TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/21 W165 2188969-1

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Veröffentlicht am 21.12.2018
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Entscheidungsdatum

21.12.2018

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W165 2188987-1/18E

W165 2188977-1/11E

W165 2188996-1/9E

W165 2188982-1/11E

W165 2188970-1/11E

W165 2188972-1/11E

W165 2188969-1/11E

W165 2188990-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , 2) XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , 3) XXXX ,

gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , 4) XXXX ,

gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , 5) XXXX ,

gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , 6) XXXX ,

gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , 7) XXXX ,

gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX und 8) XXXX ,

gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.02.2018, Zl. 1176233109-171372981/BMI-EAST-West (1), Zl. 1176235604-171373015/BMI-EAST-West (2), Zl. 1176232101-171373031/BMI-EAST-West (3), Zl. 1176232210-171373066/BMI-EAST-West (4), Zl. 1176232406-171373074/BMI-EAST-West (5), Zl. 1176232602-171373104/BMI-EAST-West (6), Zl. 1176232700-171373125/BMI-EAST-West (7) und Zl. 1176232809-171373139/BMI-EAST-West (8), zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG

idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: 1.BF) ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Achtbeschwerdeführer (im Folgenden: 2.-8. BF). Die Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gelangten illegal in das österreichische Bundesgebiet und brachten am 10.12.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz in Österreich ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab hinsichtlich der 1.-7.BF Treffermeldungen der Kategorie "1" zu Bulgarien vom 13.10.2016 und hinsichtlich aller BF Treffermeldungen der Kategorie "1" zu Kroatien vom 10.11.2017 und zu Slowenien vom 27.11.2017 und eine Treffermeldung der Kategorie "2" zu Kroatien vom 10.11.2017.

In ihrer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.12.2017 gab die 1.BF an, dass sie vom Iran aus über die Türkei und Bulgarien nach Serbien eingereist sei, wo sie sich ca. ein Jahr aufgehalten habe. In weiterer Folge habe sie sich über Kroatien und Slowenien nach Italien begeben. Zum Aufenthalt in den durchreisten EU-Ländern befragt, erklärte die

1. BF, dass in Bulgarien die Lage für eine Flüchtlingsfamilie sehr schlecht gewesen sei, da im Flüchtlingscamp viel Alkohol getrunken worden sei und es viele Schlägereien gegeben habe. Sie habe mit ihren Kindern in ständiger Angst leben müssen. In Kroatien sei die Lage insgesamt noch schlechter als in Bulgarien gewesen, da sie ihr Zimmer nicht verlassen habe können und männliche Asylwerber ihre minderjährige Tochter missbrauchen hätten wollen. In Slowenien und in Italien sei die Situation ebenfalls problematisch gewesen und da sich niemand um sie gekümmert habe, sei sie mit ihren Kindern nach Österreich weitergereist. Sie habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht und ihr Zielland sei nunmehr Österreich. Im österreichischen Bundesgebiet sei ein namentlich genannter Cousin der 1.BF aufhältig. Gesundheitliche Beschwerden wurden nicht geltend gemacht.

Am 19.12.2017 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden. BFA) auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestützte Wiederaufnahmegesuche an Kroatien.

Mit Schreiben vom 29.12.2017 stimmten die kroatischen Behörden diesem Gesuch gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 24.01.2017, der die 2.BF beigezogen wurde, gab die 1.BF - in Anwesenheit eines Rechtsberaters und nach durchgeführter Rechtsberatung - an, dass ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe haben würden. Sie leide seit dem Tod ihres Mannes vor zweieineinhalb Jahren an Asthma, Depressionen und einer Schwellung im Halsbereich, weswegen sie bereits geröntgt worden sei. Zudem müsse sie zu einer weiteren Untersuchung in ein Krankenhaus, es gebe jedoch noch keinen konkreten Termin. In Serbien sei sie bereits untersucht worden, habe jedoch mangels medizinischer Geräte keine Möglichkeit gehabt, sich operieren zu lassen. Weiters leide sie unter Depressionen und Angstgefühlen, nehme derzeit jedoch noch keine Medikamente ein. Die

2. BF habe manchmal Selbstmordgedanken. Einen Arzttermin habe es, so die 2.BF, nicht gegeben. Der 3.BF habe in Serbien sehr gelitten und sich die Arme aufgeritzt. Durch den Schulbesuch in Österreich habe sich die Situation sehr gebessert. Der 6.BF habe ein Problem im Brustbereich. Beim Arzt sei sie mit ihrem Sohn nicht gewesen. Sie hätten keine Zeit für Arztbesuche gehabt. Die 1.BF wurde aufgefordert, medizinische Befunde unaufgefordert vorzulegen und sagte dies zu. Sie könne keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen und habe in Österreich keine Verwandten oder sonstige Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestehe. Ein Cousin sei mit ihr und ihren Kindern gemeinsam nach Österreich gekommen und wohne in derselben Unterkunft wie die Familie. Sie sei ein Jahr in Serbien gewesen und sei ihr jüngster Sohn dort geboren worden. Zu ihrem Aufenthalt in Kroatien befragt, gab die 1.BF zu Protokoll, dass sie sich insgesamt sechs Tage in Kroatien aufgehalten hätten und von den kroatischen Behörden untergebracht und verpflegt worden seien. In Kroatien habe sie keinen Asylantrag gestellt, da Kroatien nicht ihr Zielland gewesen sei. Zudem seien sie dort noch schlechter als in Serbien behandelt worden. Ihr (nunmehriger) Ehemann sei nach Serbien zurückgeschickt worden und sie sei mit ihren Kindern in Kroatien verblieben. In der Unterkunft sei ihre Tochter begrapscht und belästigt worden. Sie selbst sei von einem Pakistani belästigt worden, der sie um Geld für die Reise angebettelt habe. Sie sei zwei Mal bei der Polizei gewesen, diese sei jedoch untätig geblieben. Ihren nunmehrigen Ehemann wolle sie verlassen, da er ihre Tochter sexuell belästigt habe. Ob ihr Mann erneut versucht habe, nach Kroatien einzureisen, wisse sie nicht. Der Rechtsberater gab an, dass man die kroatische Behörde befragen solle, ob der Ehemann der

1. BF in Kroatien sei, da die Familie in diesem Fall in Gefahr wäre und Österreich vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen sollte.

Hinsichtlich der 1.BF wurden folgende medizinische Unterlagen zur Vorlage gebracht:

-

Befund eines Klinikums vom 16.01.2018: Der linke Schilddrüsenlappen deutlich vergrößert, Knotenstruma (Kropf) beidseits. Nuklearmedizinische Vorstellung empfehlenswert.

-

Arztbrief der Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin eines Klinikums vom 01.02.2018 über einen stationären Aufenthalt vom 26.01.2018-02.02.2018, Diagnose bei Entlassung:

Posttraumatische Belastungsstörung, Depressive Episode, große regressive Struma multinodosa-derzeit latent hyperthyreote Funktion, derzeit Laktationsperiode, Empfohlene Medikation: Quetiapin,

Sertalin, weitere empfohlene Maßnahmen: Operative Sanierung der Schilddrüse, nuklearmedizinische Schilddrüsenkontrollen, Vermeidung vermehrter exogener Jodzufuhr, weiterführende psychotherapeutische

Gesprächstherapie. Zusammenfassung des Aufenthaltes: ... Erfreulicherweise lässt sich im Laufe des stationären Aufenthaltes eine zufriedenstellende Schlafqualität erzielen. Auch die Stimmungslage der Pat. bessert sich deutlich. Flashbacks und SMG treten deutlich in den Hintergrund und sind zum Entlassungszeitpunkt überhaupt nicht mehr vorhanden. Schließlich können wir Frau XXX in deutlich gebessertem psychischen Zustand, frei von Suizidalität wieder aus der stationären Behandlung entlassen worden.

Hinsichtlich der 2.BF wurden folgende medizinische Unterlagen zur Vorlage gebracht:

-

Überweisung an einen Dermatologen vom 08.01.2018 zum Zweck der Kontroll-Begutachtung und Erstellung eines Befundes. Diagnose: Akne vulgaris; diffuses Efluvium

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden I. die Anträge der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung der Anträge zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung der BF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

Zu Kroatien werden folgende Feststellungen getroffen:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 14.11.2017, Versorgung (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer und Abschnitt 6/Versorgung).

Derzeitige Unterbringungskapazitäten für Asylwerber in Kroatien (Stand: 7.11.2017):

Zentrum Zagreb (Hotel Porin): 600 Plätze (Auslastung: 439)

Zentrum Kutina: 100 Plätze (Auslastung: 48)

Das Hotel Porin soll bald renoviert werden und eine größere Anzahl von Asylwerbern währenddessen anderweitig untergebracht werden. Kutina wird weiterhin für Familien und Vulnerable benutzt. Anhand der derzeit verfügbaren Unterbringungskapazitäten besteht momentan kein Bedarf zur Schaffung zusätzlicher Unterbringungsplätze für Asylwerber bzw. Dublin-Rückkehrer (VB 8.11.2017).

Das geschlossene Zentrum Jezevo wird weiterhin für Fremde genützt, welche aus verschiedenen Gründen festgenommen wurden bzw. auf ihre Abschiebung oder Rückkehr warten. Durchschnittlich sind ca. 20 - 30 Personen dort aufhältig.

Die beiden Transitzentren in Tovarnik (serbische Grenze) und Trilj (bosnische Grenze) sind in Betrieb gegangen und haben eine Kapazität von ca. 90 Plätzen pro Zentrum. Sie werden nicht für den Asylbereich sondern für die Verwahrung festgenommener illegaler Migranten genutzt. Beide Objekte wurden vom VB besichtigt und haben einen sehr hohen Standard an Infrastruktur (VB 8.11.2017).

Mehrere NGOs bieten derzeit in den Unterbringungszentren für Asylwerber ihre Dienste an. Das Kroatische Rote Kreuz leistet psychosoziale Hilfe, organisiert fachärztliche Untersuchungen und Transport, besorgt bestimmte Medikamente und organisiert andere Aktivitäten. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst (JRS) leistet psychosoziale Hilfe. Der Verband baptistischer Kirchen organisiert unter anderem auch den Transport zu einem Zahnarzt. Das Rehabilitationszentrum für Stress und Trauma leistet psychosoziale Hilfe. Das kroatische Zentrum für rechtliche Angelegenheiten biete rechtliche Beratungen an. Médecins du Monde bietet die ganze Bandbreite der Gesundheitsfürsorge an. In den beiden offenen Unterbringungszentren wurde je eine Arztpraxis/Ärzteambulanz organisiert, welche täglich geöffnet ist. In Zagreb wird sie von Médecins du Monde geführt, welche auch zweimal im Monat Besuche von Fachärzten für Gynäkologie, Pädiatrie und Psychologie organisieren. Außerdem steht für die Asylwerber in Kroatien generell auch ärztliche Nothilfe, notwendige Behandlung von Krankheiten und ernsthaften psychischen Störungen zur Verfügung (VB 8.11.2017).

Derzeit gibt es keine registrierten drogensüchtigen Asylwerber in Kroatien. Wenn sich aber ein Asylwerber bei seinem ersten Gesundheitscheck als drogenabhängig deklariert (das gilt auch für Dublin-Rückkehrer, falls im Rahmen des Dublin-Verfahrens keine medizinischen Unterlagen übermittelt wurden), wird eine medizinische Überprüfung vorgenommen und eine für den Betreffenden notwendige Therapie festgelegt. Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Asylwerber auf einer höheren Dosis oder anderen Substitutionsmedikamenten bestanden haben und angaben, diese auch in anderen Mitgliedsstaaten erhalten zu haben. Kroatien betont jedoch, dass jedem Asylwerber, welcher sich als Drogensüchtiger deklariert, nach medizinischen Tests seitens der zuständigen Behörde, die notwendige Therapie vorgeschrieben wird (VB 8.11.2017).

Quellen:

-

VB des BM.I für Kroatien (8.11.2017): Bericht des kroatischen Innenministeriums, per E-Mail

2. Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 3.2017; für weitere Informationen siehe dieselbe Quelle).

Von Jänner bis einschließlich Juli 2017 verzeichnete Kroatien 902 Asylanträge. Im selben Zeitraum entzogen sich 661 Personen dem Asylverfahren durch Untertauchen (VB 28.8.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017

-

VB des BM.I für Kroatien (28.8.2017): Bericht des VB, per E-Mail

3. Dublin-Rückkehrer

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren, haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in so einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 3.2017).

Dublin-Rückkehrer nach Kroatien haben bei Rückkehr Zugang zum Verfahren. In der Regel werden Neuanträge eingebracht (VB 9.11.2016).

Die NGO ECRE kritisierte Ende 2016, dass vor allem Vulnerable von Dublin-Überstellungen nach Kroatien betroffen seien und führt aus, dass die Unterbringungsbedingungen in Kroatien zwar keinen kompletten Überstellungsstopp rechtfertigen mögen, rät aber dennoch dazu, von der Überstellung vulnerabler Personen Abstand zu nehmen (ECRE 15.12.2016).

Gemäß Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs dürfen Migranten im Rahmen Dublin-VO nach Kroatien zurückgeschickt werden, die im Zuge der sogenannten "Flüchtlingskrise" von 2015/2016 von Kroatien "durchgewunken" worden waren. Die Weiterreise der betreffenden Migranten erfolgte dem EuGH zufolge illegal und die Dublin-Regeln sind anzuwenden (DS 26.7.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017

-

DS - Der Standard (26.7.2017): Entscheidung zu Asylregeln:

Kroatien befürchtet hunderte Rückschiebungen, http://derstandard.at/2000061843511/EU-Hoechstgericht-zu-Asylregeln-Kroatien-befuerchtet-hunderte-Rueckschiebungen, Zugriff 14.8.2017

-

ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):

Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,

https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017

-

VB des BM.I für Kroatien (9.11.2016): Bericht des VB, per E-Mail

4. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel und Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt (z.B. FGM-Opfer). Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete Unterstützung-auch medizinisch - zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß Vulnerabilität tatsächlich systematisch identifiziert wird. Generell hängt dies wohl eher vom zuständigen Beamten ab. Für Vulnerable gibt es kein institutionalisiertes Früherkennungssystem. Anträge von Unbegleiteten Minderjährigen Asylwerbern (UMA) haben Priorität (AIDA 3.2017).

In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Dabei ist man in der Unterbringung stark auf die tägliche Mitarbeit der dort tätigen NGOs angewiesen, die gegebenenfalls Vulnerable erkennen und entsprechend ihrer Bedürfnisse weiterverweisen können. Eine erste Einschätzung nimmt bei deren Ankunft im Unterbringungszentrum "Hotel Porin" das Kroatische Rote Kreuz vor, wo in vielen Fällen bereits spezielle Bedürfnisse erkannt werden können (ECRE 15.12.2016).

Unbegleiteten Minderjährigen (UM), die den Wunsch nach Asyl erkennen lassen, ist vom Zentrum für soziale Wohlfahrt noch vor Antragstellung ein geeigneter Vormund zur Seite zu stellen. Das geschieht in der Regel sofort (Kutina) oder dauert bis zu 4 Wochen (Zagreb). Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Überlastung und Verständigungsprobleme können dazu führen, dass die Rolle der Vormunde eher formal bleibt und sie nicht aktiv im Sinne ihrer Schutzbefohlenen tätig werden. 2016 wurden auch Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes in einigen Fällen als Vormunde bestellt. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Ist ein UM über 16 Jahre und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 3.2017).

Es werden weiterhin unbegleitete Minderjährige in Heimen untergebracht, darunter auch Einrichtungen für verhaltensauffällige Kinder, ohne eine geeignete Vormundschaft und ohne Zugang zu Bildung (HRW 12.1.2017).

Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Kind täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Kindes und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus allgemeiner medizinischer Untersuchung und Röntgen der Zähne oder der Hand. Im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der ASt. als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber nicht (nur) deswegen abgelehnt werden. Im Zweifel ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Diese Vorgehensweise wurde aber noch nie angewandt. In der Praxis haben Mitarbeiter der Zentren für soziale Wohlfahrt auf Basis der physischen Erscheinung entschieden. Die bei der Betreuung von UM zuständigen Behörden haben sich auf ein "Protocol on treatment of separated children-foreign nationals" geeinigt, um einheitliche Abläufe bei Betreuung und Schutz von UM garantieren zu können. Auch UNHCR hat dazu Input geliefert (AIDA 3.2017).

Alle Kinder von Asylwerbern im schulpflichtigen Alter, die im sogenannten "Hotel Porin" untergebracht sind, können nahegelegene Volksschulen und Kindergärten besuchen. Nationale Kapazitäten zur Integration der Kinder von Flüchtlingen und Migranten in das kroatische Bildungssystem, werden durch ein von UNICEF unterstütztes Aufbauprogramm weiter gestärkt (UNICEF 15.3.2017; vgl. UNHCR 1.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017

-

ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):

Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,

https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - European Union, https://www.ecoi.net/local_link/334735/476552_de.html, Zugriff 21.8.2017

-

UNICEF - Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (15.3.2017):

Refugee and Migrant Crisis in Europe. Humanitarian Situation Report # 21, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/54644, Zugriff 31.8.2017

-

UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (1.2017): EUROPE'S REFUGEE SITUATION RESPONSE UPDATE #34, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1490269116_unhcr-update-on-the-emergency-response-in-europe-january-2017.pdf, Zugriff 21.8.2017

5. Non-Refoulement

Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte "Push-backs" von Migranten an der Grenze zu Serbien (HRW 12.1.2017; vgl. UNHCR 1.2017; AIDA 3.2017).

Es gibt eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien und Tunesien. Bisher wurde das Konzept des sicheren Herkunftslandes meist bei Algeriern und Marokkanern angewandt. Laut Gesetz ist ein sicherer Drittstaat einer, in welchem ein Antragsteller sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko einen ernsten Schaden zu erleiden; welcher das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und welcher effektiven Zugang zum Asylverfahren gewährt. Ob dies zutrifft ist eine Einzelfallentscheidung. Wen ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 3.2017).

Es bestehen bei Rückkehr nach Kroatien derzeit offenbar keine Risiken bezüglich Kettenabschiebung in andere Länder. Obwohl das Gesetz erlaubt, Anträge als unzulässig abzulehnen wenn ein Antragsteller aus einem sicheren Drittland bzw. einem europäischen sicheren Drittland kommt oder dort bereits Flüchtlingsstatus hat, wurden diese Bestimmungen - zumindest bis Ende 2016 - noch nicht in der Praxis angewandt (ECRE 15.12.2016).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017

-

ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):

Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,

https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - European Union, https://www.ecoi.net/local_link/334735/476552_de.html, Zugriff 21.8.2017

-

UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (1.2017): EUROPE'S REFUGEE SITUATION RESPONSE UPDATE #34, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1490269116_unhcr-update-on-the-emergency-response-in-europe-january-2017.pdf, Zugriff 21.8.2017

6. Versorgung

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht umfasst Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung und gilt ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen. Nur für Folgeantragsteller gelten Einschränkungen. Die monatliche finanzielle Unterstützung gibt es ab Unterbringung in einem Zentrum. Diese betrug Ende 2016 100 Kuna (EUR 13,30) für eine Person. Gibt es abhängige Familienmitglieder, erhöht sich der Betrag. Trotzdem gilt die Unterstützung als sehr gering bemessen. Seit Mitte 2016 dürfen Asylwerber in Zagreb die öffentlichen Verkehrsmittel gratis benützen. Asylwerber (AW) deren Verfahren nach 9 Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für AW wird durch die Sprachbarriere und hohe Arbeitslosigkeit behindert. AW haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber innerhalb der Unterbringungszentren mitarbeiten und werden in Form zusätzlicher Bedarfsartikel entlohnt (AIDA 3.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017

6.1. Unterbringung

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in Unterbringungszentren für Asylwerber (AW). Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über 2 offene Unterbringungszentren für AW, in Zagreb (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 82 Plätze) (AIDA 3.2017). Andere Quellen begnügen sich damit die Unterbringungskapazität in beiden Zentren mit rund 700 anzugeben (UNHRC 28.4.2017). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt, wobei Kutina primär der Unterbringung vulnerabler AW dient. Bezüglich der Unterbringungsbedingungen werden keine besonderen Probleme berichtet. Es gibt in den Zentren u.a. präventive Maßnahmen gegen sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt, Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an (AIDA 3.2017).

Mit Stand 20.8.2017 waren in den kroatischen Unterbringungseinrichtungen insgesamt ca. 600 Personen aufhältig (VB 28.8.2017).

In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Kinder bis 16 Jahre erhalten auch eine Nachmittagsjause. In Kutina gibt es Küchen, in denen die AW selbst kochen können. In Zagreb ist dies in Planung. Spezielle Anforderungen an die Ernährung (z.B. ärztliche Verschreibung oder religiöse Gründe) werden berücksichtigt, wobei es 2016 diesbezüglich scheinbar auch einige Probleme gab. Nach Angaben des Kroatischen Roten Kreuzes bieten 204 Sozialarbeiter täglich psychosoziale Unterstützung und organisieren soziale und pädagogische Aktivitäten mit Asylsuchenden in Zagreb (Montag-Samstag) und Kutina (Montag-Sonntag). Hauptaktivitäten sind: Unterstützung (Unterbringung, Erstinformation, usw.); Individuelle und familiäre psychosoziale Unterstützung nach Bedarf; Unterstützung von unbegleiteten Minderjährigen; Besondere Betreuung für Personen mit psychischen Problemen und potenziellen Opfern von Folter und Trauma; Spiel- und Bildungsaktivitäten mit Kindern; Unterstützung bei Schulaufgaben; Einführung in die kroatische Kultur, Sitten und Gebräuche; Gruppen- und Einzelarbeit mit einzelnen Frauen, einschließlich Einzelgesprächen zur Verhütung von Menschenhandel und sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt; Konflikt- und Gewaltprävention, Workshops zur Verhütung des Menschenhandels;

Sportliche Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Empfangszentren;

Sprachkurse für Kroatisch und Englisch; Hygieneförderung und Gesundheitserziehung; Jobcenter; Bibliothek; Friseursalon;

Bereitstellung von Informationen, praktische Unterstützung im täglichen Leben; Verweis an das Innenministerium zur Gesundheitsversorgung, an spezialisierte Einrichtungen der psychologischen und psychischen Gesundheit; und Organisation von Gemeindeversammlungen in Kutina und Zagreb (Vox Populi). Der Jesuitische Flüchtlingsdienst hat einen Computerraum mit neun Computern in Zagreb eingerichtet. Das Klassenzimmer ist täglich von Montag bis Freitag mit der Anwesenheit eines Dolmetschers und freiwilligen Unterstützern geöffnet. Gelegentlich ist die Klasse auch samstags und sonntags geöffnet. Seit November 2016 halten Freiwillige einmal wöchentlich einen Computerkurs nur für Frauen und einmal wöchentlich einen gemischten Kurs ab. 2016 waren viele internationale und nichtstaatliche Organisationen wie IOM, UNICEF, Save the Children und nationale NGOs (Kroatisches Rotes Kreuz, Croatian Law Center, JRS, Center for Peace Studies, u.a.) in beiden Empfangszentren aktiv. Es wurden auch verschiedene soziale und pädagogische Aktivitäten für Frauen und Kinder organisiert. Kroatisch- Sprachkurse werden vom Kroatischen Roten Kreuz, dem Center for Peace Studies und dem Jesuitischen Flüchtlingsdienst organisiert. Im Empfangszentrum Kutina sind die Freiwilligen des Centre for Peace Studies einmal wöchentlich (Montag nachmittags und abends) präsent. Freiwillige führen seit Februar 2014 psychosoziale Hilfstätigkeiten für Asylsuchende im Zentrum in Zagreb durch (Informationen über Asylsystem, kroatische Kultur und Geschichte, psychosoziale Unterstützung, kroatische Sprache). Freiwillige halten Vorträge zu verschiedenen Themen. Sie sind montags und mittwochs von 18:30 bis 21:00 Uhr und am Samstag von 15:00 bis 18:00 Uhr im Zentrum in Zagreb präsent. Das Innenministerium erlaubt ihnen, ein Zimmer für den Kroatisch-Unterricht zu verwenden. Das des Centre for Peace Studies organisiert seine Tätigkeiten an den Abenden, da tagsüber das Kroatische Rote Kreuz aktiv ist, deren Angebot man ergänzen und nicht ersetzen will. Die Freiwilligen sind auch keine professionellen Lehrer der kroatischen Sprache, sondern verwenden alternative aber wirksame Methoden. Das bietet das für Asylwerber und Schutzberechtigte auch Besichtigungstouren in Zagreb, Sensibilisierungsworkshops für die kroatische Öffentlichkeit, usw. an (AIDA 3.2017).

Einzelne von Österreich nach Kroatien zurückgekehrte Asylwerber beschrieben die Unterbringungseinrichtung Hotel Porin als "as good as a hotel" (UNHCR 26.5.2017).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden. In Einzelfällen gab es, obwohl rechtlich nicht vorgesehen, immer wieder humanitäre Ausnahmen (AIDA 3.2017).

Zudem verfügt Kroatien über ein geschlossenes (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 84 Plätzen. Es hat kürzlich einen neuen Flügel mit 28 Plätzen für die besondere Unterbringung von Familien, Frauen und Kindern erhalten, obwohl laut NGO-Angaben in den letzten Jahren Kinder nicht mit ihren erwachsenen Begleitpersonen inhaftiert wurden. 2016 wurden gemäß kroatischem Innenministerium keine vulnerablen Asylwerber inhaftiert (AIDA 3.2017).

Geplant ist die Errichtung zweier Transitzentren in Tovarnik und Trilj, in denen in Zukunft das Grenzverfahren abgewickelt werden soll. Ihre Kapazität wird angeblich bei je 62 Plätzen liegen und über einen eigenen Flügel für Vulnerable verfügen (AIDA 3.2017).

Quelle:

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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017

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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (26.5.2017): Refugees sent back from Austria find new hope in Croatia, http://www.unhcr.org/news/stories/2017/5/5922f6064/refugees-sent-austria-find-new-hope-croatia.html, Zugriff 1.9.2017

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VB des BM.I für Kroatien (28.8.2017): Bericht des VB, per E-Mail

6.2. Unterbringung Vulnerabler/UMA

Für Vulnerable gelten spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Sie werden aber im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt. So dient das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler AW. Dort gibt es spezielle Bereiche für Frauen und Vulnerable. Familien werden zusammen untergebracht, während alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige und Traumatisierte in getrennten Räumen untergebracht sind. UNICEF hat in Zusammenarbeit mit der Society for Psychological Assistance einen kinderfreundlichen Raum im Empfangszentrum eingerichtet. Darüber hinaus organisierte UNICEF in Zusammenarbeit mit der NGO Roda (Eltern in Aktion) Aktivitäten für Schwangere und Wöchnerinnen. Sozialarbeiter bieten tägliche psychosoziale Betreuung und organisieren soziale und kulturelle Events. Unbegleiteten Minderjährigen, psychisch beeinträchtigten Personen und potentiellen Traumaopfern wird besondere Beachtung geschenkt. Wenn nötig werden die Betroffenen zu medizinischer/psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Kinder vor Erwachsenen zu schützen, führen die in den Empfangszentren tätigen Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes Workshops durch und organisieren auch individuelle Beratungen, um über mögliche Risiken sexueller Gewalt, Ausbeutung und des Menschenhandels zu informieren. Weiters gibt es Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an. Wenn nötig werden die Betroffenen zu medizinischer/psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Wenn nötig können Vulnerable auch anderweitig untergebracht werden. Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können unterstützend tätig werden. In der Praxis können die Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes während ihrer regelmäßigen Arbeit und der Kommunikation mit Asylsuchenden sowie bei der Einzel- und Gruppenunterstützung die Bedürfnisse anfälliger Gruppen beobachten und, wo es nötig ist, Änderungen in der Unterbringung vorschlagen. Entsprechend dem Innenministerium werden spezielle Unterbringungsbedürfnisse meist auf Empfehlung des Arztes nach dem ersten Gesundheitscheck festgestellt (z.B. spezielle Diät, psychosoziale Unterstützung, spezielle Unterkunft) (AIDA 3.2017).

Quelle:

- AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017

6.3. Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Diese Behandlung ist verfügbar im Unterbringungszentrum Zagreb und wenn nötig auch im Unterbringungszentrum Kutina. In Zagreb hat der Arzt wochentags täglich von 13:30 bis 15:30 Ordination. In Kutina kommt der Arzt auf Anfrage wenn genügend Interessenten vorhanden sind. Ansonsten ist medizinische Versorgung in der Notaufnahme verfügbar. Ein Zahnarzt bietet seine Dienste auf freiwilliger Basis an. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen arbeitet Médecins du Monde an einigen Tagen in der Woche in beiden Zentren mit einem Arzt und einer Krankenschwester. Médecins du Monde beklagt Mängel bei der durchgehenden Betreuung Schwangerer, bei Impfungen für Kinder und bei psychiatrischer Betreuung. Der Mangel an Übersetzern ist weiterhin ein Problem für die medizinische Betreuung. Mehrere andere NGOs (Jesuitischer Flüchtlingsdienst, Society for Psychological Assistance, Croatian Law Centre oder Rehabilitation Centre for Stress and Trauma) boten 2016 psychologische Betreuung an. Vulnerable Antragsteller, insbesondere Opfer von Folter, Vergewaltigung oder sonstigen schwerwiegenden Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt, sind entsprechend medizinisch zu behandeln. In der Praxis ist diese zusätzliche Gesundheitsversorgung jedoch nicht regelmäßig zugänglich. Ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler existiert nicht, sie werden oft an den Arzt im Unterbringungszentrum verwiesen. Für traumatisierte Asylsuchende, die in Kutina untergebracht sind, ist psychosoziale Unterstützung im neuropsychiatrischen Krankenhaus in Popovaca verfügbar. Seit 2010 betreibt das Croatian Law Centre das Projekt "Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants". Das Projekt wird auch 2017 fortgesetzt. Es ist psychosoziale Unterstützung durch das Kroatische Rote Kreuz und psychologische Beratung durch externe Psychologen für Asylbewerber und Flüchtlinge verfügbar. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst unterstützt besonders Frauen beim Zugang zu medizinischer und psychologischer Hilfe. Seit März 2015 bietet das Zentrum für Kinder, Jugend und Familie (Modus), kostenlose Beratung und Psychotherapie für Asylsuchende und Flüchtlinge im Zentrum Zagreb an. Im Jahr 2016 wurde die Beratung vor allem in ihren Räumlichkeiten organisiert, und zwar von 6 ausgebildeten Beratern und Psychotherapeuten und 4 Dolmetschern (Russisch, Türkisch, Französisch, Arabisch) (AIDA 3.2017).

Asylsuchende in Kroatien haben gemäß den Gesetzen Anspruch auf medizinische und psychologische Versorgung. Das Asylgesetz beschränkt die Krankenversorgung auf Notfallversorgung und essentielle Behandlung von Krankheiten und ernsthaften psychischen Zuständen. Dies hat besonders Auswirkungen auf asylwerbende bzw. migrierende Kinder und Schwangere. Eine zusätzliche Barriere beim Zugang zu medizinischer Versorgung ist die Sprache, da der Staat für diese Zwecke keine kostenlose Dolmetschdienstleistungen zur Verfügung stellt und die meisten Asylsuchenden diese nicht selbst bezahlen können. Es wird auch bemängelt, dass viele Kinder von Asylwerbern bzw. Migranten nicht gegen vermeidbare Krankheiten geimpft werden. Es wird berichtet, dass sich die medizinische Versorgung im "Hotel Porin" seit September 2016 durch regelmäßige Anwesenheit eines Hausarztes und durch die Unterstützung der NGO Médecins du Monde (MdM) verbessert hat. Allerdings wird moniert, dass die nationalen Behörden die von MdM angebotenen Leistungen selbst erbringen sollten. Auch kritisiert wird, dass es in Kutina keine regelmäßigen Ordinationszeiten eines Hausarztes gibt (UNHRC 28.4.2017).

Der Zugang zu medizinischer Versorgung für Menschen mit akuten medizinischen Bedürfnissen ist aufgrund der Rechtslage besonders eingeschränkt. Beispielsweise werden vom Gesundheitsministerium keine Kosten für regelmäßigen Kontrollen für Schwangere, für bestimmte medizinische Spezialbehandlungen, zahnärztliche Versorgung oder psychologische Unterstützung übernommen. Die Lücke bei der psychologischen Versorgung wird von NGOs geschlossen, namentlich vom Rehabilitation Centre for Stress and Trauma und der Society for Psychological Assistance. Andere Akteure wie das Kroatische Rote Kreuz bieten psychosoziale Unterstützung. Die Bemühungen der NGOs zur Identifizierung und Betreuung Vulnerabler sind unterschiedlich, überlappen einander aber auch oft. Die Zusammenarbeit zwischen NGOs und Behörden in allen Bereichen des Asylsystems funktioniert recht gut. Finanzielle und personelle Limits der NGOs sind jedoch ein Problem (ECRE 15.12.2016).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (3.2017): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2016update.pdf, Zugriff 14.8.2017

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ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):

Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,

https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 21.8.2017

UNHRC - UN Human Rights Council (28.4.2017): Report of the Special Rapporteur on the right of everyone to the enjoyment of the highest attainable standard of physical and mental health on his visit to Croatia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1496843413_g1710770.pdf, Zugriff 21.8.2017

Zusammengefasst wurde in den Bescheiden festgehalten, dass von den BF keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass diese tatsächlich Gefahr liefen, in Kroatien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Es liege ein Familienverfahren vor. Das Vorliegen schwerer, lebensbedrohender Krankheiten wurde in Bezug auf sämtliche BF verneint. Die 1.BF leide seit zweieinhalb Jahren an Asthma und einer Schwellung im Halsbereich. Auch habe sie Schlafstörungen und Depressionen angeführt. Sie sei diesbezüglich bereits in Serbien und in Österreich in Behandlung gewesen. Von 26.01.2018 bis 02.02.2018 sei sie in einem Krankenhaus aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer depressiven Episode in stationärer Behandlung gewesen und sei am 02.02.2018 in deutlich gebessertem Zustand aus der stationären Behandlung entlassen worden. Ein Termin für die beabsichtigte Operation zur Sanierung der Schilddrüse gehe aus den angeforderten und selbstständig vorgelegten Befunden nicht hervor. Es seien der 1.BF Medikamente verschrieben worden und den Befunden sei zu entnehmen, dass mit einer ambulanten Weiterführung der Behandlung das Auslangen gefunden werden könne. Bezüglich der

2. BF sei den vorgelegten medizinischen Unterlagen lediglich zu entnehmen, dass diese am 08.01.2018 wegen Akne vulgaris und einem diffusen Efluvium (Haarausfall) vom Allgemeinmediziner zum Hautarzt überwiesen worden sei. Weiters habe sie ein Blutbild vom 04.01.2018 und einen labormedizinischen Befund zur Vorlage gebracht, aus dem Befundbericht würden jedoch keine bedenklichen Werte hervorgehen. Hinsichtlich vorgebrachter Depressionen, Schlafstörungen und Angstzustände der 2.BF, 3.BF und 5.BF seien keine Befunde zur Vorlage gebracht worden. Bezüglich der medizinischen Versorgung und psychologischen Betreuung dürfe auf die aktuellen Länderfeststellungen verwiesen werden. In Kroatien hätten Asylwerber das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische und psychologische Behandlung. Wenn nötig, würden die Betroffenen zu medizinischer/psychologischer Spezialbehandlung überwiesen werden. Es sollte der 1.BF daher auch problemlos möglich sein, eine psychologische Behandlung sowie die Behandlung ihrer Schilddrüse in Kroatien nach ihrer Überstellung fortzusetzen. Nachdem sämtliche BF im selben Umfang von den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen seien, stelle die Außerlandesbringung keinen Eingriff in deren Familienleben dar. In Österreich würden neben dem ebenfalls unrechtmäßig eingereisten Cousin der 1.BF keine weiteren familiären oder privaten Bindungen bestehen. Es liege auch kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis vor. Im gegenständlichen Fall seien auch keine Anhaltspunkte für eine besondere Integrationsverfestigung ersichtlich. Soweit die 1.BF angegeben habe, dass sie befürchte, dass sie in Kroatien schutzlos Übergriffen ihres Ehemannes und männlicher Asylwerber, die auch ihre Tochter belästigt hätten, ausgesetzt sein würde, sei auszuführen, dass jedenfalls die Möglichkeit offenstehe, sich an die dortigen Sicherheitsbehörden zu wenden. Eine Schutzverweigerung Kroatiens sei nicht zu erwarten. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG 2005 habe nicht erschüttert werden können. Ein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts habe sich nicht ergeben.

Gegen die Bescheide wurden mit Schriftsatz vom 05.03.2018, eingelangt am 08.03.2018, fristgerecht gleichlautende Beschwerden eingebrach

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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