Entscheidungsdatum
03.01.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W239 2210623-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.11.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 16.10.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Laut VIS-Abfrage verfügte der Beschwerdeführer über ein am 16.09.2016 von der polnischen Vertretungsbehörde in New Delhi/Indien ausgestelltes Schengen-Visums Typ C, gültig von 20.09.2016 bis 12.10.2016. Außerdem liegen zu seiner Person zwei EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vor, und zwar einer zu Österreich vom 05.10.2016 und einer zu Polen vom 20.03.2017.
Der zuvor in Österreich am 05.10.2016 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde am 07.12.2016 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 AsylG erstinstanzlich rechtskräftig negativ entschieden.
Im Zuge der nunmehrigen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag (16.10.2018) gab der Beschwerdeführer an, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Vorgehalten, dass er zuvor in Österreich bereits einen Antrag gestellt habe, der am 07.12.2016 rechtskräftig negativ entschieden worden sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass er Österreich zwischenzeitlich verlassen habe. Er habe sich etwa vier Monate von Oktober 2016 bis Februar 2017 in Dänemark aufgehalten, sei dann etwa elf Monate von Februar 2017 bis Jänner 2018 in Polen gewesen und habe sich anschließend etwa neun Monate von Jänner 2018 bis Oktober 2018 in der Ukraine aufgehalten.
Zur Frage, weshalb er einen neuerlichen Antrag stelle, erklärte der Beschwerdeführer, dass er Angst vor der Polizei habe, weil er in Indien von 2014 bis 2016 ein Geschäft betrieben habe und ihn einige seiner Geschäftspartner im Jänner 2016 wegen Betruges mit Blankoschecks angezeigt hätten, wobei der Vorwurf nicht stimme. Deshalb habe er Schulden gehabt, die er nicht zurückzahlen habe können, weshalb er seine Heimat verlassen habe. Er habe im März 2018 von der Ukraine wieder nach Indien zurückkehren wollen, sei aber in der Ukraine festgesessen, und im Juli 2018 sei ihm bekannt geworden, dass in Indien neuerlich eine Anzeige wegen Betruges gegen ihn erstattet worden sei. Im Falle seiner Rückkehr nach Indien habe er Angst, von der Polizei festgenommen und ins Gefängnis gebracht zu werden sowie mit den Geschäftspartnern wegen des Geldes Probleme zu bekommen. Die Änderung seiner Situation sei ihm seit Juli 2018 bekannt. Er könne sich über einen Freund in Polen die polnischen Dokumente besorgen lassen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 17.10.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen und führte irrtümlich an, dass der Beschwerdeführer am 26.02.2018 in Österreich um internationalen Schutz angesucht habe.
Daraufhin lehnte die polnische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 30.10.2018 die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers mit der Begründung ab, dass die zweimonatige Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmeersuchens bereits verstrichen sei. Mit Remonstration vom 02.11.2018 stellte das BFA gegenüber der polnischen Dublin-Behörde klar, dass der Beschwerdeführer tatsächlich am 16.10.2018 (und nicht am 26.02.2018) in Österreich um internationalen Schutz angesucht habe, sodass die zweimonatige Frist zur Stellung eines Wiederaufnahmeersuchens noch offen sei.
Mit Schreiben vom 06.11.2018 stimmte die polnische Dublin-Behörde der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO ausdrücklich zu.
Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 19.11.2018 im Beisein einer Rechtsberaterin die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA statt. Hierbei gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, sich psychisch und physisch dazu in der Lage zu sehen, die Einvernahme durchzuführen. Er sei gesund und nehme keine Medikamente. Im Verfahren habe er bis dato die Wahrheit gesagt. Dokumente könne er keine vorlegen; nur in Indien habe er Dokumente, die er sich schicken lassen könne. Die Angaben in der Erstbefragung zum Reiseweg und zu seinen Asylantragsgründen seien richtig. Er sei mit einem Visum nach Polen eingereist, ansonsten habe er sich um keine weiteren Visa bemüht.
Nachgefragt, ob er in Österreich, dem Bereich der EU, Norwegen oder Island Familienangehörige oder Verwandte habe, zu denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe, erklärte der Beschwerdeführer, dass seine Freundin XXXX, geb. XXXX, in Linz lebe. Sonst habe er in Österreich niemanden.
Dem Beschwerdeführer wurde sodann zur Kenntnis gebracht, dass Polen für die inhaltliche Führung seines Verfahrens zuständig sei, weshalb seine Außerlandesbringung dorthin geplant sei. Dazu brachte der Beschwerdeführer vor, dass über seinen Asylantrag in Polen bereits zweimal negativ entschieden worden sei. Die vorgelegten polnischen Entscheidungen wurden in Kopie zum Akt genommen. Er habe in Polen Berufung erhoben, es seien aber keine Einvernahmen durchgeführt worden, weshalb er in die Ukraine gegangen sei. Von der Ukraine sei er nach Österreich gekommen. Über Nachfrage erklärte der Beschwerdeführer, er sei Anfang März 2018 von Polen in die Ukraine geflüchtet und sei für etwa acht Monate in der Ukraine gewesen bevor er nach Österreich gekommen sei. Es gebe keine Unterlagen oder Beweismittel für seinen Aufenthalt in der Ukraine, da er dort illegal gewesen sei. In Polen sei er knapp ein Jahr lang aufhältig gewesen, da er am 20.03.2017 in Polen eingereist sei.
Die Frage, ob es in Polen konkret ihn selbst betreffende Vorfälle gegeben habe, verneinte der Beschwerdeführer. Man habe ihm nur zweimal eine negative Entscheidung gegeben, gegen die er Berufung erhoben habe. Deshalb habe er Polen verlassen.
Zu den aktuellen Länderfeststellungen zu Polen führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit zwei Jahren in Polen herumlaufe, aber niemand höre ihn an. Er dürfe zurzeit nicht in sein Heimatland zurück. Bei seiner ersten Asylantragstellung habe er schon eine Einvernahme gehabt, beim zweiten Mal habe er keine Ladung bekommen. Er sei telefonisch informiert worden, wann die Einvernahme stattfinden hätte sollen, aber sein Akt sei so beschlossen worden. Nach der Berufung habe ihn auch niemand mehr befragt. Er werde versuchen, Unterlagen aus der Ukraine zu besorgen.
Die anwesende Rechtsberaterin stellte keine Fragen und erstattete kein weiteres Vorbringen.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.11.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Polen traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert):
Allgemeines zum Asylverfahren
In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten: (...)
(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 3.11.2017
Dublin-Rückkehrer
Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. 2016 gab es keinen einzigen Fall, in dem ein Verfahren innerhalb der Neun-Monatsfrist wiedereröffnet worden wäre. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 2.2017; vgl. EASO 24.10.2017).
Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig von dem Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.
Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail
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VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
Vulnerable
Als vulnerabel gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, alleinerziehende Elternteile, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychisch Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. sexueller Gewalt. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse medizinische und psychologische Identifikationsmechanismen vorgesehen und werden auch angewendet, wenn auch die Initiative dazu oft vom Antragsteller ausgehen muss. An der Grenze wendet die Grenzwache eigene Identifizierungsmechanismen für Vulnerable an, die von NGOs als ungenügend kritisiert werden. Einige NGOs behaupten, dass das im polnischen Gesetz vorgesehene Identifikationssystem für Vulnerable in der Praxis nicht funktioniere (AIDA 2.2017).
Die für die medizinische Versorgung von Asylwerbern in Polen zuständige Vertragsfirma Petra Medica ist vertraglich verpflichtet, einen Früherkennungsmechanismus für Vulnerable zu betreiben. Psychologische Versorgung inklusive Übersetzung ist in allen Unterbringungseinrichtungen vorhanden. Verfahren vulnerabler Personen werden priorisiert und alle Beamten im Umgang mit Vulnerablen geschult. Das Verfahren zur Identifizierung Vulnerabler wurde im Zuge eines Projekts mit einer NGO entwickelt. Die Bewertung spezieller Bedürfnisse geschieht durch einen Arzt während der Erstuntersuchung (epidemiologischer Filter). Werden psychische Probleme erkannt, wird der Betreffende zu einem Psychologen überwiesen. Wenn zu einem späteren Zeitpunkt Hinweise auf Vulnerabilität aufkommen, wird ebenfalls eine psychologische Untersuchung veranlasst. Gleiches gilt bei Hinweisen auf Folter. Wenn auch von NGOs behauptet wird, die Identifizierung der Vulnerabilität funktioniere in der Praxis nicht immer, kann Polen dennoch als positives Beispiel genannt werden, da der Identifikationsmechanismus verpflichtend ist, und konkrete Umsetzungsmaßnahmen festgelegt wurden (HHC 5.2017).
In Polen gibt es drei NGOs, die sich auf die psychologische Betreuung von vulnerablen Asylwerbern spezialisieren. Die NGO International Humanitarian Initiative arbeitet in Warschau und besucht nötigenfalls auch geschlossene Einrichtungen. Sie betreiben auch das Projekt "Protect" für Folteropfer. Die NGO Ocalenie Foundation arbeitet auch in Warschau und hat einen Psychologen, der Russisch und Englisch spricht. Die dritte ist die Stiftung Róznosfera, welche 2015-2016 ein Projekt mit Grenzwache und Asylbehörde zur Identifizierung von Vulnerablen betrieben hat. Andere NGOs bieten psychologische Hilfe aus finanziellen Gründen nur eingeschränkt und unregelmäßig an (AIDA 2.2017).
Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen sind auch entsprechend unterzubringen. Einige der Unterbringungszentren in Polen sind behindertengerecht angepasst. Drei Zentren haben spezielle Eingänge und Bäder für Rollstuhlfahrer, sieben andere Zentren haben gewisse Verbesserungen für diese Gruppe umgesetzt, und es gibt Rehabilitationsmaßnahmen. Traumatisierte Asylwerber (etwa Folteropfer) können in Einzelzimmern untergebracht werden. In Warschau gibt es ein Zentrum, speziell für alleinstehende Frauen mit Kindern. Es gibt spezielle Gegenmaßnahmen der Behörden in Kooperation mit UNHCR und NGOs (sogenannte Local Cooperation Teams) gegen geschlechterbasierte Gewalt in den Unterbringungszentren (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017
Non-Refoulement
Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist (first country of asylum). 2016 gab es in Polen 770 Unzulässigkeitsentscheidungen, aber es gibt keine Daten, wieviele davon auf die genannte Regelung zurückgehen (AIDA 2.2017).
Es gibt Berichte, wonach immer wieder potentiellen Antragstellern an der Grenze zu Weißrussland die Einreise nach Polen und der Zugang zum Asylverfahren verwehrt wird (AIDA 2.2017). Stattdessen werden sie nach Belarus zurückgeschickt. Die Grenzwache sagt, dass jene, denen die Einreise verweigert wurde, Wirtschaftsmigranten ohne Visa gewesen seien, die lediglich nach Westeuropa weiterreisen wollten (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). NGOs kritisieren, dass die Grenzwache diese Erkenntnis aus lediglich rudimentären zwei- bis dreiminütigen Befragungen (pre-screening interviews) gewinne. Das polnische Außenministerium wiederum sagt, dass das Gebiet, auf dem diese pre-screening interviews stattfinden, nicht polnisches Territorium sei (HRW 15.6.2017). Es wird weiter kritisiert, dass Belarus über kein funktionierendes Asylsystem verfüge, und daher die hauptsächlich tschetschenischen bzw. zentralasiatischen Schutzsuchenden einem Risiko ausgesetzt seien, in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt zu werden und dort Opfer von Folter oder Misshandlung zu werden. Diese Praxis dauert angeblich trotz mehrerer interim measures des EGMR weiter an (AI 5.7.2017).
Quellen:
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/336602/479283_de.html, Zugriff 10.11.2017
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AI - Amnesty International (5.7.2017): Public Statement: Poland:
EU Should Tackle Unsafe Returns to Belarus, https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1499329689_eur3766622017english.pdf, Zugriff 10.11.2017
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HRW - Human Rights Watch (15.6.2017): Poland Ignores European Court Over Return of Asylum Seeker, https://www.ecoi.net/local_link/341960/485286_de.html, Zugriff 10.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017
Versorgung
Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens sowie ohne Unterschied zu materieller Unterstützung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren sowie bei Folgeanträgen und während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), wird ihnen das Recht auf Versorgung aberkannt. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2016 meist nicht getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 2.2017).
Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings schlicht eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiterversorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
Unterbringung
Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat), eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten) und Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2016 erhielten durchschnittlich 1.735 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 2.416 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützungen liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Dies trage dazu bei, dass AW oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen lebten und oft illegaler Beschäftigung nachgehen müssten. Selbst für Familien reiche die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 2.2017).
In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.331 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Es gibt keine speziellen Zentren für AW im Grenzverfahren oder in Transitzonen (AIDA 2.2017).
Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 2.2017).
Es gibt spezielle Gegenmaßnahmen der Behörden in Kooperation mit UNHCR und NGOs (sogenannte Local Cooperation Teams) gegen geschlechterbasierte Gewalt in den Unterbringungszentren (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017). UNHCR und NGOs berichten über keine größeren oder anhaltenden Probleme von Missbrauch in den Zentren (USDOS 3.3.2017).
Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Biala Podlaska, Bialystok, Lesznowola, Ketrzyn, Krosno Odrzanskie, und Przemysl mit zusammen 510 Plätzen (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/337193/479957_de.html, Zugriff 10.11.2017
Medizinische Versorgung
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten:
psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).
Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von AW durch die Vertragsfirma Petra Medica gewährleistet. Sie umfasst in jedem Unterbringungszentrum auch psychologische Versorgung. Pro 120 AW sind vier Stunden Zuwendung durch einen Psychologen vorgesehen. Das umfasst Identifizierung von Vulnerablen und grundlegende Behandlung. AW können aber auch an Psychiater oder psychiatrische Einrichtungen überwiesen werden. NGOs zeigen sich damit nicht zufrieden, beklagen den Mangel an PTSD-Behandlungen und einige NGOs meinen sogar, die spezialisierte Behandlung von traumatisierten AW und Folteropfern wäre in Polen nicht möglich. Zusätzlich bieten NGO-Psychologen in Unterbringungszentren ihre Dienste an, in manchen Zentren aber nicht regelmäßig. Die Psychologen in den Unterbringungszentren sprechen in der Regel auch Russisch. Darüber hinausgehende Übersetzung wird durch die zuständige Abteilung der Petra Medica gewährleistet. Manchmal ist bei der medizinischen Behandlung die Übersetzung bzw. mangelnde interkulturelle Kompetenz des medizinischen Personals ein Problem. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern
zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen (AIDA 2.2017; vgl. HHC 5.2017).
Petra Medica ist aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde verantwortlich für die medizinische Versorgung von Asylwerbern in Polen. In den Empfangszentren wird ein Gesundheits-Check, darunter auch der sogenannte epidemiologische Filter auf Tuberkulose, Infektionskrankheiten, Geschlechtskrankheiten und parasitäre Erkrankungen, vorgenommen. In den Unterbringungszentren wird ambulante medizinische Versorgung, darunter medizinische Grundversorgung, Zahnbehandlung, psychologische Betreuung und Versorgung mit Medikamenten geboten. Wenn nötig, werden Patienten für Tests oder Spezialbehandlung in medizinische Einrichtung der Petra Medica oder andere Vertragseinrichtungen überwiesen. Psychologische Betreuung findet im Zentrum statt, in Spezialfällen kann auch in spezialisierte Kliniken überwiesen werden. Rehabilitationsmaßnahmen sind mit Genehmigung der Abteilung Sozialwohlfahrt der UDSC möglich. Wenn AW außerhalb der Zentren leben, erhalten sie die Behandlung ebenfalls in den oben genannten Einrichtungen oder in relevanten Einrichtungen in den Hauptstädten der Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke, Anm.). Wenn nötig, kann eine Überweisung in das nächstgelegene Krankenhaus erfolgen, das mit Petra Medica zusammenarbeitet. Außerhalb des Zentrums konsumierte Leistungen werden über Petra Medicas Patient Registration Coordinator serviciert (werktags zu den Bürozeiten). Wenn ein Patient sich dorthin wendet und er die nötigen Daten bereitstellen kann, wird die Behandlung genehmigt, Einrichtung und Datum für die Durchführung der Leistung ermittelt und dem Betreffenden mitgeteilt. Bei Akutfällen, in der Nacht und an Feiertagen, stehen entweder die übliche landesweite Versorgung bzw. medizinische Notdienste zur Verfügung. Um in den Unterbringungszentren und beim Foreigner Service Team Medikamente zu erhalten, ist eine entsprechende Verschreibung nötig. Wer außerhalb der Zentren lebt und Sozialhilfezahlungen erhält, kann verschriebene Medikamente erhalten, indem er das Rezept an Petra Medica schickt oder diese selbst kauft und sich die Kosten hinterher ersetzen lässt (UDSC 12.12.2016; vgl. PM o.D.).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
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HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504851185_2017-05-hhc-unidentified-and-unattended.pdf, Zugriff 9.11.2017
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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
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PM - Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, http://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 10.11.2017
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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (12.12.2016): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail
Schutzberechtigte
Internationaler Schutz wird unbefristet erteilt. Die Aufenthaltskarte, welche die Nutznießer erhalten, ist aber immer nur für drei Jahre gültig (verlängerbar). Subsidiärer Schutz sowie Humanitärer Schutz werden ebenfalls unbefristet erteilt. Die Aufenthaltskarte, welche die Nutznießer in beiden Fällen erhalten, ist aber immer nur für zwei Jahre gültig (verlängerbar). Nach frühestens fünf Jahren legalen Aufenthalts in Polen können Fremde unter bestimmten Voraussetzungen eine Langzeitaufenthaltsberechtigung beantragen (AIDA 2.2017).
Schutzberechtigte dürfen nach Erhalt der Entscheidung noch für max. zwei Monate in der Unterbringung für Asylwerber bleiben. Sie genießen volle Niederlassungsfreiheit in ganz Polen. Der Staat bietet keine eigenen Unterbringungsmöglichkeiten für Schutzberechtigte, nur einige Gemeinden bieten spezielle Wohnungen zu diesem Zweck an (z.B. fünf pro Jahr in Warschau). Innerhalb des zwölf Monate dauernden Individual Integration Program (IPI), erhalten Schutzberechtigte jedoch eine Zulage für das Anmieten einer Wohnung. Berichten zufolge vermieten aber viele Vermieter nicht gerne an Flüchtlinge bzw. verlangen höhere Mieten. Manche NGOs meinen, Flüchtlinge würden sich in Polen Obdachlosigkeit und Armut gegenübersehen. Schutzberechtigte haben in Polen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt wie polnische Bürger, jedoch sind in der Praxis Sprachkompetenz und Qualifikation der Flüchtlinge oft ein Problem. Schutzberechtigte haben Zugang zum allgemeinen polnischen Sozialsystem wie polnische Bürger auch. Humanitär Aufenthaltsberechtigte oder Geduldete (tolerated stay) haben lediglich Zugang zu Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und speziell gewidmeten Leistungen. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte müssen sich krankenversichern und haben dann Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem wie polnische Bürger. Innerhalb des zwölf Monate dauernden Individual Integration Program (IPI), wird die Krankenversicherung noch von der öffentlichen Hand übernommen, danach muss diese entweder von einem etwaigen Arbeitgeber oder vom Schutzberechtigten selbst übernommen werden. Kinder unter 18 Jahren haben immer Zugang zu medizinischer Versorgung, die in ihrem Fall voll vom Staat übernommen wird. Die Krankenversicherung in Polen deckt die meisten medizinischen Behandlungen ab, lediglich einige Zahnbehandlungen, Medikamentenkosten und einige Heilbehelfe sind nicht umfasst. Das Polish Centre for Rehabilitation of Torture Victims der Foundation International Humanitarian Initiative bietet Folteropfern und Traumatisierten im Rahmen von Projekten Hilfe (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.v_final.pdf, Zugriff 6.11.2017
Begründend führte das BFA unter anderem aus, der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, da gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO Polen für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei. Zur Behauptung des Beschwerdeführers, dass er von Anfang März 2018 etwa acht Monate in der Ukraine gewesen sei (nach der Antragstellung in Polen und vor der Antragstellung in Österreich) wurde ausgeführt, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO deshalb nicht zur Anwendung kommen könne, da der Beschwerdeführer keine Unterlagen oder Beweismittel vorgelegt habe. Da es keinerlei Beweismittel für seine Angaben zum angeblichen Aufenthalt in der Ukraine gebe, könne seine Aussage nicht als bewiesene Tatsache angesehen werden, weshalb Polen weiterhin für sein Asylverfahren zuständig sei.
Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben. Der Beschwerdeführer sei gesund und benötige keine Medikamente. Er leide an keinen lebensbedrohlichen oder überstellungshinderlichen Krankheiten. Er habe in Österreich eine Freundin. Diese falle nicht in den Bereich der Definition von nahen Angehörigen (Kernfamilie) und es habe auch kein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis (Pflegebedürftigkeit) festgestellt werden können.
3. Gegen den Bescheid des BFA vom 20.11.2018 erhob der Beschwerdeführer eine handschriftlich verfasste Beschwerde in der Sprache Punjabi. Der Übersetzung des Schreibens lässt sich im Wesentlichen Folgendes entnehmen: Der Beschwerdeführer wolle nicht nach Polen gehen, da seine Freundin in Österreich wohne und er mit ihr zusammenbleiben wolle. Er wolle mit ihr gemeinsam sein Leben beginnen. In ganz Europa habe er niemanden abgesehen von seiner Freundin. Seine Freundin wolle nicht mit ihm nach Polen gehen, weil sie dort vergewaltigt worden sei. Das Strafverfahren sei noch anhängig. Er wolle hier mit ihr in Österreich zusammenbleiben.
Der Beschwerdeführer habe, als er von Polen in die Ukraine gegangen sei, in einem Haus gelebt. Diesen Vertrag könne er vorlegen. In Polen hätten die Leute Fremde sehr gehasst. Dort befinde man sich immer in Gefahr. Der Beschwerdeführer sei in Indien gefährdet gewesen, deshalb habe er das Land verlassen, aber nachher sei er hier auch in Gefahr gewesen. Er ersuche darum, in Österreich bleiben zu können, und bitte darum, Nachforschungen zu seinen Problemen in Indien anzustellen. Nach den Ergebnissen der Untersuchung bitte er darum, dass man sein Verfahren weiterführe, da Polen ihn schon zweimal abgelehnt habe. Er habe keine Hoffnung, dass Polen sein Verfahren noch einmal durchführen werde. Falls sein Verfahren nicht in Österreich geführt werde, komme sein Leben in Gefahr.
Der Beschwerdeführer sei psychisch verwirrt, da er nicht angehört werde. Er habe auch früher schon unter psychischen Problemen gelitten. Er ersuche darum, seine Sorgen nicht weiter zu vermehren und ihn nicht nach Polen zu schicken, sondern hier Untersuchungen einzuleiten. Dafür wolle er sich bedanken.
Am 11.12.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Kopie eines Mietvertrages aus der Ukraine ein; dies zum Nachweis dafür, dass der Beschwerdeführer sich in der Ukraine aufgehalten habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, verfügte über ein am 16.09.2016 von der polnischen Vertretungsbehörde in New Delhi/Indien ausgestelltes Schengen-Visums Typ C, gültig von 20.09.2016 bis 12.10.2016. Er suchte am 05.10.2016 in Österreich und am 20.03.2017 in Polen um internationalen Schutz an, bevor er im Bundesgebiet am 16.10.2018 den nunmehr gegenständlichen Antrag stellte.
Der zuvor in Österreich am 05.10.2016 gestellte Antrag auf internationalen Schutz wurde am 07.12.2016 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 AsylG erstinstanzlich rechtskräftig negativ entschieden. Polen trat in die inhaltliche Prüfung des Antrages ein und lehnte diesen ab. Dass sich der Beschwerdeführer danach zwischenzeitlich für mindestens drei Monate in der Ukraine und somit außerhalb des Hoheitsgebietes der Mitgliedstaaten aufgehalten hat, kann nicht festgestellt werden.
Das BFA richtete am 17.10.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen, dem Polen letztlich mit Schreiben vom 06.11.2018 ausdrücklich gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO zustimmte.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Polen an.
Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen. Besonders ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich des vorliegenden polnischen Schengen-Visums Typ C sowie hinsichtlich der in Österreich und Polen erfolgten Antragstellungen ergeben sich aus dem Ergebnis der VIS-Abfrage, den vorliegenden EURODAC-Treffern, den Angaben des Beschwerdeführers und aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren mit Polen.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung Polens zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der polnischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes. Polen hat der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO ausdrücklich zugestimmt und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der zuvor in Polen gestellte Antrag des Beschwerdeführers dort inhaltlich geprüft und abgelehnt wurde, was im Einklang mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers und mit den vorgelegten polnischen Unterlagen steht.
Sofern der Beschwerdeführer vorbrachte, dass er das Gebiet der Mitgliedstaaten zwischenzeitlich für mindestens drei Monate verlassen habe und sich in der Ukraine aufgehalten habe, ist dem BFA darin beizupflichten, dass der Beschwerdeführer hierfür keinerlei tragfähigen Beweismittel vorlegen konnte. Der dem Bundesverwaltungsgericht nach Einbringung der Beschwerde vorgelegte ukrainische Mietvertrag wurde lediglich in Kopie beigebracht und ist daher einer Dokumentenüberprüfung nicht zugänglich. Selbst wenn es sich um einen echten Mietvertrag handeln sollte, stellt ein solcher Vertrag noch keinen Beleg für einen tatsächlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Ukraine dar. Auffällig ist hierbei auch, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA über Nachfrage zuerst angab, keine Beweismittel für einen Aufenthalt in der Ukraine zu haben, da er sich dort illegal aufgehalten habe, letztlich aber - widersprüchlich zu seiner Aussage - dennoch einen Mietvertrag vorlegte. Zudem finden sich in den Angaben des Beschwerdeführers zum angeblichen Aufenthalt in der Ukraine Ungereimtheiten, da er bei der Erstbefragung angab, sich von Jänner 2018 bis Oktober 2018 etwa neun Monate dort aufgehalten zu haben, wohingegen er vor dem BFA erklärte, er sei Anfang März 2018 in die Ukraine geflüchtet und etwa acht Monate geblieben. Insgesamt betrachtet ist es dem Beschwerdeführer daher nicht gelungen, sein Vorbringen glaubhaft zu machen, sodass Art. 19 Abs. 2 Dublin-III-VO nicht zur Anwendung gelangt und die Zuständigkeit Polens feststeht.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das polnische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Polen den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.
Dass der Beschwerdeführer weder unter gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, noch über besonders ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen zu Österreich verfügt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Er gab durchgehend an, gesund zu sein. Den Aussagen des Beschwerdeführers ist zwar zu entnehmen, dass er in Österreich eine Freundin habe, doch wurde keine wechselseitige Abhängigkeit behauptet, die diese Beziehung als besonders schützenswert erscheinen lassen könnte. Konkrete Anhaltspunkte für eine Integrationsverfestigung haben sich im Verfahren nicht ergeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
§ 5 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt."
§ 10 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet: