TE Vwgh Erkenntnis 1999/6/10 95/21/0630

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Veröffentlicht am 10.06.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des PJ, geboren am 20. Dezember 1974, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 20. März 1995, Zl. Fr 524/1-1995, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, sei am 22. November 1994 "illegal" in einem Lkw versteckt von Slowenien kommend in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres rechtskräftig abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei vor dem Bundesasylamt befragt worden und habe angegeben, er wäre am 1. September 1994 von drei bewaffneten Soldaten der NPFL festgenommen worden, als er gerade ein Hotel in Monrovia verlassen hätte, wo er als Barmann gearbeitet hätte. Er wäre dann auf brutale Weise zum Hauptquartier der NPFL gebracht worden, um dort als Soldat ausgebildet zu werden. Dort wäre er gezwungen worden, andere Rebellen zu ermorden. Weiters hätte man ihn gezwungen, andere Gefangene im Lager zu töten. Man hätte ihn ausgebildet, schwere Waffen zu tragen, zu töten, im Busch zu leben und weitere Entfernungen zurückzulegen, auch wäre körperliche Ertüchtigung betrieben worden. Als er selbst gezwungen worden wäre, andere im Camp zu töten, hätte er sich widersetzt. Diese Pflicht hätte er am 17. (ohne nähere Datumsangabe) ausüben sollen. Seine beiden Freunde wären ebenfalls dazu gezwungen worden. Am Abend des

15. wäre er in einer Diskothek in Monrovia gewesen, danach ins Lager zurückgekehrt, wo man ihn am Morgen des 17. verhaftet hätte. Ihm wäre vorgeworfen worden, er hätte mit ECOMOG-Leuten Kontakt aufgenommen und für diese Organisation spioniert. In einem illegalen Militärgerichtsverfahren wären er und zwei Freunde am 25. zum Tod verurteilt worden. Er hätte dann fürchterliche Angst bekommen und seine Probleme R. J. geschildert; dieser hätte ihm die Flucht ermöglicht. Er wäre am vollautomatischen Gewehr AK 45 ausgebildet worden. Das Kaliber könnte er nicht angeben, ebenso nicht, wie man diese Waffe feuerbereit mache. Er hätte mit der AK 45 nie geschossen. Er wäre in das Camp zurückgekehrt, weil er nun mehr oder weniger Mitglied der NPFL gewesen wäre. Nach Vorhalt habe er richtig gestellt, alles wäre im Oktober geschehen.

Diese Behauptungen wertete die belangte Behörde mit folgender Begründung als unglaubwürdig: Der Beschwerdeführer habe trotz eingehender Befragung zur Zwangsrekrutierung und zur Ausbildung selbst keine konkreten Angaben machen können. Er sei letztendlich nicht einmal in der Lage gewesen, zu beschreiben, wie eine AK 45 feuerbereit gemacht werde. Eine militärische Ausbildung ohne Kenntnis von der Handhabung der Schusswaffen erscheine völlig sinnlos. Weiters hätte man ihm wohl nicht die Erschießung von Gefangenen befohlen, wenn er noch nie eine Schusswaffe gehandhabt hätte. Kein militärischer Vorgesetzter würde einem völlig Ungeübten eine Schnellfeuerwaffe zur Verwendung überlassen, weil dadurch auch eine Gefährdung der eigenen Soldaten durch einen Handhabungsfehler immens groß wäre. Es sei unverständlich, dass es dem Beschwerdeführer als Zwangsrekrutiertem ermöglicht worden wäre, völlig unbeaufsichtigt eine Diskothek in dem einige hundert Kilometer entfernten Monrovia zu besuchen. Eine derartige Vorgangsweise erscheine unter dem Aspekt einer Zwangsrekrutierung völlig absurd. In dem von ihm behaupteten Fall hätte er nicht in das Camp zurückzukehren brauchen. Weiters habe der Beschwerdeführer die Behauptungen hinsichtlich der angeblichen Verurteilung zum Tod und seiner späteren Flucht nicht einmal annähernd erläutern können. Auf den Widerspruch in den zeitlichen Angaben aufmerksam gemacht, habe er seine Aussage dahin geändert, dass sich alles im Oktober 1994 ereignet hätte. Derartig gravierende und zahlreiche Widersprüche könnten letztendlich nur dazu führen, dass dem Vorbringen jegliche Glaubwürdigkeit abzusprechen sei. Weiters seien auch seine Angaben in Bezug auf die Schiffspassage und die Einreise nach Slowenien unglaubwürdig geblieben, weil er weder das Schiff noch Details der angeblichen Überfahrt zu nennen vermocht habe. Es sei tatsächlich unmöglich, innerhalb zweier Stunden - wie vom Beschwerdeführer behauptet - von der Hafenstadt Koper mit einem LKW nach Graz zu gelangen.

Bei seiner Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Graz - so die belangte Behörde weiter - habe der Beschwerdeführer lediglich auf seine Angaben im Asylverfahren verwiesen. Bei sämtlichen Vernehmungen des Beschwerdeführers sei ein gerichtlich beeideter Dolmetscher für die englische Sprache anwesend gewesen. Der Behörde sei es auf Grund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen.

Als glaubwürdig könnten stichhaltige Gründe im Sinn des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Beschwerdeführer einen solchen Grund im Lauf des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstelle und wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar erschienen. Die Berufungsbehörde teile die Auffassung der erstinstanzlichen Behörde, dass die vom Beschwerdeführer gemachten Angaben zu unglaubwürdig seien, um als stichhaltig bezeichnet werden zu können. Konkrete Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer in Liberia tatsächlich von der staatlichen Autorität oder doch mit deren "Bewilligung" gesucht werde und er dort Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, sei er schuldig geblieben. Es hätten somit keine stichhaltigen Gründe für die Annahme objektiviert werden können, dass der Beschwerdeführer derzeit in seinem Heimatland Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht würde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung

einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 97/21/0321) hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG im Verfahren gemäß § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind.

Im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) vermag der Gerichtshof angesichts der Widersprüche und Unklarheiten in der Aussage des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung unschlüssig sei. So ist es von der belangten Behörde auf zutreffende Weise für nicht nachvollziehbar erachtet worden, dass der Beschwerdeführer trotz seiner behaupteten Zwangsrekrutierung und seiner Weigerung, (laut Vernehmungsprotokoll vom 5. Dezember 1994: am "15.9.1994"), Gefangene zu erschießen, am selben Tag eine Diskothek im weit entfernten Monrovia hätte besuchen dürfen, und dann freiwillig zurückgekehrt und am Morgen des 17. verhaftet worden wäre. Es ist weiters nicht nachvollziehbar, warum seine Freunde, die nach seiner Aussage "geschossen haben", ebenfalls am 17. verhaftet worden wären. Schließlich blieb der Beschwerdeführer jede Erklärung dafür schuldig, warum seine Freunde nach der Verurteilung erschossen worden wären, ihn jedoch diese Konsequenz nicht getroffen hätte, und wie ihm ein Mann, dem er seine "Probleme" geschildert hätte, zur Flucht hätte verhelfen können.

In der Beschwerde wird nicht der Versuch unternommen, diese Widersprüche aufzuklären; der Beschwerdeführer zieht sich auf die Frage zurück, ob das AK 45 eine schwere Waffe darstelle, und darauf, dass der Beschwerdeführer seine Zeitangaben dahin richtig gestellt habe, dass die Vorfälle nicht im September, sondern im Oktober 1994 stattgefunden hätten. Allein dadurch können jedoch die in seinen Aussagen enthaltenen Widersprüche nicht aufgeklärt werden.

Soweit die Beschwerde der Behörde vorwirft, diese habe den Beschwerdeführer nicht ausreichend vernommen, ist ihr zu erwidern, dass die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wird. Es wird nämlich nicht vorgebracht, welche konkreten Angaben der Beschwerdeführer hätte machen können, die zu einer für ihn günstigen Beurteilung der Sache hätten führen können. Im Übrigen wäre es dem Beschwerdeführer freigestanden, sich bei seiner Vernehmung vor der Fremdenpolizeibehörde nicht mit einer Verweisung auf seine Angaben im Asylverfahren zu begnügen, sondern konkrete und widerspruchsfreie Angaben zu machen.

Insgesamt kann somit die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Gefährdung oder Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG für den Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland glaubhaft zu machen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der beantragte Ersatz für Schriftsatzaufwand konnte nicht zuerkannt werden, weil die belangte Behörde von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen hat.

Wien, am 10. Juni 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995210630.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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