Entscheidungsdatum
28.12.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W211 2194393-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX
gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei, ein minderjähriger männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am XXXX 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei an, der Volksgruppe der Madhibaan anzugehören, aus Qoryooley zu stammen, und dort eine Koranschule besucht zu haben. Als Fluchtgrund gab sie an, dass ein Lehrer sie aufgefordert habe, mit ihm zu arbeiten. Sowohl die beschwerdeführende Partei selbst, als auch ihr Vater hätten dies jedoch abgelehnt. Sie sei sich sicher, dass sie zum Attentäter für Al Shabaab ausgebildet hätte werden sollen. Sie sei deshalb weggelaufen.
3. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX 2017 gab die beschwerdeführende Partei zusammengefasst und soweit wesentlich an, dass einer ihrer Koranlehrer während des Unterrichts erklärt habe, dass, wenn man Ungläubige töte, man ins Paradies komme. Auch habe er die Schüler, die sich kritisch geäußert hätten, geschlagen und eingesperrt. Der beschwerdeführenden Partei sei die Flucht geglückt und sie habe ihrem Vater von dem Vorfall erzählt. Der Koranlehrer sei jedoch wenig später beim Haus ihrer Familie erschienen und habe nach ihr gefragt, woraufhin ein Streit zwischen diesem und ihrem Vater entfacht und ein Schuss gefallen sei. Die beschwerdeführende Partei sei daraufhin weggelaufen und am nächsten Tag zum Haus zurückgekehrt, habe dort aber niemanden vorgefunden. Bei einer Wasserstelle habe sie einen anderen Jugendlichen getroffen, mit dem sie gemeinsam aus Somalia ausgereist sei.
4. Mit Schreiben vom XXXX 2017 nahm die beschwerdeführende Partei zu den von der belangten Behörde eingeführten Länderinformationen der Staatendokumentation Stellung.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).
6. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.
7. Am XXXX 2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen sie nach ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX 2018 für die Teilnahme an der Verhandlung.
8. Mit Stellungnahme vom XXXX 2018 zu den in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebrachten aktuellen Länderberichten wurde hinsichtlich der beschwerdeführenden Partei vorgebracht, dass angenommen werde, dass der Vater der beschwerdeführenden Partei von Al Shabaab ermordet worden sei, weil er sich der Rekrutierung seines Sohnes durch Al Shabaab widersetzt habe. Im Falle einer Rückkehr nach Somalia würde die beschwerdeführende Partei als Spion oder Kollaborateur betrachtet werden. Weiters wurde auf die Kontrollsituation in Qoryooley und die Stellung von Al Shabaab in Somalia allgemein hingewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein minderjähriger männlicher Staatsangehöriger Somalias. Sie stellte am XXXX 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
1.1.2 Die beschwerdeführende Partei stammt aus Qoryooley in der Region Lower Shabelle. Sie gehört dem Clan der Madhibaan, XXXX an. Sie besuchte in Somalia fünf Monate lang eine Koranschule und eine Privatschule.
Ihre Mutter und vier Geschwister leben in einem Flüchtlingslager in Äthiopien. Eine Tante der beschwerdeführenden Partei lebt in Australien. Die beschwerdeführende Partei steht in regelmäßigem telefonischen Kontakt mit ihrer Tante.
Der Aufenthaltsort des Vaters der beschwerdeführenden Partei kann nicht festgestellt werden.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur relevanten Situation in Somalia wird festgestellt wie folgt:
a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 (Auszüge):
Die al Shabaab hat 2017 einige Gebiete im Shabelle-Tal zurückgewonnen, darunter die Stadt Bariire. Regierungskräfte hatten sich von dort aus Protest gegen Rückstände bei der Auszahlung des Soldes zurückgezogen. Die Bezirke Merka, Qoryooley und Afgooye sind besonders hart von der Gewalt betroffen. Einerseits bildet das Dreieck Afgooye-Mogadischu-Merka das einsatztechnische Schwergewicht der al Shabaab. Andererseits ist die Gewalt im Gebiet eher von Clanauseinandersetzungen geprägt, als von al Shabaab. Die drei maßgeblichen Akteure im Dreieck sind folglich AMISOM, Milizen und al Shabaab. Dabei kommt es in und um Afgooye häufig zu Anschlägen und Angriffen. Zwar wird Afgooye von AMISOM kontrolliert, doch ist die al Shabaab bereits mehrfach in die Stadt eingedrungen und hat die SNA dort auch regelmäßig zurückgeworfen. Genauso regelmäßig ist die al Shabaab aus Afgooye auch wieder abgezogen. Al Shabaab hat bisher nicht erkennen lassen, dass sie die Stadt länger besetzt halten oder mit der dort stationierten AMISOM den Kampf aufnehmen möchte.
Qoryooley wird zwar von AMISOM kontrolliert, doch ist das Gebiet gefährdet. Gleichzeitig gibt es in diesem Gebiet auch Clan-Konflikte, v.a. zwischen Habr Gedir, Biyomaal und Rahanweyn. Die Fruchtbarkeit der Gegend ist ein Mitgrund für die Dichte an Gewalttätigkeiten. Es kommt häufig zum Streit über Ressourcen; und viele Clans sind involviert. Die al Shabaab und AMISOM ergreifen im Rahmen derartiger Konflikte Partei.
Die al Shabaab rekrutiert Kinder und zwingt diese, an Kampfhandlungen teilzunehmen.
Somalische Bürger identifizierten die Gruppe der 10-15jährigen als primäres Ziel der al Shabaab zum Zweck der Rekrutierung. Das junge Alter garantiert, dass die Rekruten noch nicht so sehr zwischen Gut und Böse unterscheiden können.
Al Shabaab rekrutiert Kämpfer gezielt in Moscheen. Außerdem hat die Gruppe als Rekrutierungswerkzeug ein eigenes Madrassen-System aufgezogen. Diese ‚Bildungsmaßnahme' für Kinder und Erwachsene soll mögliche Rekruten frühzeitig indoktrinieren und ausbilden. Das System zeigt für die al Shabaab gute Erfolge. So befinden sich in den sieben Madrassen in Jilib jeweils ca. 600 15-20jährige in Ausbildung; in Saakow gibt es sechs Madrassen mit ähnlichen Besuchszahlen, wobei dort auch viele unter-15jährige den Unterricht besuchen. Auch in Galmudug zwingt al Shabaab Kinder in ihre Madrassen. Dort wurden bei mehreren Vorfällen Älteste, Imame und Lehrer, welche die Übergabe von Kindern verweigerten, entführt. Die Madrassen dienen auch dazu, Mädchen als mögliche Bräute für eigene Kämpfer zu identifizieren.
Es herrscht allgemein Einigkeit darüber, dass al Shabaab schon Deserteure ermordet hat. Allerdings finden sich nur selten Beispiele von Morden an Deserteuren. Einmal wird vom Mord an zwei jungen Bantu-Männern berichtet, die im August 2017 von al Shabaab entdeckt und ermordet worden sind, bevor sie Kismayo erreichen konnten. An anderer Stelle werden Deserteure auch wieder in die Reihen der al Shabaab aufgenommen, so geschehen in Tayeeglow Anfang 2017, als Buben, die von der Gruppe desertiert waren, zum erneuten Eintritt in die al Shabaab gezwungen wurden.
Al Shabaab ist in der Lage, einen Deserteur aufzuspüren - auch auf dem Gebiet von AMISOM und der somalischen Regierung. Sie tragen wahrscheinlich ein Risiko der Verfolgung. Insbesondere Deserteure mittleren Ranges unterliegen dem Risiko, von der al Shabaab getötet zu werden. Doch auch einfache Mannschaftsgrade können zum Ziel werden. Inwiefern die al Shabaab tatsächlich Energie in das Aufspüren und Töten von desertierten Fußsoldaten investieren will, ist unklar. Trotzdem kann sich ein Deserteur nicht sicher sein, von al Shabaab in Ruhe gelassen zu werden. Auch in Mogadischu ist ein Deserteur nicht zwangsläufig sicher - wiewohl das Risiko von seiner Rolle innerhalb der al Shabaab abhängig zu sein scheint. Insgesamt besteht in einigen Fällen offenbar auch die Möglichkeit, dass sich ein Deserteur mit der al Shabaab verständigt - etwa durch die Zahlung von Geldbeträgen.
b) Bericht der Fact Finding Mission zur Sicherheitslage in Somalia, Staatendokumentation, August 2017 (Auszüge):
Generell ist bekannt, dass al Shabaab in der Vergangenheit Zwangsrekrutierungen betrieben hat - speziell von Minderjährigen. Noch im Jahr 2015 gab es Berichte, dass al Shabaab in Dörfern in der Region Middle Shabelle Menschen mit Waffengewalt zwangsrekrutiert hatte.
Aus dem Jahr 2016 ist bekannt, dass die Führung der al Shabaab die Bezirke Jilib, Saakow und Xaradheere sowie Teile der Region Bakool angewiesen hat, Rekruten zu stellen.
Insgesamt wurden 1.500 neue Kämpfer aufgenommen. Hier kam es auch zu Zwangsrekrutierungen: Während die meisten neuen Rekruten aus der Region Middle Juba Freiwillige waren, kam es in Xaradheere auch zu Zwangsrekrutierungen. Ende Juni 2017 verhaftete al Shabaab in Xaradheere Älteste, weil sie entgegen den Anweisungen keine (Kinder-)Rekruten an al Shabaab abgeführt haben. Dabei geht al Shabaab manchmal auch direkt zu Familien und erklärt entweder, welchen Sohn man rekrutieren möchte oder dass man generell einen Sohn rekrutieren möchte. Dies betrifft effektiv von al Shabaab kontrollierte Gebiete.
Wenn al Shabaab einen Ort übernimmt, kann es vorkommen, dass Menschen dazu gezwungen werden, der Gruppe beizutreten. Damit soll der Ort Loyalität zu den Terroristen bekunden. Insgesamt gibt es in jüngerer Vergangenheit weniger Berichte über die diesbezügliche Einschüchterung oder Drangsalierung Einzelner. Vielmehr wendet sich al Shabaab an ganze Gemeinden. Dabei gibt es aber keine Berichte, wonach al Shabaab einem Dorf alle jungen Männer wegnehmen würde. Wenn die Gruppe zu brutal gegen die Bevölkerung agierte, dann würde al Shabaab die lokalen Milizen gegen sich aufbringen. Und dies ist nicht im Interesse der al Shabaab.
Aus jüngster Vergangenheit sind laut einer Quelle keine Beispiele für Zwangsrekrutierungen bekannt. Eine andere Quelle betont jedoch, dass Zwangsrekrutierungen durch al Shabaab in den von ihr kontrollierten Gebieten nach wie vor ein Thema sind. Zwei weitere Quellen erklären, dass es in einigen bzw. in seltenen Fällen zu Zwangsrekrutierungen kommt. Eine letzte Quelle erklärt, dass Zwangsrekrutierungen nunmehr nur noch sporadisch und punktuell vorkommen, und es etwa im ersten Halbjahr 2017 kaum diesbezügliche Meldungen gegeben hat. Insgesamt stellen die tatsächlich gewaltsam Zwangsrekrutierten in den Reihen der al Shabaab nur einen geringen Prozentsatz.
Die al Shabaab agiert insgesamt einigermaßen professionell und ist gut organisiert und ausgerüstet. Um eine derartige Organisation aufrecht zu erhalten, kann man sich nicht nur auf Zwangsrekrutierte verlassen. Zwangsrekrutierungen entsprechen daher nicht dem modus operandi von al Shabaab. Eine zu hohe Zahl an Kämpfern, die gegen ihren Willen eingesetzt werden, schwächt die Organisation.
Zwangsrekruten passen auch nicht ins System: Rekruten werden üblicherweise für vier Monate in einem Lager ausgebildet. Jeder, der sich im Verlauf der Ausbildung als untauglich erweist, wird von der al Shabaab nach Hause geschickt. In diesem Sinne passen massenhafte, flächendeckende Zwangsrekrutierungen kaum ins Bild.
Nur wenn es die Umstände oder taktische Gründe erforderlich machen, werden Rekruten zwangsweise ausgehoben, z.B. wenn an einem Ort aus taktischem Kalkül rasch und dringend einige Rekruten gebraucht werden.
Druck wird hingegen oft ausgeübt - und der Druck den al Shabaab ausübt, ist viel stärker als jeder Zwang. Die Botschaft ist einfach:
Alle Menschen in Süd-/Zentralsomalia leben in einer Konfliktzone; und sie sind auf die eine oder andere Art unterschiedlichen bewaffneten Gruppen ausgeliefert. Und diese Nachricht wendet sich speziell an schwache Clans. Dass die Terroristen vor der Rekrutierung von Minderjährigen nicht zurückschrecken, wurde bei einem Beispiel besonders deutlich. Im März 2016 landete al Shabaab größere Truppen an der puntländischen Küste. Der Brückenkopf wurde von lokalen Milizen und puntländischen Truppen vernichtend geschlagen, es wurden auch zahlreiche Gefangene gemacht. Unter diesen Gefangenen befanden sich viele Kinder in Uniform. Diese gaben in Gefangenschaft an, dass sie von al Shabaab einfach gefragt worden seien, ob sie mitkommen wollten. Die Kinder folgten den AS-Rekrutierern und fanden sich in einem Ausbildungslager wieder. Allerdings war der Grad der Ausbildung dieser Kinder erschreckend niedrig; möglicherweise befand sich al Shabaab in einer Zwangslage und musste schnell Rekruten anschaffen.
1.3. Festgestellt wird, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach Qoryooley einer Gefahr unterliegt durch Al Shabaab, als Schüler einer Koranschule, in der die Miliz Zwangsrekrutierungen Minderjähriger durchführte, und der sich der Miliz gegenüber widerständig gezeigt hat sowie vor dieser geflohen ist, bestraft zu werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden.
Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zur Herkunft aus Qoryooley, zum Schulbesuch, und zur Clanzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich gleichbleibenden und glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren. Die Herkunft aus Qoryooley wurde außerdem bereits durch die Behörde festgestellt (S. 18 des angefochtenen Bescheids).
Die Feststellungen, dass sich ihre Mutter und ihre vier Geschwister in Äthiopien aufhalten, ergibt sich aus den glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die Feststellung, dass eine Tante der beschwerdeführenden Partei in Australien lebt und sie mit dieser in regelmäßigem Kontakt steht, basiert ebenfalls auf ihren glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Auch die Feststellung, dass der Aufenthaltsort des Vaters der beschwerdeführenden Partei unbekannt ist, ergibt sich aus ihren glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass angenommen werde, dass der Vater der beschwerdeführenden Partei von Al Shabaab ermordet worden sei, weil er sich der Rekrutierung seines Sohnes durch Al Shabaab widersetzt habe, muss darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei insoweit um ein rein spekulatives Vorbringen handelt, als die beschwerdeführende Partei diesbezüglich weder vor der belangten Behörde, noch vor dem Bundesverwaltungsgericht Angaben machte, weshalb hierzu auch keine Feststellung erfolgen konnte.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand basiert auf den Angaben der beschwerdeführenden Partei und dem Fehlen anderslautender Unterlagen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.
2.3. Die Feststellungen zu 1.2. fußen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation aus 2018 und dem Bericht der FFM Somalia aus August 2017. Sie beruhen auf den folgenden Detailquellen:
a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018:
Sicherheitssituation in der Herkunftsregion:
-
BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
-
DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,
https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017
-
HRW - Human Rights Watch (26.7.2017): Al-Shabab Forces Burn Villages, http://www.refworld.org/docid/5979e8514.html, Zugriff 11.11.2017
-
JF - Jamestown Foundation (15.8.2017): Mogadishu Under Pressure, Terrorism Monitor Volume: 15 Issue: 16, http://www.refworld.org/docid/59bb8e084.html, Zugriff 11.11.2017
-
SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
(Zwangs-)Rekrutierungen und Kindersoldaten:
-
BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
-
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
-
SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
-
UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017
-
UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017
-
UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017
-
UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (18.9.2017):
Countering Al-Shabaab Propaganda and Recruitment Mechanisms in South Central Somalia,
https://unsom.unmissions.org/sites/default/files/countering_al-shabaab_propaganda_and_recruitment_mechanisms_report_final_-_14_august_2017.pdf, Zugriff 11.11.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
Deserteure, Al Shabaab:
-
BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
-
DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,
https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017
-
LI - Landinfo (5.8.2015): Somalia: Reaksjoner mot al-Shabaab-avhoppere,
http://www.landinfo.no/asset/3204/1/3204_1.pdf, Zugriff 8.1.2018
-
ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
-
SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
-
UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017
b) Bericht der Fact Finding Mission zur Sicherheitslage in Somalia, Staatendokumentation, August 2017:
Internationale NGO (A), Nairobi. Gespräch im März 2017.
Somalische Mitarbeiterin einer internationalen NGO, Nairobi. Gespräch im März 2017.
Internationale Organisation (A), Nairobi und Mogadischu (Skype). Gespräch im März 2017.
Internationale Organisation (C), Nairobi. Gespräch im März 2017.
Forscher am Institute for Security Studies, Addis Abeba. Gespräch im April 2017.
Vertreter einer in Somalia tätigen internationalen NGO, Hargeysa. Gespräch im April 2017.
International Crisis Group, Nairobi. Gespräch im März 2017.
Mark Bradbury, Nairobi. Gespräch im März 2017.
Westliche diplomatische Quelle, Nairobi. Gespräch im März 2017.
Vertreter einer internationalen NGO, Nairobi. Gespräch im März 2017.
Somalische Quelle im Sicherheitsbereich, Addis Abeba. Gespräch im April 2017.
Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Ausgewogenheit und Verlässlichkeit der Länderinformationen zu zweifeln.
2.4. Zum eigentlichen Fluchtvorbringen muss bemerkt werden, dass die belangte Behörde auf Basis der Länderberichte bereits zum Ergebnis gekommen ist, dass die von der beschwerdeführenden Partei vorgebrachten Befürchtungen hinsichtlich des Koranlehrers, der mit Al Shabaab in Verbindung gestanden sein soll, als glaubwürdig anzusehen seien (Seite 80 des Bescheids).
Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erzählte die beschwerdeführende Partei widerspruchsfrei und detailliert von dem Rekrutierungsversuch ihres Koranlehrers und ihrer anschließenden Flucht zu ihrem Elternhaus. Die erkennende Richterin übersieht nicht, dass die beschwerdeführende Partei in der Verhandlung teilweise Schwierigkeiten hatte, konkrete Angaben hinsichtlich der Beschreibung der Örtlichkeit der Schule zu machen. Allfällige Inkonsistenzen hinsichtlich der Geschehnisse aus dem Jahr 2016 sind jedoch nicht geeignet, das ganze Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, insbesondere in Anbetracht ihres jugendlichen Alters (sie war im Zeitpunkt der fluchtauslösenden Ereignisse zwölf Jahre alt), infrage zu stellen. Auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes erscheint das diesbezügliche Vorbringen daher plausibel und von der Länderinformation in Bezug auf die in Somalia verbreitete Rekrutierungspraxis der Miliz betreffend Minderjährige in Madrassen gedeckt.
Bezweifelt die belangte Behörde jedoch hinsichtlich des weiteren Vorbringens, dass der Koranlehrer das Wohnhaus der Familie der beschwerdeführenden Partei aufgesucht hat, um nach ihr zu suchen und es sodann zu einer Auseinandersetzung zwischen diesem und dem Vater gekommen ist, bei der ein Schuss gefallen, und die beschwerdeführende Partei geflohen ist, muss erwähnt werden, dass die beschwerdeführende Partei vor dem Bundesverwaltungsgericht auch dazu schlüssige und kohärente Angaben machte. Wenngleich es sicher stimmt, dass es sich bei der beschwerdeführenden Partei um kein "high profile" Ziel der Al Shabaab handelt, besagen die Länderinformationen trotzdem, dass auch nicht so bedeutende Deserteure als Personen, die sich durch ihre Flucht gegen die Miliz gestellt haben, grundsätzlich verfolgt und bestraft werden können. Außerdem darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass die bewschwerdeführende Partei immer noch in die Gruppe der 10-15jährigen fällt, die laut Länderberichten als primäres Ziel der Al Shabaab zum Zweck der Rekrutierung angesehen werden. Die Länderinformationen enthalten weiter Berichte über jugendliche Deserteure, die zum erneuten Eintritt in die Al Shabaab gezwungen wurden. Es konnten daher entsprechende Feststellung zu einer Gefährdung getroffen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.1.3. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Aufgrund der getroffenen Feststellungen muss angenommen werden, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr in ihre Heimatregion einer aktuellen und maßgeblichen Verfolgungsgefahr durch Al Shabaab wegen einer ihr auch nur unterstellten oppositionellen religiösen oder politischen Gesinnung unterliegen würde.
Von einer ausreichenden Schutzfähigkeit der somalischen (und ausländischen) Sicherheitsbehörden kann auf Basis der Länderinformationen nicht ausgegangen werden.
3.2.2. Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, dass die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Widerspruch zum gewährten subsidiären Schutz stehen würde, weil § 11 AsylG 2005 die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative nur erlaubt, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht gegeben sind (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
3.2.3. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Schutzunfähigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W211.2194393.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.02.2019