Entscheidungsdatum
03.01.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L504 2118342-1/19E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 10.12.2018 MÜNDLICH VERKÜNDETEN
ERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXXXXXX1983 geb., StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. R. Frühwirth, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2015, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 57 AsylG 2005 idgF, §§ 52, 46, 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt".
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
Ohne Vorhandensein eines gültigen Einreise- bzw. Aufenthaltstitels und unter Mitwirkung einer kriminellen Schlepperorganisation begab sich die beschwerdeführende Partei [bP] in das österreichische Bundesgebiet. Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger der Türkei mit sunnitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Kurden angehört und aus Kocaeli stammt.
Am 23.06.2015 wurde die bP im Zuge einer Verkehrskontrolle durch die Polizei bei nicht rechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet angetroffen, festgenommen und folglich vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie nach Dänemark wolle. Sie möchte in Österreich keinen Asylantrag stellten.
Nach Vorhalt und Erörterung des § 51 FPG gab die bP jedoch an:
"Ich habe Probleme mit den Behörden, weil ich Kurde bin. Ich werde fallweise von der Polizei daheim abgeholt und wurde schon einmal zwei Monate lang aus politischen Gründen eingesperrt, weil ich Anhänger der Partei HDP bin. Ich kann in meiner Muttersprache nicht unterrichtet werden. In der Türkei werde ich vom islamischen Staat bedroht. Man verlangt von mir, dass ich mich dem IS anschließe. Wenn ich dies nicht tue, droht mir der Tod. Daher stelle ich nunmehr doch einen Asylantrag in Österreich."
Nach erfolgter Belehrung über die Rechte und Pflichten als Asylwerber und unter ausdrücklicher Aufforderung nur wahre und vollständigen Angaben zu machen, sowie, dass unwahre Aussagen nachteilige Folgen für den Ausgang des Verfahrens haben können, begründete die bP in der gem. § 19 AsylG am 24.06.2018 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung ihren Antrag bzw. ihr Ausreisemotiv folgendermaßen (Auszug aus der Niederschrift):
"Warum haben Sie Ihr Land verlassen?
Als Kurdischstämmiger wurde ich in der Türkei immer wieder von türkischen Personen mit dem Tode bedroht und ich hatte Angst um mein Leben bzw. das meiner Frau und meines Sohnes. Deshalb musste ich die Türkei fluchtartig verlassen."
Im Falle einer Rückkehr befürchte die bP, dass sie Morddrohungen erhalte und diese umgesetzt würden. Von staatlicher Seite erwarte sie keine Repressionen, jedoch von "türkischen Personen".
In der nachfolgenden Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte die bP, nach erfolgter neuerlicher Erinnerung auf die Wahrheits- und Mitwirkungsverpflichtung im Verfahren, am 04.09.2015 zu ihrer ausreisekausalen Problemlage im Herkunftsstaat und allfälligen Problemen, die sie im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat erwarte, im Wesentlichen vor (Auszug aus der Niederschrift):
"[...]
LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?
VP: Ich habe die Wahrheit gesagt.
[...]
LA: Haben Sie jemals einen Auslandsreisepass besessen oder beantragt? Wenn ja, befand sich ein Visum darin?
VP: Mein Reisepass wurde in Serbien bzw. auf den Weg nach Ungarn gestohlen. Ein Visum war nicht darin. Ich habe mir den Reisepass neu ausstellen lassen.
LA: Wann haben Sie ihn ausstellen lassen?
VP: Es war keine Erstausstellung. Ich habe ihn nur erneuern lassen. Das war ungefähr ein Monat vor meiner Ausreise.
[...]
LA: Welche Staatsbürgerschaft, welcher Religionszugehörigkeit und Volksgruppe gehören Sie an?
VP: Ich bin türkischer Staatsbürger, gehöre zur Volksgruppe der Kurden und bin Moslem.
LA: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt in Ihrem Heimatland finanziert?
VP: Ich bin als Kebab-Koch tätig. Ich war aber nicht selbstständig.
LA: Wo befinden sich Ihre Frau und Ihr Kind?
VP: Sie leben in der Türkei.
[...]
LA: Wo haben Sie bis zu Ihrer Flucht im Heimatland gelebt?
VP: Ich habe mit meiner Frau und meinem Kind in XXXX XXXX, XXXX, XXXX, XXXX gelebt. Meine Frau und mein Sohn leben immer noch dort.
LA: Wer kümmert sich derzeit um Ihre Frau und Ihren Sohn.
VP: Meine Mutter, ein Bruder und eine Schwester leben derzeit bei Ihnen.
LA: Wann haben Sie Ihren Wohnsitz endgültig verlassen?
VP: Am 19.06.2015
LA: Wie wurde Ihre Ausreise finanziert?
VP: Ich habe mir das Geld für meine Ausreise von der Bank geliehen.
LA: Hat Ihre Familie irgendwelche Besitztümer in Ihrem Heimatland, z. B. Häuser, Grund? Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?
VP: Ich persönlich besitze nichts. Wir leben auch in Miete. Meine Mutter hat ein Haus in XXXX in XXXX. Wir können dort aber nicht hin, weil es im Jahr 2011 einen Bombenangriff gab. Ich bin nicht aus wirtschaftlichen Gründen geflüchtet.
LA: Könnten Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Herkunftsland wieder an Ihrer Wohnadresse wohnen?
VP: Nein.
LA: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?
VP: Wenn ich zurück geschickt werden würde, wäre dies mein Todesurteil
LA: Haben Sie im Herkunftsland, oder hier Strafrechtsdelikte begangen?
VP: Nein.
LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland Probleme mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen?
VP: Nein.
LA: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?
VP: Nein.
LA: Waren Sie in Haft oder wurden Sie festgenommen?
VP: Ich wurde in Istanbul für zwei Monate festgehalten. Das war im März 2015, im Mai 2015 wurde ich entlassen.
LA: Von wem wurden Sie festgenommen?
VP: Das war eine Geheimdienst-Einheit der Polizei
LA: Wo waren Sie in Haft?
VP: Das weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht warum ich mitgenommen wurde, was mir vorgeworfen wurde.
LA: Sind Sie Mitglied einer Partei, parteiähnlichen oder terroristischen Organisation?
VP: Ja, ich bin Mitglied der HDP Partei. Ich bin kein aktives, sondern nur einfaches Mitglied. Ich hatte keine Funktionen.
Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:
VP: Ich bin in XXXX an der Grenze zu Syrien geboren. Wir hatten zuerst in XXXX gewohnt. Dort befand sich das Familienhaus. Unser Leben verlief sehr schön. Ich habe maturiert. Ich wollte auch eine Studienberechtigungsprüfung ablegen. Dies war aber aufgrund der politischen Aktivitäten meines Vaters und dessen Brüder nicht möglich. Der Weg zum Studium versperrt. Ich durfte auch nicht in öffentlichen Dienst oder Militär. Dann brach der Krieg in Syrien aus. Wir haben Kriegsflüchtlinge aufgenommen. Damit meine ich, dass diese Flüchtlinge in XXXX willkommen waren. Aufgrund unseres Vorgehens wurden wir massiv bedroht von Seiten ASSAD, Angehörige von AL-KAIDA und der IS. Am 11. September 2013 gab es zwei Explosionen. Eine Detonation fand im Stadtverwaltungsgebäude in Reyhandli statt. Meine Cousine XXXX XXXX und das Enkelkind meines Onkels XXXX XXXX kamen dabei ums Leben. Die zweite Explosion fand nach zwei Minuten der ersten Explosion statt. Diese war vor dem Postamt. Bei dieser Explosion starb die Tochter meines Onkels XXXX XXXX mütterlicherseits, gemeinsam mit Ihrer Tochter XXXX XXXX. Insgesamt gab es 52 Tote. Nach diesen Explosionen haben wir XXXX verlassen. Fast die gesamte Bevölkerung hat XXXX verlassen. Dort leben zurzeit nur Terroristen.
Viele Journalisten haben aufgrund dieser Ereignisse mit uns Interviews gemacht. Ich habe auch Interviews gegeben, sowie andere Familienmitglieder. Aufgrund dessen habe ich Drohungen erhalten. Die Drohungen fanden in verschiedenster Form. Entweder per Telefon oder auf der Straße. Ich war bei der Polizei um Schutz für meine Familie zu finden. Die Polizei hat nichts gemacht. Deshalb begaben wir uns nach Istanbul.
Mein Vater starb im Jahre 2011 an einem Herzinfarkt. Nach seinem Tod war ich das männliche Familienoberhaupt und ich habe meine Familie eben nach den Explosionen in Sicherheit bringen müssen. Deshalb sind wir nach Istanbul gezogen. Man hat uns in Istanbul ausfindig gemacht. Dort erhielten wir auch wieder massive Bedrohungen. Mir war dann klar, dass diese Leute mit dem Geheimdienst kooperieren. 2-3 Tage nach diesen Bedrohungen wurde ich dann vom Geheimdienst mitgenommen und für zwei Monate festgehalten. Man hat mir keine Gründe genannt. Ich wurde ohne Erklärungen festgehalten.
LA: Welche politischen Aktivitäten führten Ihr Vater und Ihre Onkeln aus?
VP: Damals gab es linksgerichtete und rechtsgerichtete, die gegeneinander gekämpft haben. Ich war aber zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht auf der Welt. Ich weiß auch nicht wie aktiv mein Vater war. Es hat mir lediglich meinen Studium Weg blockiert.
LA: Wer hat Sie bedroht?
VP: Ich vermute dass es sich um IS-Anhänger handelte. Man drohte mir, meinen Sohn zu töten und meine Frau zu entführen.
LA: Wann haben Sie geheiratet?
VP: Am 17.10.2014 im Standesamt XXXX. Wir waren zuerst nach moslemischem Brauch verheiratet, weil wir keine Dokumente meiner Frau aus Syrien bekamen. Als wir diese erhielten, haben wir auch standesamtlich geheiratet.
LA: Wie lange lebten Sie in Istanbul bis die Drohungen begannen?
VP: Diese fanden bereits 10 Tage danach statt. Wir haben dann trotzdem vier Monate in Istanbul gelebt und sind dann in die Ortschaft namens XXXX in der Provinz XXXX gegangen. Wir konnten aber nur zwei Tage bleiben, weil wir dort massiv bedroht wurden.
LA: Ich bekam telefonische Drohanrufe. Auch fuhren einmal zwei Autos mit verdunkelten Scheiben auf der Straße auf mich zu. Ich bin dann zu meinem Onkel, welcher uns einen LKW zur Verfügung stellte, für die Übersiedlung nach XXXX, wo mein Onkel auch lebte.
LA: Wann fuhren Sie von XXXX weg?
VP: Wir blieben nach den Explosionen am 11.09.2013 noch ungefähr ein Jahr lang in XXXX. Ich glaube im Juni oder Juli 2014 gingen wir nach Istanbul. Dort blieben wir vier Monate in Istanbul. Da wir nicht gleich eine Wohnung finden konnten, lebten wir bei meiner Schwester. Um meine syr. Frau standesamtlich zu ehelichen sind wir kurzfristig nach XXXX gefahren. Danach sind wir wieder zurück nach Istanbul. Nach diesen vier Monaten Aufenthalt in Istanbul sind wir nach XXXX in die Provinz Kocaeli um dort zu leben. Nach massiven Drohungen und dem Mordversuch an mich, mussten wir XXXX nach zwei Tagen verlassen und sind dann nach XXXX.
LA: Wie konnten Sie noch ein Jahr in XXXX leben, wo Sie doch selbst angaben, dort bereits bedroht worden zu sein?
VP: Die Bedrohungen fanden nicht sofort nach den Explosionen statt
LA: Wann fanden nun diese Bedrohungen statt?
VP: Nach den Explosionen war es ungefähr für 5 Monate Ruhe. Zwei Stunden nach diesen Explosionen wurde ein Presseverbot eingeführt. Die Journalisten durften das Gebiet nicht betreten. Der Zugang wurde auch durch Polizisten und vom Militär blockiert. Erst danach konnten wir mit den Journalisten sprechen. Damit meine ich nach diesen 5 Monaten. Danach fingen die Drohungen an.
LA: Wie wurden Sie in XXXX nun konkret bedroht?
VP: Alle meine Nachbarn in XXXX sind IS Anhänger. Sie sind Verbrecher, Waffenschmuggler, Spritschmuggler. Sie sind alle aus Syrien mit Vollbart. Sie haben mich auf offener Straße bedroht, auch haben sie meine Familie bedroht. Bedroht wurde ich allerdings auf Türkisch.
LA: Was haben diese Männer gesagt? Welche Drohung wurde nun konkret gegen Sie und Ihre Familie ausgesprochen?
VP: Sie fragten mich warum meine Familie und ich mit Journalisten gesprochen haben. Sie sagten, sie wüssten dass ich Kurde sei und sie werden meine Familie und mich töten. Sie haben auch auf das Presseverbot verwiesen. Wir konnten nicht gleich weg. Wir mussten zuerst Geld sammeln um nach Istanbul zu kommen.
LA: Wie oft wurden Sie bedroht bis zu Ihrer Fahrt nach Istanbul?
VP: Einmal. Aber ich fühlte mich verfolgt und nahm war, dass mein Haus unter Beobachtung stand.
LA: Welche Drohungen erhielten Sie sodann in Istanbul?
VP: In Istanbul wurde ich zweimal bedroht. Einmal am Telefon, einmal per Brief, welcher unter die Türe geschoben wurde. Ich habe das Papier der Polizei in Istanbul vorgelegt. Diese haben aber nicht unternommen.
LA: Haben Sie dieses Schreiben mit?
VP: Die Polizei hat dieses Schreiben
LA: Wer hat Sie telefonisch bedroht?
VP: Ich weiß es nicht. Er hat sich nicht vorgestellt. Er sagte mir, dass er mir den Kopf abschneiden wird und dass alle Kurden getötet werden. Diese Drohung wurde wieder in türkischer Sprache geäußert.
LA: Was stand auf dem Brief?
VP: " Egal wo du hingehen wirst, werden wir dich kriegen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist".
LA: Was haben Sie dann gemacht?
VP: Wir sind dann nach XXXX. Dort hat man versucht mich zu töten, indem man mit zwei Fahrzeugen, welche verdunkelte Scheiben hatten, auf mich losfuhr. Ich konnte mich aber durch einen Sprung auf die Seite retten. Genauer gesagt, sprang ich in einen Garten. Danach übersiedelten wir nach XXXX, wo mein Onkel lebt und wo jetzt auch meine Frau und mein Kind, sowie meine Mutter und meine Geschwister leben.
LA: Wo kam Ihr Sohn auf die Welt?
VP: Im Krankenhaus in XXXX ist er geboren, gelebt haben wir da noch in Istanbul. Die Familie meiner Frau lebte in einem Haus in XXXX. Wir waren zu Besuch dort, als meine Frauen Wehen bekamen. Sie wurde dann ins Krankenhaus in XXXX gebracht. Nach der Geburt meines Sohnes am XXXX11.2014 sind wir nach XXXX gezogen.
LA: Was passierte nun in XXXX?
VP: Als wir nach XXXX gezogen sind, habe ich bereits beschlossen, dass Land zu verlassen. Ich habe also bei der Bank einen Kredit aufgenommen von 10.000 US-Dollar und hab das Land am 19.06.2015 legal verlassen.
LA: Von November bis zur Ausreise haben Sie sozusagen alles für Ihre Ausreise vorbereitet?
VP: Ja, das stimmt.
LA: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?
VP: Ja, das habe ich.
LA: Wie kam es zum Schädelhirntrauma?
VP: Ich bin privat mit meinem Moped gestürzt. Die Bremsen haben nicht funktioniert, weil das Bremsseil gerissen ist.
Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die in die vom Bundesasylamt zur Beurteilung Ihres Falles herangezogenen allgemeinen Länderfeststellungen des BFA zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.
Der AW verzichtet auf eine vollständige Übersetzung. Mit dem Dolmetscher werden daher die Feststellungen auszugweise mit dem AW erörtert. Dazu gibt er an:
VP: Bewegungsfreiheit: Ich habe es doch versucht. Aber ich wurde ja gefunden. Der Geheimdienst arbeitet mit der IS zusammen.
Sicherheitslage: Es existiert keine Sicherheit für Menschen.
Medizinische Behandlung: Ich hatte keine Probleme. Für meine Frau muss ich immer privat bezahlen, da sie nur eine weiße Karte besitzt. Man hat vor zwischen Türkei und Syrien eine Zone einzurichten, wo alle, die keine türkische Staatsbürger, untergebracht werden sollen - egal ob diese mit Türken verheiratet sind. 3 Millionen warten schon, um aus der Türkei ausreisen zu können. Damit meine ich Syrer, Iraker, Afghanen usw. Unter diesen Leuten sind sehr viele Menschen von Al-Kaida, IS und Taliban.
LA: Woher wissen Sie das?
VP: Ich schaue Nachrichten, ich habe auch beobachtet. Auch habe ich viele Verwandte in Syrien, die zu Besuch kamen und die mir dies erzählt haben. Hinter der Maske als Flüchtling gibt es viele Terroristen, welche bereits in Europa sind.
[...]
LA: Würde Ihnen im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?
VP: Ja
LA: Wenn sich die Drohungen gegen Ihre gesamte Familie richtet, warum sind Sie dann alleine geflüchtet?
VP: Das Geld hat nicht gereicht. Meine Frau hat auch keinen Reisepass.
LA: Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie?
VP: Ja. Ich sage ihr, dass sie ständig den Platz wechseln soll.
LA: Können Sie Gründe vorbringen, die gegen eine Ausweisung aus Österreich sprechen? Können Sie irgendwelche sonstigen Gründe namhaft machen, die für Ihre Integration in Österreich sprechen?
VP: Ich werde getötet, wenn ich zurück muss. Ich wollte auch nicht nach Österreich, ich wollte nach Dänemark. Österreich ist so nahe an der Türkei, weil die Terroristen bereits da sind bzw. noch kommen. Niemand will hier bleiben.
Ich versuche Deutsch zu lernen, ich treibe ein wenig Sport, fahre mit dem Fahrrad. Es kommt dann jemand der in unserer Unterkunft die Sprache beibringen wird.
[...]
LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?
VP: Ich habe alles vorbringen können. Ich habe auch keine Einwände und keine Beschwerden.
[...]"
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.
Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen.
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG wurde nicht erteilt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei.
Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat per se für Kurden keine generelle, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.
In ihrer von der gewillkürten Vertretung, MigrantInnenverein St. Marx sowie RA Dr. Lennart Binder LL.M., am 03.12.2015 eingebrachten Beschwerde wird im Wesentlichen das bisheriges Vorbringen wiederholt und auf die Drohungen hingewiesen sowie, dass sie nur knapp dem Tod entkommen sei. Die bP sei vor allem vor den IS-Extremisten geflohen und die türkische Regierung habe ihr keinen Schutz davor gewährt. Die bP sei "Jeside" und gelte als Staatsfeind. Die bP werde als kurdischer Volksgruppenangehöriger in der Türkei vom Staat verfolgt.
Nach erfolgter Zustellung der Ladung zur Verhandlung beim BVwG Anfang November 2018, teilte die bP durch ihre Vertretung mit, dass inzwischen (Anm.: Antragstellung 19.04.2018) auch die syrische Ehegattin und das gemeinsame Kind in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten. Es liege ein Familienverfahren vor und wären diese Verfahren unter einem zu führen. Es werde beantragt den gegenständlichen Bescheid der bP aufzuheben.
Am 10.12.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP eine Verhandlung durch. Das BFA blieb entschuldigt fern.
Mit der Ladung wurde die beschwerdeführende Partei auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönliche Ausreisemotivation und sonstigen Rückkehrbefürchtungen soweit als möglich durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine umfassende, jedoch demonstrative Aufzählung von grds. als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.
Zugleich mit der Ladung wurden der beschwerdeführenden Partei ergänzend Berichte zur aktuellen Lage in der Türkei übermittelt bzw. namhaft gemacht, welche das Verwaltungsgericht in die Entscheidung miteinbezieht. Eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen wurde dazu eingeräumt. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.
Das BVwG hat am Ende der Verhandlung die Entscheidung mündlich verkündet. Am 18.12.2018 langte eine Vollmachtsbekanntgabe und ein Antrag auf schriftliche Ausfertigung ein.
In der Beschwerdeverhandlung brachte die bP im Wesentlichen Folgendes vor (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
"[...]
Am 18.07.2018 gab Ihre Ehegattin beim Bundesamt an, dass sie sich von ihrem Ehegatten, also von Ihnen, scheiden lassen will.
Ja, das ist richtig. Wir werden uns nicht scheiden lassen. Da wir früher nicht so oft kommuniziert haben, deshalb war sie fern von mir. Wir hatten keine Verbindung zueinander, aber derzeit haben wir miteinander gesprochen, es gibt keine Probleme mehr.
Wie haben Sie in der Zeit der Trennung zu diesen Kontakt gehalten?
Ich kommunizierte mit meinen Eltern. Meine Eltern und mein Onkel hatten Kontakt zu ihr. Durch sie hatte ich Kontakt zu meiner Frau und meinem Sohn.
Sie leben derzeit nicht im gemeinsamen Haushalt mit der Gattin und dem Kind. Auf welche Art und Weise erhalten Sie Kontakt zu diesen?
Ich hatte Kontakt zu meinem Schwager. Derzeit pflege ich telefonischen Kontakt und ich besuche sie alle 4 bis 5 Monate. Seitdem sie hier sind, bin ich das zweite Mal bei ihnen, gestern war ich bei ihnen. Nachgefragt gebe ich an, es gab ein Gesetz, dass ich als Asylwerber die Steiermark nicht verlassen durfte, deshalb wohnen meine Frau und ich nicht zusammen. Wir haben nicht die Mittel, eine eigene Wohnung zu besorgen.
[...]
Wollen Sie hier in der Verhandlung von sich aus noch weitere Angaben zu Ihrem Antrag auf internationalen Schutz machen?
Ich habe zwar angeführt, dass ich bei der HDP ein Mitglied bin, in der Türkei wird gegen die HDP Druck ausgeübt und sie werden eingesperrt, z.B. der Vorsitzende oder Vorstandsmitglieder werden festgenommen.
[...]
Wo leben derzeit Ihre Mutter und Ihre Geschwister?
In Istanbul. Nachgefragt gebe ich an, in einer Mietwohnung. Nachgefragt gebe ich an, dass sie arbeiten. Mein Bruder und meine Schwester arbeiten, auch in Istanbul.
Warum haben Ihre Ehegattin und Ihr Sohn 2018 die Türkei verlassen?
Das hat meine Frau bereits erwähnt. Sie wurden in der Türkei unterdrückt, so hat sie mir das erzählt. Ihre Eltern und Geschwister und ich leben in Österreich und sie wollte auch in Österreich leben.
Was meinen Sie mit "sie wurde unterdrückt"?
Es ist eine strafbare Handlung, ein syrischer Staatsbürger zu sein, noch dazu eine Kurdin. Wenn sie sich in einem Geschäft aufhält, dann kommt man sofort darauf, dass sie eine Syrerin, syrische Staatsbürgerin ist und sie redet Kurdisch. Sie ist der türkischen Sprache sehr schlecht mächtig.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Familienangehörigen in Istanbul?
Gut. Sie leben auch unter schwierigsten Umständen dort. Die Mieten sind sehr hoch. Sie bekommen wenig Lohn.
[...]
Sie gaben beim Bundesamt an, dass sie am 19.06.2015 die Türkei von Istanbul aus die Türkei per Flugzeug legal verlassen haben. Geben Sie bitte chronologisch ab Anfang 2015 bis zum Tag Ihrer Ausreise ihre Wohnorte an.
Im Kreis XXXX, Provinz XXXX. Durchgehend. Nachgefragt gebe ich an, in der XXXX-Straße XXXXGasse in derselben Wohnung. Nachgefragt gebe ich an, dass es keinen Mietvertrag gegeben hat, aber die Wohnung wurde von mir angemietet. Nachgefragt gebe ich an, dass ich dort registriert war. Mir wurde dort auch Post zugestellt an dieser Adresse. Nachgefragt gebe ich an, 2 meiner Schwager, welche derzeit in Dänemark leben haben noch dort gewohnt. Sie sind syrische Staatsbürger.
Wie haben sie in diesem Zeitraum (Anfang 2015 bis zur Ausreise) Ihr Leben finanziert?
Ich war berufstätig. Ich habe als Kebab-Koch gearbeitet. Ich hatte nur am Sonntag frei. Von der früh bis am Abend, von 6 bis 20 Uhr habe ich gearbeitet, 12-14 Stunden. Ca. bis ein Monat davor, ich habe selbst gekündigt.
Warum wollten Sie lieber in Dänemark einen Asylantrag stellen?
Mein Zielland war Dänemark. Mein Schwager und Schwägerin lebten dort und ich hatte keinen Kontakt zu Österreich, deshalb wollte ich nach Dänemark. Ich wollte weiter weg von der Türkei sein. Österreich ist zu Nahe zur Türkei. Ich habe Österreich lieben gelernt.
Haben Sie bei Ihrer Ausreise Ihrer Ehegattin gesagt, warum Sie die Türkei verlassen?
Nein. Nachgefragt gebe ich an, ich habe ihr nichts gesagt, weil ich nicht wollte, dass sie Angst bekam. Ich flüchtete aus der Türkei. Da ich Drohungen gehabt habe, musste ich die Türkei verlassen.
Haben Sie selbst das Flugticket besorgt?
Ja. Nachgefragt gebe ich an, ich habe über Internet eine Agentur gesucht, anschließend habe ich das Geld über meine Bank überwiesen. Das Flugticket habe ich an meine Anschrift per Post bekommen.
Was war das gravierendste, persönliche Erlebnis das letztlich für Ihren Ausreiseentschluss maßgeblich war?
Über die Bombenvorfälle 2013, in XXXX, habe ich bereits erzählt. Den Verwandten aus Syrien habe ich geholfen aus Syrien in die Türkei einzureisen. Die Nachbarn, die Terrororganisation angehören, haben das erfahren. Die Hälfte der Bevölkerung von XXXX gehört zu verschiedenen Terrororganisationen, deshalb mussten wir XXXX verlassen und zogen nach Istanbul um. Auch dort haben sie uns gefunden, deshalb habe ich bei der Polizei eine Anzeige erstattet. Die Polizei hat das nicht ernstgenommen. In Istanbul habe ich einige Aufenthaltsorte geändert. Einmal wurde ich per Telefon bedroht und einmal schriftlich an der Tür. Später zog ich nach XXXX / XXXX. Dort wurde ich auch belästigt. Mein Onkel wollte mich nach XXXX. Wir lebten eine Weile dort. Auch dort wurde ich bedroht. Deshalb habe ich mich entschlossen, nach Europa zu flüchten. Ich habe das letzte halbe Jahr in XXXX gewohnt. Die Hälfte der Bevölkerung von XXXX ist vom IS.
Erzählen Sie von dieser Bedrohung, was ist konkret passiert?
Telefonisch wurde ich bedroht. Man sagte mir, dass sie mich abköpfen werden, denn sie wussten, dass wir Kurden sind. Sie wussten auch, dass wir nicht so islamisch sind.
Wie oft war die telefonische Drohung in XXXX?
3 Mal. Nachgefragt gebe ich an, ca. mit 1 1/2-Monatsabständen. Ich bin geflüchtet, weil sie mich umbringen wollten. Sie sagten mir, dass sie mir den Kopf abschneiden werden. Sie haben mich sehr schlimm bedroht und beleidigt, mich und meine Familie.
Haben Sie sich in XXXX an die Polizei gewandt?
In XXXX war ich nicht bei der Polizei, sondern in Istanbul. Damals wurde ich schriftlich bedroht. Man hat ein Schreiben vor die Tür gelegt. Mit diesem Schreiben ging ich zur Polizei. Der Polizist wusste, dass ich ein Kurde bin, weil er die letzte Nummer meiner ID-Nummer gesehen hat. Er half mir nicht dabei. Deshalb war es für mich nicht notwendig, zur Polizei zu gehen. Ich habe das Ganze geplant und die Türkei verlassen.
Trotz der wiederholten telefonischen Drohungen in XXXX ist aber offenkundig weder Ihnen noch Ihrer Ehegattin etwas passiert. Den Aussagen Ihrer Ehegattin ist zu entnehmen, dass Sie noch bis zu Ihrer Ausreise 2018 in diesem Ort gewohnt hatten und sie unbehelligt blieb.
Sie war nicht ständig dort wohnhaft. Sie war die ganze Zeit unterwegs, unter anderem auch in XXXX. Ich möchte ganz offen reden, türkischer Geheimdienst und IS arbeiten zusammen. Sie haben einen gemeinsamen Kontakt. Da meine Frau eine syrische Staatsbürgerin ist, gibt es keine staatliche Anmeldung für sie. Deshalb kann man sie nicht finden und ausfindig machen. Mich als türkischer Staatsbürger kann man sofort finden.
Ihre Ehegattin gab an, dass sie selbst nach Ihrer Ausreise bei ihrer Mutter in derselben Ortschaft eine Gasse weiter gewohnt hat. Als die Mutter im Jänner 2017 dann zwecks Familienzusammenführung nach Österreich gekommen ist, ist sie dann zu einem Onkel gezogen und sie hat manchmal bei Freundinnen gewohnt.
Aus den Angaben meines Onkels und meiner Mutter habe ich das gleiche entnommen.
Nun sind seither schon einige Jahre vergangen. Was spricht dagegen, dass Sie aktuell wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren?
Ich habe Angst vor dem türkischen Staat. Es kann sein, dass es in Istanbul derzeit keine Probleme mehr gibt, aber in meiner Heimat sind die Probleme noch aktuell. Sie könnten auch nach Istanbul wiederkommen (die Probleme).
Spricht etwas dagegen, dass Sie in Istanbul leben?
Derzeit ist es nicht möglich. Ich will nicht mehr in der Türkei weiterleben. Warum soll ich in einem Land leben, für das ich ein Feind bin?
Warum sind Ihre Ehegattin und ihr Sohn nicht schon mit Ihnen ausgereist, wo sie doch Ihren Angaben nach ebenso gefährdet waren wie Sie?
Ich hatte die finanziellen Möglichkeiten damals nicht. Ich durfte ohne Visum nach Serbien einreisen, die Syrer brauchen ein Visum für dieses Land. Einige Male habe ich versucht, sie über Seeweg nach Griechenland bringen zu lassen. Alle haben gesehen, was mit diesen Leuten passiert. Sie ertränken die Kinder und Erwachsenen. Ich glaube, dass mein größter Fehler war, sie nicht hierher gebracht zu haben.
War es der Entschluss Ihrer Gattin nun 2018 zu Ihnen nach Österreich nachzureisen oder Ihre Entscheidung?
Das war die Entscheidung meiner Frau und deren Familie. Ich war finanziell nicht in der Lage, sie zu unterstützen. Ich glaube, dass ihr Onkel ihr dabei geholfen hat.
[...]
Ich beabsichtige die Beweisaufnahme zu schließen. Möchten Sie noch zur Sache etwas vorbringen was Ihnen wichtig erscheint und Sie bisher noch nicht vorbringen konnten?
Ich bin derzeit ein Christ. Ich möchte mit meiner Familie in Österreich weiterleben. Ich glaube, dass Österreich ein demokratisches Land ist. Ich habe hier viele Österreicher kennen gelernt, viele haben mich auch unterstützt. Ich bedanke mich dafür.
Sind Sie getauft?
Am Freitag habe ich einen Termin dafür. Wegen Weihnachten hat man nicht so schnell einen Dolmetsch gefunden. Ich glaube, dass sie jetzt doch einen Dolmetsch gefunden haben, deshalb habe ich einen Termin für Freitag bekommen. Ich überlege mir den Namen Paulus zu geben. Er stammt nämlich aus meiner Heimat Antakya. In der St. Pierre Kirche bekam er den Titel Apostel.
Haben Sie einen Vorbereitungskurs für die Konversion gemacht?
Ich habe nämlich mit einem Freund darüber gesprochen, weil ich diesbezüglich Vieles wissen wollte und er hat mir alles erklärt. Mir gefällt diese Religion, weil die Kurden von Moslems umgebracht worden sind und nicht von Christen. Ich glaube, dass es meine Religion ist.
Welche christliche Religionsgemeinschaft möchten Sie?
Katholisch.
Warum katholisch und nicht eine andere?
Ich habe nur vom Katholizismus eine Ahnung, weil mir mein Freund von dieser Glaubensrichtung erzählt hat, weiters habe ich eine kath. Kirche besucht. Die Kirche ist nicht weit weg von meiner Wohnung.
[...]
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben. Das BVwG hat auch die Niederschriften der Ehegattin in deren Verfahren beim Bundesamt in das Verfahren miteinbezogen und wurden diese in der Verhandlung erörtert.
Bei den im Verfahren aufgenommenen Niederschriften handelt es sich um das zentrale Beweismittel. Die bP bezieht hier auf Basis von Fragestellungen zu ihren persönlichen Verhältnissen und Erlebnissen im Herkunftsstaat Stellung. Gerade die als ausreisekausal geschilderten persönlichen Ereignisse entziehen sich im Wesentlichen zumeist auf Grund faktischer und rechtlicher Ermittlungsschranken einer Überprüfbarkeit durch die Asylinstanzen. Zur Verdeutlichung des maßgeblichen, konkreten Aussageverhaltens der bP zur persönlichen Situation im Herkunftsstaat werden die Aussagen in den aufgenommenen Niederschriften zu ihrer Situation in ihren wesentlichen Teilen hier dargestellt.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die Identität steht lt. Bundesamt fest. Dem BVwG wurden - trotz ausdrücklicher Aufforderung mit Zustellung der Ladung - keine mit Lichtbild versehenen türkischen Identitätsdokumenten vorgelegt, weshalb das Gericht diesbezüglich keine eigenständige Beurteilung treffen kann.
Die bP legte beim Bundesamt nachfolgende Dokumente vor, aus der sich für das Bundesamt ihre Identität ergibt:
NÜFUS, ausg. am XXXX05.2015 in XXXX
Führerschein ausgestellt am XXXX06.2013 in Nordzypern, gültig bis XXXX06.2014
Kopie des Auszuges vom türk. Standesamt, ausg. am XXXX05.2015 in XXXX
Kopie der Heiratsurkunde, ausg. XXXX05.2015 in XXXX, Eheschließung XXXX10.2014
Aus den beim Bundesamt vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die bP Staatsangehörige der Türkei, die Ehegattin syrische Staatsangehörige und das gemeinsame minderjährige Kind türkischer Staatsangehöriger ist.
Die bP gehört, ihren gleichbleibenden persönlichen Angaben in den Niederschriften nach, der Volksgruppe der Kurden an und betrachtete sich im Verfahren vor dem Bundesamt der muslimisch-sunnitischen Glaubensrichtung zugehörig. Es ergaben sich aus den persönlichen Aussagen keine Hinweise darauf, dass die bP den Jesiden angehörig ist, wie im Beschwerdeschriftsatz des Vertreters MigrantInnenverein St. Marx steht.
Die bP hat in Österreich im Zuge des Beschwerdeverfahrens Interesse am röm. kath. Glauben bekundet und beabsichtigt die Taufvorbereitung zu absolvieren. Die bP brachte in der Beschwerde nicht vor, dass sie deshalb im Falle der Rückkehr in die Türkei Probleme erwartet.
Ihren Angaben in der Erstbefragung nach spricht sie Türkisch und Kurdisch gleich gut, für die Verhandlung wurde ein Dolmetscher für Türkisch beantragt.
Sie verfügt über 11 Jahre türkische Schulbildung und war zuletzt in der Gastronomie unselbständig erwerbstätig. Das Dienstverhältnis hat sie kurz vor der geordneten Ausreise selbst gekündigt.
Sie hat nicht behauptet, dass sie vor der Ausreise nicht in der Lage war für sich und die Familie das zum Leben Notwendige zu erlangen oder, dass dies im Falle der Rückkehr nicht möglich wäre.
Kurz vor ihrer Ausreise wurden ihr auch auf legalem Weg nationale, behördliche Dokumente ausgestellt. Die bP verließ auf legalem Weg, unter Verwendung ihres türkischen Reisepasses, am 19.06.2015 per Flugzeug die Türkei und landete in Serbien. Es kam nicht hervor, dass sie bei der legalen Ausreise aus der Türkei Probleme gehabt hätte.
Auf ihrem weiteren Weg durchreiste sie weitere, als sicher geltende Staaten, wo sie jedoch trotz Möglichkeit keinen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Sie hatte bei ihrer Einreise in das Bundesgebiet auch nicht die Absicht in Österreich um Schutz vor behaupteter Verfolgung in der Türkei anzusuchen, sondern wollte nach Dänemark reisen.
Zum Privat- und Familienleben in Österreich sowie zur Integration:
Die bP reiste ohne Einreise- und Aufenthaltstitel in Österreich ein und wollte Österreich auf dem Weg in das Wunschland Dänemark bloß durchreisen. Sie verfügt über Deutschkenntnisse in etwa auf Stufe A2.
Aus den Aussagen der bP und dem Auszug aus der Grundversorgungsdatenbank sowie einem Sozialversicherungsauszug ergibt sich, dass sie seit Antragstellung von staatlichen Zuwendung zur Finanzierung ihres Lebens in Österreich abhängig ist. Es kam nicht hervor, dass sie einer für Asylwerber erlaubten Erwerbstätigkeit (vgl. https://www.ams.at/_docs/400_Asyl-Folder_DEUTSCH.pdf) zur Erlangung einer gänzlichen oder zumindest teilweisen finanziellen Selbsterhaltung nachging oder nachweislich derartige Bemühungen zur Erlangung der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit setzte.
Die Ehegattin der bP und deren gemeinsames Kind haben ihren eigenen Angaben nach im Jänner 2018 die Türkei verlassen und waren bis April 2018 in Griechenland aufhältig. Da sie zu ihrer Familie (Eltern und Geschwister) nach Österreich wollte, reiste sie weiter und stellte für sich und das Kind am 18.04.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Ehegattin ist ihren Angaben nach syrische Staatsangehörige, das Kind ist durch die Vaterschaft der bP ex lege türkischer Staatsangehöriger. Sie haben in der Türkei sowohl traditionell als auch standesamtlich geheiratet. Sie gab beim Bundesamt in der Einvernahme an nicht zu wissen warum ihr Ehegatte die Türkei verlassen hat und wo sich dieser aufhält. Vor der Ausreise hat die bP die Ehegattin mit der Obsorge in der Türkei für das gemeinsame Kind bevollmächtigt. Die Ehegattin hat die Antragstellung für das gemeinsame Kind mit ihren eigenen Fluchtgründen begründet. In der Einvernahme beim Bundesamt gab die Ehegattin am 18.07.2018 an, dass sie sich von der bP ehestmöglich scheiden lassen möchte. Zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung waren die Verfahren der Ehegattin und des gemeinsamen Kindes noch beim Bundesamt anhängig.
Nach Angaben der bP in der Verhandlung besteht dieser Wunsch nach Scheidung nicht mehr. Nach der Ausreise hatte die bP kaum Kontakt mit dieser aufgenommen und war dadurch das Verhältnis zerrüttet. Seit dem sie in Österreich aufhältig sind (April 2018) hat die bP sie zwei Mal besucht. Ansonsten telefonieren sie gelegentlich miteinander. Die bP gibt an, dass sie auf Grund der gesetzlichen Wohnsitzbeschränkung nicht in gemeinsamen Haushalt leben.
Aus amtswegig getätigten Anfragen betreffend gerichtlicher und verwaltungsstrafrechtlicher Vormerkungen ergibt sich, dass solche nicht aufliegen.
Vereinsmäßig ist die bP nicht aktiv.
Abgesehen von der Ehegattin und deren Familie sowie dem gemeinsamen Kind hat die bP keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Familienangehörige der Ehegattin leben in Österreich.
1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und der zu erwartenden Rückkehrsituation:
Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP die Türkei wegen einer mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohenden asyl- oder refoulementrelevanten Gefährdungslage verlassen hat oder, dass ihr eine solche Gefahr im Falle einer Rückkehr drohen würde.
1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat (Quelle: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Türkei v. 18.10.2018):
Sicherheitslage
Die innenpolitischen Spannungen und die bewaffneten Konflikte in den Nachbarländern Syrien und Irak haben Auswirkungen auf die Sicherheitslage. In den größeren Städten und in den Grenzregionen zu Syrien kann es zu Demonstrationen und Ausschreitungen kommen. Im Südosten des Landes sind die Spannungen besonders groß, und es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und bewaffneten Zusammenstößen. Der nach dem Putschversuch vom 15.7.2016 ausgerufene Notstand wurde am 18.7.2018 aufgehoben. Allerdings wurden Teile der Terrorismusabwehr, welche Einschränkungen gewisser Grundrechte vorsehen, ins ordentliche Gesetz überführt. Die Sicherheitskräfte verfügen weiterhin über die Möglichkeit, die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken sowie kurzfristig lokale Ausgangssperren zu verhängen. Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht das Risiko von Terroranschlägen jederzeit im ganzen Land. Im Südosten und Osten des Landes, aber auch in Ankara und Istanbul haben Attentate wiederholt zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert, darunter Sicherheitskräfte, Bus-Passagiere, Demonstranten und Touristen (EDA 19.9.2018). Im Juli 2015 flammte der Konflikt zwischen Sicherheitskräften und PKK wieder militärisch auf, der Lösungsprozess kam zum Erliegen. Die Intensität des Konflikts innerhalb des türkischen Staatsgebiets hat aber seit Spätsommer 2016 nachgelassen.
Mehr als 80% der Provinzen im Südosten des Landes waren zwischen 2015 und 2016 von Attentaten der PKK, der TAK und des sogenannten IS, sowie Vergeltungsoperationen der Regierung und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der PKK und den türkischen Sicherheitskräften betroffen (SFH 25.8.2016). Ein hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3 des BMEIA) gilt in den Provinzen Agri, Batman, Bingöl, Bitlis, Diyarbakir, Gaziantep, Hakkari, Kilis, Mardin, Sanliurfa, Siirt, Sirnak, Tunceli und Van - ausgenommen in den Grenzregionen zu Syrien und dem Irak. Gebiete in den Provinzen Diyarbakir, Elazig, Hakkari, Siirt und Sirnak können von den türkischen Behörden und Sicherheitskräften befristet zu Sicherheitszonen erklärt werden. Ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) gilt im Rest des Landes.
1,6 Millionen Menschen in den städtischen Zentren waren während der Kämpfe 2015-2016 von Ausgangssperren betroffen. Die türkischen Sicherheitskräfte haben in manchen Fällen schwere Waffen eingesetzt. Mehre Städte in den südöstlichen Landesteilen wurden zum Teil schwer zerstört (CoE-CommDH 2.12.2016). Im Jänner 2018 veröffentlichte Schätzungen für die Zahl der seit Dezember 2015 aufgrund von Sicherheitsoperationen im überwiegend kurdischen Südosten der Türkei Vertriebenen, liegen zwischen 355.000 und 500.000 (MMP 1.2018).
Die Türkei musste von Sommer 2015 bis Ende 2017 eine der tödlichsten Serien terroristischer Anschläge ihrer Geschichte verkraften. Sie war dabei einer dreifachen Bedrohung durch Terroranschläge der PKK bzw. ihrer Ableger, des sogenannten Islamischen Staates sowie - in sehr viel geringerem Ausmaß - auch linksextremistischer Gruppierungen wie der Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) ausgesetzt (AA 3.8.2018). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Mitgliedern bewaffneter Gruppen wurden weiterhin im gesamten Südosten gemeldet. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums wurden vom 2. bis 3. Juli 2015 und 11. Juni 2017 im Rahmen von Sicherheitsoperationen 10.657 Terroristen "neutralisiert" (OHCHR 3.2018). Die Sicherheitslage im Südosten ist weiterhin angespannt, wobei 2017 weniger die urbanen denn die ländlichen Gebiete betroffen waren.
Es ist weiterhin von einem erhöhten Festnahmerisiko auszugehen. Behörden berufen sich bei Festnahmen auf die Mitgliedschaft in Organisationen, die auch in der EU als terroristische Vereinigung eingestuft sind (IS, PKK), aber auch auf Mitgliedschaft in der so genannten "Gülen-Bewegung", die nur in der Türkei unter der Bezeichnung "FETÖ" als terroristische Vereinigung eingestuft ist. Auch geringfügige, den Betroffenen unter Umständen gar nicht bewusste oder lediglich von Dritten behauptete Berührungspunkte mit dieser Bewegung oder mit ihr verbundenen Personen oder Unternehmen können für eine Festnahme ausreichen. Öffentliche Äußerungen gegen den türkischen Staat, Sympathiebekundungen mit von der Türkei als terroristisch eingestuften Organisationen und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 95
auch die Beleidigung oder Verunglimpfung von staatlichen Institutionen und hochrangigen Persönlichkeiten sind verboten, worunter auch regierungskritische Äußerungen im Internet und in den sozialen Medien fallen.
Die marxistisch-leninistische "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) spricht sich für eine revolutionäre Zerschlagung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei aus. Als Hauptfeinde betrachtet die DHKP-C die als "faschistisch" und "oligarchisch" bezeichnete Türkei und den "US-Imperialismus", der die Türkei in politischer, wirtschaftlicher und vor allem militärischer Hinsicht dominiere. Ihr Ziel, die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft in der Türkei, ist laut Parteiprogramm der DHKP-C nicht durch Wahlen zu erreichen, sondern ausschließlich durch den "bewaffneten Volkskampf" unter der Führung der DHKP-C beziehungsweise ihres militärischen Arms, der "Revolutionären Volksbefreiungsfront" (DHKC). Die EU listet sie seit 2002 und die USA bereits seit 1997 als terroristische Organisation.
Die DHKP-C hat ihre terroristischen Aktivitäten in der Türkei im Jahr 2017 zwar fortgesetzt, jedoch ging das Ausmaß im Vergleich zum Vorjahr erneut zurück. Die seit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 weiterhin verschärfte Sicherheitslage in der Türkei und die damit verbundenen umfangreichen staatlichen Maßnahmen hatten unmittelbare Auswirkungen auf die DHKP-C, etwa durch die Festnahme von Mitgliedern (BMIBH 7.2018). So wurden im Jänner 2018 sieben mutmaßliche Mitglieder der DHKP-C in Istanbul verhaftet (Anadolu 9.1.2018). Zudem wurde Anfang 2017 bekannt, dass Mitglieder der DHKP-C bei einem Luftangriff des türkischen Militärs getötet wurden.
Sicherheitsbehörden
Die Polizei übt ihre Tätigkeit in den Städten aus. Die Jandarma ist für die ländlichen Gebiete und Stadtrandgebiete zuständig und untersteht dem Innenminister. Polizei und Jandarma sind zuständig für innere Sicherheit, Strafverfolgung und Grenzschutz.Der Einfluss der Polizei wird seit den Auseinandersetzungen mit der Gülen-Bewegung sukzessive von der AKP zurückgedrängt (massenhafte Versetzungen, Suspendierungen vom Dienst und Strafverfahren). Die politische Bedeutung des Militärs ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Auch das traditionelle Selbstverständnis der türkischen Armee als Hüterin der von Staatsgründer Kemal Atatürk begründeten Traditionen und Grundsätze, besonders des Laizismus und der Einheit der Nation (v. a. gegen kurdischen Separatismus), ist in Frage gestellt.
Am 9.7.2018 erließ Staatspräsident Erdogan ein Dekret, das die Kompetenzen der Armee neu ordnet. Der türkische Generalstab wurde dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der Oberste Militärrat wurde aufgelöst. Erdogan hat auch den Nationalen Sicherheitsrat und das Sekretariat für nationale Sicherheit der Türkei abgeschafft. Ihre Aufgaben werden vom Komitee für Sicherheit und Außenpolitik (Board of Security and Foreign Policy) übernommen, einem von neun beratenden Gremien, die dem Staatspräsidenten unterstehen. Ebenfalls per Dekret wird der Verteidigungsminister nun zum wichtigsten Entscheidungsträger für die Sicherheit. Landstreitkräfte, Marine- und Luftwaffenkommandos wurden dem Verteidigungsminister unterstellt. Der Präsident kann bei Bedarf direkt mit den Kommandeuren der Streitkräfte verhandeln und Befehle erteilen, die ohne weitere Genehmigung durch ein anderes Büro umgesetzt werden sollen. Hiermit soll die Schwäche der Sicherheitskommando-Kontrolle während des Putschversuchs in Zukunft vermieden werden.
Die Gesetzesnovelle vom April 2014 brachte dem MIT erweiterte Befugnisse zum Abhören von privaten Telefongesprächen und zur Sammlung von Informationen über terroristische und internationale Straftaten. MIT-Agenten besitzen von nun an eine größere Immunität gegenüber dem Gesetz. Es sieht Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren für Personen vor, die Geheiminformation veröffentlichen (z.B. Journalist Can Dündar). Auch Personen, die dem MIT Dokumente bzw. Informationen vorenthalten, drohen bis zu fünf Jahre Haft. Die Entscheidung, ob gegen den MIT-Vorsitzenden ermittelt werden darf, bedarf mit der Novelle April 2014 der Zustimmung des Staatspräsidenten. Seit September 2017 untersteht der türkische Nachrichtendienst MIT direkt dem Staatspräsidenten und nicht mehr dem Amt des Premierministers.
Das türkische Parlament verabschiedete am 27.3.2015 eine Änderung des Sicherheitsgesetzes, das terroristische Aktivitäten unterbinden soll. Dadurch wurden der Polizei weitreichende Kompetenzen übertragen. Das Gesetz sieht den Gebrauch von Schusswaffen gegen Personen vor, welche Molotow-Cocktails, Explosiv- und Feuerwerkskörper oder Ähnliches, etwa im Rahmen von Demonstrationen, einsetzen, oder versuchen einzusetzen. Zudem werden die von der Regierung ernannten Provinzgouverneure ermächtigt, den Ausnahmezustand zu verhängen und der Polizei Instruktionen zu erteilen (NZZ 27.3.2015, vgl. FAZ 27.3.2015, HDN 27.3.2015). Die Polizei kann auf Grundlage einer mündlichen oder schriftlichen Einwilligung des Chefs der Verwaltungsbehörde eine Person, ihren Besitz und ihr privates Verkehrsmittel durchsuchen. Der Gouverneur kann die Exekutive anweisen, Gesetzesbrecher ausfindig zu machen (Anadolu 27.3.2015).
Vor dem Putschversuch im Juli 2016 hatte die Türkei 271.564 Polizisten und 166.002 Gendarmerie-Offiziere (einschließlich Wehrpflichtige). Nach dem Putschversuch wurden mehr als 18.000 Polizei- und Gendarmerieoffiziere suspendiert und mehr als 11.500 entlassen, während mehr als 9.000 inhaftiert blieben (EC 9.11.2016). Anfang Jänner 2017 wurden wei