TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/28 W235 2186715-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.12.2018
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Entscheidungsdatum

28.12.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W235 2186715-1/7E

W235 2186710-1/7E

W235 2186712-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX, geb. XXXX, 2. XXXX, geb.XXXX und 3. XXXX, geb. XXXX, diese gesetzlich vertreten durch: XXXX, alle StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.02.2018, Zl. 1174321409-171302118 (ad 1.), Zl. 1174321605-171302169 (ad 2.) sowie Zl. 1179847808-180085159 (ad 3.) zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind ein Ehepaar und die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Alle drei Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin stellen nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.11.2017 Anträge auf internationalen Schutz.

Ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres hat ergeben, dass dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin von der französischen Vertretungsbehörde in Kabul Schengen-Visa für 31 Tage im Zeitraum XXXX10.2017 bis XXXX11.2017 erteilt worden waren (vgl. AS 7 im Akt des Erstbeschwerdeführers und AS 9 im Akt der Zweitbeschwerdeführerin).

1.2. Am Tag der Antragstellung wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angaben, dass sie keine Krankheiten hätten und (abgesehen vom mitgereisten Ehepartner) über keine Familienangehörigen in Österreich oder im Gebiet der Europäischen Union verfügen würden. Darüber hinaus gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie sei glaublich im achten Monat schwanger. Sie seien am XXXX11.2017 mit dem Flugzeug legal mit ihren eigenen afghanischen Reisepässen nach Frankreich geflogen, wo sie sich ca. 18 Tage aufgehalten hätten. Danach seien sie mit dem Zug über Deutschland nach Österreich gefahren und hätten auf der Zugfahrt ihre Reisepässe verloren.

Der Erstbeschwerdeführer brachte weiters vor, dass Österreich sein Zielland gewesen sei, da er im Jahr 2013 mit zwei österreichischen Kollegen zusammen gearbeitet habe und ihm diese viel über Österreich erzählt hätten. Er habe unbedingt nach Österreich gewollt, da er von der österreichischen Kultur und Bevölkerung begeistert gewesen sei. Deshalb könne er auch nicht viel über Frankreich sagen. Sie seien nur deshalb nach Frankreich geflogen, weil sie ein französisches Visum gehabt hätten. Um Asyl habe er in Frankreich nicht angesucht, sei jedoch bereits im August 2016 für drei Wochen als Tourist in Frankreich gewesen.

In ihrer eigenen Erstbefragung gab die Zweitbeschwerdeführerin ergänzend an, dass der Erstbeschwerdeführer gewollt habe, dass sie nach Österreich gingen. Frankreich sei ein schönes Land mit "sehr viel" Bevölkerung. Mehr könne sie dazu nicht sagen. Der Erstbeschwerdeführer habe die Schengen-Visa organisiert.

Im Zuge der Erstbefragung legte der Erstbeschwerdeführer seine Heiratsurkunde (in englischer Übersetzung) vom XXXX08.2017 vor, der zu entnehmen ist, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin am XXXX03.2017 den "Marriage Contract" geschlossen hätten.

Dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin wurden am 20.11.2017 Mitteilungen gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit den ihnen zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Frankreich die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Mitteilungen wurden dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin am selben Tag übergeben und von ihnen unterfertigt.

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 22.11.2017 auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestützte Aufnahmegesuche an Frankreich.

Mit Schreiben vom 24.11.2017 stimmte die französische Dublinbehörde der Aufnahme des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 12.01.2017 wurde dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihre Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Frankreich angenommen wird.

1.4. Am XXXX wurde die Drittbeschwerdeführerin in Österreich geboren (vgl. hierzu die vorgelegte Geburtsurkunde vom XXXX2018; AS 31 im Akt der Drittbeschwerdeführerin) und stellte durch ihre gesetzliche Vertreterin (Mutter) am 30.01.2018 ebenso einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Wesentlichen damit begründet wurde, dass die Drittbeschwerdeführerin gesund sei und keine eigenen Verfolgungsgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe. Der Antrag werde gestellt, damit die Drittbeschwerdeführerin denselben Schutz wie die Zweitbeschwerdeführerin erhalte.

Mit Schreiben vom 25.01.2018 wurde die französische Dublinbehörde über die Geburt der Drittbeschwerdeführerin informiert und darauf verwiesen, dass gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO das Verfahrens der Drittbeschwerdeführerin mit jenen ihrer Eltern zu verbinden ist (vgl. AS 3 im Akt der Drittbeschwerdeführerin).

1.5. Am 05.02.2018 fand eine Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Eingangs der Einvernahme gaben beide Beschwerdeführer an, dass es ihnen gut gehe. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte ergänzend vor, dass ihre Angaben auch für die minderjährige Drittbeschwerdeführerin gelten würden. Alle drei Beschwerdeführer würden an keinen Krankheiten leiden und seien gesund. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin hätten in keinem anderen Land der Europäischen Union einen Asylantrag gestellt. Sie hätten jedoch Visa für Frankreich gehabt. In Österreich gebe es keine weiteren Verwandten. Ein Onkel der Zweitbeschwerdeführerin lebe in Frankreich. Sie hätten sich 18 Tage lang in XXXX (Frankreich) bei einem Freund des Erstbeschwerdeführers aufgehalten. Den Onkel der Zweitbeschwerdeführerin hätten sie nicht getroffen.

Darüber hinaus brachte der Erstbeschwerdeführer vor, dass er von einer Kollegin, mit der er in Afghanistan gearbeitet habe, bedroht worden sei. Diese halte sich in Frankreich auf und habe ihm eine Mail geschickt mit der Aufforderung, nach Afghanistan zurückzugehen. Das habe er jedoch nicht gewollt. Im August 2016 habe er schon einmal in Frankreich gearbeitet und sei damals zurück nach Afghanistan gegangen. Das wolle er diesmal nicht, weil die Situation schlechter geworden sei. Persönlich getroffen habe er diese Kollegin nicht. Auf diese Mail habe er geantwortet, dass er nach Deutschland fahren werde, woraufhin "sie" zurückgeschrieben hätten, dass er in Deutschland festgenommen und nach Afghanistan zurückgeschickt werde. Anzeige habe er nicht erstattet. Auch um Unterstützung habe er in Frankreich nicht angesucht.

Im Rahmen der Einvernahme übermittelte der Erstbeschwerdeführer eine E-Mail einer Frau namens XXXX von "XXXX" vom XXXX11.2017 mit dem Betreff: "Last chance for you" und dem sinngemäßen Inhalt, dass mehrfach versucht worden sei, den Erstbeschwerdeführer zu erreichen, der sich jedoch nicht zurückgemeldet habe. Aufgrund dessen glaube sie, der Erstbeschwerdeführer wolle nach Deutschland gehen, was sie in eine unglaublich schwierige Situation bringen würde. Persönlich fühle sie sich betrogen und die Organisation sei gefährdet. Daher hätten sie die Situation dem XXXX Botschaftsrat erklärt und habe dieser zugesagt, den Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin polizeilich suchen zu lassen. Wenn der Erstbeschwerdeführer morgen in Frankreich sei, würde die Anschuldigung zurückgenommen werden. Wenn nicht, sei der Erstbeschwerdeführer auf sich selbst gestellt (vgl. AS 107). Auf Vorhalt, dass XXXX in dem Mail schreibe, sie fühle sich betrogen bzw. ihre Organisation sei gefährdet, gab der Erstbeschwerdeführer an, "sie" hätten gewollt, dass er zurück nach Afghanistan gehe, da er ein fleißiger Mitarbeiter sei.

Zur geplanten Vorgehensweise, eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Frankreich zu treffen, gab der Erstbeschwerdeführer an, er sei in Frankreich schikaniert und bedroht worden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei hochschwanger gewesen. Nachdem er mit zwei Österreicherinnen in Afghanistan gearbeitet habe, habe er viel von Österreich gehört und es als Zielland ausgewählt. Probleme mit der französischen Polizei habe er nicht gehabt. Zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen des Bundesamtes zur Lage in Frankreich gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er keine Stellungnahme abgeben wolle. Er akzeptiere die europäischen Gesetze.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie selbst keine Probleme gehabt habe. Der Erstbeschwerdeführer habe eine E-Mail erhalten, in der er von Mitarbeitern seiner Firma aufgefordert worden sei, nach Afghanistan zurückzukehren. Sie sei hochschwanger gewesen und habe viel Stress gehabt. Daher hätten sie nicht nach Afghanistan zurückgewollt. Der Erstbeschwerdeführer habe viel über Österreich gehört und deshalb seien sie hierhergekommen. Die Kollegin, die dem Erstbeschwerdeführer die Mail geschrieben habe, kenne sie nicht. Sie sei auch nicht persönlich in Frankreich bedroht worden. Außer dieser Mail habe es keine Bedrohungen oder sonstige Vorfälle in Frankreich gegeben. In Frankreich hätten sie keinen Asylantrag gestellt, da ihr Zielland Österreich gewesen sei. Sie hätten sich deshalb 18 Tage in Frankreich aufgehalten, da sie die Gelegenheit genutzt hätten, Freunde zu besuchen.

Zur geplanten Vorgehensweise, eine Anordnung zur Außerlandesbringung nach Frankreich zu treffen, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, ihr Zielland sei Österreich gewesen und die Drittbeschwerdeführerin sei hier geboren. Sie würden hierbleiben wollen. Zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen des Bundesamtes zur Lage in Frankreich wolle sie keine Stellungnahme abgeben.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. der jeweils angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Frankreich zulässig ist.

Begründend wurde betreffend alle drei Beschwerdeführer festgestellt, dass diese an keinen schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten leiden würden, die einer Überstellung nach Frankreich entgegenstünden. Festgestellt werde, dass der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin in Besitz eines französischen Visums gewesen seien und Frankreich für die Asylverfahren aller drei Beschwerdeführer zuständig sei. Festgestellt werde, dass die Beschwerdeführer keine Angehörigen und auch keine privaten Anknüpfungspunkte in Österreich hätten. Es werde festgestellt, dass die Beschwerdeführer in Frankreich keiner Verfolgung oder Misshandlung ausgesetzt wären oder diese zu erwarten hätten. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer bei einer Überstellung nach Frankreich einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden Feststellungen zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt aus, dass sich die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer aus den eigenen Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin ergeben hätten. Im gesamten Ermittlungsverfahren seien keine Hinweise auf eine schwere, lebensbedrohende Krankheit hervorgekommen. Zur Begründung des Dublin Sachverhaltes würden sich die Feststellungen zu allen drei Beschwerdeführern aus den unbedenklichen Akteninhalten ergeben. Frankreich habe sich mit Schreiben vom 22.11.2017 [richtig:

24.11.2017] für die Asylverfahren des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin für zuständig erklärt. Am 25.01.2018 sei Frankreich die Geburt der Drittbeschwerdeführerin mitgeteilt worden. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben hätten sich aus den Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin in ihren Erstbefragungen sowie in ihren Einvernahmen ergeben. Die Feststellungen zu Frankreich würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren. Zu der Drohmail sei anzuführen, dass daraus nicht hervorgehe, dass die Absenderin den Erstbeschwerdeführer in Afghanistan haben wolle, weil er ein fleißiger Mitarbeiter sei. Auch würde die französische Polizei nicht ohne rechtliche Grundlage einen Haftbefehl erlassen. Grundsätzlich sei darauf zu verweisen, dass in der Erstbefragung keine Drohung durch eine E-Mail erwähnt worden sei. Auch hätten sie sich nicht an die Polizei gewandt und hätten die Beschwerdeführer keine Gründe glaubhaft machen können, dass der französische Staat nicht fähig wäre, ihnen Schutz vor Verfolgung zu gewähren. Für die Behörde stehe fest, dass die französischen Behörden in der Lage und willens seien, die Beschwerdeführer bei allfälligen Übergriffen zu schützen, vorausgesetzt es werde Anzeige erstattet. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich Frankreich aufgrund der Dublin III-VO zur Übernahme der Beschwerdeführer bereiterklärt habe und somit europarechtlich zur Prüfung der Asylanträge verpflichtet sei. Aus den Angaben der Beschwerdeführer seien keine stichhaltigen Gründe glaubhaft gemacht worden, dass sie in Frankreich konkret Gefahr liefen, dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den jeweiligen Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide, dass sich aus dem Vorbringen und dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO erfüllt sei. Die Verfahren aller drei Beschwerdeführer würden gleich entschieden und scheide sohin ein Eingriff in das Recht auf Familienleben aus. Ferner sei der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet zu kurz, als dass ein Eingriff in das Recht auf Privatleben anzunehmen wäre. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidungen daher unter diesen Aspekten zulässig seien. Frankreich sei bereit, die Beschwerdeführer einreisen zu lassen, ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen und die sonstigen, Frankreich aus der Dublin III-VO treffenden Verpflichtungen den Beschwerdeführern gegenüber zu erfüllen. Es sei festzustellen, dass in Frankreich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei in den Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Zu den Spruchpunkten II. der jeweils angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Gegen die oben angeführten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihrer nunmehr bevollmächtigten Vertretung am 19.02.2018 fristgerecht Beschwerde und stellten Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde unter Verweis auf das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers ausgeführt, dass es sein könne, dass der Erstbeschwerdeführer in Frankreich wegen Visummissbrauchs bestraft werde und ihm dadurch eine Kettenabschiebung nach Afghanistan drohe. Ferner erweise sich der Zugang zu Unterbringung von Dublin-Rückkehrern als sehr kompliziert. Die Zuweisung zu CADA könne zwischen 51 und 101 Tagen betragen und sei daher nicht zu erwarten, dass die Familie mit einem kleinen Baby sofort untergebracht werde. Gemäß Dublin III-VO hätten die Beschwerdeführer in Frankreich nicht wie in anderen EU-Staaten die gleichen Chancen auf ein faires und rechtsstaatlich korrektes Asylverfahren sowie auf eine menschenwürdige Behandlung. In der Folge zitierte die Beschwerde Teile der Länderfeststellungen aus den angefochtenen Bescheiden und führte hierzu aus, dass die Behörde die erforderlichen Erhebungen betreffend Refoulementschutz und Versorgungssituation von Asylwerbern in Frankreich anstellen und diesbezüglich Feststellungen treffen hätte müssen, zu denen den Beschwerdeführern Gehör eingeräumt hätte werden müssen.

4. Einem Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 23.03.2018 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführer am selben Tag auf dem Luftweg nach Frankreich überstellt worden waren.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet und die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Alle drei Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Afghanistans. Dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin wurden von der französischen Vertretungsbehörde in Kabul Schengen-Visa für 31 Tage im Zeitraum XXXX10.2017 bis XXXX11.2017 erteilt. In Besitz dieser Visa reisten der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 22.11.2017 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten. Festgestellt wird sohin, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich im Besitz von französischen Schengen-Visa waren, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind. Die Drittbeschwerdeführerin wurde am XXXX in Österreich geboren und stellte am 30.01.2018 im Wege ihrer gesetzlichen Vertreterin ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 22.11.2017 Aufnahmegesuche an Frankreich, welche von der französischen Dublinbehörde am 24.11.2017 beantwortet und die ausdrückliche Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO erteilt wurde. Ferner wurde der französischen Dublinbehörde mit Schreiben vom 25.01.2018 die Geburt der Drittbeschwerdeführerin bekannt gegeben. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Frankreichs wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Frankreich sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Fall einer Überstellung nach Frankreich Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführer weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leiden, die einer Überstellung nach Frankreich aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht bzw. entgegengestanden ist.

Festgestellt wird, dass keine besonders ausgeprägten privaten, familiäre oder berufliche Bindungen der Beschwerdeführer im österreichischen Bundesgebiet bestehen.

Am 23.03.2018 wurden die drei Beschwerdeführer gemeinsam auf dem Luftweg nach Frankreich überstellt.

1.2. Zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich:

Zum französischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Frankreich wurden in den angefochtenen Bescheiden Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Allgemeines:

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 31.10.2017; AIDA 2.2017; USDOS 3.3.2017).

Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 3.3.2017).

b). Dublin-Rückkehrer:

Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CDNA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese (AIDA 2.2017).

Wenn Dublin-Rückkehrer am Flughafen Roissy - Charles de Gaulle ankommen, erhalten die Rückkehrer von der französischen Polizei ein Schreiben, an welche Präfektur sie sich wegen ihres Asylverfahrens zu wenden haben. Dann werden sie zunächst an die Permanence d'accueil d'urgence humanitaire (PAUH) verwiesen. Das ist eine humanitäre Aufnahmeeinrichtung des französischen Roten Kreuzes, die im Bereich des Flughafens tätig ist. Es kann ein Problem darstellen, wenn die zuständige Präfektur weit entfernt liegt, denn die Rückkehrer müssen die Anfahrt aus eigenem bestreiten. Es gibt dafür keine staatliche Hilfe und auch die PAUH hat nicht die Mittel sie dabei zu unterstützen. In Paris und Umgebung wiederum kann man sich nicht direkt an die Präfekturen wenden, sondern muss den Weg über die sogenannten Orientierungsplattformen gehen, die den Aufwand für die Präfekturen mindern sollen, aber mitunter zu Verzögerungen von einigen Wochen in der Antragsstellung führen können. Viele der Betroffenen wenden sich daher an das PAUH um Hilfe bei der Antragstellung und Unterbringung. Einige andere Präfekturen registrieren die Anträge der Rückkehrer umgehend und veranlassen deren Unterbringung durch das Büros für Immigration und Integration (OFII). In Lyon am Flughafen Saint-Exupéry ankommende Rückkehrer haben dieselben Probleme wie jene, die in Paris ankommen (AIDA 2.2017).

[...]

c). Versorgung:

Laut Asylgesetz sind die materiellen Aufnahmebedingungen allen Asylwerbern (inkl. beschleunigtes und Dublin-Verfahren) anzubieten. Die Verteilung von Asylwerbern erfolgt zentral, parallel werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Asylwerber im Dublin-Verfahren unterliegen jedoch einer Einschränkung: sie haben keinen Zugang zu CADA-Einrichtungen und leben in der Praxis oft auf der Straße oder in besetzten Häusern. Dublin-Rückkehrer hingegen werden behandelt wie reguläre Asylwerber und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie diese. Die nationalen Aufnahmestrukturen liegen in der Zuständigkeit des Französischen Büros für Immigration und Integration (Office français de l'immigration et de l'intégration - OFII). Es wurde eine Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d'asile - ADA) eingeführt, welche die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance - AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d'Attente - ATA) ersetzt (AIDA 2.2017). Die Höhe der ADA hängt von verschiedenen Faktoren wie die Art der Unterkunft, Alter, Anzahl der Kinder usw. ab. Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 204 Euro. Ein zusätzlicher Tagessatz wird an Asylwerber ausgezahlt, die Unterbringungsbedarf haben, aber nicht über das nationale Aufnahmesystem aufgenommen werden können (AIDA 2.2017). Seit April 2017 beträgt der tägliche Kostenzuschuss für Unterkunft 5,40 Euro (FTA 4.4.2017). Es wird jedoch kritisiert, dass die Empfänger der ADA in der Praxis mit Problemen (z.B. Verzögerungen bei der Auszahlung, intransparente Berechnung usw.) konfrontiert sind (AIDA 2.2017).

Asylwerber haben Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn OFPRA ihren Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht entschieden und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 2.2017).

Am 1. Januar 2016 wurde in Frankreich der neue allgemeine Krankenversicherungsschutz (protection universelle maladie - PUMA) eingeführt. Deren medizinischen Leistungen können Asylwerber im ordentlichen, aber auch im Schnell- und im Dublinverfahren in Anspruch nehmen, sobald sie die Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren erhalten (Cleiss 2017; vgl. AIDA 2.2017, Ameli 12.10.2017). Bei PUMA besteht Beitragsfreiheit, wenn das jährliche Einkommen pro Haushalt unter 9.534 Euro liegt (AIDA 2.2017). [...]

d). Unterbringung:

In Frankreich gibt es 303 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d'Accueil pour Demandeurs d'Asile - CADA) mit rund 34.000 Plätzen, ein spezielles Zentrum für UMA, zwei Transitzentren mit 600 Plätzen, 262 Notunterbringungen mit rund 18.000 Plätzen, sowie eine nicht näher genannte Anzahl an privaten Unterbringungsplätzen. Damit verfügt das Land über etwa 56.000 Unterbringungsplätze (AIDA 2.2017).

Der Zugang zu Unterbringung erweist sich in der Praxis jedoch als sehr kompliziert. Bei der Zuweisung zur CADA muss mit längerer Wartezeit gerechnet werden, die je nach Region zwischen 51 bis 101 Tage beträgt. In Paris gibt es auch Beispiele dafür, dass Asyl gewährt wurde, ohne dass die Personen jemals Zugang zu Unterbringung gehabt hätten. Berichten zufolge reichen die derzeitigen Unterbringungsplätze der CADA nicht aus (AIDA 2.2017). Die Schaffung weiterer Unterbringungsplätze (insgesamt 12.500 Plätze davon 7.500 in CADA) ist in den nächsten zwei Jahren geplant (FRC 12.1.2018; vgl. FRC 22.12.2017).

Im Oktober 2016 wurde die informelle Siedlung in Calais, der sog. Dschungel, geräumt, in der tausende von Migranten und Asylsuchende (laut AI mehr als 6.500 Personen, laut USDOS 5.600) lebten. Man brachte 5.243 Bewohner in Erstaufnahmelager (CAO) in ganz Frankreich und stellte ihnen Informationen über das Asylverfahren zur Verfügung (AI 2.22.2017; vgl. AI 1.6.2017, USDOS 3.3.2017, AIDA 2.2017). Trotzdem leben noch etwa 350 bis 600 Migranten unter prekären Bedingungen in und um Calais. Großbritannien und Frankreich wollen die Sicherheit an der gemeinsamen Grenze jedoch verbessern. Der französische Präsident und die britische Premierministerin unterzeichneten dazu im Januar 2018 ein neues Abkommen (Zeit 19.1.2018).

Trotz der Bestrebungen der lokalen Behörden und Interessenvertreter bleiben viele Migranten und Asylwerber weiterhin obdachlos und leben landesweit in illegalen Camps (AIDA 2.2017).

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Frankreich den oben zitieren Feststellungen zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den Beschwerdeführern, zu ihrer Staatsangehörigkeit, zu ihren familiären Beziehungen zueinander, zur Einreise des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin nach Österreich und zur Stellung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus den Akteninhalten. Darüber hinaus ergibt sich die Feststellung zur Geburt der Drittbeschwerdeführerin in Österreich aus der vorgelegten Geburtsurkunde vomXXXX2018.

Dass dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin von der französischen Vertretungsbehörde in Kabul Schengen-Visa für 31 Tage im Zeitraum XXXX10.2017 bis XXXX11.2017 erteilt wurden, ergibt sich ebenso aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Den Akten ist zu entnehmen, dass dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin die oben erwähnten Visa mit den Nummern XXXX (Erstbeschwerdeführer) und XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) erteilt worden waren. Hinzu kommt, dass die Erteilung der Visa für die beiden Beschwerdeführer durch die französische Dublinbehörde bestätigt wurde, die ihre Zustimmung zur Aufnahme des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO stützt. Auch den eigenen Angaben der Beschwerdeführer ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Sowohl in ihren Erstbefragungen als auch in ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt gaben sie übereinstimmend an, mit ihren eigenen afghanischen Reisepässen und (jeweils) einem französischen Visum nach Frankreich geflogen zu sein. Sohin steht im Gesamtzusammenhang eindeutig fest, dass dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin französische Visa (gültig für 31 Tage im Zeitraum XXXX10.2017 bis XXXX11.2017) erteilt wurden und diese sohin zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich (Antragstellung am 22.11.2017) in Besitz von französischen Schengen-Visa waren, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind.

Die Feststellungen zum Aufnahmegesuch, zur ausdrücklichen Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführer durch Frankreich sowie zur Bekanntgabe der Geburt der Drittbeschwerdeführerin an Frankreich ergeben sich darüber hinaus aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden. Darauf, dass die Zuständigkeit Frankreichs beendet worden wäre, finden sich in den gesamten Verfahren keine Hinweise.

Eine die Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Frankreich wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht. Zu der vom Erstbeschwerdeführer vorgelegten E-Mail einer Frau namens XXXXist zunächst darauf zu verweisen (wie auch das Bundesamt zutreffend festgehalten hat), dass dieser E-Mail die vom Erstbeschwerdeführer (als Mailinhalt) vorgebrachte Aufforderung, nach Afghanistan zurückzugehen, nicht zu entnehmen ist. Im Wesentlichen kann dieser Mail entnommen werden, dass die Absenderin, - den Angaben des Erstbeschwerdeführers zufolge - eine Kollegin von ihm, versucht hat, ihn mehrmals (offenbar vergeblich) zu erreichen und nunmehr vermutet, dass der Erstbeschwerdeführer nach Deutschland gehen will. Die Absenderin fühlt sich persönlich vom Erstbeschwerdeführer (bzw. offensichtlich von seinem Verhalten) betrogen und erachtet ihre Organisation (wohl die angeführte "XXXX" [Anm.: "XXXX"]) gefährdet. Diesem Inhalt ist keineswegs eine Bedrohung - wie vom Erstbeschwerdeführer vorgebracht - zu entnehmen, sondern eine offenbare persönliche Enttäuschung der Absenderin durch den Erstbeschwerdeführer bzw. durch sein Verhalten. Wenn in der E-Mail weiters angeführt wird, dass man sich an den XXXX Botschaftsrat gewandt habe und dieser zugesagt hätte, den Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin polizeilich suchen zu lassen, (was der Erstbeschwerdeführer offenbar als "Drohung" aufgefasst hat) handelt es sich hierbei wohl eher um ein Ersuchen um behördliche bzw. polizeiliche Hilfe, um den Erstbeschwerdeführer zu finden und die - wohl für die Absenderin problematische - Situation zu klären. Dass in der selben E-Mail ebenso angeführt wird, wenn der Erstbeschwerdeführer "morgen" in Frankreich sein werde, die Anschuldigung zurückgenommen werde, brachte der Erstbeschwerdeführer hingegen nicht vor. Zusammengefasst kann betreffend diese E-Mail vom XXXX11.2017 ausgeführt werden, dass diese weder eine Aufforderung zur Rückkehr nach Afghanistan noch eine Drohung enthält und somit nicht geeignet ist, das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zu stützen. Hinzu kommt, dass der Erstbeschwerdeführer auf Vorhalt des Bundesamtes, dieser E-Mail sei lediglich zu entnehmen, dass sich die Absenderin betrogen fühle bzw. ihre Organisation gefährdet sei, angab, "sie" hätten gewollt, dass er zurück nach Afghanistan gehe, weil er ein "fleißiger Mitarbeiter" sei, was ebenso wenig der von ihm vorgelegten E-Mail zu entnehmen ist. Weiters ist darauf zu verweisen, dass sich der Erstbeschwerdeführer in Frankreich bei Vorliegen einer tatsächlichen Bedrohung jederzeit an die französischen Behörden bzw. die französische Polizei hätte wenden können, die dazu willens und in der Lage sind, dem Erstbeschwerdeführer Schutz vor Verfolgung zu bieten. Allerdings gab der Erstbeschwerdeführer selbst an, in Frankreich weder eine Anzeige erstattet noch um Unterstützung angesucht zu haben.

Die Feststellung zum Nichtvorliegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die einer Überstellung der Beschwerdeführer nach Frankreich entgegenstehen könnten bzw. entgegengestanden sind, ergibt sich aus den eigenen Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin im gesamten Verfahren. Im Zuge ihrer Erstbefragungen gaben beide Beschwerdeführer an, dass sie keine Krankheiten hätten. Ebenso wurde in ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt vorgebracht, dass es ihnen gut gehe und sie gesund seien. Auch die Drittbeschwerdeführerin sei gesund. Die Zweitbeschwerdeführerin war lediglich zur Geburt der Drittbeschwerdeführerin in ärztlicher bzw. medizinischer Behandlung, die - dem Akteninhalt zufolge - komplikationslos verlaufen ist.

Ferner ergibt sich die Feststellung zum Nichtvorhandensein besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführer in Österreich aus den Angaben des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin im Verfahren. Gegenteiliges ist auch den sonstigen Akteninhalten nicht zu entnehmen.

Die Feststellung zur Überstellung der Beschwerdeführer nach Frankreich ergibt sich aus dem diesbezüglichen Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 23.03.2018.

2.2. Die Feststellungen zum französischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den in den angefochtenen Bescheiden angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Frankreich ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden hinreichend aktuell sind. Sollte in den Feststellungen auf Quellen älteren Datums verwiesen werden, ist auszuführen, dass diese mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Frankreich ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, haben die Beschwerdeführer nicht dargelegt. Weder der Erst- noch die Zweitbeschwerdeführerin wollten in ihren Einvernahmen vor dem Bundesamt Stellungnahmen zu den ihnen vorab ausgefolgten Länderberichten abgeben. Der Erstbeschwerdeführer brachte zudem vor, dass er die europäischen Gesetze akzeptiere. Auch in den schriftlichen Beschwerdeausführungen wurde diesen Länderfeststellungen nicht substanziiert entgegengetreten, sondern bezieht sich die Beschwerde selbst auf die in den angefochtenen Bescheiden zitierten Länderberichte des Bundesamtes bzw. der Staatendokumentation zur Lage in Frankreich bzw. zitiert diese teilweise sogar wörtlich. Allerdings ist die Schlussfolgerung der Beschwerde, die Behörde hätte die erforderlichen Erhebungen betreffend Refoulementschutz und Versorgungssituation von Asylwerbern in Frankreich anstellen und diesbezüglich Feststellungen treffen müssen, vor dem Hintergrund, dass die Beschwerde selbst die (offensichtlich auf Erhebungen beruhenden Länderfeststellungen des Bundesamtes) teilweise wörtlich zitiert, nicht nachvollziehbar. Eben genau dies hat die Behörde durch die in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen und von der Beschwerde zitierten Länderfeststellungen zum Refoulementschutz und zur Versorgungslage getan. Auch wurde dem Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin hierzu Gehör eingeräumt, die allerdings nicht Stellung nehmen wollten. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist sohin in sich widersprüchlich und geht ins Leere, wobei an dieser Stelle darauf zu verweisen ist, dass die in den Einvernahmen anwesende Rechtsberaterin (die im Übrigen derselben Rechtsberaterorganisation angehört, die die Beschwerde verfasst hat) den Länderfeststellungen des Bundesamts nichts entgegenzusetzen hatte (vgl. hierzu AS 104 im Akt des Erstbeschwerdeführers bzw. AS 112 im Akt der Zweitbeschwerdeführerin: "Frage an die Rechtsberaterin: Ist für die Rechtsberatung noch etwas offen? Die Rechtsberaterin hat keine Fragen und kein Vorbringen."). Auch wurden mit der Beschwerde keine alternativen Berichte in die Verfahren eingeführt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) [...]

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Art. 20 Einleitung des Verfahrens

(1) [...]

(2) [...]

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach Ankun

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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