TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/7 G313 2152237-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.2018
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Entscheidungsdatum

07.12.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G313 2152237-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Rumänien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.03.2017,

Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.09.2018 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf

zwei (2) Jahre herabgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 10.10.2016 wurde dem BF mitgeteilt, wegen seiner strafrechtlichen Verurteilung von September 2016 zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten sei beabsichtigt, gegen ihn aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu erlassen.

2. Mit schriftlicher Stellungnahme vom 21.10.2016 nahm der BF auf seine persönlichen Bindungen - vor allem zu seiner Lebensgefährtin - im Bundesgebiet Bezug.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 17.03.2017, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

Dieser Bescheid wurde dem BF am 21.03.2017 zugestellt.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, der Beschwerde stattzugeben und das angefochtene Aufenthaltsverbot zur Gänze zu beheben, in eventu dieses herabzusetzen.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 06.04.2017 vorgelegt.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 17.04.2018 wurde das zuständige Straflandesgericht um Übermittlung des aus den strafgerichtlichen Unterlagen im Verwaltungsakt ersichtlichen gegen die Cousine der Lebensgefährtin des BF ergangenen Strafrechtsurteils ersucht.

7. Am 20.04.2018 langte beim BVwG das vom Straflandesgericht angeforderte Strafrechtsurteil von Mai 2016 ein.

8. Mit E-Mail des BVwG vom 13.06.2018 wurde der Rechtsvertreter des BF ersucht, bekanntzugeben, wo sich die Lebensgefährtin aufhalte.

9. Am 15.06.2018 langte beim BVwG die per E-Mail vom 14.06.2018 übermittelte Nachricht des Rechtsvertreters des BF ein, dass die Lebensgefährtin des BF nach wie vor an ihrer gemeinsamen Hauptwohnsitzadresse wohnhaft sei.

10. Am 25.09.2018 wurde am 25.09.2018 beim BVwG, Außenstelle Graz, unter Teilnahme des BF, seines Rechtsvertreters und seiner Lebensgefährtin als Zeugin eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

11. Mit Schreiben des BVwG vom 02.10.2018 wurde das zuständige Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) um Bekanntgabe ersucht, ob der BF und seine Lebensgefährtin beim AMS als arbeitssuchend gemeldet seien und ob sie die Kontrolltermine beim AMS einhalten.

12. Mit Schreiben des AMS vom 03.10.2018 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass die Lebensgefährtin des BF seit 22.08.2018 beim AMS als arbeitssuchend vorgemerkt sei und die Kontrolltermine einhalte.

13. Mit Schreiben des BVwG vom 18.10.2018 wurde das AMS um Bekanntgabe ersucht, ob der arbeitslose BF beim AMS vorspreche und die Kontrolltermine einhalte.

14. Am 23.10.2018 langte beim BVwG die Auskunft ein, dass der BF alle Kontrolltermine beim AMS wahrnehme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist rumänischer Staatsangehöriger und wurde in Rumänien geboren.

1.2. Er hat in Österreich eine rumänische Staatsangehörige als Lebensgefährtin, in seinem Herkunftsstaat hingegen nur noch seine Großmutter, lebt doch die restliche Familie des BF in Italien. Im Sommer 2018 war der BF in Rumänien bei den Eltern seiner Lebensgefährtin auf Besuch.

1.3. Er war von Dezember 2013 bis April 2014 mit Nebenwohnsitz und ab diesem Zeitpunkt mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Anfangs wohnte der BF mit seiner Lebensgefährtin von Dezember 2013 bis Juni 2014 bei der Cousine seiner Lebensgefährtin in gemeinsamem Haushalt zusammen. Dann folgten getrennte Wohnsitze. Seit 22.12.2014 weisen sie wieder einen gemeinsamen Hauptwohnsitz auf.

1.4. Seit 21.07.2014 wurde dem BF unbefristet eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt.

1.5. Der BF wurde im Bundesgebiet von einem inländischen Strafgericht rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar mit Urteil von September 2016 wegen des Verbrechens der teils versuchten, teils vollendeten Schlepperei zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten. Diese Freiheitsstrafe verbüßte der BF teilweise in Form eines elektronisch überwachten Hauarrests.

1.5.1. Dieser strafrechtlichen Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

Er hat im Zeitraum von Juni 2015 bis August 2015 an verschiedenen Orten im Bundesgebiet als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig in zumindest fünf Angriffen die rechtswidrige Ein- bzw. Durchreise von Fremden, welche sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, und zwar von zumindest 20 syrischen Staatsangehörigen, in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. Nachbarstaat Österreichs, nämlich in die Bundesrepublik Deutschland, mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt in Höhe von zumindest EUR 2.500,- zu bereichern, indem er im Auftrag der in einem gesonderten Strafverfahren rechtskräftig verurteilten Cousine seiner Lebensgefährtin und einer weiteren Mittäterin vier Transporte von jeweils vier syrischen Staatsangehörigen sowie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem in einem anderen Strafverfahren rechtskräftig verurteilten Täter einen Transport von insgesamt neun syrischen Staatsangehörigen von Österreich nach Deutschland gegen ein Entgelt von EUR 500,-

vornahm, wobei es hinsichtlich zweier Transporte beim Versuch blieb.

1.5.2. Bei der Strafbemessung dieses Urteils wurde die Unbescholtenheit, das Geständnis des BF, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die teilweise Schadensgutmachung mildernd und kein Umstand erschwerend berücksichtigt.

1.5.3. Der BF wurde wegen seinen strafbaren Handlungen am 28.11.2016 in Haft und nach drei Monaten in elektronisch überwachten Hausarrest genommen und aus diesem am 07.01.2018, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wieder entlassen.

1.5.4. Die Cousine der Lebensgefährtin des BF, bei welcher der BF und seine Lebensgefährtin anfangs wohnhaft waren, wurde im Bundesgebiet insgesamt dreimal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar im August 2015 wegen versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, im Mai 2016 wegen Geldfälschung und - teilweise - versuchte Schlepperei zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und im März 2017 wegen schweren Betruges zu einer Freiheitstrafe von vier Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren. Seit ihrer zwecks Strafvollstreckung in Rumänien erfolgten Überstellung am 17.10.2017 ist sie in Rumänien in Haft.

1.6. Der BF ging ab April 2014 bis Juli 2018 zeitweise Beschäftigungen im Bundesgebiet nach und bezieht nunmehr seit Juli 2018 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Im Zeitraum seiner Straftatbegehung von Juni bis August 2015 ging der BF keiner legalen Beschäftigung nach. Mit Dienstvertrag einer Firma vom 19.09.2016 wurde ein Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit mit Dienstbeginn am 20.09.2016 und einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden vereinbart. Der BF war bei dieser Firma einige Monate lang tätig, ab November 2017 bei einer anderen Firma, bei welcher er seine Arbeit - mit kurzer Unterbrechung - auch nach Entlassung in Freiheit am 07.01.2018 bis Juli 2018 fortgesetzt hat. Der nunmehr arbeitslose BF ist auf Arbeitssuche und nimmt regelmäßig Kontrolltermine beim AMS wahr. Der BF hat im Bundesgebiet auf Kredit ein Auto gekauft und muss seinen aufgenommenen Kredit, der sich seinen Beschwerdeangaben von März 2017 zufolge zum Beschwerdezeitpunkt auf EUR 17.000 belaufen hat, in Raten zurückzahlen. Ersparnisse hat der BF keine. Die Lebensgefährtin des BF war im Bundesgebiet in den Jahren 2014 und 2018 mehrmals - wenn auch jeweils nur kurze Zeit bzw. geringfügig - legal beschäftigt, im Zeitraum von 2014 bis 2018 ging sie einer nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit nach. Seit 22.08.2018 ist sie beim AMS als arbeitssuchend gemeldet und hält alle Kontrolltermine ein, wie ihr Lebensgefährte - der BF, der nunmehr ebenso regelmäßig Kontrolltermine beim AMS wahrnimmt. Der BF sowie seine Lebensgefährtin sind derzeit nicht in der Lage einen Lebensunterhalt aus eigener Arbeitskraft zu bestreiten, sondern sind auf die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung angewiesen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr vorliegenden Gerichtsaktes.

2.2. Zur Person des BF:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, der BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.

2.2.2. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF, seiner Lebensgefährtin und deren Cousine im Bundesgebiet beruhen auf diese Personen betreffenden aktuellen Zentralmelderegisterauszügen.

2.2.3. Der Aufenthaltsstatus des BF - seine am 21.07.2014 unbefristet ausgestellte Anmeldebescheinigung - konnte nach Einsicht in das Zentrale Fremdenregister festgestellt werden.

2.2.4. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung des BF von September 2016 beruhen auf einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister und der dem Verwaltungsakt einliegenden gekürzten Urteilsausfertigung des Strafrechtsurteils (AS 100f).

Dass der BF infolge dieser strafrechtlichen Verurteilung am 28.11.2016 in Haft genommen wurde, war aus einer dem Verwaltungsakt einliegenden "Vollzugsinformation" der zuständigen Justizanstalt ersichtlich (AS 95). Auf den Wechsel von Haft in elektronisch überwachten Hausarrest drei Monate später hat der Rechtsvertreter des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung hingewiesen.

Dass die strafbaren Handlungen des BF mit der - ebenfalls rechtskräftig strafrechtlich verurteilten - Cousine seiner Lebensgefährtin in Zusammenhang standen, ergab sich aus dem Strafrechtsurteil des BF. Die insgesamt drei rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen der Cousine der Lebensgefährtin des BF waren aus einem ihre Person betreffenden Strafregisterauszug ersichtlich. Dass die Cousine seiner Lebensgefährtin sich seit 17.10.2017 zur Verbüßung ihrer Haftstrafe in Rumänien in Haft befindet, wurde, wie aus einem dem Gerichtsakt einliegenden Aktenvermerk ersichtlich, dem BVwG von einer Bediensteten der Justizanstalt, in welcher sich diese vor ihrer Überstellung befunden hat, mitgeteilt.

2.2.5. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit bzw. Erwerbslosigkeit des BF und seiner Lebensgefährtin waren aus einem AJ-Web Auskunftsverfahrensauszug ersichtlich. Der Dienstvertrag vom 19.09.2016, auf welchen die Hilfstätigkeit des BF bei einer Firma ab 20.09.2016 gestützt war, liegt dem vorgelegten Verwaltungsakt ein (AS 29ff). Dass die Lebensgefährtin des BF im Zeitraum von 2014 bis 2018 zeitweise erwerbstätig, jedoch nicht zur Sozialversicherung gemeldet war, gab sie selbst in der mündlichen Verhandlung bekannt. Die derzeitige finanzielle Situation des BF - arbeitssuchend, keine Ersparnisse und einen aus einem Autokauf in Österreich laufenden Kredit - hat der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung am 25.09.2018 selbst angegeben. Dass die Lebensgefährtin des BF seit 22.08.2018 beim AMS als arbeitssuchend vorgemerkt ist und regelmäßig ihre Kontrolltermine einhält, wurde nach Anfrage dem BVwG mit Schreiben des AMS vom 02.10.2018 mitgeteilt. Am 23.10.2018 langte die schriftliche Mitteilung des AMS ein, dass der derzeit arbeitslose BF regelmäßig seine Kontrolltermine wahrnimmt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

3.1.2. Der Beschwerde war teilweise stattzugeben, dies aus folgenden Gründen:

Mit gegenständlich angefochtenem Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 17.03.2017 wurde gegen den BF ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Da der BF, der aufgrund seiner rumänischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, die Voraussetzung eines zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des FPG für § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG zur Anwendung.

Gegen den iSv § 9 Abs. 1 NAG unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten BF ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG daher nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten des BF eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen können.

Im gegenständlichen Fall wurde dem BF zur Dokumentation seines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate am 21.07.2014 unbefristet eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer iSv § 9 Abs. 1 Z. 1 NAG ausgestellt. Seither verfügt der BF über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel.

Der BF wurde im September 2016 wegen des Verbrechens der teilweise versuchten und teilweise vollendeten Schlepperei zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten Freiheitsstrafe rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, deswegen am 28.11.2016 in Haft genommen und am 07.01.2018 bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren wieder aus seiner Strafhaft entlassen.

Dieser strafrechtlichen Verurteilung lag zugrunde, dass der BF im Zeitraum von Juni 2015 bis August 2015 an verschiedenen Orten im Bundesgebiet als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig in zumindest fünf Angriffen die rechtswidrige Ein- bzw. Durchreise von mindestens 20 syrischen Staatsangehörigen von Österreich nach Deutschland mit dem Vorsatz gefördert hat, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt in Höhe von zumindest EUR 2.500,- zu bereichern. Der BF handelte dabei im Auftrag der Cousine seiner Lebensgefährtin und einer weiteren Täterin sowie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem gesondert strafrechtlich verurteilten Täter. Vier Transporte von jeweils vier syrischen Staatsangehörigen und ein weiterer Transport von insgesamt neun syrischen Staatsangehörigen wurden vollendet, hinsichtlich weiterer zwei Transporte ist es beim Versuch geblieben.

Bei der Strafbemessung des Strafrechtsurteils wurde kein Umstand als erschwerend, das Geständnis oder das teilweise im Versuchsstadium gebliebene Delikt hingegen als mildernd gewertet. Das Überwiegen der Milderungsgründe ist auch vor dem Hintergrund der tatsächlich verhängten Strafhöhe von 20 Monaten erkennbar, ist doch das nach § 114 Abs. 4 FPG unter anderem als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begangene Verbrechen der Schlepperei mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht.

Hinsichtlich dieser strafrechtlichen Verurteilung des BF von September 2016 weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Mit dem von ihm begangenen - teilweise vollendeten und teilweise im Versuchsstadium gebliebenen - Verbrechen der Schlepperei hat der BF ein besonders verpöntes Verbrechen gegen den Staat gesetzt. Vier Transporte von jeweils vier syrischen Staatsangehörigen und ein Transport von insgesamt neun syrischen Staatsangehörigen von Österreich nach Deutschland wurden dem BF vom Strafgericht zur Last gelegt.

Dass der BF seine der strafrechtlichen Verurteilung von September 2016 zugrundeliegende Schlepperei von zahlreichen syrischen Staatsangehörigen im Zeitraum von Juni bis August 2016 innerhalb eines Zeitraums, in dem er keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, begangen hat, spricht für die Bereitschaft des BF, sich bei wirtschaftlichem Engpass auch auf illegale Weise unter Ausnützung der hinter geschleppten Personen oftmals stehenden menschenunwürdigen Situationen und zulasten eines geordneten Fremdenwesens Einnahmen zu verschaffen. Der BF hat bewusst Personen durch die Schlepperei in eine mögliche ernste Gefahr beim Transport gebracht und diese gefährdet. Er hat unter der Ausnützung der besonderen abhängigen Situation unter eigener Bereicherungsabsicht gehandelt.

Infolge der strafrechtlichen Verurteilung des BF von September 2016 war der BF ab 28.11.2016 drei Monate lang in Haft und dann bis 07.01.2018 in elektronisch überwachtem Hausarrest, im Zuge dessen dem BF die Fortsetzung seiner mit Dienstvertrag vom 19.09.2016 vereinbarten und bereits vor seiner Inhaftnahme von 20.09.2016 bis 28.11.2016 nachgegangenen Tätigkeit im Ausmaß von 38,5 Stunden wöchentlich möglich war. Dieses Dienstverhältnis endete Ende Oktober 2017. Daraufhin folge Anfang November 2017 ein neues Dienstverhältnis bei einem neuen Dienstgeber, welches der BF nach Entlassung aus seinem elektronisch überwachten Hausarrest am 07.01.2018 - mit kurzer Unterbrechung, offensichtlich zwecks Aufnahme einer neuen Beschäftigung, welcher er von Ende Mai 2018 bis Anfang Juni nachgegangen ist - bis Juli 2018 ausgeübt hat.

In seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof regelmäßig betont, dass ein Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe zuletzt VwGH 25.1.2018, Ra 2018/21/0004, Rn. 8).

Sein derzeitiges Bemühen um Arbeit und seine kurze Erwerbstätigkeit - auch nach Entlassung aus seinem elektronisch überwachten Hausarrest - ist dem BF grundsätzlich zugutegehalten werden. Seither ist der BF jedoch erneut arbeitslos.

Dennoch ist nicht außer Acht zu lassen, dass der BF, wie aus seinen strafbaren Handlungen von Juni bis August 2015 ersichtlich ist, in Zeiten, in denen ihm - aus welchen Gründen auch immer, selbst verschuldet oder unverschuldet, ein finanzieller Engpass droht, bereit dazu ist, sich auch auf illegale Weise mit erhöhter Kriminalität - unter Ausnützung der Situation von geschleppten Menschen einerseits und einem geordneten Fremdenwesen zuwider andererseits - Einnahmen zu verschaffen. Ein diesbezüglicher Gesinnungswandel des BF konnte auch in der mündlichen Verhandlung am 25.09.2018 nicht glaubhaft vermittelt werden.

Die Zeit der kriminellen Zurückhaltung des BF seit seiner Entlassung aus dem elektronisch überwachten Hausarrest am 07.01.2018 ist zu einer Beurteilung einer Gesinnungsänderung und aufgrund des drohenden Aufenthaltsverbotes zu kurz, weshalb nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass der BF, der sich nunmehr auf Arbeitssuche befindet, welche bislang jedoch trotz laut AMS regelmäßiger Wahrnehmung seiner Kontrolltermine vergeblich geblieben ist, bei einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet neuerlich Straftaten in Bereicherungsabsicht begeht. Von einer positiven Zukunftsprognose kann somit derzeit noch nicht ausgegangen werden.

Das gegen den BF in der Dauer von fünf Jahren befristet erlassene Aufenthaltsverbot war somit dem Grunde nach jedenfalls gerechtfertigt.

Der BF führt eine Beziehung zu einer in Österreich aufhältigen rumänischen Staatsangehörigen, mit welcher er von Dezember 2013 bis Juni 2014 bei deren Cousine und seit Dezember 2014 an einer anderen Adresse einen gemeinsamen Wohnsitz aufweist. Dass im Zeitraum von Juni bis Dezember 2014 der BF mit seiner Lebensgefährtin nicht in gemeinsamem Haushalt zusammengelebt, ist Indiz für eine nicht besondere Nahebeziehung während dieser Zeit. Seit Dezember 2014, somit seit beinahe vier Jahren, leben sie nunmehr wieder zusammen. Dabei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass dem BF mit Zustellung des im Spruch angeführten BFA-Bescheides vom 17.03.2017 bewusstgemacht wurde, dass sein Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin bei der Interessensabwägung als bestehendes Familienleben iSv Art. 8 EMRK berücksichtigungswürdig ist und durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme ein Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familienlebens stattfindet.

Der BF reagierte darauf in seiner Beschwerde vom 24.03.2017 mit der Bekanntgabe, seine Lebensgefährtin "in naher Zukunft heiraten" zu wollen. Bis dato hat nachweislich jedoch keine Heirat stattgefunden.

Beide - sowohl der BF als auch seine Lebensgefährtin - gingen im Bundesgebiet legalen Beschäftigungen nach, der BF ab April 2014 und letztmals bis Juli 2018 und seine Lebensgefährtin jeweils kurzfristig bzw. geringfügig, bis Mai 2018. Darüberhinausgehende Integrationsschritte im Bundesgebiet wurden nicht nachgewiesen.

Der VwGH hat zudem wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet, noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchgeführte Interessensabwägung zukommt (vgl. VwGH 15.3.2016, Zl. Ra 2016/19/0031-0034, mit Verweis auf VwGH vom 30.7.2015, Zl. Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 21.1.2016, Zl. Ra 2015/22/0119 und vom 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247, mwN).

Die seit Dezember 2013 nunmehr noch nicht fünfjährige Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet kann dem BF bei der Interessensabwägung somit auch nicht zugutegehalten werden.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (vgl. VwGH 20.4.2006, Zl. 2006/18/0071) und damit an der Bekämpfung der Schlepperei kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dass dieser hohe Stellenwert auch aus dem Blickwinkel der Europäischen Union besteht, zeigen die Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002, zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt, ABl. Nr. L 328 vom 5. Dezember 2002, S. 17, und der Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates vom 28. November 2002 betreffend die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt, ABl. Nr. L 328 vom 5. Dezember 2002, S. 1.

Die vom BF im Bundesgebiet begangenen Schlepperhandlungen, die insgesamt vier Transporte von jeweils vier und ein Transport von insgesamt neun syrischen Staatsangehörigen von Österreich nach Deutschland umfassten, wiegen, bei der Interessensabwägung jedenfalls zulasten des BF.

Auch die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, einer rumänischen Staatsangehörigen, mit welcher er nunmehr seit Dezember 2014 in gemeinsamem Haushalt zusammenlebt - das Zusammenleben bei der Cousine der Lebensgefährtin des BF von Dezember 2013 bis Juni 2014 tritt wegen anschließenden getrennten Wohnsitzen von Juni bis Dezember 2014 demgegenüber in den Hintergrund - kann das wegen Schlepperei grundsätzlich gerechtfertigte Aufenthaltsverbot in seiner Dauer nicht entscheidend positiv beeinflussen.

Das höchstens auf die Dauer von zehn Jahren festzusetzende Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 2 FPG wurde mit Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten BFA-Bescheides gegen den BF auf die Dauer von fünf Jahren erlassen. Dabei wurden familiäre und private Anknüpfungspunkte des BF im Bundesgebiet bei der Interessensabwägung zugunsten des BF berücksichtigt.

Fest steht, dass angesichts der Schlepperhandlungen des BF von Juni bis August 2015 und seiner offensichtlichen Bereitschaft, in wirtschaftlicher Bedrängnis in Bereicherungsabsicht Straftaten zu begehen, vom BF eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.

Unter Berücksichtigung der von ihm nach Entlassung aus seinem elektronisch überwachten Hausarrest am 07.01.2018 bis Juli 2018 nachgegangenen legalen Beschäftigungen, seines derzeitigen Bemühens um Arbeit und seiner Lebensgemeinschaft in Österreich wird das vom BFA gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot auf die Dauer von zwei Jahren herabgesetzt und dieses fremdenpolizeiliche "Strafausmaß" als hinreichend hoch für eine Gesinnungsumkehr des BF während der ausgesprochenen Aufenthaltsverbotsdauer gehalten.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass mit Rechtskraft des gegen den BF erlassenen Aufenthaltsverbotes die ihm am 21.07.2014 unbefristet ausgestellte Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer nach § 10 Abs. 1 NAG ihre Gültigkeit verliert.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, EU-Bürger, öffentliche Interessen, öffentliche
Ordnung, Privat- und Familienleben, Schlepperei, strafrechtliche
Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G313.2152237.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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