Entscheidungsdatum
12.12.2018Norm
BBG §40Spruch
W264 2197461-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 4.4.2018, OB: XXXX , gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführerin XXXX wurde - basierend auf dem Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädischer Chirurgie nach vorangegangener Objektivierung am 19.3.2014 - am 27.5.2014 ein Behindertenpass (Gesamtgrad der Behinderung 50 vH, Dauerzustand) ausgestellt.
2. Die Beschwerdeführerin (im folgenden aus als "BF" bezeichnet) stellte unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formulars idF 08/2016 jeweils einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und auf Ausstellung eines Parkausweises nach der StVO 1960 (bei der belangten Behörde Sozialministeriumservice am 7.6.2017 eingelangt).
3. Im vorgelegten Akt liegen medizinische Beweismittel und Unterlagen der PVA über die Ermittlung des Pflegebedarfs der BF ein. Ebenso liegen im Fremdakt diverse Unterlagen über das ehrenamtliche Wirken der Beschwerdeführerin XXXX sowie eine von ihr verfasste Sachverhaltsdarstellung über das Leid ihres verstorbenen Ehemannes ein.
4. Die BF wurde am 14.7.2017 im Auftrag der belangten Behörde von einem Allgemeinmediziner objektiviert und mündete dieser Befund in dem Sachverständigengutachten vom 27.9.2017 (Gesamtgrad der Behinderung: 30 vH). Ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage - datiert 26.10.2017 - attestierte der bereits befasste Allgemeinmediziner einen Gesamtgrad der Behinderung von 40vH.
4. Die BF übermittelte der belangten Behörde ein Schreiben vom 18.11.2017. Darin führt sie zur aus ihrer Sicht vorhandenen Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung näher aus und übermittelte medizinische Unterlagen hiezu.
5. Die belangte Behörde ersuchte den bereits befassten Sachverständigen für Allgemeinmedizin um Stellungnahme und gab dieser eine solche - datiert 27.2.2018 - ab, worin mitgeteilt wurde, dass an der "Einschätzung aus 10/2017" (Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage - datiert 26.10.2017) festgehalten werde.
6. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 4.4.2018 wurde den Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass anbelangend festgestellt, dass die BF mit einem Grad der Behinderung von 40% nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt.
7. Mit Schreiben vom 28.4.2018 informierte die BF die belangte Behörde über ihr Augenleiden und teilte mit, dass sie sich zwei Hörgeräte beschafft habe, weshalb sie hinsichtlich dieser notwendigen Therapieanschaffung um "Berücksichtigung meiner Behindertenprozente" ersuche.
8. Die belangte Behörde legte den bezughabenden Verwaltungsakt mit Vorlagebericht vom 6.6.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und langte dieser am gleichen Tage ein.
9. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 20.7.2018 von der BF nachgereichte medizinische Beweismittel und langten diese am 24.7.2018 ein.
10. Die erkennende Richterin verfasste im Oktober 2018 nach Aktenstudium einen Gutachtensauftrag für einen medizinischen Sachverständigen und langte vor Abfertigung dieses Gutachtensauftrags die folgende Mitteilung der belangten Behörde ein:
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11. Die belangte Behörde wurde mit Erledigung vom 7.11.2018 ersucht, dem Bundesverwaltungsgericht eine Kopie des Behindertenpasses oder eine Kopie jener Erledigung, mit welcher die BF über die Übermittlung des Behindertenpasses in dessen Anlage informiert wurde, zu übermitteln.
12. Die belangte Behörde übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht je eine Kopie der Erledigung vom 23.10.2018 und vom 26.10.2018. In der Erledigung vom 23.10.2018 wurde die BF informiert, dass sie infolge eines der Behörde bekannt gewordenen Bescheids der PVA die Voraussetzungen für diverse Zusatzeintragungen - darunter die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - erfüllt und wurde ihr in der Beilage das "Antragsformblatt Parkausweis" übermittelt.
Mit der Erledigung vom 26.10.2018 wurde der BF der Behindertenpass übermittelt. Die Kopien dieser beiden Erledigungen langten beim Bundesverwaltungsgericht am 19.11.2018 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Basierend auf dem unbedenklichen, widerspruchsfreien Akteninhalt des Fremdaktes der belangten Behörde, welcher in der Beschwerde auch nicht bestritten wurde, und basierend auf den seit Anhängigkeit der gegenständlichen Rechtssache beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Mitteilungen der belangten Behörde werden folgende Feststellungen getroffen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführerin wurde am 27.5.2014 ein Behindertenpass wegen sachverständig festgestelltem Grad der Behinderung von 50vH (Dauerzustand) ausgestellt.
1.2. Die Beschwerdeführerin stellte unter Verwendung des hierfür vorgesehenen Formulars idF 08/2016 jeweils einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und auf Ausstellung eines Parkausweises nach der StVO 1960 (bei der belangten Behörde Sozialministeriumservice am 7.6.2017 eingelangt).
1.3. Den Antrag auf Neufeststellung des Grades der Behinderung im Behindertenpass anbelangend wurde auf Grundlage eingeholter Sachverständigenbeweise im Bescheid vom 4.4.2018 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 40% die Voraussetzung für einen Behindertenpass nicht länger erfüllt.
1.4. Das Sozialministeriumservice stellte der Beschwerdeführerin im Oktober 2018 - basierend auf den dem Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 25.9.2018 zugrundeliegenden Feststellungen - aufgrund eines Gesamtgrades der Behinderung von 100% den Behindertenpass unbefristet aus.
2. Rechtliche Beurteilung:
Die maßgeblichen formalrechtlichen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) und des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG).
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im Bundesbehindertengesetz normiert § 45 Abs 3, dass in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grad der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor und war entsprechend dem § 45 Abs 4 BBG ein Vertreter der Interessensvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundiger Laienrichter hinzuzuziehen.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 29 Abs 1, 2. Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.
Die maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesbehindertengesetz (BBG). § 45 Abs 1 BBG normiert, dass Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen sind.
§ 47 BBG beinhaltet eine Verordnungsermächtigung, wonach der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt ist, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach
§ 40 ff auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Ad Spruchpunkt A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
1.1. Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts - soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist - durch Beschluss. Auch die Zurückweisung der Beschwerde erfolgt durch Beschluss (ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP; siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 31 VwGVG, S. 166.)
1.2. Unter "Behinderung" iSd Bundesbehindertengesetzes ist gemäß dessen § 1 Abs 2 leg.cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses - dessen nähere Ausgestaltung im § 42 BBG normiert ist - sowie Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist mit der Einstellung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) nicht nur bei formeller Klaglosstellung, sondern auch bei "Gegenstandslosigkeit" der Beschwerde vorzugehen.
Gegenstandslosigkeit wird angenommen, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Entscheidung wegfällt. Dabei ist zu beachten, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit einer Partei nicht den Anspruch auf die verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden an sich gewähren, sondern nur einen Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (VwGH 28.11.2013, 2013/10/0084 mwH).
Eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde tritt dann ein, wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Entscheidung wegfällt (vgl. VwGH 9.4.1980, 1809/77, VwSlg 10092 A/1980 - verstärkter Senat - und VwGH 10.12.1980, 3339/80, VwSlg 10322 A/1980).
Da die BF seit Oktober 2018 im Besitz des begehrten Behindertenpasses ist, ist die BF durch den angefochtenen Bescheid nicht mehr beschwert.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall der Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs 2 VwgGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist.
Da aufgrund der Aktenlage die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären war, konnte im gegenständlichen Fall die - ohnedies von den Parteien nicht beantragte - öffentliche mündliche Verhandlung unterbleiben.
Ad B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Gegenstandslosigkeit, rechtliches Interesse, VerfahrenseinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W264.2197461.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.02.2019