TE Bvwg Beschluss 2018/12/18 I407 2132866-2

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Veröffentlicht am 18.12.2018
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Entscheidungsdatum

18.12.2018

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.3
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31

Spruch

I407 2132866-2/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit Algerien (alias Marokko), vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018, Zl. 1051222403/180715624, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 03.02.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, dass das Leben in Algerien schwer sei und er sein Leben verbessern wolle. Er habe nur wenig Arbeit gefunden und wenig verdient. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.03.2015 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass keine Verfolgungsgefahr festgestellt werden konnte.

Am 28.04.2015 stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten Asylantrag. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte er, in Algerien mit einer Familie gearbeitet zu haben. Sie hätten Alkohol verkauft. Dann sei Geld von dieser Familie gestohlen worden und sie hätten behauptet, er sei es gewesen. Bei seinem Erstantrag habe er das nicht erzählt.

Der Beschwerdeführer wurde am 24.02.2016 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er gab an, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Seine Fluchtgründe seien unverändert. Die Lage in Algerien sei sehr schwierig. Es gebe keine Arbeit und auch kein Geld. Sein Bruder habe einen Bekannten, der in Spanien lebe. Dieser habe ihnen gesagt, dass er Leute nach Spanien bringen könne, um zu arbeiten. Er habe dafür viel Geld verlangt und sie hätten für ihn diese Leute besorgt, damit er sie nach Spanien bringt. Er habe sie betrogen, das Geld gestohlen und sei verschwunden. Die Leute seien dann zu ihnen gekommen und hätten das Geld zurückverlangt. Sie würden das Geld nicht gehabt haben und seien mit dem Umbringen bedroht worden. Sie seien zur Polizei gegangen und würden die Leute angezeigt haben, die Polizei würde jedoch nichts unternommen haben. Sie seien über einen Zeitraum von 5 - 6 Monaten fast täglich mit dem Umbringen bedroht worden. Sein Bruder sei nach wie vor in seiner Heimatstadt. Auf weitere Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder von zu Hause weggelaufen und seither verschwunden sei. Andere Fluchtgründe habe er nicht.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2016 wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 28.04.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Zudem wurde II. der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Algerien abgewiesen. Mit Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG nicht erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Mit Spruchpunkt IV. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Am 10.08.2016 wurde gegen den Bescheid Beschwerde erhoben, welche mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.08.2016, Zl. I403 2132866-1/3E als unbegründet abgewiesen wurde.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 (1) Z 1 1. und 2. Fall sowie § 27 (2) SMG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 4,00 EUR (240,00 EUR) im Nichterbringungsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, davon Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 4,00 EUR (120,00 EUR) im Nichterbringungsfall 15 Tage Ersatzfreiheitsstrafe bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Am 30.07.2018 stellte der Beschwerdeführer seinen dritten Asylantrag und gab an, dass er am Herzen operiert worden sei und einen Stent eingesetzt bekommen habe, weswegen er nun Medikamente nehmen müssen. In seiner Heimat würde er nicht überleben, da er keine Medikamente bekommen würde und könnte er sich eine ärztliche Versorgung auch nicht leisten.

Am 02.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und erklärte, dass er vor circa zwei Monaten am Herzen operiert worden sei und seither mehrere Medikamente einnehmen müsse. Bei einer Rückkehr könne er sich die lebensnotwendigen Medikamente nicht finanzieren. Er habe in seinen vorherigen Asylverfahren gelogen und unter anderem eine falsche Staatsbürgerschaft angegeben, da er Angst gehabt habe, abgeschoben zu werden. Er stamme nicht aus Algerien, sondern aus Marokko, wo noch seine Mutter, mit welcher er in regelmäßigem Kontakt stehe, lebe. In Österreich habe er einen Deutschkurs besucht, sei gemeinnützig tätig gewesen und habe eine Freundin.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2018, Zl. 1051222403/180715624, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde festgehalten, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkte III.). Außerdem wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 08.10.2018 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe vorgelegt. Der Bescheid wurde dem gesamten Umfang nach wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten. Inhaltlich wurde ausgeführt, dass es sich beim Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend seine Herzprobleme und seine diesbezügliche Operation vom Juni 2018, um einen neuen Sachverhalt handle und nicht mehr von der gleichen Sach- und Rechtslage auszugehen sei. Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Marokko und im Falle, dass er dort die geforderten Medikamente und Behandlungen nicht erhalte, bestehe daher eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK, was subsidiären Schutz begründen könne. Außerdem sei laut behandelndem Arzt eine weitere OP am Herzen geplant.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 12.10.2018 vorgelegt.

Am 14. November langte ein weiterer Befund betreffend den Beschwerdeführer mit der Diagnose "GI-Blutung unter DAPT bei erosiver Refluxösophagitis II° (Hämatom im Sinne einer Mallory Weiss Läsion)" beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Ra 2015/01/0123).

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063):

"Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."

Gemäß § 18. Abs. 1 AsylG haben das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

Mit § 18 Abs. 1 AsylG 2005 (wie auch schon mit der nahezu wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997) wurde die aus § 37 iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehende Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, speziell für das Asylverfahren weiter konkretisiert (vgl. dazu VwGH 08.04.2003, 2002/01/0522). So verpflichtet § 18 Abs. 1 AsylG 2005 idgF das Bundesamt (zuvor Bundesasylamt), in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen (zum Umfang der Ermittlungspflichten vgl. VwGH 14.12.2000, 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, 98/01/0222; VwGH 21.09.2000, 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, 99/20/0599).

Zu Spruchteil A):

3.2. Das Bundesamt stützte hinsichtlich Spruchpunktes I. des bekämpften Bescheides die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages auf die Feststellung, dass diesbezüglich eine entschiedene Sache nach § 68 Abs. 1 AVG vorliege.

Sache des gegenständlichen Verfahrens ist vorweg die verfahrensrechtliche Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch das Bundesamt gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Es ist daher dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen zweiten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (Vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307).

Maßstab der Rechtskraftwirkung bildet die Entscheidung, mit der zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783), im vorliegenden Fall somit das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.08.2016.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründete die zurückweisende Entscheidung damit, dass die seit 2018 bestehenden Herzprobleme keinen neuen Sachverhalt darstellen würden. Außerdem wurde im angefochtenen Bescheid seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ein anderer Herkunftsstaat als im Vorverfahren festgestellt, nämlich Marokko anstelle von Algerien.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hätte sich im angefochtenen Bescheid allerdings näher mit dem tatsächlichen Herkunftsstaat des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, denn liegt bei einer Änderung des Herkunftsstaates jedenfalls eine Änderung des Sachverhaltes vor, welche ein inhaltliche Auseinandersetzung notwendig erscheinen lässt.

Es ist für das Bundeverwaltungsgericht zwar nicht mehr zu beurteilen, ob im rechtskräftigen Vorverfahren eine weitergehende Klärung der Herkunft und Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers geboten gewesen wäre. Allerdings wären im gegenständlichen Verfahren zusätzliche Ermittlungen zur Klärung der Herkunft und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers erforderlich gewesen.

So hätte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine Zurückweisungsentscheidung treffen dürfen, sondern hätte ein neues Verfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko und eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf diesen Staat zu führen gehabt (alternativ allenfalls ein Verfahren nach § 8 Abs. 6 AsylG 2005). Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens hätte das Bundesamt in Bezug auf den tatsächlichen Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zu einem anderen Verfahrensergebnis bezüglich der Gewährung von internationalem Schutz (Asyl/subsidiärem Schutz) kommen können. Eine "Identität der Sache" kann bei einem ungeklärten wesentlichen Sachverhaltselement nicht vorliegen, die Zurückweisung wegen entschiedener Sache war sohin rechtlich verfehlt.

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen sind (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Inwieweit im Hinblick auf Art. 3 EMRK erkennbar ist, dass die Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm jedwede Lebensgrundlage fehlen würde, ist vor dem Hintergrund mangelnder Ermittlungen zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht geklärt. Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers hat sich seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens entscheidungswesentlich verändert, was auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erkannt hat, zumal im angefochtenen Bescheid unter dem "Deckmantel" einer Entscheidung wegen entschiedener Sache, bereits teilweise eine inhaltliche Prüfung im Hinblick auf Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat, Erhalt notwendiger Medikamente usw. durchgeführt wurde.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis daher so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen - bereits im Kern - nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit den oben dargestellten schweren Mängeln behaftet.

In diesem Zusammenhang erfolgte die Zurückweisung wegen entschiedener Sache jedenfalls zu Unrecht, da es aufgrund der Veränderungen betreffend Herkunftsstaat und Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu einer Veränderung des wesentlichen Sachverhaltes gekommen ist.

Weiters haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen, mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden oder auch nur zweckmäßig wäre. Letztlich wäre es dem Bundesverwaltungsgericht zudem auch verwehrt, den Verfahrensgegenstand einer allfälligen meritorischen Erledigung zuzuführen (vgl. dazu etwa VwGH 09.11.2010, 2007/21/0493, mit Verweis auf VwGH 15.06.1987, 86/10/0168; VwGH 29.05.2009, 2007/03/0157 sowie auch VfGH 18.06.2014, G 5/2014-9 zu § 28 VwGVG).

Infolge der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesamt im Rahmen einer eingehenden und detaillierten Befragung des Beschwerdeführers insbesondere die Gelegenheit einzuräumen haben, vollständig darzulegen, welche konkreten Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Erkrankung des Beschwerdeführers im ausführlich zu ermittelnden Herkunftsstaat zu befürchten sind und ob daraus eine aktuelle Gefährdung seiner Person abzuleiten wäre. Gleichzeitig wird sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch mit dem neu eingebrachten Befund vom 12.11.2018 auseinanderzusetzen haben.

3.3. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, Bindungswirkung,
Ermittlungspflicht, Fluchtgründe, Folgeantrag, Kassation,
mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Suchtmitteldelikt, Verfahrensmangel,
Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I407.2132866.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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