, dass er eine sexuelle Beziehung zu dem Mädchen geführt haben muss. Mittlerweile müsste das Mädchen 23 Jahre alt sein. Der BF habe davon erfahren, als sein Bruder und seine Mutter den Entschluss gefasst hätten, offiziell um die Hand des Mädchens anzuhalten. Wann seine Mutter davon erfahren habe, wisse er nicht. Sein Vater habe es nicht wissen können, da er überhaupt keine Informationen über ihr Leben gehabt habe. Er habe sich nicht für sie interessiert. Die andere Familie habe von der Beziehung erfahren, als seine Eltern nach ca. drei Monaten um die Hand des Mädchens angehalten hätten. Sein Vater sei dabei gewesen, da es ohne seine Anwesenheit nicht gültig gewesen wäre. Der Antrag sei nicht angenommen worden, weil das Mädchen besser ausgebildet sei als sein Bruder. Ihre gesamte Lage sei besser gewesen. Sie hätten landwirtschaftliche Grundstücke gehabt und er glaube, sie hätten viel besessen.

Danach habe seine Familie versucht einen Weg zu finden, damit die Familie dennoch ihre Zustimmung zur Hochzeit gebe. Seine Mutter sei ein weiteres Mal - diesmal alleine - hingegangen, um die Familie zur Einwilligung in die Ehe zu überreden. Wäre es ihr gelungen, wäre beim nächsten Mal der Vater mitgekommen. So habe sie es ein weiteres Mal alleine und daraufhin wieder gemeinsam mit dem Vater versucht. Auf Vorhalt seiner Angaben in der letzten Einvernahme, wonach seine Familie dreimal dort gewesen sei, erklärte er, das erste Mal sei das Vorhaben offiziell bekannt gegeben worden, bei den drei weiteren Besuchen habe es sehr viele Gespräche gegeben, um die Entscheidung der Familie zu ändern.

Auf die Frage, wie die Eltern des Mädchens von der Beziehung der beiden erfahren hätten, gab der BF an, seine Eltern hätten offiziell um die Hand des Mädchens angehalten, zuvor hätten ihre Eltern nichts von der Beziehung gewusst. Nach Fragewiederholung führte er aus, seine Mutter habe bei dem Gespräch gesagt, dass sich ihr Sohn und das Mädchen gerne hätten, und hätte sie daraufhin gefragt, ob die Familie des Mädchens damit einverstanden sei, die beiden zu verheiraten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Familie des Mädchens erfahren, dass das Mädchen und sein Bruder eine geheime Beziehung geführt hätten, weil sein Bruder seine Mutter sehr genau über die Beziehung informiert habe und seine Mutter diese Informationen an die Familie weitergegeben habe.

Die Familie des Mädchens habe seinen Bruder für einen Nichtsnutz gehalten, der faul sei. Abgesehen davon sei die Situation der beiden Familien nicht vergleichbar gewesen. Daher habe die Familie den Antrag abgelehnt. Sie hätten das über seinen Bruder gedacht, weil er keine guten Freunde gehabt habe und keiner richtigen Arbeit nachgegangen sei. Er habe sich nicht bemüht, in die Schule zu gehen und zu lernen. Er habe andere Leute belästigt und sich den ganzen Tag auf der Straße aufgehalten. Auf Fragewiederholung gab er an, er habe nicht faul gesagt, sondern dass er kein Verantwortungsbewusstsein habe. Zusammengefasst habe die Familie aus zwei Gründen abgelehnt. Zum einen wegen der fehlenden Bildung, zum anderen weil seine Familie nicht so viel Geld gehabt habe. Dennoch habe seine Familie gehofft, die Familie des Mädchens umstimmen zu können. Sie hätten das für seinen Bruder gemacht.

Das "Handanhalten" habe um die 15 Tage gedauert. Zirka eineinhalb Monate nach dem ersten Antrag sei das Mädchen zwangsverheiratet worden.

Über den Status des Mannes, den die Frau geheiratet habe, wisse er nichts Genaues. Er glaube aber, er sei ihrer Familie finanziell gleichgestellt gewesen. Wie es seinem Bruder und der Frau gelungen sei, das außereheliche Verhältnis fortzusetzen, wisse er nicht. Es sei erst bekannt geworden, nachdem die Familie der Frau beide zusammen im Haus der Frau erwischt habe. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass sein Bruder und die Frau in deren Elternhaus erwischt worden seien. Er wisse nicht, ob das Mädchen weiterhin im Elternhaus mit ihrem Mann gelebt habe oder ob es wo anders gewesen sei. Zwischen der Hochzeit mit dem anderen Mann und dem weiteren Erscheinen seines Bruders bei dieser Frau seien zehn bis fünfzehn Tage gelegen. Als die beiden erwischt worden seien, sei es zu einem Kampf gekommen, bei dem der Bruder verletzt worden sei. Daraufhin sei ihm die Flucht gelungen. Er habe sich an einem Ort versteckt, wo er sich mit der Mutter getroffen habe. Die Situation für die Familie habe sich sehr stark verschlechtert. Seinem Bruder sei bewusstgeworden, dass er nicht mehr dortbleiben könne und sei daher nach Pakistan geflüchtet.

Zum Kampf führte er konkret aus, dass die Eltern der Frau - nachdem sie die beiden erwischt hätten - deren Mann verständigt hätten. Dieser sei gemeinsam mit einigen Freunden gekommen, um seinen Bruder "fertig zu machen". Im Haus sei es zu einem Kampf gekommen. Der Vater des Mädchens, ihr Ehemann sowie vier oder fünf Bekannte seien dabei anwesend gewesen. Sein Bruder habe immer ein Messer bei sich. Er nehme an, dass er die Leute mit einem Messer angegriffen habe. Sein Bruder habe immer schon Leute belästigt und wisse sich zu verteidigen. Er wisse auch, dass sein Bruder verletzt worden sei. Mit welchem Hilfsmittel (Messer, Schwert, Waffe) könne er aber nicht sagen. Dem Bruder sei die Flucht aus dem Ort gelungen. Da der BF selbst nicht anwesend gewesen sei, könne er nicht mehr dazu sagen. Seine Mutter habe ihm von dem Vorfall erzählt. Wo sich die beiden getroffen hätten, wisse er nicht. Es müsse aber am Land in irgendeinem Dorf gewesen sein. Wie es ihm gelungen sei, die Mutter zu verständigen, wisse er nicht.

Nach der Flucht seines Bruders sei die Familie der Frau gemeinsam mit deren Ehemann und anderen Leuten zu ihrem Haus gekommen. Sie hätten den Entschluss gefasst, dass ihnen seine Familie eine seiner jüngeren Schwestern übergeben und entweder er oder sein jüngerer Bruder als Diener für sie arbeiten müsse. Daraufhin seien sie immer wieder belästigt worden. Seine Mutter habe ihn und seine Geschwister in ein anderes Dorf gebracht, welches sich ebenfalls im ländlichen Gebiet befunden habe. Sie sei wieder zurückgekehrt und habe mit einer älteren Person gesprochen und dieser gesagt, dass sie die Bedingungen des Mädchens akzeptieren werde, sie jedoch Zeit benötige. Daraufhin sei ihr diese Zeit gewährt worden. Sie habe zwei Monate verlangt, bekommen habe sie aber fünfzehn bis zwanzig Tage. Auf Vorhalt, der BF habe beim Bundesamt angegeben, sie habe nur eine Woche Zeit bekommen, führte er aus, seine Angaben bei der letzten Einvernahme seien geschätzt gewesen, auch heute könne er nicht mit Sicherheit sagen, ob es fünfzehn oder zwanzig Tage gewesen seien. Seine Mutter habe keine genauen Zeitangaben gemacht.

Wer der Vater des späteren Ehemannes der Frau gewesen sei, wisse er nicht. Er habe den Mann und dessen Familie nicht gekannt. Die finanzielle Situation der Familie sei gut gewesen. Wenn man Geld habe, könne man viel damit erreichen. Er glaube auch, dass er sehr viele Leute gekannt habe, unter anderem auch bei der Polizei. Auf Vorhalt, er habe am XXXX angegeben, die Frau habe den Sohn des Ältesten dieser Gegend geheiratet, führte er aus, er habe zur Position des Vaters nichts gesagt und habe auch nicht angegeben, dass er der Sohn eines Dorfältesten sei.

Die Belästigungen hätten länger als eine Woche, ca. 9 bis 10 Tage angedauert. Auf Vorhalt seiner Angaben vor dem Bundesamt, wonach es sich um eine Woche gehandelt habe, erklärte er, es seien jedenfalls weniger als 2 Wochen gewesen. Er habe mittlerweile vergessen, was er gesagt habe. Die Belästigungen hätten sich so abgespielt, dass sie immer wieder zu ihrem Haus gekommen seien, sie bedroht und darauf bestanden hätten, dass sie ihnen ihre Schwester geben müssten. Soweit er sich erinnern könne, habe er sie ein- oder zweimal gesehen. Nachdem ihre Mutter sie in ein anderes Dorf gebracht habe, seien sie mehr als eine Woche täglich zu ihrem Haus gekommen. Auf Vorhalt, der BF habe dies vor dem Bundesamt nicht erwähnt, gab der BF zu Protokoll, er habe es kurz angesprochen. Er glaube, dies sei in der letzten Einvernahme gewesen. Seine Mutter habe ihn jemanden im Dorf übergeben, der ihn an einen anderen Ort gebracht habe. Dort habe er sich in einem Keller (einem Raum im Untergrund) aufgehalten, wo ihm Mahlzeiten gebracht worden seien. Da er nach seinem älteren Bruder der nächstälteste Sohn gewesen sei, sei er besonders gefährdet gewesen.

Ob der Mann, der das Mädchen dann geheiratet habe, gewusst habe, dass das Mädchen zuvor eine außereheliche Beziehung gehabt habe, gab er an, dies nicht zu wissen. Nachdem die Mutter vorgegeben habe, den Forderungen nachzukommen, seien sie noch vier bis fünf Tage in Afghanistan gewesen.

Abgesehen von den Problemen, die sein Bruder verursacht habe, sowie den Problemen des Vaters, habe es keine weiteren Schwierigkeiten in Afghanistan gegeben. Im Falle seiner Rückkehr werde der BF sterben, da er nicht in der Lage sei, sich alleine zu verteidigen. Er sei nicht in der Lage dort zu leben. Er habe dort nicht die Möglichkeit etwas zu lernen. Er sehe sich auch nicht in der Lage sich dem Leben dort anzupassen.

Befragt zu den Namen seiner Großeltern gab er an, er glaube der Name des Großvaters mütterlicherseits habe XXXX gelautet. Dessen Beruf kenne er nicht. Zu seinem Großvater väterlicherseits könne er keine Angaben machen.

Seine Eltern würden aus der Provinz XXXX stammen. Seine Mutter sei mit Sicherheit aus dem Dorf XXXX . Die genaue Herkunft seines Vaters sei ihm nicht bekannt. Die angrenzenden Dörfer würden XXXX heißen. Besondere Merkmale des Dorfes könne er nicht nennen. Es habe zwischen 60 und 70 Häuser gegeben. Dort hätten hauptsächlich Hazara gelebt. Dies wisse er, weil sie ähnlich wie er ausgeschaut hätten. Es habe einige wenige Leute gegeben, die größere Augen gehabt hätten. Er wisse aber nicht, welcher Volksgruppe sie angehört hätten.

12. Mit Schriftsatz vom XXXX wurden die Namen und Berufe der Großväter des BF bekanntgegeben. Ferner wurde vorgebracht, dass sich das im Rahmen der Verhandlung besprochene Haus in XXXX befunden habe. Dieses Haus sei der Mutter des BF von deren Großmutter, sohin der Urgroßmutter des BF, vererbt worden.

13. Mit Stellungnahme vom XXXX wurde unter Hinweis auf die Entscheidung des BVwG vom 04.12.2017, Zl. W107 2163499, auf die positive Integration des Beschwerdeführers hingewiesen und zur Situation in Afghanistan ausgeführt, dass die Lage weder stabil noch sicher sei. Obwohl die täglichen Anschläge nicht vordergründig der Zivilgesellschaft gelten würden, so seien dennoch die meisten Opfer Zivilsten. Verwiesen wurde im Folgenden auf diverse Anschläge in Kabul im Zeitraum 2017 bis 2018 sowie auf allgemeine Zahlen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in Afghanistan. Die Provinz Kabul verzeichne demnach die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul. Manche high-profile Angriffe würden gezielt gegen Mitarbeiterinnen der ANDSF und afghanische Regierungsbeamte gerichtet, ZivilistInnen in stark bevölkerten Gebieten seien am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017). Dies ergebe sich aus dem Länderinformationsblatt. Nach den allgemeinen Länderfeststellungen sei jedenfalls von den Voraussetzungen hinsichtlich der Gewährung von subsidiären Schutz auszugehen. Bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers in sein Heimatland bestehe sohin jedenfalls eine reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte. Dies ergebe sich aus den Feststellungen, wonach die Sicherheits- und die Versorgungslage in ganz Afghanistan - auch in den östlichen und südöstlichen Regionen Afghanistans - prekär sei. Effektive staatliche Schutzmechanismen in Afghanistan zur Abwendung dieser realen Gefahr bestünden für den Beschwerdeführer nicht.

14. Am XXXX erfolgte eine weitere mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Vorgelegt wurden eine fachärztliche Bestätigung vom XXXX (Beilage 1), ein psychotherapeutisches Gutachten (Beilage 2), eine Kursbesuchsbestätigung vom XXXX (Beilage 3), eine Schulbesuchsbestätigung für das Bundesgymnasium vom XXXX (Beilage 4), acht Empfehlungsschreiben (Beilage 5), Bestätigungen der ehrenamtlichen Mitarbeit bei der Caritas vom XXXX (Beilage 6), ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag (Beilage 7), der Lebenslauf des BF (Beilage 8), ein Bewerbungsschreiben für eine KFZ-Lehre vom XXXX (Beilage 9), eine Bewerbung als Rikschafahrer vom XXXX (Beilage 10), eine Büchereikarte lautend auf den BF (Beilage 11) und ein sogenannter Kulturpass der Caritas vom XXXX (Beilage 12).

Zu seinem Leben in Österreich gab der BF an, er habe seinen Pflichtschulabschluss gemacht und besuche derzeit als außerordentlicher Schüler das Gymnasium in XXXX . Es sei sein erstes Jahr und er habe vier Fächer. Er sei älter geworden und sei momentan etwas enttäuscht, weil er etwas weitermachen wolle, beispielsweise die Schule besuchen oder als Lehrling irgendwo arbeiten. Er sei Single und habe keine Kinder. In Österreich habe er keine Verwandten. Derzeit nehme er keine Medikamente.

Zu seinen Familienangehörigen gab er an, sein Vater habe keine Geschwister, seine Eltern seien beide Einzelkinder. Wie viele Frauen sein Großvater väterlicherseits gehabt habe, wisse er nicht. Er wisse auch nicht aus welchem Quawm er stamme. Er sei Hazara. Die Familie seines Vaters stammte aus XXXX . Woher die Familie seiner Mutter stamme, wisse er nicht. Über ihre Herkunft habe er mit ihr nicht gesprochen. Sie seien nicht so eine offene Familie gewesen und hätten nicht so oft miteinander gesprochen. Er sei im Iran aufgewachsen und seine Herkunft sei für ihn nicht so wichtig. Wenn er von seiner Familie spreche, meine er seine Eltern, seine beiden Brüder und seine beiden Schwestern. Seine Mutter sei jetzt krank, da sie an Hepatitis leide. Sein Vater sei nicht da. Zwei Brüder und zwei Schwestern würden noch bei seiner Mutter leben. Sein älterer Bruder sei nicht im Iran, sondern in Pakistan. Zuletzt habe er vor einem Monat Kontakt zur Mutter und den Geschwistern gehabt. Sie würden ihn über das Internet kontaktieren. Die Familie halte sich seit XXXX in XXXX auf. In Afghanistan habe er weder Verwandte noch Freunde.

Befragt zum Haus, über welches in der vorhergehenden Verhandlung gesprochen worden sei, gab er an, er wisse nicht, wo es sich befinde oder wer dort gewohnt habe. Seine Mutter habe es verkauft, bevor sie aus Afghanistan in den Iran geflüchtet seien. Er glaube, dies sei Anfang 2013 gewesen. Wie viel Geld sie dafür bekommen habe, wisse er nicht. Wer das Haus nach seiner Mutter innegehabt habe, wisse er ebenso wenig. Ob es eine bekannte oder unbekannte Person gewesen sei, könne er auch nicht sagen.

Befragt, wann die Eltern des Mädchens, mit welchem sein Bruder eine Beziehung eingegangen sei, von eben dieser Beziehung erfahren hätten, gab er an, sie hätten davon zu jenem Zeitpunkt erfahren, als seine Mutter die Eltern des Mädchens um deren Hand gebeten habe. Seine Mutter sei zu ihnen gegangen und habe mit ihnen geredet, dass die beiden sich lieben würden und sich schon kennen würden. Auf die Frage, wie die Eltern des Mädchens von der sexuellen Beziehung zwischen dem Mädchen und dem Bruder erfahren hätten, gab er an, seine Mutter habe erzählt, dass die Familie des Mädchens und auch ihr Ehemann das Haus verlassen hätten. Sein Bruder sei zu dem Mädchen und die Familie habe sie erwischt, als sie zurückgekehrt sei. Ganz genau wisse er das nicht. Seine Mutter habe erzählt, sie seien wahrscheinlich eingeladen gewesen und seien dann zurückgekehrt. Warum man das Mädchen alleine gelassen habe, wisse er nicht. Geschwister habe das Mädchen - soweit er wisse - nicht. Die Familie des Mädchens halte sich in XXXX auf. Soweit er wisse, würden sie noch dort wohnen. Er habe mit seiner Familie den Ort verlassen. (Anmerkung des BFV: Der BF habe gesagt, als sie Afghanistan verlassen hätten, hätten sie dort gewohnt). Das Haus des Mädchens sei ca. 6 bis 7 Gehminuten vom Elternhaus entfernt gewesen. Die Familie, in welche das Mädchen eingeheiratet habe, habe sich ebenfalls dort in XXXX befunden, habe aber eine bessere finanzielle Situation gehabt. Wie weit das Haus der "Schwiegereltern des Mädchens" von seinem Elternhaus entfernt gewesen sei, wisse er nicht. Er sei ein Kind gewesen, als er dort gelebt habe. Damals sei er 15 Jahre alt gewesen. Den Namen der Familie, in welche das Mädchen eingeheiratet habe, kenne er nicht. Im Dorf gebe es 60 bis 70 Häuser. Der Ehemann des Mädchens habe eine sehr gute Situation gehabt, sowohl finanziell als auch menschlich. Damit meine er, wie viele Leute und wie viele mächtige Leute er kenne. Er habe viele Ländereien gehabt und sei mächtig gewesen, weil er Geld gehabt habe und Leute gekannt habe. Auf die Frage, welche Leute er gekannt habe, gab der BF an, er sei nur sechs Monate dort gewesen und habe nicht gewusst, wer reich oder mächtig sei. Nach der Heirat habe das Mädchen noch bei ihren eigenen Eltern gewohnt, soweit er wisse. Den Grund kenne er nicht. Sie seien insgesamt sechs Monate dort gewesen, wobei das Mädchen nach drei Monaten geheiratet habe. Ganz genau könne er nicht sagen, dass das Mädchen bei ihren Eltern gelebt habe. Sie sei bei ihren Eltern gewesen.

Ob die Familie des Ehemanns des Mädchens von der Beziehung des Mädchens mit dem Bruder erfahren habe, wisse er nicht. Als sein Bruder bei dem Mädchen erwischt worden sei, habe es Auseinandersetzungen gegeben. Er sei ein Rechtsbrüchiger gewesen und sei geflüchtet. Zwischen dem Bruder, den Eltern des Mädchens und der Familie des Ehemannes sei es zu Auseinandersetzungen gekommen. Bei dem Vorfall seien sein Bruder, die Eltern des Mädchens, der Ehemann des Mädchens und ein paar Bekannte des Ehemannes in einem Raum gewesen. Wie sich die Auseinandersetzung abgespielt habe, wisse er nicht. Sein Bruder habe immer ein Messer bei sich. Für die Familie sei das eine beschämende Situation gewesen. Ob sie Gewehre, Säbel oder Messer gehabt hätten, wisse er nicht. Er wisse nur, dass sein Bruder verletzt worden sei. Womit dies geschah, wisse er nicht. Sein Bruder sei dann nach Pakistan geflüchtet. Zuvor habe er sich wo versteckt und noch die Mutter getroffen. Wo das Versteck gewesen sei und wie die Mutter davon erfahren habe, wisse er nicht.

Abschließend schilderte der Rechtsvertreter zusammengefasst die Lebensgeschichte des BF und brachte im Wesentlichen vor, dass der BF zur Zeit des Vorfalls 15 Jahre alt gewesen sei und es unzumutbar sei, Details des Geschehens zu verlangen. Ferner führte er aus, Afghanistan sei für den BF ein fremdes Land und würde er nicht Dari, sondern Farsi sprechen, weshalb er im Herkunftsstaat mit Problemen konfrontiert sein würde. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang auf die gutachterliche Stellungnahme von Frau Hila ASEF vom 15.09.2017. Ferner wurde auf den ACCORD-Bericht vom 12.06.2015 (eine Anfragebeantwortung zu Afghanistan betreffend die Situation für AfghanInnen, insbesondere Hazara, die ihr ganzes Leben im Iran verbracht haben und schließlich zurückkehren) verwiesen. Der BF habe keine Anknüpfungspunkte in Afghanistan und verfüge über keine vernünftige Schul- und Berufsausbildung. Als schiitischer Hazara sei er ein leichtes Opfer für die Taliban oder den IS. Die staatlichen Behörden seien nicht in der Lage, ihn ausreichend zu schützen.

Bei seiner Rückkehr würde er in eine aussichtslose Situation geraten, da er über kein Vermögen verfüge und bei einer etwaigen Rückkehr höchstwahrscheinlich in die Drogenszene bzw. in die Kriminalität fallen würde. Seine Zeit in Österreich sei für ihn prägend gewesen. Er habe sich nachhaltig integriert und hier eine Existenz aufgebaut. Ferner wurde auf seinen Integrationserfolg verwiesen. Festgehalten wurde auch, dass er keine Schuld an der Länge des Verfahrens trage. Zu Afghanistan habe er keinerlei Bindungen mehr. Seine Familie, die im Iran lebe, könne ihn nicht unterstützen, da sie sich selbst kaum über Wasser halten könne. Ferner leide der BF an einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie Depressionen und sei nach wie vor in Behandlung. Er verhalte sich wie ein österreichischer Jugendlicher, der sich mit Freunden treffe, regelmäßig die Bücherei besuche und einen Kulturpass besitze, mit welchem er Museen und Kinos besuchen könne. Ferner sei er auch Mitglied im Fitnessclub. Das europäische Leben habe ihn sohin sehr verwestlicht. Er sei teils im Iran, teils in Österreich sozialisiert worden, weshalb ihm eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar sei. Hingewiesen wurde unter anderem auch darauf, dass dem BF im Falle einer früheren Entscheidung bereits subsidiärer Schutz gewährt worden wäre.

15. Mit Beschluss vom XXXX wurde Univ. Prof. Dr. med. Georg Pakesch zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie bestellt und mit der Erstellung von Befund und Gutachten über den psychischen Gesundheitszustand des BF beauftragt.

16. Aus dem psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom XXXX geht zusammengefasst hervor, dass der BF an einer Anpassungsstörung - längere depressive Reaktion (ICD-10: F43.21) leide. Es handle sich um keine lebensbedrohliche Krankheit und würden keine Hinweise auf eine Fremd- oder Selbstgefährdung des BF hinweisen. Da eine Überstellung nach Afghanistan entgegen den Wünschen und Zielen des BF stehe, sei eine zusätzliche psychische Belastung, die möglicherweise zu einer vorübergehenden Verschlechterung der derzeit fassbaren Anpassungsstörung führen könnte, nicht auszuschließen. Es sei keine psychische Erkrankung in einem Ausmaß fassbar, dass dadurch die Reisefähigkeit beeinträchtigt wäre.

17. Mit Schreiben vom XXXX wurden dem BF das psychiatirisch-neurologische Gutachten des SV Dr. Georg Pakesch vom

XXXX , das Länderinformationsblatt Afghanistan vom 29.06.2018 mit letzter KI vom 19.10.2018, der EASO-Bericht Netzwerke Afghanistan mit Stand Jänner 2018, die UNHCR-Richtlinien samt Anmerkungen, Auszüge aus den Gutachten von Dr. Rasuly zur Situation der Hazara sowie die Information zur IOM Rückkehr- und Reintegrationsunterstützung Afghanistan unter Einräumung einer zehntägigen Frist zur Stellungnahme übermittelt.

18. Mit Stellungnahme vom XXXX wurde zum eingeholten psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom XXXX nach Wiederholung der wesentlichen Ergebnisse ausgeführt, dass der Sachverständige den BF zwar umfassend zur Fluchtgeschichte befragt habe, jedoch keine ausreichenden Fragen gestellt habe, die zur Beurteilung des psychischen Gesundheitszustandes erforderlich gewesen wären. Demnach habe er ihn nicht konkret zu seinen Gedanken hinsichtlich der drohenden Rückkehr nach Afghanistan befragt, obwohl diese Frage zentral für die Beurteilung einer drohenden Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes gewesen wäre. Auch im Hinblick auf Suizidgedanken seien keine Fragen gestellt worden. Ferner habe der Sachverständige festgehalten, dass eine weitere psychologische Betreuung zur Bewältigung der derzeitigen Lebenssiutation zu empfehlen sei, und wurde zur prekären Lage psychisch erkrankter Personen in Afghanistan auf die diesbezüglichen Informationen im aktuellen Länderinformationsverblatt, im Afghanistan-Gutachten von Friederike Stahlmann sowie in den UNHCR-Richtlinien verwiesen. Zu einer allfälligen innerstaatlichen Fluchtalternative wurde ausgeführt, dass eine solche nach den UNHCR-Richtlinien in Kabul nicht vorliege. Auch eine Ansiedlung in Herat oder Mazar-e Sharif sei aufgrund der dort anhaltenden Dürre (vgl. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Lage in Herat-Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre, vom 12.09.2018) sei dem BF nicht zumutbar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der nunmehr volljährige BF, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am XXXX nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt hat über diesen Antrag nicht entschieden. Es konnte nicht festgestellt werden, dass das Bundesamt durch ein Fehlverhalten des BF oder durch ein unüberwindbares Hindernis an der Erledigung des Antrags gehindert wurden.

1.2 Der BF ist nunmehr volljährig, stammt ursprünglich aus dem Dorf XXXX in der afghanischen Provinz XXXX und gehört der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten.

Der BF verließ im Alter von drei Jahren Afghanistan und zog mit seiner Kernfamilie in den Iran. Die Ausreise erfolgte im Wesentlichen aufgrund von Stammesproblemen seines Vaters sowie Auseinandersetzungen unterschiedlicher politischer Gruppierungen. Die näheren Gründe für das erstmalige Verlassen des Herkunftsstaates können jedoch nicht abschließend festgestellt werden.

Im Iran besuchte der BF von XXXX bis XXXX die Grundschule. Im Jahr XXXX kehrte die Familie des BF, konkret seine Eltern, seine drei Brüder sowie seine zwei Schwestern, für die Dauer von sechs Monaten zurück in deren Herkunftsort in Afghanistan. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt während dieses Aufenthalts verließ der Vater des BF die Familie, kehrte nicht mehr zurück und besteht seither zwischen ihm und den übrigen Familienmitgliedern kein Kontakt mehr. Auch der ältere Bruder des BF verließ die Familie während des Aufenthalts in Afghanistan. Es kann jedoch weder sein Motiv, noch sein aktueller Aufenthaltsort festgestellt werden. Es konnte ebenso wenig festgestellt werden, ob zwischen dem Bruder und den anderen Familienmitgliedern noch Kontakt besteht.

Nach sechs Monaten kehrte der BF mit seiner Mutter, seinen beiden jüngeren Brüdern sowie seinen beiden Schwestern aus einem nicht feststellbaren Grund zurück in den Iran. Zur Finanzierung der Rückkehr verkaufte seine Mutter ein in der Provinz XXXX gelegenes Haus, welches sie von ihrer Großmutter geerbt hatte. Nach wenigen Wochen im Iran trat der BF seine Flucht nach Europa an.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF über Angehörige in Afghanistan verfügt.

1.3 Es kann nicht festges

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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