TE Vwgh Beschluss 1999/6/10 95/21/1062

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Veröffentlicht am 10.06.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, in der Beschwerdesache des D M, (geboren am 17. März 1965), in St. Pölten, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. Juni 1995, Zl. Fr 1255/95, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz und eines Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 27. Oktober 1993 (zugestellt am 10. November 1993) wurde auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass dieser in seinem Heimatstaat "Restjugoslawien" gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, bedroht sei. Ferner wurde von der belangten Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen weiteren Bescheid vom 18. Jänner 1994 (zugestellt am 16. März 1994) der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. September 1993 auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 55 Abs. 1 Z. 4 FrG abgewiesen.

2. Mit dem am 19. August 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (der erstinstanzlichen Behörde) eingelangten Schreiben erklärte der Beschwerdeführer, noch einmal einen Antrag auf (gemeint: Feststellung der) Unzulässigkeit der Abschiebung und einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses zu stellen. Diese Anträge wies die erstinstanzliche Behörde mit Bescheid vom 3. Oktober 1994 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass dem (neuerlichen) Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in seinen Heimatstaat "Restjugoslawien" (Bundesrepublik Jugoslawien) weder ein neuer Sachverhalt noch Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entnehmen seien. Auch sei ein Antrag gemäß § 54 FrG nur bis zur Erlassung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung zulässig und gegen den Beschwerdeführer (bereits) mit Bescheid vom 27. Oktober (nach Ausweis der Verwaltungsakten: September) 1993 ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen worden. Seinem (neuerlichen) Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses sei kein neuer Sachverhalt zu entnehmen und habe sich in der Rechtslage keine Änderung ergeben.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem gesetzlichen Recht auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien (Restjugoslawien) gemäß § 54 FrG und auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 55 FrG sowie auf Wiederaufnahme des Verfahrens und Abänderung von Bescheiden gemäß §§ 69 ff AVG verletzt. Er macht geltend, dass seine Anträge vom 19. August 1994 angesichts des unmittelbar den Anträgen folgenden Vorhalts der erstinstanzlichen Behörde als Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens, mit denen er jeweils neue Tatsachen und Beweismittel im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG vorgebracht habe, zu werten gewesen wären, sodass die erstinstanzliche Behörde zur Entscheidung über diese Anträge im Hinblick auf § 69 Abs. 4 AVG nicht zuständig gewesen sei. Da die belangte Behörde "bewusst als Berufungsbehörde" entschieden habe, sei auch der angefochtene Bescheid infolge deren Unzuständigkeit rechtswidrig.

2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

2.1. Mit Schreiben vom 23. August 1994 gab die erstinstanzliche Behörde dem Beschwerdeführer ihre Absicht bekannt, seine (neuerlichen) Anträge auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung und auf Ausstellung eines Fremdenpasses im Hinblick darauf, dass neue Umstände hinsichtlich der Sach- und Rechtslage weder bekannt seien, noch von ihm geltend gemacht werden könnten, wegen entschiedener Sache zurückweisen zu wollen (vgl. Seite 229 der Verwaltungsakten). Unter Bezugnahme auf diese Bekanntgabe teilte der Beschwerdeführer der erstinstanzlichen Behörde jeweils mit Schreiben vom 1. September 1994 mit, dass es ihm bei seinen Anträgen "nur um ein Wiederaufnahmeverfahren" bzw. "eine Wiederaufnahme" gegangen sei (vgl. die Seiten 247 bis 253 der Verwaltungsakten).

Mit diesem Vorbringen änderte der Beschwerdeführer seine beiden Anträge vom 19. August 1994 in solche auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 AVG ab. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Änderung eines Parteiantrages während des Verfahrens als Zurückziehung des ursprünglich gestellten Antrages unter gleichzeitiger Stellung eines neuen Antrages zu qualifizieren, sodass einer Entscheidung über den ursprünglichen Antrag der Boden entzogen ist und die Partei (nur) den Anspruch auf Entscheidung über den offenen Antrag hat (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, § 13 AVG E 75 und 83 zitierte Judikatur).

2.2. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht hat die erstinstanzlichen Behörde mit ihrem Bescheid vom 3. Oktober 1994, wie sich aus dem Spruch dieses Bescheides ohne jeden Zweifel ergibt, nicht über die beiden Anträge des Beschwerdeführers vom 1. September 1994 auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgesprochen - wozu sie nach § 69 Abs. 4 AVG angesichts des Umstandes, dass die Verfahren, deren Wiederaufnahme vom Beschwerdeführer angestrebt wird, jeweils durch einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde in meritorischer Beziehung rechtskräftig beendet worden waren (vgl. in diesem Zusammenhang etwa Walter/Thienel, aaO, § 69 AVG E 281 ff), auch nicht zuständig gewesen wäre -, sondern ausschließlich über die (infolge der Antragsänderung) nicht mehr existenten Anträge vom 19. August 1994 entschieden.

Für die belangte Behörde als Berufungsbehörde war "Sache" im Sinn des § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs des erstinstanzlichen Bescheides bildete (vgl. Walter/Thienel, aaO, § 66 AVG E 111). Dass die belangte Behörde auch über die Anträge des Beschwerdeführers vom 1. September 1994 auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgesprochen habe, lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen. Zwar führte sie in der Begründung ihres Bescheides (dort auf Seite 3) im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG und lediglich betreffend die Stellung des Antrages gemäß § 54 FrG aus, dass diesem weder ein neuer Sachverhalt noch Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entnehmen seien, doch können Begründungselemente - denen im Übrigen jede Bezugnahme auf die obgenannten Anträge vom 1. September 1994 fehlt - einen normativ verbindlichen Abspruch, wie er mittels des Spruchs eines Bescheides zu treffen ist, nicht ersetzen (vgl. etwa Walter/Thienel, aaO, § 59 AVG E 20).

2.3. Wurde von der belangten Behörde nicht über die Anträge des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgesprochen, so konnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinem diesbezüglichen, im Beschwerdepunkt (ausdrücklich) bezeichneten Recht verletzt werden. Die Nichterledigung dieser Anträge belastete den angefochtenen Bescheid nicht mit (inhaltlicher) Rechtswidrigkeit, weil diese Anträge von dem von der belangten Behörde erledigten Verfahrensgegenstand in rechtlicher Hinsicht trennbar sind (vgl. etwa Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren5, § 13 Abs. 1 AVG E 26, 30). Im Übrigen kann eine Säumigkeit der belangten Behörde im Rahmen der vorliegenden Beschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht geltend gemacht werden. Schließlich wurde der Beschwerdeführer in seiner rechtlichen Position auch dadurch nicht beeinträchtigt, dass mit dem angefochtenen Bescheid über die nicht mehr existenten Anträge vom 19. August 1994 entschieden wurde. Denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 420 und 424, wiedergegebene Judikatur, insbesondere den Beschluss vom 27. Juni 1980, Slg. NF 10.179/A; weiters etwa die Beschlüsse vom 19. Mai 1992, Zl. 92/11/0047, und vom 20. November 1998, Zl. 97/02/0376) kann eine Partei durch die Abweisung eines im Verwaltungsverfahren nicht gestellten - oder bereits zurückgezogenen - Begehrens oder durch die Zurückweisung eines Begehrens, auf dessen bescheidmäßige Erledigung kein Anspruch (mehr) besteht, in keinem Recht verletzt sein.

3. Demzufolge war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. Juni 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3 Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995211062.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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