TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/20 W207 2201104-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2018
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Entscheidungsdatum

20.12.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2201104-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX2008, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 22.05.2018, OB: XXXX, nach Beschwerdevorentscheidung vom 03.07.2018, betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen idgF abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der minderjährige Beschwerdeführer ist seit 03.02.2015 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H.

Im Akt des Sozialministeriumservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) befindet sich ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, welches im Rahmen eines Verfahrens nach dem Familienlastenausgleichsgesetz eingeholt wurde (so genanntes "FLAG-Gutachten"). In diesem medizinischen Sachverständigengutachten vom 03.03.2017 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 11.02.2017 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Anamnese:

Frühgeburt 29.+2 SSW

Zustand nach Purpura Schönlein Henoch mit Magenperforation 2014

Zustand nach Unterarmfraktur rechts mit operativer Korrektur 2015 (Osteosynthesematerial wurde bereits entfernt)

Bekannte Fibulahemimelie rechts

Zustand nach Fixateur externe 2014

Laufende Korrektur mit eight-plates (bisher 8 Operationen). Nächste Korrekturoperation ist im Sommer 2017 geplant.

Derzeitige Beschwerden:

Prothese rechts. Beinlängendifferenz derzeit ca. 8 cm

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Prothese rechte UE (über das Kniegelenk reichend)

Sozialanamnese:

9 Jahre 1 Monat. 3.Klasse Volksschule. Hat eine jüngere Schwester

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Aus dem Patientenbrief Orthopädisches Spital Abteilung für

Kinderorthopädie vom 20.03.2015:

Diagnosen:

Fibulaaplasie, X Beinstellung, Knie re.

Therapie:

20.03.2015: 8 plate dist. med. Femur und prox.med. Tibia rechts. Implantation zweier Platnn der Länge 16, sowie 4 Schrauben der Länge 24mm

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Normal

Ernährungszustand:

Normal

Größe: 139,00 cm Gewicht: 38,00 kg Blutdruck:

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

Pädiatrisch interner Status unauffällig

Blande mediane Laparotomienarbe

Gesamtmobilität - Gangbild:

Unauffälliges Gangbild (Unterschenkelprothese rechts)

Psycho(patho)logischer Status:

Zurückhaltend, ruhig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Fibulahemimelie rechts g.Z. Fixer Rahmensatz. Laufende Korrekturoperationen.

02.05.30

50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Leiden 1 wird wie im Vorgutachten bewertet, da weitere Korrekturoperationen erforderlich sind.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:

[X] ja

GdB liegt vor seit: 01/2008

[X] Nachuntersuchung: in 3 Jahren

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:

Evaluierung Leiden 1.

..."

Am 07.03.2017 stellte der minderjährige Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, beim Sozialministeriumsservice einen mit 06.03.2017 datierten Antrag auf "Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Verlustes, Diebstahls oder der Ungültigkeit", dies unter Hinweis darauf, dass sein Behindertenpass mit 30.04.2017 ablaufe.

Mit Schreiben vom 05.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund des Antrages vom 07.03.2017 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v. H. festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese" würden vorliegen. Der bis 31.05.2020 befristete Behindertenpass wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag übermittelt.

Am 08.01.2018 stellte der minderjährige Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29 b Abs. 2 bis 4 StVO und legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bei.

Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin, welche bereits das FLAG-Gutachten vom 03.03.2017 erstellt hatte, auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 23.04.2018 ein. Nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.02.2018 wurde in diesem Sachverständigengutachten auszugsweise - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

Anamnese:

Frühgeburt 29.+2 SSW

Zustand nach Purpura Schönlein Henoch mit Magenperforation 2014

Zustand nach Unterarmfraktur rechts mit operativer Korrektur 2015 (Osteosynthesematerial wurde bereits entfernt)

Bekannte Fibulahemimelie rechts Zustand nach Fixateur externe 2014

Zustand nach Korrektur mit 8 Plates, Zustand nach Metallentfernung 7/2017 Nächste Korrektur ist 7/2018 geplant.

Derzeitige Beschwerden:

Zuletzt 9/2017 neue Orthoprothese

O. fährt selbstständig mit dem Bus in die Schule. Nimmt am Turnunterricht teil. Spielt Fußball

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Derzeit keine Therapie.

Sozialanamnese:

10 Jahre 2 Monate. 4. Klasse Volksschule. Hat eine 7-jährige Schwester. Lebt bei den Eltern

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Aus dem Patientenbrief Orthopädisches Spital S. vom 11.7.2017:

Aus den Diagnosen

St.p. 8-Plate-lmplantation dist.med. Femur und prox.med. Tibia rechts bei Fibulaaplasie rechts

Aus den durchgeführte Maßnahmen:

Operation: 2017-07-10

Metallentfernung

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Normal

Ernährungszustand:

Normal

Größe: 146,00 cm Gewicht: 45,00 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Intern unauffällig

Fibulaaplasie rechts (mit Orthoprothese versorgt). Kann von O. selbstständig angelegt werden (wird vorgeführt).

Gesamtmobilität - Gangbild:

Mit Straßenschuhen (und Orthoprothese) unauffälliges Gangbild

Status Psychicus:

Stimmung ausgeglichen. Allseits orientiert

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Fibulahemimelie rechts (versorgt mit Orthoprothese) g.Z.

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Es bestehen im Vergleich zum FLAG-Gutachten (2/2017) keine gesundheitlichen Änderungen.

[X] Dauerzustand

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Es besteht eine Hemihemimelie rechts , die mit einer Orthoprothese versorgt ist. Damit besteht ein sicheres Gangbild. Eine kurze Wegstrecke kann selbstständig zurückgelegt werden. Ein sicherer Transport im Verkehrsmittel (inklusive Ein- und Aussteigen sowie Anziehen) ist möglich.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

..."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.04.2018 wurden der Beschwerdeführer bzw. dessen Mutter als gesetzliche Vertreterin über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Der Beschwerdeführer brachte innerhalb der ihm dafür gewährten Frist keine Stellungnahme ein.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 08.01.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.

Ein bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.

Mit E-Mail vom 26.06.2018 erhob der minderjährige Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 22.05.2018, mit dem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen worden war. In der Beschwerde wird Folgendes - hier auszugsweise und in anonymisierter Form dargestellt - ausgeführt:

"...

O. hat das Wunschdenken Fußball zu spielen, macht es auch, aber ermüdet schnell und braucht Pausen. Er stolpert sehr viel, hat zuletzt in der Nachmittagsbetreuung eine Platzwunde am Kopf dadurch gehabt (Gott sei Dank, wieder vorbei). Beim Gehen nach ca. 100 -150 Metern braucht er eine Atempause. Er fährt manchmal 1-2 x Monat selbständig mit dem Schulbus 3 Stationen in die Schule. Leider hat die Ärztin vom Sozialamt alles aufgeschrieben, als würde er stundenlang Fußball spielen und jeden Tag den Schulbus benützen. Die

3. Verlängerung OP war jetzt im Juli 2018 geplant, aber seitens Prof. Dr. G. derzeit nicht zu empfehlen, um das Knie nicht noch mehr zu schädigen.

Unser Sohn ist jetzt 10 Jahre alt, hat bisher 13 Operationen hinter sich (davon 10 OPs in S., 1 Magenperforation, 1 doppelter Armbruch mit Marknagel). Zu jeder Operation können Befunde vorgelegt werden, da alle OP's in Wien waren.

Die Zusatzeintragung brauchen wir damit wir überall parken können, vor allem beim Einkäufen ist es eine große Hilfe auf Behindertenparkplätzen vorne beim Eingang zu parken und wir benützen es wenn O. dabei ist, damit er nicht so viel gehen muß.

Wir brauchen auch unser Auto um nach S. zu fahren bzw. um die Prothese reparieren zu lassen (allein für diese Prothese wurde es min. 5 x nachrepariert, weil O. öfters runtergefallen ist). Während der Reparaturzeit und auch nach der Entfernung der 8-plate mußte er mit Krücken in die Schule gehen. O. braucht jedes Jahr eine neue Orthoprothese. Sein neuer Gipsabdruck wurde am Do, 07.06.2018 gemacht, sobald alles fertig ist, nehmen wir wieder einen Termin beim Prof. Dr. G. in S.

Für uns ist es lächerlich uns mit so etwas zu befassen, weil seine Behinderung ersichtlich ist. Wir wollen nur unserem Sohn das Leben etwas leichter machen, lassen ihn alles ausprobieren, er versucht es und ermüdet schnell. Dann kommen die Fragen, warum er so ein Bein hat und seine Schwester bzw. die anderen Kinder nicht. Ich war bereits mit ihm bei einem türkischen Psychiater, wie er noch in den Kindergarten gegangen ist. Denn nach einer gewissen Zeit reichen O. unsere Antworten leider nicht.

..."

Aufgrund der eingebrachten Beschwerde holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 23.04.2018 erstellt hatte, vom 03.07.2018 ein. In dieser Stellungnahme wird - hier auszugsweise dargestellt - Folgendes ausgeführt:

"...

Ein neuer Befund wird vorgelegt:

Aus dem orthopädischen Befund Orthopädisches Spital S. vom 21.6.2018:

Bei dem Patienten besteht eine massive angeborene Deformitat im Sinne einer Fibulaaplasie rechts, sowie auch Femurdefekt rechts. Der Patient ist seit seinem 1. Lebensjahr im Orthopädischen Spital in regelmäßger Kontrolle.

Insgesamt wurden hierorts 10 orthopädische Operationen durchgeführt im Sinne von zweimaligen Beinverlängerungen, eines Versuchs der Rekonstruktion des nur 2-strahligen Fußes, sowie mehrfachen Achskorrekturen.

Insgesamt besteht nun ein Zustand der Verkürzung von 10 cm der rechten unteren Extremität. Es besteht ein massiv instabiles Kniegelenk. Streckdefizit im rechten Kniegelenk von 10°, die Beugung ist bei 120° limitiert.

Der Patient muss für sein weiteres Leben eine Orthoprothese der rechten unteren Extremität tragen (um die Beinlängendifferenz und die Knieinstabilität auszugleichen). Ein neuerlicher operativer Eingriff mit Beinverlängerung soll vorerst nicht durchgeführt werden.

Der neu vorgelegte Befund führt zu keiner Änderung der Einschätzung bezüglich der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) kann bei funktionierender Orthoprothese selbstständig zurückgelegt werden. Stufen können bei guter Beugung im Kniegelenk überwunden werden.

Es besteht keine verminderte körperliche Belastbarkeit und kein Funktionsdefizit im Bereich der oberen Extremitäten.

Eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) kann daher selbstständig zurückgelegt werden. Ein sicherer Transport im Verkehrsmittel (inklusive Ein- und Aussteigen) sowie Anhalten ist möglich.

..."

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 03.07.2018 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 22.05.2018 gemäß §§ 41, 42 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen würden. Begründend wurde auf die Ergebnisse der im Zuge der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eingeholten Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.07.2018 verwiesen. Diese Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer als Beilage zur Beschwerdevorentscheidung übermittelt.

Mit E-Mail vom 16.07.2018 brachte der minderjährige Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, fristgerecht einen als "Einspruch/Beschwerde" bezeichneten Vorlageantrag ein. Im Vorlageantrag wird Folgendes - hier auszugsweise und in anonymisierter Form dargestellt - ausgeführt:

"...

Der orthopädische Befund von Prim. Doz. Dr. G. (Vorstand Kinderorthopädie S.) war wahrscheinlich nicht aussagekräftig genug, sodass Sie es Ihrer Ärztin Dr. M. zum Durchlesen gegeben haben.

Unser Sohn hat seine neue Prothese am 03.07.2018 bekommen, den ganzen Tag waren wir bei P. in Wien. Leider wurde es nicht fertig und wir mussten am 06.07.2018 erneut hingehen. Über das Wochenende hat er seine neue Prothese getragen, am 10.07.2018 waren wir mit dem Auto einkaufen beim Hofer in D. Gleich nach dem Eingang im Geschäft hat er plötzlich Schmerzen bekommen und hat geweint. Ich habe nur das Nötigste (Eier, Brot,..) gekauft und sofort am Hofer-Parkplatz die Firma P. angerufen. Gott sei Dank bekamen wir einen Termin um 13:00 Uhr. Zu Hause angekommen, sah ich Ihren Brief mit der Absage der Unzumutbarkeit und habe gleich auch Hrn. K.-M. angerufen. Er sagte mir ich soll noch einmal eine Beschwerde schreiben. Danach musste O. mit Krücken nach Wien fahren, siehe dazu die angehängten Bilder. Trotz allem habe ich wieder ein Auto und wir waren in ca. 45 Minuten von D. zu P. Wien.

Hiermit erheben wir Einspruch/Beschwerde gegen Ihren Bescheid und verlangen einen Vorlageantrag beim Gericht und eine nochmalige Kontrolle seitens eines anderen Arztes Ihrerseits in Wien.

Denn laut Ihrer Meinung brauchen wir kein Auto für O. Seit ca. 2 Jahren leben wir in D., hier gibt es leider keine U-Bahn, Straßenbahn,... Der Bus fährt zu jeder vollen Stunde eine bestimmte Strecke. Selbst der Spielplatz K. (600 m) und der Bahnhof 950 Meter von uns entfernt. Hier sind einige Bereiche aufgezählt von Google mit Autoangaben von uns entfernt:

• nächste Einkaufsmöglichkeit Spar D. --> 750 Meter

• Hofer D. --> 1,7 km

• Bahnhof D.W. --> 950 Meter

• Allg. Arzt Dr. B. D.--> 900 Meter

• Zahnarzt D.W. --> 1,1 km

• nächste Apotheke D. --> 2 km

• NMS D. --> 1,8 km (im September 2018 wird er die Neue Mittelschule besuchen)

• Augenarzt Dr. T. GF --> 14 km (O. schielt mit dem Auge und muss alle 6 Monate kontrolliert werden)

• HNO 1220 Dr. H. --> 13 km (O. hört mit beiden Ohren nicht gut, 2.

Hörtest am 17.07.2018, wahrscheinlich braucht er beidseitig Hörgeräte)

• P. 1120 Wien --> 30 km

• OSS S. Wien --> 33 km

• Spielplatz K. D.W. --> 600 m (selbst der Spielplatz ist entfernt von uns)

Unser Terminplan für diesen Monat:

• 03.07. --> P. Anprobe 1 (siehe Anhang neue Prothese)

• 06.07. --> P. Anprobe 2 (siehe Anhang Zeitbestätigungen)

• 10.07. --> P. Schmerzen

• 13.07. --> Zahnarzt Kontrolle O. und Schwester Deutsch-Wagram

• 17.07. --> HNO H. 2. Hörtest

• 19.07. --> Zahnarzt Schwester von O. (O. muss mitkommen, da er nicht alleine zu Hause bleiben kann)

• 24.07. --> P., das Bein schläft ein und die Prothese sitzt nicht ordentlich, deswegen trägt er die Prothese zu Hause weniger und krabbelt oder hüpft im Haus herum, da es mit Krücken schwierig ist

• 31.07. --> OSS S. Dr. G., Vorstellung der neuen Prothese und Besprechung der weiteren Behandlung

Wie sollen wir das Alles bewältigen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von D. aus? Warum wollen Sie das Leben für unseren Sohn und uns noch schwerer machen, wir verstehen es NICHT? Soll ich meine Kinder eine Stunde zu Hause alleine lassen, um zu Fuß vom Spar Brot oder Milch zu kaufen?

Machen wir doch einmal einen Versuch: verwenden Sie nur 1 Stunde Ihre rechte Hand nicht, wenn Sie Rechtshändler sind und machen alles mit Links (anziehen, auf WC gehen, sich waschen, kochen, schneiden, essen, trinken, Haus-/Gartenarbeit machen,...). Vielleicht verstehen Sie dann die Schwierigkeiten, die Menschen mit Behinderung haben.

Die Freunde unseres Sohnes kommen ihn selbständig besuchen, bleiben stundenlang (spielen UNO, Playstation, Handy,..) und gehen wieder selber nach Hause. Ich muss O. zu seinen Freunden hinfahren und ihn wieder abholen. Andere Kinder in seinem Alter machen alles selber. Er braucht noch unsere Hilfe beim Essen-Schneiden, Duschen, Anziehen und Ausziehen der Prothese bzw. der Kleider, zur Schule / Freunde bringen und abholen, Hausübungen machen, Schuhe an- und ausziehen,

...

Bitte um nochmalige Begutachtung unseres Sohnes O. durch einen anderen Arzt Ihrerseits in Wien. Wir sind mit der Betreuung durch Fr. Dr. M. nicht zufrieden.

Zu Ihrer Information: wir sind von 08.08 bis ca. 31.08.2018 auf Urlaub in der Türkei. Bitte um Kenntnisnahme dieses Termins wegen Rückantworten bzw. Terminvergaben.

Wir möchten unsere Zeit und Kraft für unsere Kinder verwenden und nicht mit Papierkram, wo Sie immer nur Paragraphen schreiben, welche wir nicht verstehen. Unser nächster Schritt geht dann über unseren Rechtsschutz, da ich trotz einem Handelsschulabschluss mit ausgezeichnetem Erfolg und mein Mann lebt seit ca. 25 Jahren in Österreich und spricht sehr gut Deutsch, Ihren Brief nicht zu 100 % verstehen.

..."

Dem Vorlageantrag wurden diverse Fotos des Beschwerdeführers und eine Zeit- sowie eine Empfangsbestätigung der Firma P. beigelegt. Es wurden keine medizinischen Befunde beigelegt.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt am 17.07.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der minderjährige Beschwerdeführer ist Inhaber eines 31.05.2020 befristet ausgestellten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Der Beschwerdeführer stellte am 08.01.2018, vertreten durch seine Mutter, beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgender im Zusammenhang mit der Frage der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevanten Funktionseinschränkung:

* Fibulahemimelie rechts; versorgt mit Orthoprothese

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen im oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.04.2018 und in der eingeholten Stellungnahme vom 03.07.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Vorliegen eines befristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zur vorliegenden Funktionseinschränkung und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.04.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.02.2018, und auf die ergänzend auf Grund des Beschwerdevorbringens eingeholten Stellungnahme vom 03.07.2018 derselben Ärztin für Allgemeinmedizin. Unter Berücksichtigung der ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers wurde von der medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkung festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist.

Die medizinische Sachverständige führt in ihrem Gutachten aus, dass beim Beschwerdeführer eine Hemimelie rechts besteht, die mit einer Orthoprothese versorgt ist. Damit besteht ein sicheres Gangbild, eine kurze Wegstrecke kann vom Beschwerdeführer selbstständig zurückgelegt werden. Ein sicherer Transport im Verkehrsmittel (inklusive Ein- und Aussteigen) ist möglich. Es liegt beim Beschwerdeführer auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor. Im Rahmen der Beschwerde vom 26.06.2018 wurde ein neues orthopädisches Gutachten vorgelegt, diesbezüglich wurde von der belangten Behörde eine Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 23.04.2018 erstellt hat, vom 03.07.2018 eingeholt. In dieser Stellungnahme gelangte die Gutachterin zu dem Schluss, dass der neu vorgelegte Befund zu keiner Änderung der Einschätzung bezüglich der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führt. Eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) kann bei funktionierender Orthoprothese - auch wenn diese repariert werden und jährlich erneuert werden muss - selbstständig zurückgelegt werden, Stufen können bei guter Beugung im Kniegelenk überwunden werden. Es besteht beim Beschwerdeführer keine erheblich verminderte körperliche Belastbarkeit und kein Funktionsdefizit im Bereich der oberen Extremitäten. Eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) kann daher selbstständig zurückgelegt werden. Ein sicherer Transport im Verkehrsmittel (inklusive Ein- und Aussteigen) sowie Anhalten ist möglich.

Die medizinische Sachverständige gelangte unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten somit zu dem Schluss, dass die anerkannte Gesundheitsschädigung keine erheblichen Einschränkungen der Mobilität nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Folge hat. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 27.02.2018 wurde von der medizinischen Gutachterin erhoben, dass die Orthoprothese vom Beschwerdeführer selbstständig angelegt werden kann, dies wurde von ihm im Rahmen der persönlichen Untersuchung auch vorgeführt. Beim Beschwerdeführer besteht mit Straßenschuhen und Orthoprothese ein unauffälliges Gangbild. Daraus ergibt sich zwar, bestätigt durch die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, dass beim Beschwerdeführer durchaus nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkungen vorliegen, die die Lebensumstände der Familie des Beschwerdeführers erschweren, worauf auch in der Beschwerde verständlicher Weise hingewiesen wird. Unter Berücksichtigung der ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers wurde von der medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkung jedoch zutreffend festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zumutbar ist.

Insofern in der Beschwerde gerügt, dass es dem Beschwerdeführer - anders als im Sachverständigengutachten vom 23.04.2018 festgehalten worden sei - nicht möglich sei, stundenlang Fußball zu spielen und jeden Tag mit dem Schulbus zu fahren, ist darauf hinzuweisen, dass aus dem medizinischen Sachverständigengutachten nicht hervorgeht, dass es dem Beschwerdeführer möglich sei, stundenlang Fußball zu spielen bzw. dass er jeden Tag mit dem Bus in die Schule fahre. Die Gutachterin, welche das Gutachten vom 23.04.2018 erstellt, hat, hielt unter dem Punkt "Derzeitige Beschwerden" lediglich fest, dass der Beschwerdeführer selbstständig mit dem Bus in die Schule fährt, am Turnunterricht teilnimmt und Fußball spielt. Abgesehen davon ergeben sich für das erkennende Gericht keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme, dass die medizinische Sachverständige pflichtwidrig falsche Tatsachen protokolliert hätte und ergibt sich eine solche Annahme auch nicht aus dem diesbezüglich nicht ausreichend substantiierten Vorbringen in der Beschwerde.

Insoweit im Vorlageantrag vorgebracht wird, dass die Mutter des Beschwerdeführer "mit der Betreuung durch die sachverständige Gutachterin nicht zufrieden" sei, ist anzumerken, dass sich dem medizinischen Sachverständigengutachten bzw. der medizinischen Stellungnahme keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen lassen, dass beim Beschwerdeführer keine fachgerechte Untersuchung durchgeführt worden wäre und ergibt sich eine solche Annahme auch nicht aus dem diesbezüglich nicht ausreichend substantiierten Vorbringen im Vorlageantrag; im Übrigen ist es im gegenständlichen Verfahren nicht Aufgabe der medizinischen Sachverständigen, dem Antragsteller eine medizinische Betreuung zukommen zu lassen, sondern eine Beurteilung auf Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vorzunehmen.

Hinsichtlich der bestehenden Funktionseinschränkung und deren Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel tätigte der Beschwerdeführer daher im Beschwerdeverfahren kein Vorbringen, das die Beurteilungen der medizinischen Sachverständigen vom 23.04.2018 bzw. die Stellungnahme vom 03.07.2018 entkräften hätte können; dem Vorlageantrag wurden zwar diverse Fotos des Beschwerdeführers und eine Zeit- sowie eine Empfangsbestätigung der Firma P. betreffend die Prothesenversorgung beigelegt, es wurden jedoch keine weiteren Befunde beigelegt, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates - etwa in der Hinsicht, dass die Prothese generell funktionsunfähig wäre - zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten bzw. der aufgrund der Beschwerde eingeholten Stellungnahme in der Beschwerde bzw. im Rahmen des Vorlageantrages daher im Ergebnis nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden medizinischen Sachverständigengutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.04.2018 bzw. deren Stellungnahme vom 03.07.2018 und werden diese in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a)...

b)...

...

2. ...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend - Folgendes ausgeführt:

"§ 1 Abs. 2 Z 3:

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-

Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-

hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-

schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-

nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-

anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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