TE Vfgh Beschluss 1997/6/9 WII-2/96 ua, WII-1/97

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Veröffentlicht am 09.06.1997
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art141 Abs1 litc
B-VG Art141 Abs1 lite
Krnt Allgemeine GemeindeO 1993 §31

Leitsatz

Zurückweisung von Anfechtungen von Erledigungen einer Landesregierung betreffend den Mandatsverlust von Gemeinderäten infolge Auflösung eines Gemeinderates nach einer Gemeindetrennung; kein Bescheidcharakter der angefochtenen Erledigungen

Spruch

Die Anfechtungen werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Anfechtungswerber waren Mitglieder des Gemeinderates der Gemeinde Wolfsberg.

Mit Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 18. April 1995 über die Trennung der Gemeinde Wolfsberg, LGBl. 40/1995, wurde vom Gebiet der Gemeinde Wolfsberg ein Gebiet abgetrennt, das dem Gebiet der ehemaligen Gemeinde Frantschach/St. Gertraud entspricht. Diese Verordnung ist am 1. Jänner 1997 in Kraft getreten.

In diesem Zusammenhang hat der damalige Bürgermeister der Gemeinde Wolfsberg an das Amt der Kärntner Landesregierung, Abteilung 3 - Gemeinden, ein mit 29. November 1996 datiertes Schreiben gerichtet, das im wesentlichen wie folgt lautet:

"Mit der Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 18.4.1995, 3 Gem-143/2/1995, wird vom Gebiet der Stadtgemeinde Wolfsberg eine Gebiet abgetrennt, das dem der ehem. Gemeinde Frantschach-St.Gertraud, entspricht.

Nunmehr besagt der §8 c) Abs3 der AGO, daß bis zur erfolgten Neuwahl in den durch die Trennung neu gebildeten Gemeinden die Bestimmungen des §103 Abs2 bis 5 der AGO sinngemäß anzuwenden sind.

Einzelne Mandatare der Stadtgemeinde Wolfsberg vertreten nunmehr die Rechtsansicht, daß ihr Amt als gewähltes Mitglied des Wolfsberger Gemeinderates auch im Falle der Auflösung des Gemeinderates, bis zu dem Tag, an dem der neugewählte Gemeinderat zusammentritt, gilt. Demnach stünden allen 35 Wolfsberger Gemeinderäten bis zum Zusammentritt des neu gewählten Gemeinderates weiterhin ihre Aufwandsentschädigungen zu.

Die Stadtgemeinde ersucht daher um Abklärung dieser Rechtsfrage und um Klärung folgender weiterer Fragen:

1. Bleiben die vom Gemeinderat der Stadt Wolfsberg in die einzelnen Verbände entsandten Vertreter weiterhin in ihren Funktionen in den Verbänden?

2. Gemäß §1 Abs10 Ziffer b des B-KUVG besteht für die Bürgermeister und die übrigen Mitglieder der Gemeindevertretungen sowie die Ortsvorsteher (Ortsvertreter), letztere nur sofern sie nicht Mitglieder der Gemeindevertretung sind, Versicherungspflicht in der Unfallversicherung.

Nach §5 Abs1 Z. 4 des B-KUVG beginnt für diesen Personenkreis die Versicherung mit dem Tag der Wirksamkeit der Bestellung und endet nach §6 Abs1 Z. 3 leg. cit. mit dem Ende der die Versicherung begründende Tätigkeit.

Bewirkt die Auflösung des Gemeinderates auch die Befreiung von der Unfallversicherungspflicht bzw. bei allfällig trotzdem bereits entrichteten Beiträgen den Wegfall des Leistungsschutzes?

Ist der Regierungskommissär - nachdem für ihn die gleichen Bestimmungen wie für einen Bürgermeister gelten - unter die Bestimmungen des §1 Abs1 Z. 10 b B-KUVG zu subsumieren?

3. Wie steht es mit der pensionsrechtlichen Absicherung von Frau

K für den Fall, daß der zum Regierungskommissär bestellte Dr. K während der Funktion als Regierungskommissär verstirbt?

Um Ihre geschätzte diesbezügliche Rückäußerung wird höflichst gebeten."

Daraufhin hat die Kärntner Landesregierung mit Schreiben vom 11. Dezember 1996 wie folgt geantwortet:

"Herrn

Bgm. Dr. M.K.

Stadtgemeinde

9400 Wolfsberg

Betreff:

Gemeindetrennung - Stadtgemeinde Wolfsberg-Frantschach-St. Gertraud - Auflösung des Gemeinderates

Bezugnehmend auf Ihre Anfrage vom 29.11.1996 ... wird in Absprache mit der ha. Abteilung 2 V - Verfassungsdienst mitgeteilt:

A.

1. Mit Verordnung der Kärntner Landesregierung vom 18. April 1995 ... über die Trennung der Stadtgemeinde Wolfsberg, LGBl. Nr. 40/1995, wurde die Stadtgemeinde Wolfsberg gemäß §8 b Abs6 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 (K-AGO), LGBl. Nr. 77, zuletzt idFdG. LGBl. Nr. 73/1996, getrennt. Diese Verordnung tritt gemäß §5 am 1. Jänner 1997 in Kraft.

2. Gemäß §8 c Abs2 K-AGO hat die Landesregierung nach der Erlassung einer Verordnung nach §8 b Abs6 K-AGO Wahlen in den von einer Trennung betroffenen Gemeinden auszuschreiben. Da §20 Abs5 K-AGO sinngemäß gilt, hat diese Wahlausschreibung gemeinsam mit der Ausschreibung der allgemeinen Gemeinderatswahlen zu erfolgen.

Bis zur erfolgten Neuwahl sind gemäß §8 c Abs3 K-AGO in den durch die Trennung neu gebildeten Gemeinden die Bestimmungen des §103 Abs2 bis 5 K-AGO sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß als Beirat (§103 Abs3 K-AGO) drei Mitglieder der Wahlbehörde (§8 b Abs4 K-AGO) ohne Berücksichtigung einer parteimäßigen Zusammensetzung zu bestellen sind. Als Regierungskommissär ist in neu gebildeten Gemeinden ein Vertreter der Exponenten jener Gemeindebürger zu bestellen, die für die Verselbständigung dieser Gemeinde eingetreten sind.

In Gemeinden, aus deren Gebiet Gemeinden durch Trennung gebildet wurden, sind gemäß §8 c Abs4 K-AGO bis zur erfolgten Neuwahl die Bestimmungen des §103 Abs2 bis 5 K-AGO ebenfalls sinngemäß anzuwenden, allerdings mit der Maßgabe, daß als Regierungskommissär (§103 Abs2 K-AGO) der bisherige Bürgermeister zu bestellen ist.

Wie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausgeführt wird, sieht §8 c Abs3 und 4 K-AGO 'Übergangsregelungen für die Verwaltung der Gemeinde vom Zeitpunkt ihrer Trennung bis zur erfolgten Neuwahl vor.'

3. Da §8 c Abs3 und 4 K-AGO die 'sinngemäße' Anwendung des §103 Abs2 bis 5 K-AGO in den durch eine Trennung neugebildeten Gemeinden (mit bestimmten Maßgaben) anordnet, ist daraus zu erschließen, daß eine 'Auflösung des Gemeinderates' im Sinne des §103 K-AGO nicht erfolgt. Würde nämlich der Gemeinderat im Sinne des §103 K-AGO 'aufgelöst', so könnte §103 Abs2 bis 5 K-AGO ohne weiteres und nicht nur 'sinngemäß' angewendet werden. Die bloß 'sinngemäße' Anwendung des §103 K-AGO im Falle von Gemeindetrennungen hat ihren Grund insbesondere darin, daß die Organe der Gemeinde, die getrennt wird, ihre Funktion mit dem Rechtswirksamwerden dieser Trennung ex lege verlieren. Existiert nämlich eine Gebietskörperschaft als solche nicht weiter, weil sie in zwei neue Gebietskörperschaften getrennt wurde, so können weder ihre bisherigen Organe noch mit den Funktionen dieser Organe konkret betraute Organwalter weiterhin existieren. So führt etwa der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 8219/1977 (zum NÖ-Kommunalstrukturverbesserungsgesetz 1975) wörtlich aus: 'Es ist nun offenkundig, daß alle zu Organwaltern eines bestimmten Rechtsträgers bestellten Personen mit dem Untergang dieses Rechtsträgers ihre Organfunktion verlieren.'

Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 8219/1977 weiter ausführt, verstößt der Landes(Gemeinderechts-)gesetzgeber auch gegen keine Bestimmung der Bundesverfassung, wenn er für den Fall der noch nicht gegebenen Funktionsfähigkeit der neugeschaffenen Gemeinden Vorsorge trifft, insbesondere für den Fall des Nochnichtvorhandenseins von Organen in diesen Gemeinden ein anderes Organ - einen Regierungskommissär - vorsieht.

4. Aus §8 c Abs3 und 4 iVm. §103 Abs2 bis 5 K-AGO ist somit für die durch die Trennung der Stadtgemeinde Wolfsberg entstehenden neuen Gebietskörperschaften folgendes abzuleiten:

Bis zur erfolgten Neuwahl werden beide Gemeinden durch einen 'Regierungskommissär', für den die Vorschriften der K-AGO für den Bürgermeister gelten, verwaltet. Dieser Regierungskommissär muß gemäß §8 c Abs4 K-AGO in der Stadtgemeinde der bisherige Bürgermeister sein. Für die Kreation des Beirates iSd §103 Abs3 K-AGO enthält §8 c Abs3 K-AGO Sonderbestimmungen.

4. Da die Organe von Gemeinden, die ihre Existenz durch Trennung verlieren, nicht im Sinne des Sprachgebrauches der K-AGO 'aufgelöst' werden, sondern ex lege ihre Funktion verlieren, kommt auch §20 Abs1 K-AGO, der die Amtsperiode des Gemeinderates regelt, nicht zur Anwendung. Diese Bestimmung hat zur Voraussetzung, daß die Gebietskörperschaft, deren Gemeinderat für eine bestimmte Periode gewählt wird, unverändert weiter besteht und nicht durch Trennung untergeht. Unter diesen Voraussetzungen dauert die Amtsperiode des Gemeinderates 'bis zu dem Tag, an dem der neugewählte Gemeinderat zusammentritt'. Existiert aber die Gebietskörperschaft Gemeinde als solche nicht weiter, endet auch die Amtsperiode aller ihrer Organe. Für einen entsprechenden Übergang sorgt - wie oben ausgeführt - §8 c Abs3 und 4 K-AGO.

5. Die Gemeinden jedes politischen Bezirkes bilden gemäß §5 des Kärntner Schulgesetzes 1991, LGBl. Nr. 113, zuletzt idFdG. LGBl. Nr. 86/1996, je einen Schulgemeindeverband. Dies gilt auch für die Gemeinden des politischen Bezirkes Wolfsberg. Die Organisation der Schulgemeindeverbände ist in den §§6 bis 10 des Kärntner Schulgesetzes 1991 näher geregelt.

Gemäß §6 Abs2 des Kärntner Schulgesetzes 1991 fällt die Amtsperiode der Organe eines Schulgemeindeverbandes mit der Gesetzgebungsperiode des Landtages zusammen; sie erstreckt sich jedenfalls bis zur Bestellung der neuen Organe.

Da der Verbandsrat gemäß §7 Abs1 des Kärntner Schulgesetzes 1991 aus den Bürgermeistern der verbandsangehörigen Gemeinden besteht, die Funktionen des Bürgermeisters gemäß §8 c Abs3 und 4 iVm §103 Abs2 bis 5 K-AGO aber vom jeweiligen Regierungskommissär wahrgenommen werden, besteht insofern keine Rechtsunsicherheit.

Für den Verbandsvorstand trifft §8 Abs2 des Kärntner Schulgesetzes 1991 die ausdrückliche Anordnung, daß dann wenn ein Mitglied des Verbandsvorstandes aufhört, Mitglied eines Gemeinderates einer verbandsangehörigen Gemeinde zu sein, Nachwahlen vorzunehmen sind. Dies gilt auch für den aus der Mitte des Verbandsvorstandes gewählten Vorsitzenden.

B.

Gemäß §1 Abs1 Z10 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967, idgF. (B-KUVG) besteht für die Bürgermeister und die übrigen Mitglieder der Gemeindevertretungen sowie die Ortsvorsteher (Ortsvertreter), letztere nur sofern sie nicht Mitglieder der Gemeindevertretung sind, Versicherungspflicht in der Unfallversicherung.

Nach §5 Abs1 Z4 des B-KUVG beginnt für diesen Personenkreis die Versicherung mit dem Tag der Wirksamkeit der Bestellung und endet nach §6 Abs1 Z3 B-KUVG mit dem Ende der die Versicherung begründenden Tätigkeit.

Wie oben ausgeführt endet für die Organe der Gemeinde, die getrennt wird, ihre Funktion mit dem Rechtswirksamwerden dieser Trennung ex lege. Für diesen Personenkreis bestehen daher ab diesem Zeitpunkt keine Versicherungspflicht und kein Leistungsschutz. Bereits entrichtete Beiträge sind rückzuverrechnen.

In Absprache mit der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter ist festzuhalten, daß der Regierungskommissär, für den die Vorschriften des K-AGO über den Bürgermeister gelten, und auch die Mitglieder des im Sinne des §103 Abs3 K-AGO gebildeten Beirates der Versicherungspflicht und dem Versicherungsschutz des §1 Abs1 Z10 B-KUVG unterliegen.

C.

Die Regelung des §103 Abs2 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 (K-AGO), daß für den Regierungskommissär die Vorschriften für den Bürgermeister für die Dauer seiner Funktion gelten, bewirkt nicht, daß für diesen Regierungskommissär auch die Bestimmungen des Kärntner Bezügegesetzes 1992 (K-BG), LGBl. Nr. 99, zuletzt idFdG. LGBl. Nr. 43/1996 gelten.

Ob Hinterbliebene eines Bürgermeisters Anspruch auf Versorgungsbezüge haben, hängt davon ab, ob der Bürgermeister nach den Bestimmungen des Kärntner Bezügegesetzes 1992 am Sterbetag Anspruch auf Ruhebezug - abgesehen vom Alter - gehabt hat, oder im Falle der mit Ablauf dieses Tages eingetretenen Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung gehabt hätte.

Gleiches gilt für den Fall, daß ein ehemaliger Bürgermeister während seiner Funktionsausübung als Regierungskommissär versterben sollte.

Da Sie im Zuge der Trennung der Stadtgemeinde Wolfsberg gemäß §8 b K-AGO mit Wirksamkeit vom 31.12.1996 Ihres Amtes für verlustig erklärt wurden, und am 31. Juli 1990 angelobt worden sind, erfüllen Sie nicht die Voraussetzungen des Kärntner Bezügegesetzes 1992 für die Gewährung eines Ruhebezuges, da die für den Anspruch auf Ruhebezug erforderliche Mindestgesamtzeit von neun Jahren und sechs Monaten nach §82 Abs1 iVm §26 Abs1 des Kärntner Bezügegesetzes 1992 nicht erfüllt ist. Die Voraussetzung für einen möglichen Einkauf von Zeiträume(n) nach §47 Abs5 Kärntner Bezügegesetz 1992 liegen ebenfalls nicht vor.

Durch die Bestimmungen des §103 Abs2 K-AGO, wonach der Regierungskommissär an die Stelle des Bürgermeisters tritt, ist ausschließlich gewährleistet, daß die Funktionen des Bürgermeisters auf den Regierungskommissär übergehen und nicht auch, daß die Bestimmungen des Kärntner Bezügegesetzes 1992 für den Regierungskommissär gelten."

Den Anfechtungswerbern ist dieses Schreiben - ihren Angaben zufolge - am 20. Dezember 1996 zur Kenntnis gelangt.

2. Die Anfechtungswerber wenden sich mit den vorliegenden, - in allen hier maßgeblichen Belangen gleichlautenden - jeweils als "Verfassungsgerichtshofbeschwerde gemäß §71a VfGG" bezeichneten Eingaben gegen dieses, von ihnen als Bescheid qualifizierte Schreiben der Kärntner Landesregierung.

Zum behaupteten Bescheidcharakter dieser Enuntiation führen sie vor allem aus:

"In ihrem nicht als Bescheid bezeichneten Schreiben der belangten Behörde an den Bürgermeister der Stadtgemeinde Wolfsberg, Dr. M.K., das von diesem in der Gemeinderatsitzung am 20.12.1996 allen Gemeindemandataren zur Kenntnisnahme übergeben wurde, stellt die belangte Behörde fest, 'daß die Organe der Gemeinde, die getrennt wird, ihre Funktion mit Rechtswirksamwerden dieser Trennung ex lege verlieren'.

Darüberhinaus wird im Punkt 4. dieses Schreibens ausgeführt, daß im gegenständlichen Fall die Bestimmung des §20 Abs1 K-AGO, der die Amtsperiode des Gemeinderates regelt, nicht zur Anwendung kommt, weil die Gebietskörperschaft Gemeinde Wolfsberg als solche nicht weiter besteht und damit auch die Amtsperiode aller ihrer Organe - ohne zwischen dem Kollegialorgan Gemeinderat und dem einzelnen Mandatar aufgrund der Volkswahl zustehenden Mandat zu differenzieren - endet.

Unter Punkt 5. stellt die belangte Behörde unter Bezugnahme auf das Kärntner Schulgesetz 1991 in der Fassung LGBl. Nr. 86/1996 ausdrücklich fest, daß dann, wenn ein Mitglied des Verbandsvorstandes aufhört, Mitglied eines Gemeinderates einer verbandsangehörigen Gemeinde zu sein, Nachwahlen vorzunehmen sind.

Damit werden in diesem Schreiben der Kärntner Landesregierung die für den Beschwerdeführer als Mandatar der Stadtgemeinde Wolfsberg, der aufgrund des Wahlergebnisses der Gemeinderatswahl vom 10.3.1991 ein Mandat innehat, eine bindende Gestaltung und Feststellung über das Rechtsverhältnis des Mandatars abgesprochen, der in die individuellen Rechte des Beschwerdeführers als gewählter Mandatar aufgrund des Wahlergebnisses der Gemeinderatswahl 1991 rechtsbegründend und rechtsfeststellend eingreift.

Es handelt sich daher bei dem bekämpften Schreiben um einen Bescheid im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen, weil die belangte Behörde mit diesem Schreiben, gerichtet an den Bürgermeister der Stadtgemeinde Wolfsberg unter dem Betreff - Auflösung des Gemeinderates - mit Bescheidwillen rechtsgründend darüber abspricht, daß der Beschwerdeführer, somit eine individuell bestimmte Person - wie alle anderen Mandatare der Stadtgemeinde Wolfsberg - seine Funktion verliert.

Nach der einhelligen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kommt es aber bei einer Erledigung durch eine Verwaltungsbehörde in erster Linie darauf an, welchen Inhalt sie hat und wie dieser zu beurteilen ist, ob dieser Inhalt Bescheidcharakter aufweist, ob durch den Inhalt normative Regelungen erfolgen, die bindende Gestaltung und Feststellung von Rechtsverhältnissen gegenüber individuell bestimmten Personen zum Inhalt haben - damit Bescheidwillen hat - auch wenn es als formloses Schreiben abgefertigt wird (VerfSlg 3888, 2878, 2929, 2776, 5804, 7599, 6527, 7436, 8560, 9244, 8258, 3678, 4393, 4643).

Allein aus der feststellenden Formulierung,

a) 'daß die Organe der Gemeinde, die getrennt wird, ihre Funktion mit dem Rechswirksamwerden dieser Trennung ex lege verlieren,

b)

daß die Gebietskörperschaft - nämlich die Stadtgemeinde Wolfsberg - als solche nicht weiter existiert,

c)

daß die Bestimmung des §20 Abs1 K-AGO, der die Amtsperiode des Gemeinderates regelt, nicht zur Anwendung gelangt,

d)

daß damit auch die Amtsperiode aller Organe der Stadtgemeinde Wolfsberg mit 31.12.1996 endet und

e)

daß damit die Mitglieder des Gemeinderates ihre

Stellung als Mitglied eines Verbandes oder Verbandvorstandes verlieren und Nachwahlen

vorzunehmen sind,

ist mit genügender Deutlichkeit zu erkennen, daß es sich trotz des äußeren Anscheines nicht um eine bloße Mitteilung oder Empfehlung handelt, sondern daß diesem Schreiben normativer Charakter zukommt (Siehe auch VfGH 11.10.1982, B229/79).

Das Schreiben der Kärntner Landesregierung, Abteilung 3 - Gemeinde, vom 11.12.1996, dem Beschwerdeführer am 20.12.1996 - durch persönliche Übergabe - zugestellt, stellt daher einen Bescheid gemäß §71 a des VfGG dar, mit dem gegenüber dem Beschwerdeführer der Verlust des Mandates in einem allgemeinen Vertretungskörper, nämlich dem Gemeinderat der Stadtgemeinde Wolfsberg und als Vorstandsmitglied des Sozialhilfeverbandes des Bezirkes Wolfsberg sowie als Vertreter der Stadtgemeinde Wolfsberg in er allgemeinen Vereinigung der Sozialhilfeverbände Kärntens ausgesprochen wird."

In der Sache selbst vertreten die Anfechtungswerber - ausgehend davon, daß die Gemeinde Wolfsberg in ihrem rechtlichen Bestand nicht untergegangen sei, sondern - wenn auch in geänderten Grenzen - weiter bestehen bleibe, im wesentlichen die Auffassung

"daß die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid:

a) in gesetzwidriger Weise eine bindende Feststellung über das Rechtsverhältnis des Mandates des Beschwerdeführers, nämlich des Verlustes des Mandates als Mitglied des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg trifft;

b) in gesetzwidriger Weise entgegen der eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen feststellt, daß die Mandatare der Stadtgemeinde Wolfsberg aufhören, Mitglieder eines Verbandsrates, Verbandsvorstandes oder Vorsitzende eines Verbandsvorstandes zu sein und Nachwahlen vorzunehmen sind;

c) entgegen der Bestimmungen des Art141 Abs1 litc und lite B-VG einen Mandatsverlust ausspricht;

wodurch (die Anfechtungswerber) in (ihren) verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten, der Ausübung des Mandates aufgrund einer Wahl und des Gleichheitsgrundsatzes gegenüber den anderen Gemeinderatsmandataren, die von anderen Gemeinden in Verbände und sonstige Vertretungskörper entsendet werden, verletzt (sind)."

Sie rügen die Verletzung der ihnen durch §§30, 31 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993, LGBl. für Kärnten Nr. 77, idF des Gesetzes LGBl. für Kärnten Nr. 73/1996, eingeräumten Rechte sowie des Art141 Abs1 litc und e B-VG.

3. Die Kärntner Landesregierung legte in dem zu WII-1/97 protokollierten Verfahren die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie - gestützt auf die Auffassung, daß es sich bei der angefochtenen Erledigung nicht um einen Bescheid handle - für die Zurückweisung der Beschwerde eintrat.

4. Die Anfechtungswerber haben gegen die hier angefochtene Erledigung jeweils auch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Diese Beschwerden wurden mit Beschluß vom 26. Februar 1997, Zlen. 97/01/0128, 0129, im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß sich die bekämpfte Erledigung als bloße, an den anfragenden Bürgermeister gerichtete Rechtsbelehrung über die sich aus der Gemeindetrennung ergebenden rechtlichen Konsequenzen darstelle, wobei in keiner Weise aus den verwendeten Formulierungen ein Bescheidwille der belangten Behörde abgeleitet werden könne; die angefochtene Erledigung sei daher nicht als Bescheid zu qualifizieren.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im hier in Betracht kommenden Zusammenhang ist der Verfassungsgerichtshof gemäß Art141 Abs1 litc B-VG zuständig, auf Antrag eines allgemeinen Vertretungskörpers auf Mandatsverlust eines seiner Mitglieder zu erkennen, bzw. gemäß lite dieser Bestimmung zuständig, soweit in den die Wahlen regelnden Bundes- oder Landesgesetzen die Erklärung des Mandatsverlustes durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde vorgesehen ist, nach Erschöpfung des Instanzenzuges über die Anfechtung solcher Bescheide zu erkennen, durch die der Verlust des Mandates in einem allgemeinen Vertretungskörper ausgesprochen wurde.

2. Das Vorliegen von Anträgen im Sinne des Art141 Abs1 litc B-VG ist evidentermaßen auszuschließen. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Anfechtungswerber ihre Anbringen auf Art141 Abs1 lite B-VG stützen wollen. Der Befassung des Verfassungsgerichtshofes auf dieser Grundlage steht jedoch der Umstand entgegen, daß die angefochtene Erledigung nicht als Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu qualifizieren ist. Dafür spricht zum einen der Umstand, daß die Kärntner Landesrechtsordnung derartige Bescheide nicht vorsieht. Der Mandatsverlust von Mitgliedern des Gemeinderates ist allein in §31 der (Kärntner) Allgemeinen Gemeindeordnung 1993 geregelt:

Während Abs1 dieser Bestimmung die Gründe für einen möglichen Mandatsverlust regelt, hat laut Abs2 der Gemeinderat "den Antrag auf Mandatsverlust an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn er einen der Fälle des Abs1 für gegeben erachtet". Eine landesgesetzliche Regelung, derzufolge die Erklärung des Mandatsverlustes durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde vorgesehen wäre (Art141 Abs1 lite B-VG), besteht dagegen nicht.

Zum anderen mangelt es dem angefochtenen Schreiben der Kärntner Landesregierung auch an der nach dem AVG für Bescheide vorgesehenen Form. Schließlich bietet auch die sprachliche Fassung und der aus ihr erkennbare Inhalt der in Rede stehenden Erledigung keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß der Wille der Kärntner Landesregierung demnach darauf gerichtet gewesen sein könnte, in rechtlich verbindlicher Weise gegenüber einer individuell bestimmten Person den Verlust des Mandates im Gemeinderat auszusprechen. Es besteht vielmehr nach dem Wortlaut und Sinngehalt des bekämpften Schreibens kein Zweifel, daß die Kärntner Landesregierung mit der bekämpften Erledigung bloß eine Anfrage des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wolfsberg beantworten und diesen über die aus ihrer Sicht (die wesentlich davon bestimmt sein dürfte, "daß die Organe der Gemeinde, die getrennt wird, ihre Funktion mit dem Rechtswirksamwerden der Trennung ex lege verlieren") gegebene Rechtslage und die rechtlichen Konsequenzen einer Gemeindetrennung - informativ - in Kenntnis setzen wollte. Eine derartige Rechtsbelehrung stellt aber keinen vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheid dar.

3. Die Anfechtungen waren daher wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

4. Dies konnte ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 lita VfGG).

Schlagworte

Gemeinderecht, Gemeinderat, Bescheidbegriff, Mandatsverlust

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:WII2.1996

Dokumentnummer

JFT_10029391_96W0II02_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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