TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/20 W256 2146564-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2018
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Entscheidungsdatum

20.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W256 2146564-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, StA Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23. Jänner 2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 26. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt (wortwörtlich wiedergegeben) folgendes an: "Die Sicherheitslage in Afghanistan war sehr schlecht, deshalb bin ich geflüchtet. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe."

Der Beschwerdeführer wurde am 24. Oktober 2016 durch die belangte Behörde einvernommen. Dabei führte er befragt zu seiner Religionszugehörigkeit ergänzend aus, dass er kurz vor seiner Ausreise aus Afghanistan vom "Islam zurückgetreten" und nunmehr Christ sei. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würde er aus diesem Grund "große Probleme" bekommen.

Mit E-Mail vom 6. September 2016 wurde der belangten Behörde von der Landespolizeidirektion XXXX der Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 4. September 2016 betreffend ein gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts auf geschlechtliche Nötigung (Vorfallszeit: 07.2016 bis 23.08.2016) geführtes Ermittlungsverfahren vorgelegt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft habe machen können. Das behauptete Interesse am Christentum diene ausschließlich der Erlangung eines Aufenthaltsstaus in Österreich. Aus der allgemeinen Lage Afghanistans, insbesondere in Kabul selbst, sei keine Situation ersichtlich, die eine ernsthafte Bedrohung des Lebens annehmen ließe. Der gesunde Beschwerdeführer könne bei einer Rückkehr nach Afghanistan - wie bisher - in der Landwirtschaft und als Bäcker tätig sein. Auch stünde ihm die Möglichkeit offen, Rückkehrhilfen in Anspruch zu nehmen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan sei daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Lage sei, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen, weshalb eine aussichtslose Lage nicht anzunehmen sei. Es seien keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration in Österreich rechtfertigen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan öfters in der Moschee gebetet. Dabei sei er vom Mullah regelmäßig aufgefordert worden, sich dem heiligen Krieg anzuschließen. Da der Beschwerdeführer dies nicht wollte, habe er sich von seiner Glaubensgemeinschaft distanziert. Nach seiner Flucht in Europa habe er sich vom Islam abgewandt und sich dem Christentum zugewandt. Das bei der Staatsanwaltschaft XXXX geführte Verfahren werde "bald diversionell eingestellt". Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan keinerlei soziale Anbindungen. Ohne diese und aufgrund seiner mangelnden (Aus)Bildung wäre der Beschwerdeführer in Afghanistan Lebensbedingungen ausgesetzt, die als unmenschlich oder erniedrigend zu bezeichnen seien. Unter einem wurde u.a. ein Schreiben eines Pfarrseelsorgers eines röm. kath. Pfarramtes vorgelegt, wonach der Beschwerdeführer seit Oktober 2015 in der Vorbereitung auf die Konversion zur christlichen Religion stehe.

Über telefonische Nachfrage teilte die Staatsanwaltschaft XXXX dem Bundesverwaltungsgericht am 4. Juli 2017 mit, dass das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren zwischenzeitig mittels Diversion erledigt worden sei.

Mit Schreiben vom 26. Juli 2017 legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des Dompfarrers von XXXX vom 20. Juli 2017 vor, wonach der Beschwerdeführer regelmäßig Sonntagsgottesdienste besuche und seit einem Jahr den Wunsch äußere, ein Christ zu sein.

Mit Schreiben vom 18. April 2018 legte der Beschwerdeführer seinen Taufschein vor.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien u.a. das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2. März 2017, zuletzt aktualisiert am 30. Jänner 2018, durch das Bundesverwaltungsgericht zum Parteiengehör übermittelt.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2018 wurde den Parteien die ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan vom 1. Juni 2017 (ACCORD) zum Parteiengehör übermittelt.

In seiner Stellungnahme vom 12. Juli 2018 verwies der Beschwerdeführer auf die Problematik der Konversion und der Blasphemie. Unter einem wurden diverse Integrationsunterlagen vorgelegt, darunter u.a. ein Schreiben der röm. katholischen Pfarre XXXX vom 11. Juli 2018, eine Bestätigung über eine ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers vom 22. Juni 2018 sowie ein A1 Zertifikat.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 19. Juli 2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei wurde die Lebensgefährtin und Taufpatin des Beschwerdeführers (auch zu seiner Konversion) als Zeugin befragt.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 wurde den Parteien das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29. Juni 2018, zuletzt aktualisiert am 23. November 2018 (im Folgenden: LIB) zum Parteiengehör übermittelt.

In seiner dazu ergangenen Stellungnahme vom 13. Dezember 2018 verwies der Beschwerdeführer auf die allgemein immer schlechter werdende Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan sowie den Umstand, dass der Beschwerdeführer insbesondere als von der Familie verstoßener Konvertit in Afghanistan gänzlich auf sich alleine gestellt wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person

Der - im Spruch genannte - Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an (AS 9, Verhandlungsschrift Seite 8).

Er hat sich in Österreich mit dem Christentum inhaltlich befasst (siehe dazu die Verhandlungsschrift Seite 24 ff sowie die Zeugenaussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung von Dipl.-Pass, ASP XXXX, Seite 34 ff) und besucht regelmäßig die Kirche (Verhandlungsschrift Seite 27, vorgelegtes Schreiben der röm. katholischen Pfarre XXXX vom 11. Juli 2018, Bestätigung des Dompfarrers von XXXX vom 20. Juli 2017 sowie die Zeugenaussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung von Dipl.-Pass, ASP XXXX, Seite 34 ff). Der Beschwerdeführer wurde am 1. April 2018 römisch-katholisch getauft (vorgelegter Taufschein der (Erz)Diözese XXXX). Ein auf einer Glaubensüberzeugung beruhender innerer Entschluss, sich vom Islam abzuwenden und sich demgegenüber dem Christentum zuzuwenden bzw. danach zu leben, konnte jedoch nicht festgestellt werden (siehe dazu die Beweiswürdigung).

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan, in der Provinz Logar im Ort XXXX geboren und ist er dort auch gemeinsam mit seiner Mutter, seinen Schwestern und seinen Brüdern aufgewachsen. Im Jahr 2014 ist der Beschwerdeführer alleine in den Iran - illegal - ausgereist, um in weiterer Folge nach etwa 10 Monaten in Richtung Europa zu flüchten (Verhandlungsschrift Seite 6 ff).

Der Beschwerdeführer verfügt in Afghanistan über Onkel mütterlicherseits und väterlicherseits, welche nach wie vor im Heimatdorf (auch finanziell) gut leben (Verhandlungsschrift Seite 12).

Die Familie des Beschwerdeführers besitzt im Heimatdorf ein 1 Jirib großes Feld, welches derzeit vom Onkel väterlicherseits bewirtschaftet wird (Verhandlungsschrift Seite 11).

Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan wäre seine Familie in der Lage, diesen finanziell zu unterstützen (siehe Beweiswürdigung).

Der Beschwerdeführer ist gesund (Verhandlungsschrift Seite 5). Er spricht Dari und Paschtu (Verhandlungsschrift Seite 8) und hat er in Afghanistan als Landwirt und Bäcker gearbeitet. Überdies war er auch im Iran als Schweißer tätig (Verhandlungsschrift Seite 9).

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 26. Juni 2015 im Bundesgebiet aufhältig (OZ 1 AS 11).

Er ist strafgerichtlich unbescholten (Strafregisterauszug vom 17. Dezember 2018). Das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachtes auf geschlechtliche Nötigung wurde mittels Diversion erledigt (AS 55; Beschwerde und Aktenvermerk vom 4. Juli 2017).

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Familienangehörige oder Verwandte (Verhandlungsschrift Seite 13).

Er hat in Österreich den Deutschkurs A1 besucht und die Prüfung dazu abgelegt (mit der Stellungnahme vom 12. Juli 2018 vorgelegtes Zertifikat sowie Verhandlungsschrift Seite 13). Zudem engagiert sich der Beschwerdeführer auch ehrenamtlich (mit der Stellungnahme vom 12. Juli 2018 vorgelegte Bestätigung sowie Verhandlungsschrift Seite 13).

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich seit ungefähr einem Jahr über eine Lebensgefährtin, mit welcher er allerdings nicht zusammenlebt und ein solches Zusammenleben auch nicht in Aussicht ist (Verhandlungsschrift Seite 15 ff und Seite 35).

Der Beschwerdeführer wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt (Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 17. Dezember 2018).

zur Lage in Afghanistan

zur Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB, Seite 42).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB, Seite 45).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB, Seite 53).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB, Seite 46).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB, Seite 45).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert; auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen. Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (LIB, Seite 46).

Zu Logar

Logar gehört zu den volatilen Provinzen Afghanistans. Aufgrund zur Nähe zu den Außendistrikten der Stadt Kabul, fanden in Logar heftige Gefechte zwischen den Taliban und den Sicherheitskräften statt. Im Jahr 2017 gehörte Logar zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge.

ANA-Beamten zufolge verstärken afghanische Truppen ihre militärischen Operationen gegen die Taliban in der volatilen Provinz, um die Stellungen der Aufständischen zu zerstören. So werden in Logar regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. Luftangriffe werden durchgeführt. Zusammenstöße zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften finden statt (LIB, Seite 166).

Zu Mazar-e Sharif

Mazar-e-Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e-Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri. Sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich auch an und auch der Dienstleistungsbetrieb wächst. In Mazar-e-Sharif gibt es einen internationalen Flughafen.

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten.

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, das darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz zu reduzieren.

Die Provinz Balkh ist nach wir vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistan, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen Nordafghanistans. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB, Seite 85 ff).

Zur Versorgungslage:

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB, S. 336).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB, S. 336 ff).

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben (LIB, Seite 338).

Die Verfügbarkeit und Qualität der medizinischen Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt.

In den letzten 10 Jahren hat die Flächendeckung der primären Gesundheitsversorgung in Afghanistan stetig zugenommen. Das afghanische Gesundheitssystem hat in dieser Zeit ansehnliche Fortschritte gemacht. Einer Umfrage der Asia Foundation zufolge hat sich 2017 die Qualität der afghanischen Ernährung sowie der Gesundheitszustand in den afghanischen Familien im Vergleich zu 2016 gebessert LIB, Seite 340).

Das afghanische Gesundheitsministerium bietet zwei Grundversorgungsmöglichkeiten an: das "Essential Package of Health Services" (EPHS) und das "Basic Package of Health Services" (BPHS). Beide Programme sollen standardisierte Behandlungsmöglichkeiten in gesundheitlichen Einrichtungen und Krankenhäusern garantieren. Die im BPHS vorgesehenen Gesundheitsdienstleistungen und einige medizinische Versorgungsmöglichkeiten des EPHS sind kostenfrei. Jedoch zahlen Afghanen und Afghaninnen oft aus eigener Tasche, weil sie private medizinische Versorgungsmöglichkeiten bevorzugen, oder weil die öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen die Kosten nicht ausreichend decken. Es gibt keine staatliche Unterstützung für den Erwerb von Medikamenten, diese Kosten müssen von den Patienten getragen werden. Nur privat versicherten Patienten können die Medikamentenkosten zurückerstattet werden (LIB, Seite 341 ff).

Eine begrenzte Anzahl an staatlichen Krankenhäusern in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Während in den Städten ein aureichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghanen schwierig, eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Für den Zugang zur medizinischen Versorgung sind der Besitz der afghanischen Staatsbürgerschaft und die Mitnahme eines gültigen Ausweises bzw. der Tazkira erforderlich (LIB, Seite 342 ff).

zur Situation im Falle einer Rückkehr

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB; Seite 349).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB, Seite 351).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. AMASO bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa Beratung und Unterstützung. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB, Seite 351 ff).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB, Seite 352 ff).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB, S. 353 ff).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB, Seite 354).

zur Apostasie bzw. zur Konversion

Für gebürtige Muslime ist es möglich ein Leben in der afghanischen Gesellschaft zu führen ohne dass sie den Islam praktizieren. Gefährlich wird es nur dann, wenn sie "Apostaten" oder "Konvertiten" sind und dies öffentlich wird (ACCORD zu Punkt 1)).

Laut der Auslegung des islamischen Rechts durch die Gerichte bedeutet der Übertritt vom Islam in eine andere Religion Apostasie. In diesem Fall haben die Betroffenen drei Tage Zeit, um die Konversion zu widerrufen. Erfolgt ein solcher Widerruf nicht, so haben sie die für Apostasie vorgesehene Strafe zu erhalten. Laut Hannafi Rechtslehre seien Männer bei Apostasie mit Enthauptung zu bestrafen, sofern der Betroffene keine Reue zeigt (ACCORD zu Punkt 1)).

zur Blasphemie

Das afghanische Gesetzesrecht enthält keine Bestimmungen zu Blasphemie und demzufolge behandeln die afghanischen Gerichte Blasphemie nach islamischem Recht. Wie bei Apostasie haben die Beschuldigten 3 Tage Zeit, um ihre Handlungen zu widerrufen, andernfalls die Todesstrafe drohen kann (ACCORD zu Punkt 3)).

2. Beweiswürdigung:

Die einzelnen Feststellungen beruhen jeweils auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln.

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, seiner Herkunft, seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seinen Sprachkenntnissen und seinen Aufenthalten in Afghanistan und im Iran ergeben sich aus seinen diesbezüglich weitestgehend gleichbleibenden und glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner beruflichen Tätigkeit in der Landwirtschaft sowie als Bäcker und Schweißer stützen sich auf seine glaubhaften Aussagen im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren, wonach er gesund sei.

Die Feststellungen zu seiner Beziehung in Österreich ergeben sich aus den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und den damit in Einklang stehenden im Rahmen der mündlichen Verhandlung erfolgten Angaben der Lebensgefährtin. Die Lebensgefährtin führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung befragt zu ihrem Zusammenleben selbst aus, dass sie derzeit nicht wüssten, wie es in der Zukunft aussehen werde (Verhandlungsschrift Seite 35: "Der BF hat eine eigene Wohnung und ich lebe am Grundstück meiner Eltern in einer Jurte. Im Moment passt es so, wir müssen erst sehen, wie wir weitertun können gemeinsam."

Die Feststellung seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen zu seinem Leben und seiner Integration in Österreich ergeben sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen in Zusammenhalt mit den vorgelegten Bestätigungen.

zu den Feststellungen in Bezug auf seine Glaubensüberzeugung:

Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der Erstbefragung vor, dass er Afghanistan alleine wegen der Sicherheitslage verlassen habe (AS 1).

Auch vor der belangten Behörde bringt der Beschwerdeführer vor, er habe Afghanistan deshalb verlassen, weil er in einem friedlichen Land leben wollte (AS 97: "F: Aus welchem Grund suchen Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht und Asylgründe! (Freie Erzählung) A: Ich wollte in Afghanistan niemanden töten und wollte auch nicht selbst getötet werden. Ich wollte in einem friedlichen Land leben. Und ein friedliches Leben führen. Das ist der Grund, warum ich Afghanistan verlassen habe. Es gab keinen anderen Grund.").

Nach Afghanistan könne er nunmehr deshalb nicht mehr zurückkehren, weil er das Christentum "akzeptiert" habe und viele wüssten, dass er in die Kirche gehe (AS 97: "F: Was denken Sie, würde Sie erwarten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren würden? A: Meine Familie hat das Dorf verlassen, ich kann dort nicht leben. Und viele wissen, dass ich in die Kirche gehe. Und dass ich das Christentum akzeptiert habe. Deshalb würde ich große Probleme bekommen"). Schon vor seiner Ausreise aus Afghanistan sei er (innerlich) von seiner Religion, dem Islam "ausgetreten", weil dort nur Gewalt herrsche, wobei dieser "Austritt" zur damaligen Zeit nicht der Grund für seine Ausreise gewesen sei (AS 92: "F: Sind Sie Moslem? A: Nein, ich bin vom Islam zurückgetreten? F: Wann sind Sie vom Islam zurückgetreten? A: Ich bin kurz vor meiner Ausreise aus Afghanistan ausgetreten. F: Warum sind Sie ausgetreten? A: Weil es viel Gewalt in unserer Religion gibt. Zwischen Sunniten und Schiiten. Ich wurde gezwungen Moslem zu

sein. ... F: Steht Ihr Rücktritt in Zusammenhang mit Ihrer Ausreise

aus Afghanistan? A: Nein. Aber ich wollte nicht in so einem Land leben. Ich wollte nicht töten oder selbst getötet werden.").

Auch vor dem erkennenden Gericht bringt der sich "derzeit" als Christ bezeichnende (Verhandlungsschrift Seite 8) Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt folgendes (wortwörtlich wiedergegeben) vor: "In Afghanistan haben mein Vater und meine Brüder mich in die Moschee geschickt und der Mullah hat uns gepredigt, andere Leute umzubringen und hinzurichten. Das hat er uns immer wieder erzählt. Ich wollte weder jemanden umbringen, noch, dass jemand mich umbringt. Ich wollte grundsätzlich mit dem Islam nichts zu tun haben. Das hat mir nicht gefallen und deshalb habe ich das Land verlassen. Ich wollte auch nicht in die Moschee gehen und die Leute fragten, warum ich nicht in die Moschee gehe. Danach bin ich Richtung Iran geflohen."

Aus dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers geht insofern insgesamt hervor, dass er Afghanistan alleine wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen hat, wobei er diese schlechte Sicherheitslage der Religion und zwar dem Islam zuschreibt. Schon in Afghanistan habe er - laut ihm dem Islam zurechenbare - Gewalt abgelehnt und - da für ihn Religion und Gewalt nicht zusammenhängen würden und sollen (Verhandlungsschrift Seite 24, siehe näher unten) - die Moschee nicht besucht. Grund seiner Ausreise war aber - wie bereits ausgeführt - nicht dieses "Ablehnen" seiner Religion, sondern die schlechte Sicherheitslage.

Auch seine nunmehrige Zuwendung zum Christentum beruht - laut seinen im Übrigen in diesem Zusammenhang immer sehr ausweichenden und vagen Angaben zufolge - allein in dem Glauben, im Christentum gebe es im Unterschied zum Islam keine Gewalt und keine Tötung (Verhandlungsschrift Seite 17ff: "R: Warum haben Sie sich vom Islam abgewendet? BF: Weil es außer Totschlag und Mord dort nichts gibt.

R: Was meinen Sie mit "dort"? BF: Im Islam. R: Im Christentum schaut es anders aus? BF: Dort gibt es so etwas nicht. R: Auch im Christentum hat es im Mittelalter Gewalt und Kriege gegeben. Was sagen Sie dazu? BF: Aber soweit ich hier recherchiert habe, will der Gott nicht, dass sie sich gegenseitig umbringen. R: Glauben Sie, ist es anderen Moslems in Europa möglich, friedfertig zu leben. BF: Das weiß ich nicht. Ich bin hier nicht in die Moschee gegangen. R:

Glauben Sie, dass Sie als Moslem in Europa nicht friedfertig sein könnten? BF: Ich mag diese Religion grundsätzlich nicht. Ich möchte Gott anbeten. R: Was mögen Sie grundsätzlich nicht? BF: Dass die Schiiten glauben, Sunniten umbringen zu müssen und umgekehrt. Der Islam folgt einer besonderen Gesetzmäßigkeit und im Christentum folge ich Gott."; Seite 22 ff: "R: Wie sind Sie in Kontakt mit dem Christentum gekommen? BF: Ich habe über Youtube (das) Christentum kennengelernt. R: Können Sie das näher schildern? BF: Ich bin in Österreich näher mit dem Christentum in Berührung gekommen. Ich habe im Iran mit einigen anderen Burschen von anderen Volksgruppen zusammengelebt, aber in Österreich bin ich erst damit in Berührung gekommen. R: Wie sind Sie konkret mit dem Christentum in Kontakt getreten? BF: Ich habe in Österreich das Christentum näher kennengelernt. R wiederholt die Frage. BF: Ich bin in die Kirche gegangen und ich habe Youtube durchsucht und in Youtube gibt es

Farsi Übersetzungen und da habe ich recherchiert. R: Warum gerade das Christentum? BF: Ich bin in die Kirche gegangen, dann hatte ich Kontakt mit einem Pfarrer und habe gesehen, dass es der wirkliche

Gott ist und das habe ich für mich beschlossen und akzeptiert. R:

Wie haben Sie gesehen, dass es der wirkliche Gott ist? BF: Das steht im heiligen Buch und auch in Youtube wird das gezeigt. Ich kann selber nicht Farsi lesen, aber in Youtube wird es übersetzt. R: Aber gab es ein Schlüsselerlebnis, das Anlass für eine intensive Befassung mit dem Christentum war? Sie haben vorhin selber angegeben, Sie waren vorher nicht religiös. Warum haben Sie sich jetzt dem Christentum zugewendet? BF: Ich war gegen das Töten generell, aber das hat meiner Meinung nach mit Religion nichts tun. Der Mullah sagt, das steht im Buch und das müsst ihr tun. Der Mullah sagte, das steht im Buch. Ich bin mit dem Töten im Islam nicht einverstanden. R wiederholt die Frage. BF: Weil hier weder in der Kirche, noch sonst wo Waffen herrschen und sind. Aber es wird in der Moschee befürwortet und überall, wo (das) Christentum herrscht, ist Sicherheit. Die Menschen gehen liebevoll miteinander um. R: Aber braucht es dafür eine Religion? In Österreich gibt es auch viele, die an nichts glauben. BF: Soweit ich mich über (das) Christentum erkundigt habe, weiß ich, dass es Nächstenliebe gibt und das ist richtig für mich.").

Damit übersieht der Beschwerdeführer aber, dass - wie von ihm im Übrigen auch (oben wiedergegeben) selbst ausgeführt wurde ("Ich war gegen das Töten generell, aber das hat meiner Meinung nach mit Religion nichts tun.") - Religion mit Krieg und Frieden nicht gleichgesetzt werden kann, weshalb eine ablehnende Haltung zu Gewalt nicht ohne weiteres auch als innere religiöse Glaubenseinstellung verstanden werden kann. Dass sich der Beschwerdeführer, der sich dezidiert gegen im Namen der Religion gelebte Gewalt ausspricht und der selbst keinen Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt sehen will, gerade allein aus diesem Grund einer neuen Religion zuwendet und dort seinen "Frieden" finden will, überzeugt nicht. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer laut seinen eigenen Angaben bislang nie für Religion interessiert haben soll (Verhandlungsschrift Seite 21: "R:

War Ihnen Ihre Religion als Moslem wichtig? BF: Wie meinen Sie es? R wiederholt die Frage bzw. erklärt, ob ihm Religion schon immer wichtig gewesen sei. BF: Nein, da wo ich wohne, wird man mit Religion groß und wenn man die Sitten nicht befolgt, wird man dazu gezwungen. R: War Ihnen Religion wichtig? BF: Ich musste folgen, ich war gezwungen dazu. R: Ist Ihrer Familie Religion wichtig? BF: Ja, meine Familie sagt, was der Mullah sagt, musst du akzeptieren. Meine Mutter nicht so.").

Sonstige Gründe oder ein entsprechendes Schlüsselerlebnis, weshalb sich der Beschwerdeführer vom Islam abgewendet und demgegenüber dem Christentum zugewendet hat bzw. danach lebt, nannte der Beschwerdeführer - trotz (wie oben aufgezeigt) mehrmaliger expliziter Nachfrage Seiten des erkennenden Gerichts - jedenfalls nicht, weshalb auch das plötzliche Interesse an Religion und zwar sogar aus eigenem Antrieb nicht nachvollzogen werden kann (siehe dazu auch die im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstatteten ausweichenden und nicht überzeugenden Angaben des Beschwerdeführers zum Stellenwert des Christentums in seinem Leben auf Seite 28: "R:

Welche innere Bedeutung hat die neue Religion für Sie? BF: Ich fühle mich wie neugeboren, das ist wie ein neues Leben für mich. R: Welche Auswirkungen hat die Taufe bzw. die Religion auf Ihr alltägliches Leben? BF: Ich bin glücklich, ich fühle mich glücklich dadurch.").

Auch das fehlende Bedürfnis des Beschwerdeführers, seiner - laut eigenen Angaben der Religion gegenüber liberal eingestellten - Mutter seinen Glaubenswechsel und damit zweifellos eine wesentliche (innere) Veränderung in seinem Leben aus eigenem Antrieb mitzuteilen, kann mit der im Verfahren behaupteten Ernsthaftigkeit seines Glaubensübertritts nicht in Einklang gebracht werden, sondern bringt der Beschwerdeführer damit umgekehrt seine eher gleichgültige Haltung zu Religion erneut deutlich zum Ausdruck. Sonstige Gründe, weshalb der Beschwerdeführer seiner Mutter diesen entscheidenden Schritt in seinem Leben vorenthalten wollte, nannte der Beschwerdeführer jedenfalls - trotz ausdrücklicher Nachfrage - nicht (Verhandlungsschrift Seite 29: "R: Vor der belangten Behörde haben Sie angegeben, dass Ihre Mutter durch andere erfahren habe, dass Sie in die Kirche gehen. Dass Sie es selber auch gesagt haben, haben Sie nicht gesagt. Was sagen Sie dazu? BF: Ja, meine Mutter hat es von anderen erfahren und mich gefragt und ich habe ihr gesagt, ich gehe in die Kirche. R: Warum haben Sie es nicht selber gesagt? BF: Danach habe ich es ihr selber gesagt. Ich habe es nur meiner Mutter erzählt, aber sonst niemandem. Ich habe meinen Brüdern davon nichts gesagt. R: Sie hatten ja auch nur mit Ihrer Mutter Kontakt? Ist das richtig? BF: Ja. R: Warum haben Sie es ihr nicht selber gesagt? BF:

Sie hatte mich nicht gefragt. Ich habe es ihr dann gesagt.").

Letztlich darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beschwerdeführer seine als innere Glaubenseinstellung im Verfahren vorgetragene ablehnende Haltung zu Gewalt bereits in Afghanistan gehabt und er diese auch - und zwar ohne weitreichende Konsequenzen - der Allgemeinheit kundgetan haben soll (Verhandlungsschrift Seite 19 ff: "R: Sie haben vorher angegeben, Sie seien immer schon in der Moschee aufgefordert worden, zu töten. Weshalb haben Sie sich gerade vor Ihrer Ausreise dazu entschlossen, Ihre Religion aufzugeben? BF:

Weil ich dann reifer wurde und mein Herz sagte mir, das reicht. R:

Sind Sie dann weiterhin in die Moschee gegangen? BF: Nein, man forderte mich auf, hinzugehen, ich sagte nein und danach habe ich das Land verlassen. R: Wie lange danach haben Sie Afghanistan verlassen? BF: Einen Monat später habe ich das Land verlassen. R:

Wurde Ihnen gedroht, weil Sie die Moschee nicht besucht haben? BF:

Nein, ich wurde nicht bedroht, aber ich wurde immer wieder gefragt, warum ich nicht in die Moschee gehe. R: Was hat Ihre Mutter bzw. haben Ihre Onkel dazu gesagt? BF: Meine Mutter sagte nichts, aber mein Onkel väterlicherseits und meine Brüder haben es nicht gern gesehen, dass ich nicht in die Moschee gegangen bin. R: Was haben Ihre Onkel gesagt? BF: Dasselbe, was die Dorfbewohner sagten, warum der Bursche nicht in die Moschee geht. R: Was haben Sie geantwortet?

BF: Ich sagte ihnen, dass dort außer Befehle zum Töten nichts gesagt wird, und mir dies nicht gefallen hat. R: Das heißt, Sie haben bereits in Afghanistan gesagt, dass Sie nicht mehr an den Islam glauben? BF: Nein, ich habe in meinem Herzen beschlossen, aber ich habe ihnen nicht gesagt, dass ich mich vom Islam abgewendet habe.

Wenn ich ihnen das gesagt hätte, hätten sie mich umgebracht. R: Aber Sie haben vorher gesagt, dass Sie Ihrer Familie und den Dorfbewohnern geantwortet haben, dass es im Islam nichts außer Töten gibt und Ihnen das nicht gefällt. Ist das nicht bereits als eine Abkehr vom Islam zu verstehen? BF: Nein, ich habe ihnen nicht gesagt, dass ich mich vom Islam abgewendet habe. R: Was haben Sie ihnen dann gesagt? BF: Ich sagte, dass außer Befehle zum Töten nichts gesagt wird und mir das nicht gefällt. Einen Monat später bin ich geflohen."). Dass der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang diese (in Afghanistan sogar geäußerte) ablehnende Haltung zu Gewalt plötzlich selbst nicht mehr als (Grund für) eine Abkehr vom Islam verstanden wissen will, kann nicht nur nicht nachvollzogen werden, sondern könnte daraus umgekehrt auch geschlossen werden, dass eine solche Einstellung keine Gefahr der Verfolgung in Afghanistan für den Beschwerdeführer nach sich ziehen würde.

Der vom Beschwerdeführer vorgetragene innere Entschluss, sich (wegen der Gewalt) vom Islam abzuwenden und sich demgegenüber dem Christentum zuzuwenden und danach zu leben, konnte daher vom Beschwerdeführer dem erkennenden Gericht nicht glaubhaft vermittelt werden. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig getauft wurde, er regelmäßig Gottesdienste besucht und er sich auch - wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung (auch von der Zeugin) aufgezeigt wurde - mit der Religion des Christentums mittlerweile inhaltlich befasst hat, weil dies nicht auf eine (hier allein entscheidende) Glaubensüberzeugung, sondern auf andere (hier wiederum nicht näher zu erörternde) Beweggründe zurückzuführen ist (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 2018, Ra 2018/19/0236 m.w.H., wonach in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zu einer dem Christentum zugehörigen Religionsgemeinschaft nicht entscheidend ist, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist). Die (im Übrigen nicht einmal beantragte) Befragung weiterer Zeugen zu diesem Thema konnte unterbleiben, weil diese - wie auch die befragte Zeugin - zwar über die (ohnedies nicht in Zweifel gezogenen) kirchlichen Aktivitäten des Beschwerdeführers und sein Interesse für das Christentum, nicht aber über seinen tatsächlich (und hier allein entscheidenden) inneren Entschluss Auskunft geben hätten können (Verhandlungsschrift Seite 36).

zu den Nichtfeststellungen in Bezug auf individuelle gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungen in Afghanistan:

Der Beschwerdeführer stützt seine Verfolgung in Afghanistan allein allgemein auf die Sicherheitslage in Afghanistan und seinen - wie oben dargestellt - nicht hervorgekommenen Glaubenswechsel. Sonstige konkret ihn treffende Bedrohungen in Afghanistan brachte der Beschwerdeführer hingegen nicht vor. Auch die von ihm erwähnten in der Moschee erfolgten Aufforderungen zum Töten wurden vom Beschwerdeführer selbst nicht als ihn treffende Gefahr in Afghanistan, sondern vielmehr als Grund für seine Abkehr vom Islam dargetan (siehe dazu die oben wiedergegebene Verhandlungsschrift auf Seite 8 sowie auch Seite 18 ff: "R: Wann und wie oft kam es zu diesen Aufforderungen in der Moschee, dass Sie töten sollen? BF: Als ich 14 Jahre alt wurde, haben sie damit angefangen. R: Wie lange sind Sie dann noch in Afghanistan geblieben? BF: Ich war 18 als ich Afghanistan verlassen habe. R: Wurden Sie in diesem Zusammenhang persönlich bedroht? BF: Nein, ich persönlich bin nicht bedroht worden. ...").

Dass vier Zimmerkollegen in Österreich - wie vom Beschwerdeführer selbst lediglich spekulativ behauptet wurde - Dorfbewohner in Afghanistan über seine christlichen Aktivitäten in Österreich informiert hätten und dies auch der Grund gewesen sei, weshalb seine Mutter, seine Schwester und seine Brüder das Heimatdorf verlassen hätten müssen, kann nicht nachvollzogen werden (AS 94 ff; Verhandlungsschrift Seite 30). Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass seine (als Familienangehörige ebenfalls betroffen sein müssenden) Onkel nach wie vor im Heimatdorf des Beschwerdeführers leben können. Davon abgesehen geht aus den getroffenen Länderfeststellungen hervor, dass der Beschwerdeführer selbst im Fall des Bekanntwerdens seiner kirchlichen Aktivitäten die Möglichkeit hätte, innerhalb von drei Tagen seinen "Glaubensübertritt" zu widerrufen, weshalb ihm - auch im Hinblick auf seine nicht festgestellte Glaubensüberzeugung - selbst in diesem Falle keine Gefahr der Verfolgung in Afghanistan drohen würde.

Es konnten daher insgesamt keine Feststellungen in Bezug auf vom Beschwerdeführer behauptete konkret ihn treffende Verfolgungshandlungen getroffen werden.

zu den Feststellungen zu seiner Familie:

Die Feststellungen zu seiner Familie ergeben sich aus den eigenen im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst vor, dass seine Onkel väterlicherseits und mütterlicherseits nach wie vor (finanziell) gut im Heimatdorf leben würden und einer dieser Onkel väterlicherseits darüber hinaus das Grundstück der Familie des Beschwerdeführers bewirtschaften würde. Gründe, die dafür sprechen würden, dass diese Onkel den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell nicht unterstützen würden, sind nicht hervorgekommen und konnten solche vom Beschwerdeführer auch nicht dargetan werden. Der vom Beschwerdeführer (im Übrigen allein) in diesem Zusammenhang geäußerten und auf seinen Glaubenswechsel zurückzuführenden feindlichen Gesinnung seiner Onkel väterlicherseits ihm gegenüber kann schon mangels (oben näher) festgestelltem fehlenden Glaubenswechsel des Beschwerdeführers keine Relevanz zukommen (Verhandlungsschrift Seite 13), zumal diese Onkel seine bereits in Afghanistan behauptete kritische Haltung zum Islam zwar "nicht gern gesehen", ansonsten aber keine Handlungen gegen den Beschwerdeführer in diese Richtung gesetzt haben (Verhandlungsschrift Seite 19 ff:

"R: Was hat Ihre Mutter bzw. haben Ihre Onkel dazu gesagt? BF: Meine Mutter sagte nichts, aber mein Onkel väterlicherseits und meine Brüder haben es nicht gern gesehen, dass ich nicht in die Moschee gegangen bin. R: Was haben Ihre Onkel gesagt? BF: Dasselbe, was die Dorfbewohner sagten, warum der Bursche nicht in die Moschee geht. R:

Was haben Sie geantwortet? BF: Ich sagte ihnen, dass dort außer Befehle zum Töten nichts gesagt wird, und mir dies nicht gefallen hat."; Seite 22: "R: Wurden Sie deshalb auch bedroht? BF: Nein, sie sagten mir nur, warum gehst du nicht hin. Sie sagten, es ist nicht gut, dass du nicht in die Moschee gehst und auch meine Onkel väterlicherseits haben gesagt, warum ich nicht in die Moschee gehe. Danach habe ich entschieden zu gehen, einen Monat später."). Dass der (bislang zumindest immer mit seiner Mutter in Kontakt stehende) Beschwerdeführer plötzlich zu seiner gesamten Familie keine Verbindung mehr haben soll, kann auch vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen, wonach Familien mit ihrem ausgewanderten Familienmitglied in Kontakt bleiben würden, nicht nachvollzogen werden.

zu den Feststellungen zur Lage in Afghanistan

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln, zumal der Beschwerdeführer dazu auch gar nichts Gegenteiliges vorgebracht hat. Dass sich die Sicherheits- und Versorgungslage insgesamt in Afghanistan - wie vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 13. Dezember 2018 zuletzt aufgezeigt - verschlechtere und teilweise auch angespannt ist, kann jedenfalls mit den oben getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch gebracht werden.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A.

zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. bspw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2016, Ra 2016/19/0074 u.v.a).

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0083).

In Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan konnte der Beschwerdeführer allerdings - wie bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellt - keine konkrete individuelle, gegen ihn gerichtete Bedrohung, aus welcher möglicherweise eine aktuelle asylrelevante Verfolgung der Person des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat ableitbar wäre, festgestellt werden. Dem Beschwerdeführer ist es entgegen dem Beschwerdevorbringen insgesamt nicht gelungen, die von ihm behauptete Verfolgung, insbesondere aufgrund einer echten inneren Konversion glaubhaft zu machen.

Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung sind nicht hervorgekommen und wurden solche vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet. Sohin kann insgesamt nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG 2005 droht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 Abs. 1 und Abs. 3 sowie des § 11 AsylG 2005, BGBl. Nr. 100 lauten wie folgt:

"§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

......

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

....

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

....

§ 11 (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106 ausgesprochen, dass aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG zwar ableitbar ist, dass für die Gewährung subsidiären Schutzes bereits jegliche Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht, es allerdings den in der Statusrichtlinie 2011/95/EU festgelegten und in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Vorgaben widerspricht, einem Fremden den Status eines subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen. (siehe dazu ausführlich das genannte Erkenntnis zu Afghanistan sowie zuletzt auch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2018, Ra 2018/01/0461 zur Dürresituation bzw. Lebensmittelknappheit in Somalia).

Im Sinne der vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten richtlinienkonformen Auslegung ist § 8 Abs. 1 AsylG insofern derart zu lesen, dass vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten durch Dritte (Akteure) zurückzuführenden ernsthaften Schaden im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie zu erleiden.

Art 15 der Statusrichtlinie definiert als "ernsthaften Schaden" die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit.a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragsstellers im Herkunftsland (lit. b) und "eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" (lit. c).

Eine Zuerkennung des subsidiären Schutzes aufgrund eines ernsthaften Schadens, welcher nicht von Dritten (Akteuren) verursacht, sondern bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist, widerspricht allerdings der Statusrichtlinie und kann damit aus § 8 Abs. 1 AsylG auch nicht abgeleitet werden (siehe dazu nochmals die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018 sowie in seinem Beschluss

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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