TE Bvwg Erkenntnis 2018/12/28 W195 2196421-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.12.2018
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Entscheidungsdatum

28.12.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W195 2196421-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Im Rahmen einer am XXXX vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF an, Anfang 2015 den Entschluss gefasst zu haben, sein Heimatland zu verlassen. Schlepperunterstützt sei er dabei über Indien, Pakistan, den Iran und die Türkei nach Griechenland gelangt, von wo aus er über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist sei. Nach den Gründen befragt, die den BF bewogen hätten, sein Heimatland zu verlassen, führte dieser aus, aufgrund seiner politischen Gesinnung in seiner Heimat von Mitgliedern der regierenden Partei verfolgt zu werden. Weitere Fluchtgründe habe er nicht, allerdings fürchte er bei einer Rückkehr in seine Heimat um sein Leben und habe aus diesem Grund Bangladesch verlassen.

3. Am XXXX wurde vom BFA aufgrund einer ärztlichen Untersuchung (Altersfeststellung) und eines Gutachtens der Medizinischen Universität Wien festgestellt, dass der BF spätestens am XXXX geboren wurde.

4. Am XXXX wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er u. a. aus, in seinem Heimatland politisch aktiv, seit 2011 Mitglied der BNP und seit 2014 Werbesekretär der BNP gewesen zu sein. Aufgefordert darzulegen, aus welchen Gründen er Bangladesch verlassen habe, gab der BF an, dass es Anfang 2014 eine Schlägerei zwischen Anhängern der BNP und der Awami League gegeben habe. Im Zuge dieses Vorfalls sei er mit einem chinesischen Schneidemesser am Hinterkopf verletzt worden. Auch andere Parteifreunde seien im Zuge dieses Vorfalls verletzt worden. Dieser Anschlag sei von einem Cousin seines Vaters, der vom BF in weiterer Folge als "Onkel" bezeichnet wurde, organisiert worden, da ihm nicht gefiel, dass der BF und sein Vater Anhänger der BNP seien. Dieser "Onkel" - XXXX - sei ein Anhänger der Awami League und damit selbst politisch aktiv. Nachdem sich sein Vater geweigert habe, ihn politisch zu unterstützen bzw. der BF den Posten des Werbesekretärs in der BNP erhielt, habe der Onkel immer wieder damit gedroht, den BF und seinen Vater umzubringen bzw. sie aufgefordert, das Land zu verlassen. Auch habe der Chairman der Awami League eine Anzeige gegen den BF und 20 weitere BNP-Anhänger mit dem Vorwurf eingebracht, dass der BF und ein Parteigenosse namens XXXX zwei Awami-League Anhänger mit einem chinesischen Schneidemesser an der Hand bzw. am Kopf schwer verletzt hätten. Dieser Vorfall habe jedoch nie stattgefunden und sei von den politischen Gegnern des BF erfunden worden. Dennoch sei in weiterer Folge Anklage gegen den BF sowie 15-20 weitere Tatverdächtige erhoben und über diese auch in der Zeitung berichtet worden. Aus diesem Grund habe der BF ab dem 06.01.2014 auch zahlreiche Poster aufgehängt, auf denen der BF zu diesem Vorfall Stellung bezog und der Öffentlichkeit mitzuteilen versuchte, dass er die ihm angelastete Tat nicht begangen habe.

Die Polizei sei auch zum BF nach Hause gekommen. Auch seien immer wieder Parteileute zu ihrem Haus gekommen und hätten seiner Mutter ausgerichtet, dass sie den BF umbringen werden. Auch seine Schwester sei auf dem Weg zur Schule beschimpft und bedroht worden, sodass sie nicht mehr in die Schule gehen wollte. In weiterer Folge sei bei einem persönlichen Treffen zwischen einem hohen Polizeibeamten und seinem "Onkel" beschlossen worden, den BF sowie die weiteren angeklagten BNP-Parteimitglieder zu suchen und zu töten. Darüber hinaus liege gegen den BF aufgrund eines angeblichen weiteren Vorfalls eine zweite Anzeige vor. Der Vorwurf aus dieser Anzeige sei, dass er Ende November 2014 im Zuge eines Streiks auf der Highway Road in XXXX zwischen 40 und 50 Fahrzeuge beschädigt und dabei Reifen angezündet, Glasscheiben beschädigt sowie Feuer gelegt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er allerdings bereits bei seiner Tante in XXXX Zuflucht gesucht. Nachdem ihn die Polizei auch dort zu suchen begann, habe er Bangladesch Anfang 2015 Richtung Indien verlassen.

5. Im Zuge der Einvernahme legte der BF Unterlagen in deutscher und bengalischer Sprache vor (darunter seine Geburtsurkunde, ein Zertifikat über die Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs im Rahmen des Projekts "Start Wien Flüchtlinge - Integration ab Tag 1", ein Empfehlungsschreiben von Herrn XXXX , eine Mitgliedsbestätigung der Bangladesch-Österreichischen Gesellschaft, die gegen ihn erhobene Anklageschrift vom XXXX sowie einen Zeitungsbericht über den Vorfall zwischen der BNP und der Awami League vom XXXX ).

6. Mit Datum vom XXXX stellte das BFA eine Anfrage an die Staatendokumentation zur Überprüfung der vom BF im Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen getätigten Angaben und zur Verifizierung vom BF vorgelegter Unterlagen.

7. Mit Datum vom XXXX übermittelte die Staatendokumentation dem BFA eine Anfragebeantwortung, wonach Vor-Ort-Recherchen der österreichischen Vertretungsbehörden in Bangladesch - unter Beiziehung eines Vertrauensanwaltes - zusammengefasst ergeben hätten, dass die vom BF vorgelegten Falldokumente sowie ein übermitteltes Poster, das der BF zum Beweis seiner Unschuld habe aufhängen lassen, als Fälschungen anzusehen seien, die vorgelegte Geburtsurkunde hingegen als authentisch zu bewerten sei. Befragungen unter Ortsansässigen hätten ergeben, dass diese keine Angaben zu den vom BF angeführten Vorkommnissen wie Demonstration, Protest und Streik machen konnten. Zwar kam es XXXX beim XXXX zu mehreren Zusammenstößen zwischen Anhängern der Awami League und der BNP. Dabei gab es mehrere Verletzte, deren Namen jedoch nicht in Erfahrung gebracht werden konnten. Bezüglich der XXXX für XXXX wurden von den befragten Ortsansässigen unterschiedlichen Angaben für das Wahljahr gemacht, nämlich 2014 und 2015. Die Mutter des BF hingegeben gab den 22.01.2014 als Wahltermin im Gebiet XXXX an. Des Weiteren wurden Informationen zu zwei Personen namens XXXX gefunden. Einer ist Anhänger der Jamat-e-Islam Partei und am Leben, der andere war BNP-Unterstützer und kam im Kreuzfeuer der Strafverfolgungsbehörden ums Leben. Zum Sterbejahr konnten keine Angaben getroffen werden.

8. Am 27.02.2018 wurde dem BF im Zuge einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA die Möglichkeit gegeben, zu den Rechercheergebnissen der Staatendokumentation Stellung zu nehmen. Der BF hielt sein Fluchtvorbringen aufrecht und führte ergänzend aus, dass nach den erfolgten Vor-Ort-Recherchen für ihn und seine Familie alles noch viel schlimmer geworden sei. Der Vertrauensanwalt sei von einer Menschenmenge begleitet zu seiner Familie nach Hause gekommen und habe diese "belästigt". Bei der Untersuchung seien Recherchen über ihn bei einem führenden Parteimitglied der Awami League angestrengt worden. Der BF geht davon aus, dass dieser falsche Angaben zu seiner Person gemacht habe.

9. Mit Datum vom XXXX übermittelte der BF dem BFA eine schriftliche Stellungnahme.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß

§ 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA bezüglich Spruchpunkt I. zusammengefasst aus, dass auf Grund der widersprüchlichen Ausführungen des BF und auf Grundlage der Ergebnisse durchgeführter Vor-Ort-Recherchen das Fluchtvorbringen des BF als nicht glaubhaft zu bewerten gewesen sei und somit nicht festgestellt werden konnte, dass der BF in seiner Heimat einer Bedrohung ausgesetzt gewesen sei. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei auch nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. (Spruchpunkt II.) Insbesondere handle es sich beim BF um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann mit familiären Anknüpfungspunkten in Bangladesch. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor (Spruchpunkt III.) und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten (Spruchpunkte IV. und V.) und betrage im Hinblick auch die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

11. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde der Bescheid des BFA vom XXXX seitens des BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten. Begründend führte der BF im Wesentlichen aus, dass die von der Behörde verwendeten Länderberichte sein Vorbringen bestätigen würden und sein Vorbringen vor diesem Hintergrund als glaubwürdig zu beurteilen sei. Der BF habe zudem umfassende Beweismittel vorgelegt und habe damit alles in seiner Macht Stehende unternommen, um beim Verfahrensverlauf seiner Mitwirkungspflicht im Sinne des Asylgesetzes nachzukommen. Die Behörde habe es zusammengefasst unterlassen, auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen und die Gesamtbeurteilung anhand der aktuellen Informationen aus dem Herkunftsstaat verabsäumt. Aus der Feststellung und der Argumentation sei ersichtlich, dass es sich um einen textbausteinartigen Bescheid handle, der sich nicht mit den individuellen Ausführungen und der individuellen Situation des BF auseinandersetzt. Im Ergebnis hätte das BFA zu dem Schluss kommen müssen, dass dem BF auf Grund seiner politischen Funktion die Begehung mehrerer Straftaten vorgeworfen werde und ihm daher eine Verfolgung auf Grund der politischen Gesinnung drohe.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, dem BF den Status eines Asylberechtigten, hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, hilfsweise auszusprechen, dass eine Rückkehrentscheidung des BF auf Dauer unzulässig und ihm eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG zu erteilen ist.

12. Mit Datum vom XXXX legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

13. Mit Schreiben vom XXXX übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF - gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung für den XXXX - das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangladesch.

14. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

15. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG konnte der wesentliche Sachverhalt ausführlich erörtert werden. Demzufolge habe der BF ausschließlich politische Fluchtgründe geltend gemacht. Er sei "öffentlicher Sekretär" der Partei Chatra Del (CD), dem Studentenflügel der BNP gewesen. Er habe diese Funktion innegehabt, obwohl er nie auf ein College gegangen sei. Er sei jedoch nicht bei einem Studentenflügel auf einem College gewesen, sondern beim Studentenflügel eines Gemeindeverbandes, wobei dieser Studentenflügel an die 5.000 Mitglieder gezählt habe. Vor den Wahlen 2014 habe er als öffentlicher Sekretär gearbeitet, sei aber nicht bei der Partei angestellt gewesen. Er habe keine Verfügungsgewalt über finanzielle Mittel besessen, sondern Plakate aufgehängt, die Bühne vor Kundgebungen hergerichtet und Vorbereitungen fürs Filmen getätigt. Dazu habe er auch Menschen kontaktiert. Sein Vater habe ihm auch beigebracht, wie man eine Versammlung einberuft, Protokolle schreibt und interne Vorgänge der Partei nähergebracht.

Auf Grund seiner Aktivitäten habe es in weiterer Folge drei Anzeigen gegen ihn gegeben, wobei eine Anzeige angeblich ausgelöst wurde durch die Recherchen, die das BFA vor Ort veranlasst habe. Dies habe ihm seine Mutter mitgeteilt, als sie 2017 in ihrem Wohnhaus zuerst vom Recherchenteam und einige Zeit später von politischen Gegnern angetroffen worden sei.

Er sei 2014, zwei Monate, nachdem sein Vater Bangladesch Richtung Indien verlassen habe, geflohen, bereits zu einem Zeitpunkt, als seine Mutter noch nicht zu den Großeltern gezogen sei. Seine Mutter sei unmittelbar danach zu den Großeltern gezogen. Er habe seinen Vater in Indien getroffen und sei sodann schlepperunterstützt nach Europa gekommen. Österreich sei nicht sein Zielland gewesen, sondern Europa generell. Er habe hier keine Verwandten; seine Mutter und seine jüngere Schwester leben bei den Großeltern, sie seien wohlhabend und würden von den Onkeln auch unterstützt werden. Seine älteren Schwestern seien verheiratet und ebenfalls in Bangladesch. Er habe lediglich einmal im Monat telefonischen Kontakt zu seiner Mutter, von seinem Vater gäbe es keine Nachricht.

16. In Österreich würde er derzeit von der Grundversorgung und gelegentlichen Arbeiten als Zeitungszusteller leben. Er sei Mitglied des Bangladesh Cricket Club Austria, der Bangladesh Austria Association, des Roten Kreuzes und habe einen Ausweis der Bücherei Wien sowie eine Mitgliedskarte der Bundestheater. Befragt nach seinen Deutschkenntnissen legt der BF eine Anmeldung für einen Deutsch-A2-Kurs vor, welcher im Dezember 2018 begonnen habe. Eine Bestätigung über die Absolvierung eines A1-Kurses kann nicht vorgelegt werden.

Eine Unterhaltung auf Deutsch ist jedoch nur extrem schwer möglich, der Sprachwortschatz ist sehr begrenzt. Die Beantwortung von Fragen erfolgt nicht in ganzen Sätzen, seinen Antworten muss mit großer Aufmerksamkeit begegnet werden, um Inhalte zu verstehen.

Hinsichtlich seiner beruflichen Integration gibt der BF an, er habe seit 18.12.2018 einen Arbeitsvorvertrag als Küchenhilfe im Cafe XXXX ; dort würde auch seine Bekannte arbeiten. Gleichzeitig legte der BF einen negativen Bescheid des AMS vom XXXX betreffend Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vor sowie eine "Gewerbeanmeldung" als Hausbetreuung.

Zu der Beziehung zu seiner Bekannten XXXX , Kellnerin im Cafe XXXX , führte der BF aus, dass sie zwar nicht zusammenwohnen würden, aber sich regelmäßig sehen und gemeinsam Freizeit verbringen würden. Diese sei durch die sehr unterschiedlichen Arbeitszeiten eingeschränkt. Er kenne ihre Familie nicht, sie würden von ihrer Bekanntschaft demnächst ihrer Familie erzählen, er wolle eine Lebensgemeinschaft aufbauen und seine "Freundin" heiraten.

17. Die vom BF als Zeugin namhaft gemacht Kellnerin im Cafe XXXX , Fr. XXXX , wurde im Rahmen der Verhandlung vor dem BVwG einvernommen. Ein Nachweis der Identität der Zeugin konnte mangels Lichtbildausweises nicht erfolgen.

Befragt zu den Fluchtgründen des BF konnte die Zeugin keine substanziellen Angaben machen. Sie habe zwar einmal ein bisschen nachgefragt, und es sei "etwas politisches" gewesen, aber weil der BF dann gleich traurig wurde, habe sie nicht weiter gefragt. Der BF telefoniere zwei- bis dreimal pro Woche mit seiner Mutter. Sonst wisse die Zeugin nichts über die Familie.

Befragt zur gegenwärtigen Beziehung gibt die Zeugin an, dass der BF nicht bei ihr wohne. Sie würden sich manchmal in ihrer Freizeit sehen, sie würden gemeinsam spazieren gehen und kochen. Eine finanzielle Unterstützung gäbe sie nicht, abgesehen vom gemeinsamen Einkauf. Sie würde ihm erzählen, was sie so mache, jedoch, wenn der BF der Zeugin etwas erzähle, verstünde sie ihn nicht gut, sie frage aber auch nicht nach. Es sei ein bisschen schwer sich mit ihm auf Deutsch zu verständigen.

Vom Besuch eines Deutschkurses habe er ihr nichts erzählt. Sie wisse auch nicht, dass der BF seit 18.12.2018 eine Einstellungszusage in dem Cafe, in dem sie arbeitet, habe; sie habe aber im Frühjahr mit ihrer Chefin darüber gesprochen.

Im Übrigen bestätigte die Zeugin, dass sie sich für einen Verbleib des BF in Österreich ausspräche und es auch weitere Menschen geben würde, die sich dasselbe wünschen. Ihren Eltern habe sie nicht von ihrer Bekanntschaft erzählt, weil sie mit dem Vorstellen warten will, bis alles passt, also der BF einen Job habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zu der Person des BF, seinen Lebensumständen in Bangladesch, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist in Bangladesch geboren und aufgewachsen. Er hat in seinem Heimatland eine mehrjährige Schulausbildung (Grundschule) absolviert.

Der BF ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Die Mutter sowie die jüngste Schwester des BF halten sich in Bangladesch auf. Zur in Bangladesch aufhältigen Mutter besteht ein aufrechter Kontakt. Diesen Kontakt pflegt der BF per Telefon einmal im Monat (Aussage des BF), nach den Angaben seiner als Zeugin vernommenen Bekannten zwei- bis dreimal pro Woche. Zu seinem Vater, welcher in Indien lebe, habe die Familie keinen Kontakt

Der BF ist im Februar 2016 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Der BF bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und geht in Österreich sporadisch einer Erwerbstätigkeit (hilfsweise Zeitungszusteller), mit der er seinen Lebensunterhalt verdienen kann, nach. Er ist in Österreich Mitglied der Bangladesch-Österreichischen Gesellschaft sowie des Bangladesh Cricket Club Austria, und er besitzt Mitgliedskarten des Roten Kreuzes, der Bücherei Wien und der Bundestheater. Der BF verfügt lediglich über einen sehr begrenzten deutschen Sprachwortschatz, wobei auch von seiner Bekannten bestätigt wird, dass eine Unterhaltung auf Deutsch faktisch nicht möglich ist; dies zeigte sich auch in der Verhandlung vor dem BVwG. Der Besuch eines Deutschkurses A2 ist zwar seit Mitte Dezember 2018 vorgesehen, wurde aber von der Bekannten nicht bestätigt. Die Vorlage einer erfolgreichen Kursbestätigung in A1 erfolgte nicht.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF verfügt über keine Verwandten in Österreich.

Hinsichtlich der Beziehung zu einer Kellnerin wird festgestellt: es besteht weder eine Wohngemeinschaft noch weitergehende wirtschaftliche Verflechtungen; Erzählungen aus dem bisherigen Leben und Vergangenheit des BF bzw. zur Familie des BF werden ausgespart. Ebenso werden derzeit keine familiären Anknüpfungspunkte gesucht bzw. scheint das Interesse daran nicht ausgeprägt zu sein und der Kontakt zu den Familien vermieden, die Existenz des BF als behaupteter "Freund" wird bewusst verheimlicht. Aktuelle Details aus dem Leben des BF - Einstellungszusage, Deutschkurs - sind der "Freundin" nicht bekannt. Einzelne Aktivitäten in der gemeinsamen Freizeit werden gemeinsam ausgeführt. Es besteht auch ein kleiner gemeinsamer Bekanntenkreis; in Österreich geborene Kinder des BF sind nicht bekannt.

Der BF ist gesund, nimmt keine Medikamente und befindet sich auch nicht in ärztlicher Behandlung.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es wird festgestellt, dass der BF nicht darlegen konnte, dass er auf Grund einer politischen Tätigkeit in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht. Seine diesbezüglichen Ausführungen sind widersprüchlich und nicht glaubhaft.

Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung auf Grund einer politischen Tätigkeit brachte der BF im Verfahren keine weiteren Gründe vor, auf Grund derer er in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.

II.1.3. Zur Situation im Herkunftsland des BF:

Kurzinformation vom 23.03.2018, Oppositionsführerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt

Am 8. Februar 2018 wurde Begum Khaleda Zia, die frühere Premierministerin von Bangladesch und Vorsitzende der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party (BNP) durch ein Gericht in Dhaka für schuldig befunden, während ihrer ersten Amtszeit von 1991 bis 1996 Spendengelder in Höhe von 21 Millionen Taka (etwa 200.000 Euro) veruntreut zu haben, die für die wohltätige Organisation Zia Orphanage Trust bestimmt waren. Das Gericht verurteilte Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft, vier Berater und ihren Sohn Tarique Rahman zu je zehnjährigen Haftstrafen (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018). Der in London im Exil lebende Tarique Rahman ist von der Parteiführung im Zuge des Urteils zum Leiter der BNP erkoren worden (Indianexpress 12.2.2018).

Die Anklage gegen Khaleda Zia und ihren älteren Sohn erfolgte bereits 2008 durch die damalige militärische Übergangsregierung (Indianexpress 12.2.2018).

BNP Generalsekretär Mirza Fakrul Islam Alamgir kritisierte das Urteil scharf als einen Versuch Khaleda Zia zu verunglimpfen und sie von der Teilnahme an den nächsten Wahlen auszuschließen und kündigte an, das Urteil anzufechten (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018).

Im Vorfeld der Urteilsverkündung gegen Khaleda Zia haben die Behörden am 30. Jänner damit begonnen landesweit Unterstützer der oppositionellen BNP zu verhaften (OMCT 22.3.2018). Die in Dhaka ansässigen Menschenrechtsorganisation Ain O Salish Kendra berichtet, dass in den acht Tagen vor der Urteilsverkündigung insgesamt 1.786 Personen, Mitglieder der BNP, der islamistischen politischen Partei Jamaat-e-Islami und parteilose, festgenommen wurden (HRW 8.2.2018). BNP-Sprecher Rizvi Ahmed spricht von der Verhaftung von ungefähr

3.500 Aktivisten und Funktionären (The Guardian 8.2.2018).

Noch vor der Urteilsverkündung kam es in Dhaka zu Zusammenstößen zwischen Gefolgsleuten der BNP und der Polizei. Im Fernsehen waren brennende Motorräder zu sehen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Demonstranten, die ein behördliches Versammlungsverbot missachtet hatten, zu zerstreuen (DW 8.2.2018).

Auch nach der Urteilsverkündung kam es in Bangladeschs Großstädten zu Zwischenfällen bei denen Polizeibeamte und Anhänger der BNP verletzt wurden. In der nordöstlichen Stadt Sylhet feuerten Polizisten mit Gummigeschossen auf Demonstranten, wobei vier Personen verletzt wurden. In der Hafenstadt Chittagong wurden mindestens sieben BNP-Funktionäre, darunter der lokale Parteivorsitzende verhaftet, nachdem es zu einem Handgemenge zwischen Anhänger der Opposition und der Polizei gekommen war (The Guardian 8.2.2018; vgl. BBC News 8.2.2018).

Etwa 5.000 Unterstützer der Opposition wurden bisher landesweit inhaftiert (OMCT 22.3.2018). Die Parteiführung der BNP fordert deren bedingungslose Freilassung (Dhaka Tribune 10.2.2018).

Seit der Inhaftierung von Khaleda Zia hat die BNP bei verschiedenen, friedlichen Aktionen, wie eine landesweite Flugblattaktion am 1. März, die Bildung einer Menschenkette in Dhaka am 6. März, sowie Sit-ins, symbolische Hungerstreiks und Protestzüge, ihre Freilassung gefordert (Dhaka Tribune 6.3.2018; vgl. Gulf Times 4.3.2018).

Am 19. März hat das Höchstgericht von Bangladesch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs von Dhaka, der ehemaligen Premierministerin Khaleda Zia Kaution zu gewähren, bis zum 8. Mai ausgesetzt (ANI 19.3.2018).

Quellen:

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ANI - Asian News International (19.3.2018): B'desh SC stays Khaleda Zia's bail in orphanage graft case, https://www.aninews.in/news/world/asia/bdesh-sc-stays-khaleda-zias-bail-inorphanage-graft-case201803191613580001/, Zugriff 22.3.2018

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BBC News (8.2.2018): Bangladesh ex-PM Khaleda Zia jailed amid clashes, http://www.bbc.com/news/world-asia-42987765, Zugriff 22.3.2018

-

Deutsche Welle (8.2.2018): Ex-Premierministerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt,

http://www.dw.com/de/ex-premierministerin-khaleda-zia-zu-f%C3%Bcnf-jahren-haftverurteilt/a-42499619, Zugriff 22.3.2018

-

Dhaka Tribune (10.2.2018): BNP announces more protest plans over Khaleda conviction,

http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/02/10/bnp-announces-protest-planskhaleda-conviction/, Zugriff 22.3.2018

-

Dhaka Tribune (6.3.2018): BNP forms human chain demanding Khaleda's release,

http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/03/06/bnp-forms-human-chaindemanding-khaledas-release/, Zugriff 22.3.2018

-

Gulf Times (4.3.2018): BNP announces fresh protest to demand release of Zia,

http://www.gulf-times.com/story/583845/BNP-announces-fresh-protest-to-demand-release-of-Z, Zugriff 22.3.2018

-

HRW - Human Rights Watch (8.2.2018): Bangladesh: End Crackdown on Opposition Supporters,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1423887.html, Zugriff 22.3.2018

-

Indianexpress (12.2.2018): The solitary prisoner, http://indianexpress.com/article/opinion/columns/khaleda-zia-bangladesh-politics-bnp-thesolitary-prisoner-5060031/, Zugriff 22.3.2018

-

OMCT -World Organisation Against Torture (22.3.2018): Bangladesh:

Bangladesh: Civil society decries mass arrests amid worsening human rights situation,

http://www.omct.org/monitoring-protectionmechanisms/statements/bangladesh/2018/03/d24780/, Zugriff 22.3.2018

-

The Daily Star (25.2.2018): ASK blasts cop action on BNP programme,

http://www.thedailystar.net/country/ain-o-salish-kendra-ask-blasts-police-action-bnpprogramme-153989, Zugriff 22.3.2018

-

The Guardian (8.2.2018): Violent protests as opposition leader is jailed in Bangladesh,

https://www.theguardian.com/world/2018/feb/08/violent-protests-opposition-leader-jailedbangladesh-khaleda-zia, Zugriff 22.3.2018

Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat auf Grund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017).

Am 05.01.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30 % bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). Die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. (AA 3.2017a). Zusätzlich behindern Korruption und ein erheblicher Verfahrensrückstand das Gerichtssystem. Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017). Straffälle gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2017). Richter des Obersten Gerichtshofs haben des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB New Delhi 12.2016). Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 3.2017a).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 3.3.2017). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 3.3.2017).

Bangladeschs Sicherheitskräfte haben eine lange Geschichte von willkürlichen Verhaftungen, erzwungenem Verschwinden-Lassen und außergerichtlichen Tötungen (HRW 12.1.2017). Obwohl gesetzlich verboten, gibt es Hinweise auf willkürliche Festnahmen, sowie auf die willkürliche Anwendung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen gemäß den Spezialgesetzen "Special Powers Act" und "Public Safety Act". Diese erlauben die 30-tägige Inhaftierung ohne Angabe von Gründen, um Taten zu verhindern, welche die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden. Nach 30 Tagen sind dem Angehaltenen die Haftgründe zu nennen, oder er muss entlassen werden. Die Praxis weicht davon ab. Die Arretierten haben keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Die davon hauptsächlich betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben (ÖB New Delhi 12.2016). Des Weiteren gibt es Berichte von Folter und anderen Missbräuchlichen Handlungen in Polizeigewahrsam. Der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013 wird nur schleppend umgesetzt (AI 22.2.2017). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung:

Rapid Action Bataillons (RABs): Das Rapid Action Bataillon (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14) (AA 14.1.2016) mit insgesamt ca. 8.500 Mann. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen und die Terrorabwehr (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. AA 14.1.2016). Die gut ausgebildeten und modern ausgerüsteten RABs sind hauptsächlich in den urbanen Zentren des Landes stationiert und verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Tötungen während Schusswechseln führt. Auch im Zuge von Demonstrationen setzten die RABs neben Gummigeschossen scharfe Munition ein, was auch hier zu Todesopfern führte. Insgesamt starben seit der Gründung 2004 laut Schätzungen über 800 Personen entweder durch Schusswechsel oder in RAB-Gewahrsam, es kam jedoch bisher zu keinen Verurteilungen (ÖB New Delhi 12.2016).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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